KAPITEL 11
BECKY
Ich schlief nicht gut in jener Nacht. Ich war viel zu aufgeregt, weil ich am nächsten Tag den wunderschönen Baruch wiedersehen würde.
Als wir zurückkamen, war der kleine Laden geschlossen, was eine gewisse Panik bezüglich der Pläne für den nächsten Tag in mir aufsteigen ließ. Denn wenn Baruch aus irgendeinem Grund am nächsten Morgen nicht im Laden sein würde, hätte ich keine Möglichkeit, ihn zu finden.
Mum, der natürlich nicht entgangen war, wie überdreht ich war, fragte mich ein paar Mal, ob alles in Ordnung sei. Ein- oder zweimal war ich versucht, ihr alles zu erzählen. Aber da ich mir Sorgen machte, wie lächerlich ich dastehen würde, wenn es doch schiefging, sagte ich kein Wort.
Am nächsten Morgen war ich schon kurz nach acht auf. Mum saß wie jeden Morgen bereits draußen und trank Tee.
»Du bist früh auf«, sagte sie.
»Ich weiß«, erwiderte ich. »Der Hunger hat mich geweckt. Mir knurrt der Magen. Ich laufe noch mal schnell zu dem kleinen Laden. Möchtest du irgendwas haben?«
Mum schüttelte den Kopf. »Wir haben Brot und Marmelade und dieses Müslizeug, das du gekauft hast.«
Ich zerbrach mir gerade den Kopf, was ich vernünftigerweise sonst noch fürs Frühstück kaufen könnte, als Mums Telefon klingelte. Sie nahm es vom Tisch, warf einen Blick auf den Bildschirm und legte es wieder zurück.
»Wer ist es?«, fragte ich. Erst jetzt fiel mir wieder ein, dass sie Baruch angerufen hatte, als wir angekommen waren – dass sie also seine Nummer hatte und er auch unsere.
Mum zuckte die Achseln. »Irgendeine ausländische Nummer«, sagte sie. »Niemand, den ich kenne.«
»Griechisch?«, wollte ich wissen.
»Ich weiß es nicht.«
Schnell griff ich mir das Telefon und wischte über den Bildschirm. »Hallo?«
»Ist da Becky?« Es war Baruchs Stimme.
»Ja«, antwortete ich und gab mir alle Mühe, cool zu klingen.
»Hast du immer noch Lust, heute was zu unternehmen?«
»Mhm«, antwortete ich und hob einen Finger, damit Mum noch ein paar Sekunden wartete. Sie war nämlich kurz davor, sich zu erkundigen, wer dran war.
»Dann treffen wir uns am Laden«, sagte Baruch. »Um elf, okay?«
»Okay«, sagte ich. »Das klingt gut. Werden wir …?« Aber die Verbindung war bereits unterbrochen.
»Wer um alles in der Welt war das?«, fragte Mum, sobald ich ihr das Telefon zurückgegeben hatte.
»Das«, verkündete ich theatralisch, »war der entzückende Baruch. Er hat mich gefragt, ob ich mit ihm und ein paar Freunden an den Strand gehen will. Hast du etwas dagegen?«
Mum verdrehte die Augen und seufzte. »Würde das irgendetwas ändern?«, fragte sie.
»Ach, jetzt komm schon, Mum. Es ist doch nur für den Nachmittag. Ein bisschen Zeit mit Leuten in meinem Alter. Dann kann ich mal herausfinden, wie echte Griechen wirklich sind. Gegen einen Nachmittag wirst du doch wohl nichts haben, oder?«
»Ja«, erwiderte Mum resigniert. »Ja, ich bin sicher, das geht schon in Ordnung.«
»Danke.«
»Aber eins sage ich dir«, erklärte sie.
»Ja?«
»Du hast Glück gehabt, dass du zuerst am Telefon warst.«
»Wieso?«, wollte ich wissen. »Hättest du in meinem Namen Nein gesagt?«
»Nein«, erwiderte Mum lachend. »Nein, ich hätte in meinem Namen Ja gesagt.«
Ich musste lachen. »Das hätte ihm aber einen ganz schönen Schock versetzt. Meine alte Mum taucht zu einem Date auf.«
»Hey«, entgegnete Mum. »So alt bin ich nun auch noch nicht. Und jetzt ist es also schon ein Date?«
»Nein«, sagte ich. »Nein, es ist genau so, wie ich es gesagt habe. Es ist nur ein Ausflug an den Strand. Ein Stranddate, wenn du so willst.«
»Aber sei vorsichtig. Tu nichts, was ich nicht tun würde. Und lass ihn nicht trinken und dann fahren.«
»Nein«, sagte ich. »Nein, natürlich nicht.«
fleuron
Es war fünf vor elf, als ich die Straßenebene erreichte, und Baruch war bereits dort und plauderte mit seiner Vertretung im Laden. Es war eine hübsche Frau in den Fünfzigern, die unbedingt ihre blonden Haare an den Ansätzen nachfärben musste. Sie musterte mich einmal von Kopf bis Fuß, machte ein Gesicht, als würde sie ein Grinsen unterdrücken, und schickte uns mit einer Handbewegung los.
Während wir die Straße überquerten, fragte ich Baruch, wer sie sei. Ich ging davon aus, dass sie ein weiteres Mitglied seiner weitläufigen Familie sei.
»Das ist Cora«, erwiderte er. »Sie ist einfach jemand, der immer dann arbeitet, wenn ich freihabe.«
Baruch hatte ein altes Motorrad mit einer kräftigen Maschine. Er schwang sich hinauf und sah mich fragend an.
»Äh … und ein Helm?«, fragte ich.
Aus irgendeinem Grund musste er darüber lachen. »Wirklich?«, fragte er, als er schließlich begriff, dass ich es ernst meinte.
»Meine Mum bringt mich um, wenn sie mich ohne einen sieht«, versuchte ich ihm zu erklären, warum ich so eine Spaßbremse war. Aus griechischer Sicht musste ich ein ziemlicher Feigling sein, weil ich gern am Leben bleiben wollte.
Baruch zuckte die Achseln und stieg wieder vom Motorrad, damit er einen Helm aus dem Topcase holen konnte. Es war ein ziemlich verbeultes Ding ohne Gesichtsschutz und mindestens zwei Nummern zu groß für mich. Ich fragte mich ernsthaft, ob ich noch einmal den ganzen Weg nach unten gehen sollte, um die Schlüssel für meinen Roller zu holen, weil sich in dem Topcase mein eigener Helm befand. Ich bezweifelte, dass dieses alte Ding mir großen Schutz bieten würde, außer vielleicht gegen Mums Zorn.
»Er ist ein bisschen groß«, meinte ich und zeigte, wie er auf meinem Kopf hin- und herwackelte.
Aber Baruch saß bereits wieder auf der Maschine und startete den Motor. Also kletterte ich hinter ihn, und als wir die Straße entlangschossen, wurde ich nach hinten geworfen, stieß mich am Topcase und strampelte unwillkürlich mit beiden Beinen in der Luft.
»Himmel!«, rief ich, als er langsamer wurde und mir einen zweifelnden Blick zuwarf.
»Du musst dich festhalten«, sagte er, nahm eine meiner Hände und zog sie an seine Hüfte.
Er nahm genau dieselbe Route, die ich am Tag zuvor gefahren war, nur tat er es zehnmal so schnell. Ich fühlte mich fast ein bisschen berauscht. Und bald kam mir der Verdacht, dass wir zu genau demselben Strand fahren würden. Das war zwar keine besondere Überraschung, da Baruch uns den Strand ja selbst vorgeschlagen hatte, aber ich hatte auch absolut nichts dagegen.
Es war ein herrliches Gefühl, auf dem Sozius mitzufahren. Die Landschaft sauste vorbei, das Motorrad brummte unter uns, und dadurch, dass ich so hoch saß, war der Ausblick noch besser als vorher.
Als wir zum Strand von Perivolos kamen, führte Baruch mich zur prächtigsten von allen Strandbars. Sie war das genaue Gegenteil von jener, für die Mum und ich uns am Tag zuvor entschieden hatten, aber es war einfach toll dort.
Es gab diese mächtigen Strandbetten, die auch für Riesen gereicht hätten, und jedes einzelne besaß einen eigenen Baldachin, der im Wind flatterte und vor der Sonne schützte. Sanfte Elektrobeats wehten von einer luxuriösen Musikanlage herüber.
Einige Freunde entdeckten Baruch und winkten uns herüber. Wir setzten uns zu ihnen auf ihr »Bett« und stopften uns übergroße Kissen in den Rücken, die überall herumlagen. Ich war beeindruckt davon, wie genau meine Lüge zutraf, die ich Mum aufgetischt hatte, um sie zu beruhigen. Denn wir taten genau das, was ich ihr erzählt hatte.
Baruchs Freunde – zwei hübsche Mädchen namens Iona und Agatha und ein sehr junger Mann mit Namen Damon – empfingen mich sofort mit offenen Armen. Niemand fragte mich, warum ich dort sei oder wo Baruch mich ausgegraben hatte. Ich nehme an, auf Santorin war man wegen der vielen Touristen einfach daran gewöhnt, dass immer wieder neue Leute wie aus dem Nichts auftauchten.
Damon zog einen Joint aus der Tasche, was mich, offen gesagt, ein bisschen schockierte, denn eigentlich wirkte er nicht einmal alt genug, um auch nur Zigaretten kaufen zu können. Dann bestellten wir alle bei einem Kellner mit nacktem Oberkörper Drinks. Ich war überrascht, dass ich die Einzige war, die Alkohol wollte – die Griechen entschieden sich alle für geeisten Kaffee –, aber als ich Baruch danach fragte, sagte er mir, dass sie sich einfach nichts anderes leisten konnten. »Wir verdienen hier griechische Gehälter«, sagte er. Er machte eine Kopfbewegung in Richtung meiner Piña Colada und sagte: »Die kostet, was ich verdiene.« Ich war mir nicht sicher, ob er pro Stunde, pro Tag oder pro Woche meinte, aber ich hatte ein schlechtes Gewissen wegen meiner Extravaganz. Ich schwor mir, sie alle zu einem Drink einzuladen, bevor wir aufbrachen.
Der Tag war herrlich und verging wie im Flug. Wir rauchten, wir tranken, wir plauderten (alle sprachen perfekt Englisch) und wir aßen kleine Snacks, die Baruch aus dem Laden mitgebracht hatte – Chips und abgelaufene Sandwiches, denn auch in diesem Fall galt, dass Essen viel zu teuer war.
Wann immer es uns zu warm wurde, gingen wir schwimmen. Als wir wieder einmal im Wasser gewesen waren, saßen Baruch und ich danach in den auslaufenden Wellen.
»Santorin gefällt dir also?«, erkundigte sich Baruch. Er ließ den nassen schwarzen Sand durch seine Finger gleiten und auf seine wunderschönen Füße fallen. Jetzt, da Baruch nur noch eine Badehose trug, stand fest, dass er absolut nichts Enttäuschendes an sich hatte.
»Aber ja!«, erwiderte ich. »Es ist wunderschön. Was für ein Glück, hier zu leben.«
Baruch lachte. »Ich lebe in Athen«, erklärte er. »Ich komme nur über den Sommer her. Um für meinen Onkel zu arbeiten.«
»Ah«, sagte ich. »Dann kannst du dich sehr glücklich schätzen, im Sommer hier zu leben. Was machst du in Athen?«
Er zuckte die Achseln. »Alles Mögliche«, antwortete er. »Was immer ich finden kann. Die Zeiten sind hart im Moment, weißt du? Ich hab als Kurier gearbeitet, auf dem Motorrad, als Taxifahrer … Letztes Jahr habe ich meinen Abschluss in Philosophie gemacht, aber heutzutage gibt es nicht viele Jobs für Philosophen.«
Ich nickte. »Meine Güte«, sagte ich. »Das muss ganz schön schwierig für dich sein.«
Baruch zuckte die Achseln. »Ich gehe philosophisch damit um«, meinte er.
Ich lachte. »Sehr gut! Du meinst also, dass sich die Dinge zum Besseren wenden werden? Nach der Rettungsaktion durch die EU.«
»Wer weiß?«, sagte Baruch.
Einen Moment saßen wir schweigend da und ich fragte mich, ob ich etwas Falsches gesagt hatte. Aber dann wollte er wissen: »Bist du zum ersten Mal auf der Insel?«
»Ja«, erwiderte ich. »Sozusagen zumindest.«
»Sozusagen?«
»Ich bin hier gezeugt worden, in Oia«, erzählte ich ihm und wackelte vielsagend mit den Augenbrauen. »Meine Mum hatte hier vor vierundzwanzig Jahren einen Urlaubsflirt und ist schwanger geworden. Deswegen bin ich in gewisser Weise schon mal hier gewesen. Ich war nur noch nicht geboren.« Ich denke, ich wollte einfach nur den Gedanken eines Urlaubsflirts in Baruchs Kopf verankern. Bisher war der Tag zwar herrlich gewesen, aber absolut platonisch.
»Wow«, meinte Baruch. »Und dein Vater?«
»Keine Ahnung«, sagte ich. »Vielleicht jemand von der Insel. Ich weiß keinerlei Einzelheiten.«
Baruch grinste.
»Was?«, fragte ich.
»Mein Onkel könnte dein Vater sein«, sagte er. »Er war, weißt du … wie sagt man das? Er mochte die Frauen. Verstehst du?«
»Ein kleiner Casanova?«
Baruch lachte. »Ja. Ja, ein bisschen ein Casanova.«
»Aber nein«, erklärte ich. »Leider nicht. Mein Vater ist gestorben. Wer immer er auch war, er ist, kurz nachdem die beiden sich kennengelernt haben, gestorben. Bei einem Autounfall, glaube ich, während sie noch auf Santorin waren. Deswegen sind wir ganz sicher nicht verwandt.« Diese mögliche Hürde wollte ich ganz schnell aus dem Weg räumen. Er sollte nicht denken, dass wir am Ende noch Cousin und Cousine waren.
»Ach je«, meinte Baruch und sein strahlendes Lächeln schwand. »Das ist eine traurige Geschichte.«
Ich zuckte die Achseln. »Ich sehe das philosophisch.«
Er legte einen Arm um meine Schultern, und weil es sich gut anfühlte und es das erste Mal an diesem Tag war, dass er mich berührte, biss ich mir auf die Unterlippe und nickte traurig. Ich fand es ein bisschen unanständig von mir, ein solches Thema auszunutzen, aber es bot einem sowieso schon nicht viele Vorteile, einen toten Vater zu haben. Sollte wenigstens eine kleine Kuschelei für mich dabei herausspringen, würde ich mir die Gelegenheit ganz sicher nicht entgehen lassen.
Mein kleiner dramatischer Auftritt schien auch tatsächlich seine Wirkung zu tun, denn er zog mich an sich, damit ich meinen Kopf an seine Schulter lehnen konnte. Sanft streichelte er mir dabei meinen nackten Arm. Dann seufzte er sanft. »Weißt du …«, sagte er.
»Ja?«, fragte ich.
Er räusperte sich. »Ich denke …«, begann er.
Und genau in diesem Moment wurde Wasser über uns ausgegossen. Sofort sprang Baruch auf und rannte wie ein Olympionike über den Strand, um den Schuldigen zu fassen zu bekommen und unter Wasser zu drücken. Es war Damon. Und er lachte wie eine Hyäne.
»Damon, du dämlicher Hund«, murmelte ich.
fleuron
Als wir gegen fünf den Strand verließen, war ich immer noch nicht weiter, was eine körperliche Annäherung an Baruch anging. Da seine Freunde ständig anwesend waren, hatte es dafür keinerlei Gelegenheiten gegeben. Aber ich war mir sicher, dass ich es zumindest versuchen wollte. Er war den ganzen Tag so freundlich und lustig und bemüht gewesen. Und inzwischen gefiel er mir noch besser als am Anfang, was in meinem Fall eher die Ausnahme ist. Viel zu oft werden die Hübschen mit der Zeit immer weniger hübsch, je besser du sie kennenlernst.
Baruch hatte erklärt, dass er früh nach Hause müsse, um seine Großmutter noch zum Arzt zu bringen. Obwohl das einen guten Eindruck auf mich machte, was seine Werte im Leben anging, war ich doch ziemlich enttäuscht, als ich mich schon um sechs Uhr abends vor dem kleinen Laden wiederfand.
»Und wann hast du deinen nächsten freien Tag?«, fragte ich ihn und gab ihm den Helm zurück.
»In einer Woche«, erwiderte Baruch. »Leider nur ein freier Tag in der Woche.«
»Aber in einer Woche bin ich weg«, stöhnte ich und klang wie ein quengeliges kleines Kind.
Baruch zuckte die Achseln. »So ist das Leben, was?«, meinte er.
Ich blickte ihm in die Augen. Ich gab mein Bestes, um das Bild dessen, worauf ich so sehr hoffte, in seinen Kopf zu beamen. Und offensichtlich funktionierte es, denn er sagte: »Ich könnte später noch bei dir vorbeikommen. Gegen zehn oder so.«
»Mum wird da sein«, erinnerte ich ihn.
»Natürlich.«
»Und bei dir?«
»Hier in Santorin wohne ich bei meinem Onkel«, erklärte er. »In Athen hab ich eine Wohnung, aber hier wohne ich bei meinem Onkel. Und seiner Frau. Und ihren Kindern.«
»Klar«, sagte ich.
»Morgen kann ich ein bisschen früher aufhören. Wir können Eis essen gehen, wenn du möchtest.«
»Eis?«
»Ja. Magst du kein Eis?«
»Sicher ja«, erwiderte ich. »Sicher, ich liebe Eis.«
»Gegen acht?«, schlug Baruch vor.
»Ja«, sagte ich. »Vielleicht neun? Dann kann ich noch mit Mum essen. Sonst fühlt sie sich abgeschoben.«
»Dann um neun«, sagte Baruch. »Treffen wir uns hier?« Er beugte sich vor, um mich zu küssen. Es war nur ein Küsschen auf die Lippen, aber sein Grinsen schien so viel mehr zu versprechen. »Okay«, sagte er und warf einen Blick auf seine Uhr. »Jetzt muss ich aber wirklich los, sonst verpasst sie noch ihren Termin. Wir müssen um halb sieben in Fira sein.«
»Du bringst sie doch nicht auf dem Ding dahin?«, fragte ich und deutete mit einer Kopfbewegung auf das Motorrad.
»Natürlich«, antwortete Baruch. »Wieso nicht?«
Während ich die Stufen zu unserer Unterkunft hinunterlief, fragte ich mich zum ersten Mal, was ich mir bei der ganzen Sache eigentlich dachte. Denn es lag doch wohl auf der Hand, dass ich mit Baruch keine Zukunft hatte. Nicht, wenn ich zurück nach Margate fuhr und er nach Athen. Benahm ich mich schlampig, fragte ich mich, weil ich mir einen Urlaubsflirt wünschte? Oder war ich einfach freiheitsliebend? Oder bloß dämlich? Folgte ich irgendeiner genetischen Prädisposition: den gleichen Umständen, die zu meiner Zeugung geführt hatten? Versuchte ich einfach nur irgendwie zu verstehen, was geschehen war – indem ich einen Urlaubsflirt mit Baruch benutzte, um herauszubekommen, wie ich entstanden war? Oder war es alles viel einfacher? Lag es einfach daran, dass er so verdammt gut aussah?
Eins war jedenfalls sicher, mein Verlangen nach ihm ließ in keiner Weise nach. Ganz im Gegenteil. Schon beim bloßen Gedanken an ihn wurden meine Knie ganz weich.
Als ich unser Zimmer erreichte, war es abgeschlossen. Ich öffnete die Tür mit meinem Schlüssel und fand einen Zettel von Mum, auf dem stand, dass sie unten an den »Gefürchteten Stufen« war, um etwas zu schwimmen. Und dass ich doch nachkommen sollte, wenn ich früh genug wieder da sei. Also griff ich nach meiner Tasche und machte mich erneut auf den Weg.