1. Akt

Eine Wellness-Oase. Springbrunnen, Windspiele, Schuhgeschäfte. Wird durch schnelle Live-Umbauten später zu Arbeitsstelle, Zuhause etc.

Licht an. Die Damen, bereits im Raum, bekommen Behandlungen, probieren Klamotten an, Frisuren etc.

Musik: The Stranglers, «Golden Brown».

FRAU TÖSS

Verstörend, wie riecht es denn hier?

FRAU GRAU

Alter? Elend? Verzweiflung? Suchen Sie sich was aus.

MANN

Nicht wahr, die Schokowickel duften besonders – nachhaltig.

So, meine Damen, mit wenigen Handgriffen, die ich Ihnen heute zeige, gelingt es jeder Frau, ihren leicht störenden Eigengeruch zu überdecken.

FRAU GRAU

Was sind denn Sie für ein Vogel?

MANN

Nennen Sie mich einfach Horst. Ich bin heute nur für Sie da. Einen Tag, ein volles Verwöhnprogramm lang!

FRAU TÖSS

Wenn ich gewusst hätte, dass unsere Behandlung von einem Mann, also … äh … behandelt wird – ich hoffe, ich rieche nicht nach Schweiß.

MANN

Keine Sorge. Ich arbeite fast nur mit Frauen.

FRAU TÖSS

Was meinen Sie damit?

MANN

Na, was meine ich wohl damit? Meine Liebe, jetzt probieren Sie bitte diesen Rock beherzt an, die Farbe ruft ja nach Ihnen!

FRAU GRAU

Da ist er sicher einiges gewöhnt, das meint er.

MANN

Entzückend, dieser Materialmix aus glattem Stoff und Ihrem eher unruhigen Fleisch. Sehr hübsch und feminin, im Sinne von: absolut begehrenswert.

FRAU LUHMANN

Ist die Bezeichnung Schokowickel eigentlich politisch korrekt?

FRAU GRAU

Dieser wundervolle Tag, an dem die fortschrittliche westliche Welt die Frauen feiert. Voller Ehrfurcht gefriert vielen Männern die Faust, die sie gerade in ihrer Gattin platzieren wollten, in der Luft; der eine oder andere, der eben noch schnell seine Tochter lieben wollte, hält inne und denkt: Auch sie wird einmal eine Frau werden, eine Verliererin. Dieser Tag, an dem sich Männer besinnen und murmeln: Sie hat zwar weniger Kraft, ich mag sie nicht, aber vielleicht ist sie ein menschliches Wesen. Und wir werden, fernab all dieser Momente, von jemandem behandelt, der Horst heißt.

FRAU TÖSS

Sie sehen mir, mit Verlaub, nicht so aus, als ob Sie wählerisch sein könnten. Gibt es hier einen Jacuzzi?

MANN

Herrlich! Das wird ein Badespaß. Ich lasse Ihnen gleich Wasser ein, darin werden Sie sich wunderbar leicht fühlen.

FRAU GRAU

Nichts gegen Sie, Horst, aber ich sähe gerne Ihre Qualifikationen.

MANN

Staatlich geprüfter Masseur, Fitnesstrainer, Stilberater, Hair-Make-Up-Artist und eine Weiterbildung als Hormonexperte und Therapeut. Da sind fast alle Frauenleiden abgedeckt, was?

FRAU GRAU

Gleichwohl würde ich Ihnen raten, zu überprüfen, ob es wirklich Wasser ist, das da in die Wanne rinnt, es riecht einfach seltsam hier.

FRAU TÖSS

Das Leben hat Sie aber sehr misstrauisch werden lassen. Ich hoffe, dass ich mir auch in Ihrem hohen Alter meine kindliche Naivität bewahren kann.

MANN

So, jetzt aber ab ins Algenbad. Wie sagte Beckett so schön: Wenn Frauen nicht mehr wissen, was sie tun sollen, ziehen sie sich aus, und das ist wahrscheinlich das Beste, was Frauen tun können.

FRAU GRAU

Ich wusste nicht, dass der so lustig war.

FRAU TÖSS

Ich liebe es, meinen Körper durch die bewegte Wasseroberfläche zu betrachten. Er strahlt dann so eine überirdisch irisierende Sexualität aus.

FRAU MERZ-DULSCHMANN

Mein Mann wird heute noch von meiner irisierenden sexuellen Ausstrahlung erregt, wenn ich in der Badewanne bin.

FRAU TÖSS

Deckt er Ihr Gesicht in dem Fall mit einem Lappen ab?

FRAU MERZ-DULSCHMANN

Woher wissen Sie das?

FRAU TÖSS

Ich hatte mal einen Freund, der legte mir immer ein Tuch aufs Gesicht, wenn mein Körper irisierend im Wasser schwamm.

FRAU MERZ-DULSCHMANN

Hatte er auch eine Marienfigur im Badezimmer aufgestellt?

FRAU LUHMANN

Ich fühle mich in der Badewanne immer angenehm unsichtbar. Seltsamerweise stört mich die mangelnde Aufmerksamkeit der Menschen außerhalb wohltemperierten Badewassers. Ich bekomme mein Sein einfach nicht in einen Zusammenhang mit der Welt, die mich missachtet. Obwohl ich mir immer sage, dass es ja eine Albernheit wäre, bedächten sich alle sieben Milliarden Erdbewohner mit einer überbordenden Aufmerksamkeit, fühle ich doch eine Kränkung. Wozu habe ich Gefühle, die nach Wahrnehmung verlangen, wenn das für die menschliche Rasse gar nicht vorgesehen ist? Warum habe ich das verdammte Gefühl, eine unsichtbare Wurst zu sein und keine Scheißbeachtung zu erhalten, von niemandem?

MANN

Aha. Sehr schön.

So, Frau Merz-Dulschmann, was machen wir denn mit Ihrem Haar. Etwas Mädchenhaftes?

FRAU MERZ-DULSCHMANN

Wie haben Sie das erraten? Ich bezeichne mich ja eher als mädchenhaften Typ.

FRAU GRAU

Eher als … was?

FRAU MERZ-DULSCHMANN

Als Frau fühlt man sich doch nicht. Das ist ja mehr etwas wie …

FRAU GRAU

Eine Behinderung?

FRAU MERZ-DULSCHMANN

Mit solchen … ähm … wie Ihnen konnte ich noch nie reden. Am Ende des Lebens werden Sie erfahren, dass einem eine Karriere keine Rosen auf den Sarg werfen kann.

MANN

Wunderhübsche Haare. So, ähm, fein. Fast schimmert Ihre Kopfhaut durch. Färben Sie selbst?

FRAU MERZ-DULSCHMANN

Ich färbe nicht. Ich schminke mich auch nicht. Die Natur ist doch der größte Künstler.

MANN

(fummelt an den Haaren) Man kann Frauen gestalten und formen, wie einen Klumpen Lehm. Herrlich. Ich liebe das schöne Geschlecht.

FRAU LUHMANN

Mein Geschlecht hab ich mir jetzt noch nie so genau angesehen. Es scheint aber, wenn ich der Werbeindustrie Glauben schenken will, eine sehr undichte Sache zu sein. Vor Frauengeschlechter gehört ja im Zweifel immer etwas, was mit Saugkraft zu tun hat.

MANN

Frauen erzeugen in der Werbung besonders hohe Stimulationswerte, nicht wahr. So sieht das sehr hübsch aus …

FRAU TÖSS

Lassen Sie die Haare so, das sieht wirklich frech aus. Fast stupsnasig.

FRAU LUHMANN

Sagten Sie stupsnasig?

FRAU GRAU

Ich würde mich gerne über die Motorhaube eines Fahrzeugs legen, um das Sexzentrum des Mannes zu stimulieren, das verrückterweise mit seinem Aggressionszentrum verknüpft ist, wenn ich Ihnen das hier einmal zeigen darf (zeigt das), um ihn im Anschluss an einer Leitplanke hängen zu sehen.

FRAU MERZ-DULSCHMANN

Sie haben etwas seltsam Belehrendes an sich …

FRAU GRAU

Der Eindruck entsteht leicht, wenn eine Frau redet.

FRAU MERZ-DULSCHMANN

Ich vermute eher, Ihr Lebensentwurf macht eine unangenehme Aussage.

FRAU LUHMANN

Interessant. Das habe ich, ähnlich formuliert, oft von Partnern gehört. Die mich verlassen haben. Sie umschrieben den Zweifel an meiner Lebensgestaltung mit Sätzen wie:

MANN

(als Expartner) Du bist zu gut für mich.

Wir haben uns auseinander gelebt.

Du hast etwas Besseres verdient.

(Zu sich) Damit meinten sie: Warum soll ich mit dir zusammen sein, du bist traurig, bitter, verzweifelt – so beschreiben wir übrigens alle Frauen über, ähm. Verbitterte Frauen. Es gibt keinen Grund für uns, bei ihnen zu wohnen, mit ihnen aufzuwachen, die Falten an ihren Hälsen zu betrachten, denn wir sind in der biologischen Gewinnerposition. Wir sind Männer, wir haben Zeit. Wir haben Testikel, die eins a funktionieren. Wir sind Kapitalismus.

FRAU GRAU

Dieser Endkapitalismus, der von Ihren Testikeln ausgeht, hat so etwas Unangenehmes.

MANN

Meine Testikel machen keine Aussage, die Sie verstehen können. Die Frau ist ein menschliches Wesen, das sich anzieht, schwatzt und sich auszieht. Sagte schon Voltaire.

Ich würde den Rock hier noch etwas höher nehmen.

FRAU TÖSS

(betrachtet ihr neues Kleidungsstück) Diese Länge betont die Knie aber sehr schön.

FRAU MERZ-DULSCHMANN

Knie, Achseln, ach, ihr unverständlichen Stellen des Leibes.

FRAU LUHMANN

Unsere Körperteile scheinen dauernd eine Aussage machen zu müssen. Der geschmeidige Hals, die filigranen Füße, der sanft gewölbte Bauch, der straffe Hintern – kein Körperteil kann einfach mal die Klappe halten und nur seine Funktion erfüllen.

FRAU TÖSS

Also, meine Liebe, Ihre Körperteile sind doch außerordentlich zurückhaltend. Ich bemerke sie kaum.

MANN

Könnten Sie sich vielleicht entspannen und die Maske einwirken lassen?

FRAU LUHMANN

Das ist keine Maske. Das sind Verbitterung gewordene Gesichtszüge.

FRAU GRAU

Als ich jung war, träumte ich von einer frauendominierten Welt. Heute weiß ich nicht mehr so recht …

FRAU TÖSS

Entspann dich. Das sagt mein Mann, der mit einer anderen Frau verheiratet ist, auch immer. Genieß doch einfach die Zeit, wenn ich da bin. Er sagt:

MANN

(als Geliebter) Lass dich einfach mal fallen und treiben. Die meisten Frauen fühlen sich sehr wohl als Geliebte. Sie haben den Spaß, die Ehefrauen die Socken. Es gibt unendlich viele Bücher zu dem Thema.

FRAU LUHMANN

Es gibt auch Bücher von Frauen, die sich gerne als Pony über den Markt führen lassen. Das bedeutet ja nichts. Es macht doch keine Aussage über mich, wenn Ponys über Freiflächen laufen.

FRAU TÖSS

(singt) Wenn Pferde von der Liebe reden,

Beim Äsen sanft auf grünem Grund,

Wenn Frauen sich die Augen weinen

In jeder Nacht, vor Trauer wund,

Weil sie nicht an der Heizung schlafen,

Ist ihnen kalt, sie sind allein,

Sie warten auf den Mann der andern,

Er kommt wohl nicht, sie kratzt ihr Bein,

Um etwas außer Leid zu fühlen,

Weil, da wird wirklich keiner

am Ende mit im Sarg wohl sein.

FRAU MERZ-DULSCHMANN

Ich finde es wichtig, etwas für mein Äußeres zu tun. Nur weil ich über, ähm – vierzig bin, muss ich mich ja nicht gleich gehen lassen.

FRAU TÖSS

Seltsam, das sieht man gar nicht, meine Liebe. Ihre Bemühungen, attraktiv zu sein, verhallen im Nichts. Da ist nur eine ältere, müde Frau, die eindeutig ihrer Vermehrungsaufgabe nachgekommen ist und nun die Zeit abwartet, bis ihre Kinder sie nicht im Pflegeheim besuchen.

MANN

Verstörend, wie bissig Frauen sich benehmen, sobald ein männlicher Knochen in ihrer Nähe liegt.

FRAU TÖSS

Apropos Knochen: Männer lieben Knie! Sie können ihre Hände darauf ruhen lassen, als seien es Schaltknüppel. Funktionieren diese Wickel wirklich gegen Cellulite?

MANN

Sie haben doch keine Cellulite!

ALLE

(lautes ausuferndes Lachen)

FRAU MERZ-DULSCHMANN

Also wenn ich mich da kurz einmischen darf …

ALLE

Nein!

FRAU MERZ-DULSCHMANN

Das ist absolut unpassend.

FRAU TÖSS

Was meinen Sie, bitte?

FRAU MERZ-DULSCHMANN

Ich meine, das Kleid, die Länge, also die Kürze. Ohne Ihnen zu nahe treten zu wollen, Sie sind doch sicher über, äh –

FRAU TÖSS

Die Kürze einer Textilie steht doch nicht in antagonistischem Verhältnis zu meinem Alter. Sehen Sie, wie durchtrainiert diese Beine sind? Ich rauche nicht, trinke selten, und wenn, dann nur allein.

FRAU GRAU

Nun gut. Sagen wir einmal, Sie haben erstklassige Beine, aber was fangen Sie damit an, in Ihrer Wohnung, allein, an einem, sagen wir, verregneten Wochenende?

FRAU TÖSS

Ich dachte, mit einem schönen Knie und interessanten Sexualpraktiken würde es mir gelingen, jemanden zu halten, der mit mir gegen die Welt steht.

FRAU LUHMANN

Sie passen doch nicht in das Portfolio eines freundlichen Mannes in Ihrem Alter. Sie versprechen keinen Profit, keine soziale Anerkennung und keinen Lustgewinn.

MANN

(zu Frau Töss) Oder vielleicht doch einen Anzug? Der Gentleman-Look mit femininen Details gehört ins Repertoire eines intelligent geführten Kleiderschranks.

FRAU LUHMANN

Das Problem kenne ich. Mein Kleiderschrank ist intelligenter als ich. Nachts rede ich mit ihm ab und zu. Aber ich verstehe ihn nicht immer.

KLEIDERSCHRANK

Der Mensch ist der Nachbar des Seins, Metaphysik ist das Hinausfragen über das Seiende, um es als solches und im Ganzen für das Begreifen zurückzuerhalten.

FRAU GRAU

Kleiderschränke sieht man noch eher in der Funktion politischer Kommentatoren als Frauen.

FRAU MERZ-DULSCHMANN

Nun, wenn Sie mich fragen –

ALLE

Nein!

FRAU MERZ-DULSCHMANN

– ich würde mit über vierzig keine sexuellen Botschaften mehr übermitteln, die ich organisch nicht einzuhalten in der Lage bin.

FRAU TÖSS

Keine Ahnung, wovon Sie reden. Mein Zyklus spricht da deutlich eine andere Sprache.

FRAU GRAU

Sie sind, bei allem Respekt, für die Evolution nicht mehr zu gebrauchen. Strengen Sie sich lieber an, dass Sie Ihren Arbeitsplatz behalten. Draußen herrscht ein Verteilungskrieg.

FRAU LUHMANN

Ich habe keine Lust mehr, neben dem Krieg, der in meinem Körper stattfindet, auch noch um eine Arbeit zu kämpfen, die dazu dient, diesen Körper am Leben zu halten, der nur dazu auffordert, dass Männer mich unbefriedigt und verbittert nennen. Der dazu taugt, ein Untersuchungsobjekt für galoppierende Cellulite zu sein. Das will ich doch mit dem Verkauf meiner Arbeitskraft, mit Selbstausbeutung und Marathonlaufen, bitte sehr, nicht in einer Form halten, die dem Körper ermöglicht, noch nach Eintritt des Rentenalters am Funktionieren zu sein, um noch möglichst lange in einem Altenwohnheim zu sitzen.

MANN

Neben Pflege von Geist und Körper ist auch die Aktivität ein unverzichtbarer Stein im Fundament einer funktionalen kapitalistischen Gesellschaft. Darum haben wir einige lustige Spiele für freche Frauen vorbereitet, die uns dank unserer Sponsoren ermöglicht wurden.

Schuhe und Handtaschen regnen von der Decke. Frauen völlig ohne Reaktion darauf.

FRAU GRAU

Unbegreiflich, wie es zu diesem Missverständnis kam. Dieser Irrglaube der Industrie, unsere Wut ließe sich mit Lederwaren regulieren. (Zum Mann) Himmel, zuppeln Sie doch nicht so an mir herum!

FRAU LUHMANN

Schuhe und Taschen anstelle von Macht. Wie niedlich.

MANN

War ein Versuch. So, jetzt bekommen Sie eine Tiefenmassage.

FRAU TÖSS

Das Einzige, was im Zusammenhang mit einer Frau tief sein kann …

MANN

Die muss ein wenig kräftig sein, damit sie auf das schwache weibliche Bindegewebe einwirken kann.

FRAU MERZ-DULSCHMANN

Das Bindegewebe, Davon kann ich ein Lied singen.

(singt) Die Haut war welk am Knochen dran,

Fast von Geburt, so will ich meinen.

Ich kam bei Männern mäßig an,

Drum bin ich froh, dass ich den Heinz hab.

Der gute Mann, dass ihm nicht schwindelt,

Denn aus der Frau läuft’s immer raus.

Wir brauchen Binden, Stöpsel, Windeln,

wir riechen, und wir sind ein Graus.

Ich bin so froh, dass ich den Heinz hab,

Denn schöner wird nun gar nichts mehr.

Die Haare dünn, die Falten Krater,

Auch sind die Eierstöcke leer.

Die Frauen sind die schwache Rasse,

Wir jubeln, wenn der Kuchen schmeckt,

Und wenn das Haus, die Kinder funkeln,

Dann lachen wir, dann ist’s perfekt.

FRAU LUHMANN

An manchen Tagen kann ich vor Wut kaum laufen.

FRAU MERZ-DULSCHMANN

Geschwollene Füße. Das kenne ich.

FRAU LUHMANN

Politiker, Chefredakteure, Fernsehratsvorsitzende, Wissenschaftler, Philosophen, Wirtschaftsbosse, Schriftsteller, Chefärzte, Intendanten, Männergruppen, Bankchefs betrachten belustigt, so wie man einem Babyterrier beim Spielen zuschaut, Frauen, die mit hysterischen Stimmen darüber streiten, ob es ein Zeichen von Befreiung ist, ihre Orangenhaut zu zeigen.

MANN

Ach Gottchen, diese Selbstüberschätzung. Wir beobachten Frauen nur, wenn es um sexuelle Funktionen geht, die Damen erfüllen sollen. Wären Sie doch nur ein wenig charmanter. Wie die Frauen in amerikanischen Filmen, die hübsch aussehen, singen und dennoch ihr süßes Köpfchen durchsetzen, nicht? Also, was machen wir mit Ihrem Köpfchen, Frau Luhmann?

FRAU LUHMANN

(zeigt Zeitschrift) Ich hatte mir so etwas vorgestellt.

MANN

Margaret Thatcher. Sehr gut. Das steht Ihnen sicher.

FRAU TÖSS

Heinz, der Name sagt mir was.

Finden Sie es übrigens passend, die Haare offen zu tragen mit – Sie gehen auf die fünfzig zu, nehme ich an?

Also ich würde jeder Frau Ihres Alters raten, das Haar kinnlang zu tragen und aufzuhellen, um harte Kontraste zu vermeiden, Sie wollen doch frisch, aber nicht aufdringlich peinlich wirken.

FRAU MERZ-DULSCHMANN

Sind Sie Frisöse, oder was?

FRAU TÖSS

Töss. Anwältin für Schadensfälle.

FRAU GRAU

Da sind Sie ja hier genau richtig. Gestatten: Grau, klinische Pathologin.

FRAU TÖSS

Erheiternd. Genießen Sie Ihren Wellness-Tag. Eine Pathologin steht zu Ihrer Verfügung.

FRAU LUHMANN

Luhmann. Angestellte. Einfach nur angestellt. In einem sich selbst regulierenden Betrieb. Alleinerziehend.

FRAU MERZ-DULSCHMANN

Merz-Dulschmann. Hausfrau und Mutter. Mein Mann liebt mich mit offenem, langem Haar.

FRAU TÖSS

Interessant, meine Liebe, sagt er das? Sagt er Ihnen: «Öffne dein langes Haar für mich»?

FRAU MERZ-DULSCHMANN

Er sagt es immer. Also, hat gesagt. Nun sind ja auch die Kinder – interessante Maske haben Sie da.

FRAU LUHMANN

Das ist keine Maske!

FRAU TÖSS

Ein Wellness-Erlebnis zum Frauentag. Man bekommt doch nichts geschenkt.

FRAU GRAU

Wellness, Wellness. Dieses Wort verursacht mir ein Jucken auf der Kopfhaut. Ich möchte mir meine Haare auskratzen, und in der Glatze würde sich dann meine verstorbene Mutter spiegeln. Wellness, ha, und dann steht da eine Badewanne, in der Rosenblätter schwimmen, und man bekommt einen Wickel.

MANN

Kaya Yanar sagt, Frauen beurteilen Männer nach dem Geruch: Am besten, er stinkt nach Geld.

FRAU GRAU

Ich wusste nicht, dass der so lustig war.

FRAU TÖSS

Sie sind auch alle alleinstehend, nehme ich an?

FRAU MERZ-DULSCHMANN

Ich bin seit zwanzig Jahren glücklich verheiratet.

FRAU LUHMANN

Der ist gut!

FRAU TÖSS

Helfen diese Stromstöße wirklich gegen Cellulite?

MANN

Ich kann rasch einmal Ihren BMI errechnen. Bei fehlenden Gliedmaßen muss man bei seiner Berechnung von einem «theoretischen» Körpergewicht ausgehen. Je nach Grad der Amputation verwendet man dafür verschiedene Korrekturwerte. Dieser BMI-Rechner bietet die Möglichkeit, verschiedene Amputationsgrade bei der Berechnung zu berücksichtigen.

FRAU LUHMANN

Ich bin nicht amputiert, meine Beine sind nur nicht ausufernd lang.

MANN

So, ja, also Frau Merz-Dulschmann, Ihre mädchenhafte Frisur wäre dann so weit. Die Bedeutung der Haare als expressives Stilmittel macht mit zunehmendem Lebensalter allmählich inneren Werten Platz, wenn das weibliche Geschlecht erkennt, wo die Möglichkeiten und Grenzen des eigenen Typus liegen.

FRAU LUHMANN

Demzufolge haben Dunkelhaarige beim ersten Eindruck einen leichten Wettbewerbsnachteil. Das wohlwollende Auge des männlichen Betrachters bleibt eher an Goldtönen hängen.

FRAU TÖSS

Gerade für junge Frauen sind Haare ein wichtiges Experimentierfeld auf der Suche nach der eigenen Identität.

FRAU GRAU

Meine Haare sind nicht Bestandteil eines Wettbewerbs.

Ich möchte mich kurz ausruhen.

FRAU TÖSS

Frau Merz-Dulschmann, diese Frisur verhält sich diametral zu der Aussage, die Sie mit Ihrem Gesicht machen.

FRAU GRAU

So, das war alles sehr nett. Ich würde dann jetzt langsam wieder nach Hause gehen und mich ein wenig in Klaus Lechners atemberaubendes Buch «Hämatologie und Hämostaseologie» versenken. Oder hatten Sie noch etwas geplant?

MANN

Maniküre, Pediküre, Epilation, Brasilien-Waxing, Augenbrauenformen, Besenreißerspritzen, ein wenig Liposuktion und Botox.

FRAU GRAU

Vielen Dank, ich würde dann jetzt lieber sterben. Apropos, wie riecht es hier eigentlich?

MANN

Nett, dass Sie es ansprechen. Ein zartes Vanillearoma. Das erinnert die Menschen an ihre Kindheit. Und lässt Sie, verehrte Damen, diesen Tag mit allen Sinnen genießen. Noch einmal herzlich willkommen im Namen unserer Regierung, die alle Frauen unseres Landes als Dankeschön für ihre unermüdlichen …

FRAU GRAU

Recht beißend im Abgang, dieser Geruch.