Arbeit
Musik: Sisters of Mercy, «1959».
Alle können gemeinsam oder abwechselnd sprechen.
ALLE
Das HERRLICHE …
MANN
Herrlich ist ein herrliches Wort, ich verwende es so oft wie möglich.
ALLE
… an unserer Zeit ist, dass wir die Chance haben, berufstätig sein zu dürfen, wenn wir uns anderweitig nicht verwirklichen können. Um unsere Chance wahrzunehmen, müssen wir uns mit dem Wissen von Männern auffüllen. Das Gefühl einer Unterlegenheit wird sich jedoch nicht beseitigen lassen, denn es geht darum, anerkannt zu werden.
Wir wissen nur nicht, als was.
In der Ausbildung, dem Studium, dem Scheiß-doch-drauf sind wir noch voller Hoffnung, denn da liegt das Berufsleben vor uns, mit der Verheißung von Produkten, die wir uns erarbeiten, erwerben und sie wieselflink in unsere Wohnungen tragen können. Geputzt in weibliche Kleidung, feminin, aber nicht sexy, um nicht zu provozieren mit diesem seltsamen, nicht-männlichen Körper, den man noch nicht durch ausreichendes Training in eine geschlechtsneutrale Form gebracht hat …
MANN
Provokationen durch primäre sexuelle Reize sind die Hauptursache für Unfälle am Arbeitsplatz und häusliche Übergriffe. Wir haben nichts gegen berufstätige Frauen, nur fühlen wir uns plötzlich so …
ALLE
So
stehen wir am Anfang unserer Laufbahn und hoffen. Hoffen, es sei nur eine Frage der Gewohnheit, dass dir irgendwann nicht mehr übel wird, weil es zu früh ist und du in überfüllten Transportmitteln an den Ausbruch einer Panik denkst, da die mit der größeren Muskelmasse dich tottrampeln würden, und deinen Körper würden sie besteigen, um nach oben zu gelangen. Und das wird das Motto deines Lebens, aber du weißt es noch nicht.
MANN
Bedrängt ist das richtige Wort. Wie aus dem Geburtskanal tauchen Frauen in geschützten Männerverwahrstätten auf und beobachten unsere Arbeit spöttisch, machen sich lustig über unsre sorgsam errichtete Struktur, die uns Halt gibt, spotten über unsere Regeln, die unser Sinn sind. Wie kann eine Frau verstehen, dass wir Männer uns messen müssen? Wie kann sie wissen, dass wir einen geschützten Raum für uns brauchen, abseits von der Bedrohung durch die immer alles besser wissende Frau?
ALLE
Deine Beschäftigung findet in Räumen statt, die dich demütigen in ihrer Verneinung jeder Ästhetik, von Männern mit Neonlicht gestaltet und ergonomisch-gewinnorientiert bestuhlt, doch du bist voller Schwung, du glaubst, du kannst alles erreichen, und meinst Beförderung damit, hin an einen Ort, an dem du keine Rechenschaft mehr ablegen musst über die Dauer deiner Mittagspause. Dein Chef ist ein Mann und betrachtet deine Arbeitskraft unter dem Aspekt eines Lustabfuhrgeschäfts. Er betrachtet dich mit Nachsicht.
MANN
Sie treten mit großem Getöse an: «Quote, gläserne Decke, Männerbünde, Seilschaften, Netzwerke, Diskriminierung», schreien sie, und dann werden sie befördert und verlassen die Firma, weil es anstrengend ist, sich unbeliebt zu machen. «Ich möchte gemocht werden, ich möchte mit Menschen zu tun haben», krakeelen sie und enden als unbezahlte Putzfrau im Haus eines besser verdienenden Mannes.
ALLE
Du arbeitest zusammen mit Frauen, der Chef ist ein Mann, um dessen Aufmerksamkeit ihr kämpft. Die Beste werden, die Folgsamste, wir wollen gefallen, das haben wir in den Genen. Die mit der schönsten Schleife um den Leib sein. «Komm, pack mich aus», sagst du im Kopierraum, zu einem Mann, der Abteilungsleiter ist, der Professor, der Chefarzt, weil du es nicht anders kennst. Außer mit Sex kannst du sie nie zufriedenstellen.
MANN
Da werde ich wirklich wütend, wenn mein Glied das Kommando übernimmt und macht, was es will, und sie können machen mit uns, was sie wollen, weil die Erregung uns den Kopf entleert.
ALLE
Und dann sind auf einmal Jahre vergangen, du hast sie verpasst, sie waren zu frühes Aufstehen und Mobbing, du hast ein Gespräch mit deinem Chef, der räuspert sich und sagt:
MANN
Danke für Ihren Einsatz, doch leider …
ALLE
Und er sagt:
MANN
… müssen wir da einige Themen diskutieren, die Sie betreffen und die das Gruppenklima negativ beeinflussen.
ALLE
Damit meint er die Anzeige wegen sexueller Belästigung gegen Kollegen Meier, mit der er sich beschäftigen muss.
MANN
Zielführend bei einer Beratung zum Thema «Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz» sind gute äußere Bedingungen: Pflanzen lockern ungemein auf, Frauen lieben Pflanzen, weil sie ihnen unterlegen sind. Man muss versuchen zu analysieren, wie sich die Situation verändern müsste, damit sich die betroffene Person belästigungsfrei bewegen könnte.
ALLE
Und er kommt zu dem Schluss …
MANN
… dass wir uns für die Gewährleistung eines reibungslosen Arbeitsklimas voneinander trennen. Sollten.
ALLE
Und dann bekommst du erst einmal ein Kind – von Gerd, der ist dann weg, oder von Hans, der bleibt und will ein guter Vater sein, verdient aber mehr, und …
MANN
… Schatz, das wäre doch unsinnig, wenn wir von deinem Gehalt leben müssten …
ALLE
… sagt er und verlässt erleichtert die Wohnung, in der ihm unwohl ist, mit all den Windeln, und du bleibst mit dem Kind und denkst dir, es ist ja angenehmer als im Büro, da musst du wenigstens nicht mehr in den Kopierraum und mit Bruno verkehren. Und dann der Alkohol!
Und dann das Fett. Und dann die Langeweile. Und dann die Bitte um Geld für deine Tampons.
MANN
Die Realität ist doch: Ein Paar erzeugt ein Kind. Sie redet von Gleichberechtigung. Er geht arbeiten. Eventuell um der hormonell aufgeladenen Situation daheim zu entkommen, in den ersten Jahren. Unbemerkt ist das Kind in die Schule verschwunden. Sie bleibt zu Hause. Da wäre er auch gerne. Auf dem Sofa. Sie ist unzufrieden. Wegen des Fernsehprogramms. Sie macht Szenen, er ist müde. Er fickt die Sekretärin, im Scheidungsprozess wird vereinbart, dass ihm zwei Drittel seines Einkommens gepfändet werden. Damit sie auf dem Sofa bleiben kann.
ALLE
Erfreulich, dass in Zeiten eines überfüllten Arbeitsmarktes die Mutterschaft wieder eine akzeptable Lebensform wird, mit Prämien belohnt.
MANN
Berufstätige Frauen sind die, die dich in der Präsentation, dem Jahresabschluss, der Inventur, egal mit was, am Ende sitzen lassen, weil ihr Kind die Röteln hat, weil sie merken, dass sie überraschend schwanger geworden sind, wovon sie beim Einstellungsgespräch nichts ahnten.
ALLE
Oder du musst weiterarbeiten, um eine Betreuung für das Kind zu bezahlen, das du morgens aus dem Bett reißt und das dich immer für seine Müdigkeit hassen wird, und dann sitzt du im Büro und wirst gefragt, ob es dir nicht schwerfalle, das arme Kind zu einer Frau aus Sudentendeutschland zu geben.
MANN
Wie kann man sein Kind nur zu einer Frau aus Sudetendeutschland geben! Kinder: die einzige Waffe gegen den zunehmenden Drang der überalterten Weltbevölkerung zum Konservativen.
ALLE
Wenn man schon das Privileg hat, Leben zu erzeugen, unter Umständen sogar männliches, zu stillen, bis da nichts mehr kommt, Teil der Evolution zu sein, muss das genutzt werden. Danach kannst du zu deiner Arbeitsstelle im dienstleistenden Gewerbe zurückkehren. Denn da gehörst du hin, in das dienstleistende Gewerbe, wo du wartest, dass du Rente bekommst, und dein einziger Trost ist es, zu sehen, wie deine Kollegen von jüngeren Männern ersetzt werden. Das ist doch kein Leben, verdammte Scheiße.
MANN
Das ist doch kein Leben, immer dieses Genörgel zu hören und sich als Vergewaltiger zu verantworten, nur weil man eine Frau fälschlicherweise für ihr Aussehen gelobt hat und nicht für ihre Leistung. Andersherum wäre es auch falsch gewesen. Wir wissen nicht mehr weiter. Bringen uns häufiger um als Frauen, sterben aber auch ohne Selbstmord eher, sind suchtgefährdeter, stellen zwei Drittel aller Gewaltopfer und die Mehrheit unter den chronisch Kranken. In den westlichen Ländern verlassen Männer die Schule doppelt so häufig wie Frauen ohne Abschluss, und nicht nur Kriminalität ist männlich, auch Obdachlose sind zu neunzig Prozent Männer. Und wer, bitte, ist da das unterlegene Geschlecht?
ALLE
Wenn wir in den Vorstandsetagen säßen, was wir nicht tun, weil wir auch anderweitig zu tun haben, dann, dann würden wir endlich –