Der Schlaf brach jäh über ihn herein: Er spürte, wie seine Füße in eine unsichtbare Grube stürzten, und sein Bewusstsein purzelte hinterher. Die Geräusche des Flusses jenseits der Aue klangen aus. So viele seiner Träume waren gar keine, sondern Visionen flüchtiger, nur halb erinnerter Augenblicke seines früheren Lebens. Dieses Mal kehrte er in den Großen Krieg zurück, auf die Küstenstraße auf dem Sinai, wo sie die Türken zurückdrängten, Meile um Meile in einem zermürbenden Feldzug gutmachten, dessen Ziel die Einnahme Jerusalems war; eine Art Kreuzzug. Der letzte Kreuzzug.
Sie hatten eine Brücke über einen Fluss erreicht, der, wenn er denn da war, unter der Straße zur See strömte, der jedoch nur dem Namen nach ein Fluss war. Tatsächlich handelte es sich um ein Wadi, das nur während einiger weniger Stunden nach einem Wüstenregen Wasser führte. Einige Männer verweilten auf der Brücke und starrten in die Tiefe. Er hätte sie passieren sollen, aber die Neugier trieb ihn, den Fahrer seines gepanzerten Wagens anzuweisen, am Rand zu halten und eine Reihe Pferde vorbeiziehen und die Führung übernehmen zu lassen. Die Gruppe verdrießlicher Männer machte Platz, damit er an die Betonbrüstung treten konnte.
Die Schichten in dem Wadi waren gewiss schön, mit dem trockenen Sand abgelagert in einem labyrinthischen Muster vergangener Rinnsale und Strömungen. Das Bild in seinem Traum war nur schwarz-weiß. Das übliche Treibgut war in der Höhe im Trockenen zurückgeblieben; entwurzelte Bäume und Dornenbüsche, eine kaputte Feldflasche, eine Reihe schwererer Granitbrocken, mitgerissen von der Kraft der Flut. Der Traum schuf nun seine eigene Realität, denn die Bilder aus der Tiefe waren übersinnlich genau, jedes Sandkorn erfasst in einer ganz eigenen Vision.
Ein kurzes Stück stromaufwärts fanden sich die Überreste einer Karawane, zurückgelassen von geflohenen Nomaden. Als die Armee gen Osten marschiert war, hatten sie Dörfer und Lager verlassen, Frauen und Kinder, die zu entkommen versuchten, während die Männer längst fort waren. Es sah aus, als hätte die Flut eine dieser wandernden Gruppen erwischt. Ein totes Pferd lag verschüttet im Sand, nur sein verrottender Kopf war noch zu sehen. Ein paar Stoffstreifen waren halb vergraben, außerdem einige Kalebassen und etwas, bei dem es sich möglicherweise um eine gewebte Satteldecke handelte. Ein einzelnes Wagenrad lag zwischen Töpfen und Pfannen.
Und da war ein Kind. Ein Junge lag allein in dem trockenen Flussbett wie ein angeschwollener Seestern, die Glieder leicht blau angelaufen, das Gesicht grotesk verzerrt. Fliegen waren in der drückenden Wüstenhitze nicht zu sehen, aber die Geräusche, jenes basale, bedeutungsschwere Brummen, waren unverkennbar, und das Bild veränderte sich wie eine Fata Morgana. Ein Kind, ertrunken in einem Fluss, der nicht da war. Brooke sah zu lange hin und befahl schließlich einem Sergeant, die Leiche zu suchen und das Kind anhand der Kleidung irgendwie zu identifizieren.
In den Taschen hatte sich nichts gefunden, außer einem einzelnen britischen Penny, Königin Victoria auf der einen, die Jahreszahl 1899 auf der anderen Seite. In der Realität war er weitergezogen und hatte erst einen Tag später begriffen, dass er den Knaben hätte beerdigen sollen. In seinem Traum versuchte er, seinen Sergeant zu bitten, dass er zurückkehren und das in Ordnung bringen möge. Doch jedes Mal, wenn er sich bemühte, die Worte zu formulieren, fühlte sich seine Zunge an wie tot, gelähmt an der Wurzel. Er versuchte zu schreien, versuchte es mit aller Kraft und erwachte, als sich der Schrei endlich von seinen Lippen löste.