KAPITEL DREIUNDDREISSIG

Als Brooke im Spinning House ankam, war für die Umsetzung seiner Anweisungen bereits gesorgt, oder, um den Sergeant der Wache zu zitieren: »Das Barometer steht auf Sturm«. Die sechs Funkwagen der Truppe parkten im Hinterhof, die Werkstatt war voller Special Constables, die angefordert worden waren, um die Upper Town auf den Kopf zu stellen, und Sergeant Edison war gerade dabei, Beamte aller Dienstränge in der Kantine zu unterrichten. Der Mord auf Honey Hill hatte für jeden Officer die höchste Priorität. Tür-zu-Tür-Befragungen waren im Elendsviertel und den benachbarten Straßen geplant. Die Arbeitskollegen des toten Mannes sollten an ihrem derzeitigen Aufenthaltsort einzeln befragt werden – bei Straßenbauarbeiten an der alten A10, gleich nördlich der Stadtgrenze.

Und dann war da noch eine Notiz, die Brookes augenblickliche Präsenz im Chefbüro verlangte, wo er Chief Inspector Carnegie-Brown bei einem Telefongespräch mit Scotland Yard antraf. Als sie fertig war, zeigte sie Brooke ein Telegramm des Home Office, mit dem Einzelheiten zu dem Fenier-Mord angefordert wurden. Sie bat Brooke, sich zu setzen, während sie die Prioritäten des Boroughs umriss: einen zweiten Bombenanschlag verhindern, die Angehörigen der IRA-Zelle festnehmen, die Mörder von Sean Flynn ihrer gerechten Strafe zuführen. Sollte er Unterstützung brauchen, so war die Grafschaftspolizei bereits direkt vom Home Office angewiesen worden, zusätzliche Arbeitskräfte verfügbar zu machen. Falls er auf bürokratischer Ebene Hilfe brauchte, dann sollte er, wie sie ihm unmissverständlich erklärte, auf ihren persönlichen Sekretär zurückgreifen.

»Wobei mir einfällt«, fügte sie hinzu, »gibt es irgendetwas Neues über PC Collins?«

»Nichts. Das Haus ist definitiv verlassen, und die Angehörigen können nicht helfen. Wir suchen, aber er könnte sich durchaus unerlaubt von der Truppe entfernt haben. Sollte er jedoch dem Mörder begegnet sein, müssen wir mit dem Schlimmsten rechnen. Aber bisher gibt es keine Beweise, die diese Annahme stützen würden. Und keinen Leichnam. Wir müssen also davon ausgehen, dass er untergetaucht ist.«

Sie entließ ihn mit einem Nicken. Brooke versprach schnelle Ergebnisse und ergriff die Flucht. Das ganze Gebäude hallte wider vor rasender Betriebsamkeit. Edison meldete sich in Brookes Büro und machte deutlich, dass alle notwendigen Befehle erteilt und die Einsätze eingeleitet worden waren. Madingley Hall wollte einen Verbindungsoffizier schicken, um zu diskutieren, was sie das »größere Bild« nannten – vermutlich ein Verweis auf die mögliche Existenz einer zweiten Bombe. Eine halbe Stunde lang besprachen sie den Plan für die Befragung und die Registerüberprüfung der regulären Gemeindemitglieder von St. Alban’s im Zuge des Dreikönigsspiels. Eine Einheit uniformierter Officer sollte sich an diesem Abend an der Great Bridge bereithalten.

»Dann ist da noch das«, sagte Edison und reichte ihm eine Notiz. »Der Fabrikleiter von Newton hat angerufen und möchte Sie sehen. Eine Aufforderung, offensichtlich, und streng geheim dazu. Man musste ihn schon dazu überreden, dem Sergeant der Wache wenigstens so viel zu verraten.«

Froh, aus dem Büro zu entkommen, nahm Brooke ihm die Notiz ab und floh, aber erst, nachdem er Edison eine Reise nach London in seinem Wasp am folgenden Morgen in Aussicht gestellt hatte.

»Wir werden die Familie Flynn ausspionieren«, erklärte Brooke, und sein Detective Sergeant strahlte förmlich.

Der Treidelpfad führte Brooke am Fluss entlang durch die Stadt. Auf dem langen Abschnitt unterhalb der Great Bridge rasten Schlittschuhläufer über eine durch Fässer auf dem Eis abgeteilte Strecke. Schon jetzt war die silbrige Oberfläche mit tausend sich überschneidenden Spuren überzogen. Was Brooke daran erinnerte, dass er Joy versprochen hatte, sie würden hinter dem Haus Schlittschuh laufen, um ein Kindheitsabenteuer wieder zum Leben zu erwecken.

Gegenüber von Jesus Green war in einem Eisenkorb ein Feuer auf dem Eis selbst entzündet worden, und ein Mann verkaufte heiße Maronen.

Brooke überquerte Newton’s Bridge und trottete über das stille, schneebedeckte Spielfeld, auf dem Ralph Milton-Forbes das RADAR-Verfahren erläutert hatte, während sein Rassehund kreuz und quer hinter einem Ball hergerannt war. Wie hatte er gleich geheißen? Der Name erinnerte irgendwie an die Arthussage. Galahad, vielleicht.

Rafe Forbes befand sich in seinem Eckbüro, und der Hund lag ausgestreckt auf einer Matte. Die Metallrahmenfenster gaben den Blick frei auf die Biegung des gefrorenen Flusses. Hausboote unterschiedlicher Bauart waren in der Eisschicht eingeschlossen.

»Inspektor. Vielen Dank. Es tut mir leid, dass wir Sie herbitten mussten, aber wir haben eine unerfreuliche Entdeckung gemacht.«

Forbes trug wieder den Tweedanzug, aber Brooke fiel auf, dass das Abzeichen – der Buchstabe G mit dem Mond im Hintergrund – fehlte. Sein silbernes Haar hatte er besonders streng zurückgekämmt, was das kantige, ausgehungerte Gesicht betonte, das aussah, als wäre es in großer Eile ausgeformt worden. Trotz seines Rassehunds hatte Forbes selbst etwas von einer Promenadenmischung an sich.

»Ich werde es Ihnen zeigen«, sagte er.

Sie gingen durch zwei der großen Fertigungshallen, in denen das leise Gemurmel der Gespräche sogleich verstummte, als Forbes den Mittelgang hinunterschritt. Am Nordende des Blocks befanden sich mehrere breite Tore mit der Aufschrift: WARENEINGANG – WARENAUSGANG.

Packkisten wurden von einem Lastwagen abgeladen.

Forbes zog ein Taschenmesser hervor und öffnete eine davon. Zum Vorschein kam ein Stapel Metallkästen, nicht aus solidem Stahl oder Aluminium, sondern durchlöchert wie die Bauteile in einem Metallbaukasten für Kinder.

»Die hier haben wir in einer Fabrik in Birmingham fertigen lassen. Wir installieren die Elektronik, die Dioden, die Röhren, die Schaltungen, die Verdrahtung. Die Kästen liefern den Rahmen dazu. Wir registrieren jeden davon, wenn sie hier eintreffen. In das Metall wird eine Nummer eingestanzt – hier – sehen Sie?«

Er ging zu einer Werkbank, auf der eine ganze Reihe der Kästen aufgestapelt war, und zeigte Brooke den, den er zur Hand genommen hatte: 6758b. »Die Seriennummern sind aufeinanderfolgend und werden bei jedem Produktionsschritt innerhalb der Fabrik erfasst. Auf diese Weise können wir, sollte es nötig werden, den Weg jedes Kastens durch die Fabrik zurückverfolgen. Wirklich narrensicher. Dann – hier drüben, beim Warenausgang – übergeben wir die fertigen Kästen den Fahrern von RAF Bawdsey. Sehen Sie?«

War das elektronische Innenleben fertig, wurde es in die nummerierten Gehäuse eingebaut. Ein Lastwagen mit herabgelassener Ladeklappe stand bereit, um die Ladung aufzunehmen.

Forbes entzündete einen Stumpen. »Einer fehlt. Das ist nur ans Licht gekommen, weil ausschließlich hier, am Warenausgang, alle Kästen wieder in ihrer numerischen Reihenfolge geordnet werden. Eine Absicherung, die jedoch erst zum Schluss vorgenommen wird. Bis dahin nimmt, wie ich bereits sagte, jeder Kasten seinen eigenen Weg, der davon abhängt, ob er als Empfänger, Transmitter oder was auch immer gekennzeichnet wurde. Die technischen Einzelheiten sind ermüdend. Tatsache ist, dass wir einen Transmitter verloren haben. Kurz vor dem letzten Produktionsstadium war das einer aus der neuen Baureihe mit einer eingebauten Antiblockierfunktion. Streng geheim – ein jämmerliches Klischee, ich weiß, aber so ist es nun einmal. Streng geheim und vorgesehen für die Front an der Ostküste und zur Erprobung.«

»Wann ist er verschwunden?«

Forbes sah sich um. »Warten Sie hier. Ich hole den Hund.«

Er kam mit seinem Hund zurück, die Zigarre immer noch zwischen die Lippen geklemmt, und sie gingen durch das Warenausgangstor hinaus und über das Schneefeld. Hinter ihnen stieg Dampf von den Abzugsöffnungen und -rohren der Fabrik auf.

»Die Einheit wurde das letzte Mal am Tag vor dem Bombenanschlag in situ registriert. Erster Stock, Diodenlabor.«

»Wird das Labor abgeschlossen?«

»Ja«, sagte er und schüttelte seinen Schlüsselbund. »Wie die Haupttore. Wiederum drei Sätze: Ridley, der Geschäftsführer und ich. Und es gibt keinen Hinweis darauf, dass irgendein Schloss gewaltsam geöffnet wurde.«

Er saugte das Leben aus seinem Stumpen und warf ihn in den Schnee.

»Denken Sie, der Bombenanschlag war nur ein Ablenkungsmanöver?«, fragte Brooke.

»Möglich. Aber ist ein Haufen bäuerlicher Sumpfbewohner zu so etwas imstande? Der Unterschied zwischen dem verschwundenen Gerät und der Standardausführung ist in diesem Stadium der Produktion nicht offensichtlich. Selbst ich würde mehr als zehn Minuten brauchen, um sicher zu sein. Und das Luftfahrtministerium stimmt zu. Wir müssen ›in Erwägung ziehen‹ – deren Worte –, dass die Bombenleger der IRA Hilfe gehabt haben könnten, möglicherweise durch den deutschen Geheimdienst. Whitehall hat eine Inventur angeordnet. Jede Mutter, jeder Bolzen ist zu erfassen. Das bedeutet zwei Tage Produktionsausfall. Und danach werden wir einen Wachmann der Royal Air Force auf dem Gelände haben.«

Er rief seinen Hund von der fernen Veranda des alten Sportpavillons zurück, wo er dem Geist einstiger Fußballspieler nachgespürt hatte. Mit einem Stock zwischen den Zähnen trottete er herbei.

»Tut mir leid, alter Junge«, sagte er und streichelte den Hund, während er zu Brooke aufblickte. »Wir leben draußen im Hügelland in der Nähe von Newmarket. Sie hat zu Hause genug Platz zum Herumlaufen, so weit das Auge reicht. Aber jetzt müssen wir zurück ins Büro.« Er zog eine Leine durch das Halsband.

»Also, es sieht folgendermaßen aus, Brooke«, sagte er und ging voran. »Das Air Ministry wird unsere Fabrik absichern, damit so etwas nicht noch einmal passieren kann. Ihre Aufgabe ist es, wie mir der Chief Constable und das Home Office mitgeteilt haben, den Transmitter zu finden, ehe er aus dem Land verschwindet oder jemand mit den dafür erforderlichen Kenntnissen ihn auseinandernimmt.«