Zu dem Zeitpunkt, als es Interpol gelungen war, den Verbleib von Ásbjörn Bosshart zu ermitteln und die Leiter der Polizeibehörden in Italien und der Schweiz zu informieren, hatte der Schnellzug aus Genf bereits die schmalen Gebirgspässe der Schweizer Alpen erreicht und näherte sich rasch dem Hoheitsgebiet Italiens.
Trotz der Zusammenarbeit der Schweizer Polizei, der Gendarmerie und Interpol schien es, als würde der Zug schon sehr bald Andolf Bauers Einflusszone verlassen haben, wenn er erst einmal die Grenze nach Italien passiert hatte. Und da der Zug sich derzeit in einer Gegend befand, die keine Möglichkeiten bot, ihn aufzuhalten, waren der Gendarmerie und Interpol so lange die Hände gebunden, bis der Zug Rom erreicht haben würde. Aus diesem Grund feilte man an einem Plan, den Zug nach Mailand umzuleiten, wo Polizeieinheiten und Scharfschützen bereits auf ihn warten würden. Was sie jedoch nicht einplanen konnten, war der menschliche Faktor.
Würde Bosshart merken, dass man den Zug umgeleitet hatte?
Und wenn ja, würde er davon in Panik geraten und die Partikel freisetzen?
Alles, was ihnen derzeit blieb, war, sich an die Vorschriften zu halten und das Beste zu hoffen.
Seit der Zug die höheren Bergregionen erreicht hatte, war eine Kommunikation mit ihm ausgeschlossen, und das mindestens noch für eine Stunde. Wenn der Zug die Pässe verlassen hatte und wieder den Abstieg in Richtung der italienischen Grenze begann, würden die Vollzugsbehörden den Lokführer darüber informieren, den Zug nach Mailand umzuleiten. Irgendwo zwischen den Gebirgspässen und Mailand, einem verlassenen Gebiet von etwa zehn Kilometern in alle Richtungen, würde man den Lokführer anweisen, den Zug anzuhalten, während Scharfschützen vor Ort darauf vorbereitet waren, Bosshart auszuschalten, bevor diese die Partikel aktivieren konnte. Sollte der Versuch, den Wissenschaftler auszuschalten, fehlschlagen und die Antimaterie detonieren, würden nur die wenigen Einsatzkräfte innerhalb des Detonationsradius ihr Leben verlieren.
Jean Pierre besaß die Leitung über den Einsatz und arbeitete mit den Entscheidern in Mailand zusammen, aber er hatte das Zeitfenster verpasst, den Lokführer zu kontaktieren, bevor der Schnellzug das Funkloch erreichte. Nun konnte er erst einmal nichts weiter tun als warten.
Eine Stunde, dachte er und sah zu der Wanduhr in seinem Büro.
Es sollte die längste Stunde seines Lebens werden.