Kapitel 39

 

Leviticus und Jesaja führten das Team an, als sie den Hubschrauber in Österreich bestiegen und sich zu den ihnen genannten Koordinaten begaben. Als Erstes bestand ihre Aufgabe darin, die Bestimmung des Einsatzzentrums zu ermitteln und herauszufinden, ob die hier operierende Fraktion feindliche Absichten besaß. Wenn sich herausstellen sollte, dass sich Emily Bosshart tatsächlich auf dem Gelände befand, würde es Aufgabe Nummer zwei für das Team sein, sie zu befreien und zurückzubringen.

Während des Fluges an die österreichische Grenze brüteten die Männer über den Fotos und besprachen ihr Vorgehen. Sie würden schallgedämpfte Waffen verwenden, um ein lautloses Eindringen zu ermöglichen.

Im besten aller Fälle würden sie Emily Bosshart aufspüren und sich direkt zu dem Treffpunkt zurückbegeben, wo Andolf Bauer zusammen mit einem Hubschrauberpiloten auf sie warten würde.

Da ihnen nur wenig Zeit zur Verfügung stand, blieb ihr Plan unausgereift. Zudem besaßen sie nur wenige Informationen, mit denen sie arbeiten konnten. Ihre Chancen standen also weniger gut, da sie gezwungen waren, sich Hals über Kopf in eine Situation zu begeben, über die sie kaum etwas wussten, wie etwa die Anzahl der Gegner oder deren Ausbildungsgrad. Auf diese Weise in eine Schlacht ziehen zu müssen, endete oft mit einem Fehlschlag. Denn auch wenn die Vatikanritter einer Kaste von Elitekämpfern angehörten, waren sie doch nicht unfehlbar.

Als sie sich dem Lager näherten, flogen sie dicht über der Baumgrenze, um von Radarfallen aufgespürt zu werden, und landeten schließlich etwa drei Kilometer von der Basis entfernt.

Leviticus stieg als Erster aus dem Hubschrauber, blieb aber dicht bei ihm stehen. Nachdem der Rest seines Teams ausgestiegen war, wandte er sich an Bauer. »Fünfzehn Minuten bis zum Lager«, rief er. Dann deutete er auf sein Lippenmikrofon. »Ich halte Sie auf dem Laufenden.«

Bauer nickte aus der Kabine des Hubschraubers heraus. Auch wenn er ein Polizeibeamter war, überstieg ein solcher Überfall auf feindliche Einheiten seine Fähigkeiten. Sein Job würde es sein, die Daten, die von den Vatikanrittern übermittelt wurden, über seinen Laptop und ein Inmarsat-BGAN-Satellitenterminal weiterzuleiten. Wenn Emily Bosshart befreit werden konnte, hoffte er, genügend Informationen aus ihr herauszubekommen, um sie an seine Vorgesetzten und an Interpol weitergeben zu können.

Bauer sah auf seine Uhr und dachte: Fünfzehn Minuten rein, fünfzehn Minuten wieder zurück und wer weiß wie viele Minuten dazwischen . Dann deutete er auf sein Lippenmikrofon. »Ich weiß, dass bei solchen Missionen nie alles genau nach Plan verläuft. Wenn Ihr Team also von dieser Rettungsmission überfordert sein sollte, dann melden Sie es mir.« Was Bauer Leviticus damit sagen wollte, war, dass der Hubschrauber die Gegend wieder verlassen würde, sollte der Einsatz kompromittiert werden und es keine Möglichkeit geben, Emily Bosshart zu befreien. Im Moment konnten sie ja noch nicht einmal mit Bestimmtheit sagen, ob es sich überhaupt um eine Terrorgruppe handelte, was ihren Zugriff auf Einheiten der Sondereinsatzkräfte erheblich minimierte. Bei dem Lager konnte es sich auch genauso gut um eine Räuberhöhle oder um den Unterschlupf einiger Zigeuner handeln. Und die Vermutung, dass sich Emily Bosshart unter ihnen befand, war genau das: nur eine Vermutung.

Leviticus tippte sich noch einmal an sein Funkgerät. »Es sollte keine Störungen geben«, erklärte er. »Wenn Emily hier ist, werden wir sie finden.«

Bauer nickte. »Geben Sie mir die Informationen, die ich brauche, um die Spezialeinheiten zu mobilisieren«, sagte er. »Wenn ich erst die notwendigen Beweise habe, wird der SIV weitere Teams anfordern, um die Gefahr zu neutralisieren. Aber bringen Sie mir das Kind, Leviticus. Sie könnte in der Lage sein, uns zu verraten, was es mit Bosshart und den Ampullen in seinem Besitz auf sich hat.«

»Wie gesagt: Wenn sie das ist, werden wir sie finden.«

Bauer hoffte, dass ihre Vermutungen stichhaltig genug gewesen waren, um sie zu dem Kind zu führen. Emily Bosshart war nicht nur der Schlüssel, ihren Vater zur Kooperation mit dieser feindlichen Fraktion zu zwingen, sondern auch der Schlüssel, um Bauer die Informationen zu geben, die er brauchte, um die Lage zu entschärfen. Die ganze Sache konnte so oder so ausgehen, zugunsten der Terroristen oder zugunsten der Polizeibehörden. Einen Mittelweg gab es nicht. Das Beste war also, sie als den Schlüssel ganz aus der Gleichung zu entfernen und Bosshart damit einen Vorteil zu verschaffen.

»Wir melden uns, wenn wir bis auf eine halbe Stunde heran sind«, erklärte Leviticus Bauer. Dann brachen er und sein Team aus Vatikanrittern in das Einsatzgebiet auf.