Kapitel Acht­und­zwanzig
Im grauen Licht der Morgendämmerung stöhnte Eric auf. Langsam öffnete er seine Augen. Die Folgen seiner nächtlichen Sauferei wurden ihm äußerst schmerzhaft bewusst. Sein Kopf pochte wie verrückt. Ihm war übel. Übel war gar kein Ausdruck. Er raffte sich stöhnend auf und brauchte ein wenig Zeit, um das Bild zu verarbeiten, das sich ihm bot.
Zuerst war da sein Gesicht, das ihn durch den großen Wandspiegel entgegenblickte. Es machte einen erbärmlichen Eindruck. Nur das war es nicht, was ihn verstörte. So langsam wie möglich drehte er den Kopf und sah sich im Wohnzimmer um. Er hatte eine vage Erinnerung an Whiskey, der kleine Rülpser, der ihm entkam, bestätigte das. Daher war die leere Flasche Jack Daniels Single Barrel fast ein vertrauter Anblick. Aber hatte er nicht Talisker getrunken? Seinen Kopfschmerzen zufolge wahrscheinlich beides. Was zum Henker ist hier passiert?
Bierflaschen und eine geöffnete Ketchupflasche lagen mitten im Zimmer auf dem Boden. An der Wand neben dem Kamin prangten die dazugehörigen Flecken. Und dann waren da noch die Schrammen, Dellen, Risse und Löcher in den Wänden. Als ob jemand gegen die Wand getreten oder geschlagen hätte. Der Kerzenständer, der in der Wand zum Badezimmer steckte, war wohl dafür benutzt worden. Über den Boden verteilt lagen zerbrochene Gläser und Teller. Eric hob seine Hand, um sich an die Stirn zu greifen. Erst jetzt bemerkte er seine aufgeschürften Knöchel mit dem getrockneten Blut darauf. Er machte eine Faust und betrachtete die schmerzenden Wunden.
Habe ich das alles angerichtet? Eric legte beide Hände auf sein Gesicht, rieb sich intensiv die Augen und fuhr sich danach durch die Haare.
„Fuck, das ist ja mal ein Filmriss. Bennett wird mich umbringen“, sagte Eric und zuckte sofort wegen seiner starken Kopfschmerzen zusammen. Was zum Teufel war letzte Nacht passiert? Hatte er auch Essen bestellt? Daran konnte er sich ebenfalls nicht mehr erinnern. Er hob eine leere Wendys-Tüte vom Boden zwischen seinen Füßen auf und stellte sie auf den Couchtisch. Über den restlichen Tisch waren weitere Hamburger- und Fries-Verpackungen verstreut. Erst jetzt wurde ihm klar, dass ein Teil von Wendys Baconator einen neuen Platz gefunden hatte. Der Burger klebte über dem Fernseher an der Wand.
Eric konnte sich wirklich vergessen, wenn er sauer war. Er wurde von einer Sekunde auf die andere von Gefühlen übermannt, die er nicht kontrollieren konnte. Das war ihm schon einmal passiert. Nur, dass das mit einem völligen Filmriss einherging und er sich nach einem solchen Amoklauf an gar nichts mehr erinnern konnte, war neu. Mister Hyde hatte ganze Arbeit geleistet. Eric stand ächzend auf. Jeder einzelne seiner Muskeln protestierte. Er blickte die Couch vorwurfsvoll an.
„So wie ich Bennett kenne, hast du sicher mehr als 10.000 Dollar gekostet. Warum bist du Scheißding dann so unbequem?“, herrschte er die Couch an, während er in seiner Verwirrung über einen Teller stolperte und auf irgendeinen Gegenstand trat, der dadurch ein knirschendes Geräusch von sich gab. Resigniert blickte Eric nach unten und sah, dass er gerade mit seinem ganzen Gewicht auf seinem iPhone stand.
„Scheiße!“
Er hob seinen Fuß langsam hoch, ging wackelnd in die Knie und hob das kaputte Handy vom Boden auf, kleine Glasscherben fielen vom zerquetschten Display.
„Fuck. Fuck! Fuck!“
Das Ding war im Arsch. Jetzt hatte auch er sich die Spiderman App, im wahrsten Sinne des Wortes, eingetreten.
Eric versuchte, es zu entsperren, aber es gab natürlich keinen Mucks mehr von sich. Wut kam in ihm hoch und er dachte darüber nach, ob sich das iPhone nicht neben den Baconator an die Wand gesellen sollte, aber er überlegte es sich anders. Vielleicht konnten die Typen im Apple-Store es noch retten. Als ob er nicht genug zu tun hätte. Jetzt musste er noch diesen Nerd-Genies im blauen T-Shirt mit Hyperaktivitätsstörung erklären, was er mit seinem iPhone angestellt hatte.
Klar, die Versicherung würde es decken. Wäre ihm auch egal gewesen wenn nicht, aber Daphne hatte darauf bestanden, als sie ihren Vertrag abgeschlossen hatten. Versicherungen waren etwas für Luschen und Angsthasen, dachte Eric sich, hatte aber dann trotzdem freundlich nickend Daphnes Wunsch entsprochen. In ihrem Fall machte es auch Sinn. Gab es doch, seit sie sich kannten, noch kein einziges Handy, das Daphne nicht in kürzester Zeit geschrottet hatte.
Seufzend stopfte Eric das beschädigte Gerät in seine Hosentasche und nahm noch einmal das Gesamtbild der Verwüstung in sich auf. Sein Boss würde ihn umbringen, wenn er dieses Schlachtfeld hier zu Gesicht bekam. Eric überlegte, was er tun sollte, bemerkte aber schnell, dass er nicht in der Verfassung war, auch nur einen klaren Gedanken zu entwickeln. Er beschloss, dass er erst mal eine Dusche brauchte. Den Alkoholgeruch, den sein Körper ausdünstete, fand sogar er selbst ekelhaft.