In dieser Nacht konnte die Frau des Premiers schlafen. Sie war so müde, dass sie Irene mit zu sich ins Bett genommen hat, hat gewartet, bis sie eingeschlafen war (anderthalb Minuten), das Licht gelöscht, die Arme um sie gelegt und ist in einen traumlosen Schlaf gefallen, bis Daisy sie geweckt hat.
Jetzt sitzt Davide schweigend am Steuer und bringt sie aufs Land. Auf Maria Cristina wartet ein voller Tag. Mit Luciano muss sie das Abzugsrohr überprüfen, den Ofen anheizen, den Pizzateig zubereiten. Abends kommen Irene, Greta und Domenico, und vom Flughafen der belgische Minister. Caterina wollte sie nicht dabeihaben.
Die Assistentin war platt. »Sicher? Und was ist mit der Pizza für den Minister?«
»Nicht nötig. Luciano kommt.«
»Und das Interview? Das ist schon am Dienstag.«
»Lass uns ein bisschen durchschnaufen.«
Höchst frustriert hat ihr Caterina eine Liste mit Fragen in die Hand gedrückt, die die Reitner ihr stellen könnte, und sie haben sich geeinigt, am Sonntagabend zu skypen und das Interview durchzuspielen, mit der Assistentin in der Rolle der Journalistin.
Maria Cristina hat nicht die Absicht, irgendetwas zu proben. Je mehr sie darüber nachdenkt, desto überzeugter ist sie, dass sie improvisieren und sie selbst sein muss.
Jenseits der Leitplanken gleitet die Landschaft vorbei. Auf den gepflügten, regendunklen Feldern hocken Kolonien schlafender Möwen. Weiter unten schmiegt sich die Küste ans trübe Meer, das sich in einem flachen, milchigen Himmel verliert. Die Sonne gleicht dem Dotter eines pochierten Eis. Maria Cristina spiegelt sich im Autofenster, allmählich kann sie sich mit dem neuen Haarschnitt anfreunden. Sie trägt ein hochgeschlossenes grünes Strickkleid mit schmaler Taille und farblich abgestimmte Strumpfhosen in einer dunkleren Nuance. Eine kantige Sonnenbrille im Retro-Stil verdeckt ihr Gesicht.
Auf ihrem Handy geht eine Nachricht ein.
LUCIANO
Dreh dich mal um.
Ein alter hellblauer Panda folgt der Limousine. Hinter der staubigen Windschutzscheibe winkt Luciano ihr zu. Maria Cristina winkt mit beiden Händen zurück.
MARIA CRISTINA
Alles dabei?
Sie bekommt eine Sprachmitteilung zurück. »Cri, entschuldige, ich kann nicht schreiben, ich sitze am Steuer. Ich habe alles dabei: Mehl, Hefe, die Backschaufel und zur Sicherheit schon vorgegangenen Teig. Ich habe sogar Mozzarella aus Agerola besorgt. Ich habe mich schlau gemacht, die Beneventana, die der Minister so gern isst, gibt es nicht, also habe ich scharfe Salami für eine Diavola gekauft. Ich habe einen belgischen Lagerarbeiter kennengelernt, der hat immer Diavola gegessen, die gibt’s in Brüssel an jeder Ecke …« Sie drückt auf Stopp.
Kontrolliert den Chat mit Nicola Sarti.
Sarti ist verschwunden.
Dass die Sache so zu Ende geht, tut ihr ein bisschen leid. Im Grunde war er nett. Schade, dass er ihr das Video schicken und alles kaputtmachen musste. Wie die kleinen Jungs, die ein Foto von ihrem Schwanz schicken, um einen rumzukriegen, und wenn man nicht drauf anspringt, kriegt es eben eine andere.
Sie geht die Mails mit den Pressestimmen zum Opernabend durch. Es gibt Dutzende Fotos von ihr und der Gilardoni. Eine für ihre Bosheit bekannte Klatschseite übertitelt ihren Beitrag mit Ehefrauen & Geliebte.
Die Staatssekretärin sieht schon verdammt heiß aus, aber mit dem neuen Haarschnitt galt alle Aufmerksamkeit ihr. Sie trendet auf Twitter. #Neuerschnitt. Zwischen Traditionalisten, Begeisterten und denen, die sie ohnehin hassen, ist eine heftige Diskussion entbrannt. Natürlich haben sie die Inspiration durch Gone Girl sofort spitzgekriegt, und nun ist alles voll mit Fotos von Maria Cristina und Rosamund Pike. Auf einem sieht sie ganz besonders gut aus. Sie speichert es, kehrt zum Chat mit Nicola Sarti zurück, starrt lange darauf und schreibt:
MARIA CRISTINA
Ciao, guten Tag. Wie geht’s? Ich habe mir die Haare schneiden lassen. Wie findest du’s?
Sie korrigiert
MARIA CRISTINA
Ich habe mir die Haare schneiden lassen. Wie findest du’s?
Sie hängt das Foto an.
Bist du sicher?, fragt sie sich, ohne sich eine Antwort zu geben.
Für diesen Blödsinn wird sie bluten, aber ihr ist danach, und sie muss wissen, ob sie diese Geschichte zu einem harmlosen Geheimnis herunterstufen und einen Haken dahinter machen kann.
Soll ich?
Los, antwortet ihre flattrige Kühnheit.
Die beiden grauen Häkchen. Er hat sie bekommen.
Ihr ist heiß. Sie bittet den Fahrer, die Temperatur zu drosseln.
Hinter Montalto di Castro biegt der Wagen von der Aurelia ab und nimmt die schnurgerade Landstraße, die durch eine Ebene farbloser Felder auf eine niedrige, karge Hügelkette zuführt. Sie passieren eine Tankstelle, die Gasflaschen verkauft, und eine Reihe mit durchsichtiger Plastikfolie bespannte Erdbeergewächshäuser. Ein heruntergekommenes Gehöft an der Straße verkauft Kartoffeln und Artischocken. Das Tempolimit ist 90 km/h, aber niemand hält sich daran, was auf der Fahrbahn nicht zu übersehen ist. Der Asphalt ist mit zerfetzten Katzen, Dachsen und Füchsen übersät. Nach einer Kurve, von der aus man den weißroten Schornstein des früheren Kernkraftwerks sieht, biegen sie Richtung Hinterland ab.
Ab hier fängt Maria Cristina an, sich zu Hause zu fühlen, sie lässt die Küste hinter sich, die Sandstrände und das allzu flache Meer, die Strandbäder der römischen Intellektuellen, die frittierten Sardellen, die Moscow Mules zur Dämmerung, das vergreiste mondäne Leben von Capalbio, die Villen von Ansedonia hinter den mit Bougainville überwucherten Mauern.
Allmählich windet sich die Straße zwischen Stein- und Korkeichenwäldern bergan, das graue, schroffe Felsgestein bildet Schluchten und tiefe Täler, in denen sich Wildschweine, Rehe, Otter und Stachelschweine tummeln. Wo der Wald endet, öffnen sich Weiden, das Reich der Maremmaner Rinder. Maria Cristina lässt das Fenster herunter und füllt ihre Lungen mit der eisigen Luft, die nach feuchter Erde, Pilzen und Moos duftet. Wenn das Video eines Tages an die Öffentlichkeit gelangen und die ganze Welt sich an den erotischen Ruhmestaten von Maria Cristina Palma ergötzen sollte, wird sie sich auf ihrem Land verbarrikadieren und alle Brücken hinter sich abbrechen.
Nach weiteren fünf kurvigen Kilometern durch Büschel schmaler Sonnenstrahlen und das Dämmerlicht der Zerreichen, die ihre Arme über die Straße recken, schwenken sie vor einem grauen Eisentor mit dem Schriftzug »Gut Bastoni« ein, das sich für den Mercedes und den Panda öffnet. Sie durchqueren einen Wald jahrhundertealter Eichen zwischen moosüberwucherten kleinen Geröllbergen. An jedem freien Fleckchen wuchern seltene, unter Naturschutz stehende Dornenpflanzen, die das Dickicht undurchdringlich machen. Hinter dem Steinwald öffnen sich weite Heuwiesen und erstrecken sich blendend hell bis zum Horizont. In der Ferne steht eine Maremmaner Rinderherde in einträchtiger Gemeinschaft mit den kreisenden Reihern. Sie folgen einer schnurgeraden, von hohen, knorrigen römischen Pinien flankierten Allee, der weiße Schotter wölbt sich über den buckligen Wurzeln. In einer Staubwolke taucht ein grüngelber Traktor auf, der einen beladenen Heuwagen zieht. Behäbig macht er dem Auto Platz, am Steuer sitzt Amidou, ein Bauer aus Burkina Faso, und tippt sich an den Schirm seines zerfledderten Basecaps.
Fünfzehn Leute sind geblieben, um einen fünfhundert Hektar großen Betrieb am Laufen zu halten, vor ein paar Jahren waren es noch fast hundert. Zu Lebzeiten der Großmutter sogar mehr. In einer kleinen Siedlung unweit der Heuschober lebten ganze Familien.
Das Anwesen erstreckt sich über jahrhundertealte Wälder und Felsnadeln, dazwischen Canyons, durch die, als es noch regnete, des Winters tosende Wildbäche strömten. Geblieben ist nur noch ein kleiner See, in dessen Schilf sich seltene Wassermolche und eine Gemeinschaft Biberratten vermehren. Auf den Feldern jenseits der Weiden gedeihen im Jahreswechsel Weizen, Sonnenblumen und Gerste, und an der Hügelflanke neben den Weinbergen, auf denen Morellino, Cabernet Sauvignon und Vermentino wachsen, steht ein fast tausend Bäume umfassender Olivenhain. Gut Bastoni belieferte die besten Feinkostgeschäfte der Hauptstadt täglich mit Fleisch, Eiern, Öl, Eingemachtem, Wein und erlesenem Käse.
Als Maria Cristina den Betrieb übernahm, war die Situation nach mehreren schlechten Jahren und wegen eines betrügerischen Verwalters, den sie verklagt hat, bereits kritisch. Domenicos Wechsel in die Politik hat ihm den Gnadenstoß versetzt. Das Gut rückte in den Fokus der Finanzpolizei, der Gewerbeaufsicht, der Umweltschützer, der Lebensmittelkontrolleure, des Kulturvereins ARCI, der Verbände für Jagdgegner, der Verbände für die Legalisierung von Cannabis (die die Felder zum Anbau von Marihuana umnutzen wollten) und einer Gruppe fundamentalistischer Neofranziskaner, die der Ansicht sind, Regierende eines Landes müssten sich ihres Besitzes entledigen. Aktivisten grüner Parteien kampierten vor dem Tor, zwei deutsche Umweltaktivistinnen waren auf eine Eiche geklettert, und eine davon war eines Nachts im Schlaf herabgestürzt und hatte sich den Oberschenkel gebrochen.
Zwei Anwaltskanzleien sind dreihundertfünfundsechzig Tage im Jahr damit beschäftigt, das Anwesen vor Klagen, Berufungen, Rechtsstreitigkeiten und Bußgeldern zu bewahren. Mit dem Resultat, dass der Betrieb rote Zahlen schreibt und einen Großteil seiner Mitarbeiter entlassen musste. Nach und nach verleibt sich der Wald die Felder wieder ein, die wenigen Stücke Vieh sind verwildert, die berühmten Weinberge im Unkraut untergegangen.
Die beiden Autos lassen die leeren Scheunen, den verwitterten alten Silo, die verwaisten Ställe und ein Kirchlein mit einem weißen Marmorportal hinter sich und halten vor einem strengen rechteckigen Gebäude aus grauem Stein, das an ein mittelalterliches Kloster erinnert und über dem sich ein von weißen Flechten geflecktes Ziegeldach erhebt. Graue Klappläden verrammeln die Fenster im ersten und zweiten Stock. Nur die im Erdgeschoss sind geöffnet.
Auf ausdrücklichen Wunsch von Maria Cristinas Urgroßvater wächst ringsum kein Baum, vielleicht fürchtete er den Angriff eines gegnerischen Heeres oder wildgewordener Bauernschwadronen. Die Rückseite des Gebäudes liegt an einer Art Hochebene, die sich wie eine sandgelbe Rampe über Hängen voll wilder Kastanien und winterbraunem Farn erhebt. An klaren Tagen, wenn die Luft vom Regen reingewaschen ist, kann man aus dem zweiten Stock das Meer und die Insel Giglio sehen, und manche, die mit guten Augen oder viel Fantasie gesegnet sind, behaupten, der Blick ginge bis Korsika.
Mit dem Telefon in der Hand steigt Maria Cristina aus dem Wagen. Die Häkchen bei Nicola Sarti sind noch immer grau.
Luciano schält sich aus dem Panda, reckt sich und blickt sich um. »Weißt du, seit wie vielen Jahren ich nicht mehr hier war?«
Maria Cristina schüttelt den Kopf, der Fahrer reicht ihr den Rollkoffer.
»Seit Irenes Taufe. Fast zehn Jahre. Es sieht ein bisschen …« Er sucht nach Worten.
»Verwaist aus?«, meint sie. »Wenn es so weitergeht, muss ich verkaufen.«
Emma und Italo tauchen auf, das Hauswartsehepaar. Grußlos nimmt er den Koffer, sie fragt, was es zu Mittag geben soll.
»Mir reichen ein Salat und ein bisschen Käse. Willst du Nudeln, Luciano?«, fragt Maria Cristina.
»Liebend gern. Ich hole die Sachen aus dem Auto und mache mich schon mal an die Arbeit.«
»Ich bin in zehn Minuten bei dir«, sagt sie und geht auf das Haus zu.
Drinnen ist es kalt. Maria Cristina fasst an die Heizkörper, sie sind lauwarm. Obwohl Emma seit drei Tagen weiß, dass sie am Samstag kommen würden, hat sie die Heizung aus Trotz oder Wurstigkeit gerade erst aufgedreht.
Die Frau des Premiers durchquert den langen Flur mit dem Tonnengewölbe und den salbeigrünen Wänden, an den sich vollkommen leere Zimmer reihen. In den Schlafzimmern steht ein Bett in der Mitte, in den Salons jeweils ein Tisch mit wenigen Stühlen. Sonst nichts.
Der Grund, weshalb die Villa so kahl und unmöbliert ist, ist ein eigenes Kapitel wert.
Sämtliches Familienmobiliar, das Silber, die Teppiche und die im Lauf der Jahre von der Familie Salimbene zusammengetragene Gemäldesammlung wurden während Maria Cristinas Ehe mit Andrea Cerri verkauft.
Nach ihrer Hochzeitsreise auf dem Eisbrecher Fortitude in die Arktis waren die beiden auf das Gut Bastoni gezogen, entschlossen, den Rest ihres Lebens auf dem Land zu verbringen. Er hatte sich eine kleine Bleibe am Kolosseum gemietet und sie die Wohnung in Parioli verkauft.
Die frischgebackene Braut hatte sich in den Kopf gesetzt, das Leben in der Natur könnte ihrem Mann die nötige Gelassenheit und Konzentration zurückgeben, um sich wieder dem Schreiben zu widmen. Seit Jahren hatte er nichts mehr veröffentlicht. Seit sie ihn kannte, hatte er nur noch Zeitungsbeiträge verfasst, was er verabscheute, doch er zwang sich dazu, um nicht in Vergessenheit zu geraten. Der überwältigende Erfolg seines Romans Das Sternenhaus, die weltweiten Übersetzungen, die Filmadaption und Literaturpreise hatten ihn antriebslos gemacht, und er bezweifelte, noch etwas zu sagen zu haben. Er riss Geschichten an und verwarf sie wieder in der Überzeugung, die Gegenwart sei es nicht wert, erzählt zu werden, die Vergangenheit von größeren Schriftstellern bereits auserzählt und die Zukunft etwas für Nichtskönner.
Andreas Superkraft, Geschichten aus dem Nichts zu erfinden, von Fantasiefiguren bewohnte Luftschlösser zu bauen, sie auf dem Papier lebendig werden zu lassen und die Herzen der Leser zu erobern, faszinierte Maria Cristina und schüchterte sie ein. Doch war diese Kraft nicht mehr als ein mattes Flämmchen, das beim ersten Lufthauch erlosch, und seit einiger Zeit, so behauptete er, sei es unmöglich, es neu zu entfachen. Er versuchte es halbherzig, freute sich einen Tag lang über die sechs zustande gebrachten Zeilen, die ihm vielversprechend und am nächsten Tag beschissen erschienen. Manchmal hörte sie ihn im Arbeitszimmer fluchend die Fäuste auf den Tisch dreschen. Sie traute sich nicht zu fragen, ob sie etwas lesen dürfe, ob er darüber sprechen wolle, was verstand sie schon davon? In ihrem Leben hatte sie höchstens drei Bücher gelesen (ihr unangefochtenes Lieblingsbuch war Madame Bovary) und von Literatur keine Ahnung. Sie konnte lediglich dafür sorgen, dass er seine Ruhe hatte, mit den Hunden spazieren ging, gesund aß, genug schlief und den Druck der Leser nicht zu spüren bekam, die nach einem neuen Roman verlangten. Sie war zu allem bereit, um seine Kreativität wiederaufleben zu lassen, hatte den Laufsteg verlassen und ohnehin die Nase voll davon, ständig auf Achse zu sein, und sie fürchtete, allein in dem großen Haus könnte Andrea depressiv werden. Sie würde sich um das Anwesen kümmern, und sie würden versuchen, ein Kind zu bekommen. Doch leider lief nichts wie erhofft. Es stellte sich heraus, dass Andrea Zeugungsprobleme hatte, und die Einnahmen des Betriebes reichten nicht aus, um ihren Lebensstandard zu halten. Maria Cristina fing wieder an zu modeln und wurde das Testimonial für eine Gesichtspflege und ein Haarfärbemittel. Andrea verkroch sich im Haus, wusch sich nicht, rasierte sich nicht und ging nur vor die Tür, um sich in Restaurants zu betrinken und dick zu werden. Die Depression machte ihn zum Vampir. Nachts konnte er nicht schlafen, tagsüber verzog er sich rammdösig in sein Arbeitszimmer und spielte Fifa auf der PlayStation.
Bei ihrer Suche nach einer Lösung stieß Maria Cristina im Internet auf die berühmten Exit Counselor oder Deprogrammierer in den Vereinigten Staaten, die in Krisen geratenen Künstlern halfen. Worin genau ihre Arbeit bestand, war nicht klar. Es handelte sich wohl um eine Art Psychotherapeuten, die die mentalen Trampelpfade des Künstlers zu durchbrechen versuchten. In speziellen psychoanalytischen Sitzungen werden die internen Konflikte des Patienten verschärft, seine existentiellen Widersprüche auf die Spitze getrieben und ihm neue Werte aufgezeigt, um ihm neues Vertrauen in sich und seine Fähigkeiten zu vermitteln.
Der Berühmteste war ein gewisser Michael Mantler, der angeblich Mariah Carey, Metallica, David Foster Wallace (der sich übrigens umgebracht hatte) und den Rapper Sante Mariani betreut hatte.
Das Behandlungsverfahren dauerte fünf Wochen und kostete lächerlich viel. Maria Cristina ließ den Counselor aus Taos, New Mexico, einfliegen, wo er mit Heilern der Pueblo-Indianer eine therapeutische Community betrieb. Natürlich reiste der Deprogrammierer ausschließlich erster Klasse und mit der ganzen Familie, bestehend aus seiner jungen Sioux-Lebensgefährtin Angeni und den neunjährigen Drillingen Akule, Elan und Milap.
Michael Mantler traf in der zweiten Januarhälfte ein, bekleidet mit einem Juventus-Trikot, das sich über seiner Bierplauze spannte, Badeshorts, aus denen die runden, haarlosen Waden hervorschauten, und Flipflops. Der struppige Bart reichte ihm bis auf die Brust, und die langen weißen Haarsträhnen am kahlen, gebräunten Schädel ließen ihn aussehen wie Osho oder einen Dichter der Beat-Generation. Ihm war nie kalt, und er war ganz wild auf Trüffel-Pappardelle und geschmortes Wildschwein. Kaum angekommen, schloss er sich mit Andrea im Arbeitszimmer ein, um dessen ausweichendes Verhalten zu erforschen. Maria Cristina war gezwungen, die Familie amerikanischer Ureinwohner jeden Tag zur Therme von Saturnia zu kutschieren, wo sie stundenlang im Wasser dümpelten. Abends kam sie weichgekocht nach Hause und hoffte, ihr Opfer wäre wenigstens zu etwas nütze.
Doch das einzige Resultat war, dass es dem Deprogrammierer gelang, ihren Mann in Fifa zu schlagen. Bis der Therapieplan stand, um dem Schriftsteller wieder zu alter Größe zu verhelfen, vergingen ganze zwei Wochen.
Erstens: Sämtliche Möbel im Haus mussten verschwinden. Jeder Gegenstand in der Villa war vom Geist dessen durchtränkt, der es gebaut, veräußert, ausgesucht oder angeschafft hatte, und dieser Erinnerungsstau hinderte Andreas künstlerische Fähigkeiten daran, sich in einem freien, neutralen, geschichtslosen Raum zu entfalten. Alles musste raus. In jedem Zimmer war nur ein einziges, neues Möbelstück zugelassen, das ohne Anleitung aufgebaut werden musste. Ein Sofa im Wohnzimmer. Eine Matratze im Schlafzimmer. Tisch und Stühle im Salon. Alle übrigen Zimmer mussten vollkommen leer sein. Einzige Ausnahme: Bad und Küche. Die Beleuchtung indes musste rot und von einer bestimmten Frequenz sein, 490 Hz, um mit dem Biorhythmus des Schlafes zu harmonieren.
Schweren Herzens ließ Maria Cristina drei Lastwagen mit Möbeln beladen und gab alles zur Versteigerung.
Zweitens: Wie ein junger Pueblo beim rituellen Eintritt ins Erwachsenenalter sollte sich Andrea seine Nahrung selbst beschaffen. Mit Pfeil und Bogen (Feuerwaffen waren nicht erlaubt) sollte er sommers wie winters die Wildschweine, Rehe und Fasanen des Anwesens bejagen, sie aus der Decke schlagen und ihre noch warme Leber verzehren.
Nachdem Michael Mantler wieder nach Taos verschwunden war, streifte Andrea drei Monate lang mit einem Hightech-Bogen aus Carbon und Camouflagehosen durch Wälder und Geröll und machte Jagd auf warme Leber. Durchgefroren, von Brombeeren zerkratzt und mit schmerzenden Gliedern kehrte er abends heim. Die Beute bestand aus einer Handvoll Brombeeren, sporadischen Steinpilzen und wilder Zichorie. Seine Stimmung hatte sich aufgehellt, schreiben tat er trotzdem nicht, doch Maria Cristina war zuversichtlich, dass der alte Rambo bald wieder zur Feder greifen würde.
Eines Tages fing der Schriftsteller an, plötzlich Wildschweinviertel, Rehherzen und -innereien nach Hause zu bringen. Von oben bis unten mit Blut und Fett bekleckert, behauptete er mit fanatischem Blick, er wisse jetzt, wie man sich tarne und mit dem Wald verschmelze, er wittere die Beute im Wind und verwandle sich in den Geist des Großen Wolfes, den Jäger der Indianermythen.
Schade nur, dass Maria Cristina, stutzig ob der Alkoholfahne ihres Mannes, dahinterkam, dass er das Wild heimlich den örtlichen Wilderern abkaufte und sich tagsüber zum Saufen und Schlafen in einem Agriturismo verkroch. Doch weil sie es nicht übers Herz brachte ihn bloßzustellen, wurde allabendlich die Posse des heimkehrenden Jägers aufgeführt. Vom Schreiben war nicht mehr die Rede. Andrea erzählte, in den Stunden auf Ansitz sei ihm klargeworden, dass die Schriftstellerei ein großes Missverständnis gewesen und das Leben als Wilder das einzig Wahre sei.
Dann wurde die Posse zur Tragödie. Zur x-ten Spermauntersuchung auf dem Weg nach Rom raste das Paar mit hundertvierzig Sachen in einen Tankwagen, der auf der Autobahn Treibstoff verloren hatte. Der Wagen knautschte zusammen wie ein Stück Alufolie und fing Feuer, Andrea Cerri verbrannte bei lebendigem Leib. Maria Cristina schaffte es, sich vom Sicherheitsgurt zu befreien und zu retten, auf einer Seite trug sie Verbrennungen dritten Grades davon.
Deshalb gibt es in der Villa keine Möbel.
Seit damals ist alles so geblieben, nichts ist hinzugekommen, und eines ging unwiederbringlich verloren, der Geist des großen Wolfes.
Maria Cristina durchquert die Zimmer, betritt das Bad und setzt sich zum Pinkeln auf die eisige Klobrille. Sie ist stinksauer auf Emma und Italo. Die beiden haben ihr kaum guten Tag gesagt. Dauernd wollen sie mehr Lohn, aber machen dafür keinen Finger krumm. Führen sich auf wie die Hausherren. Ist natürlich ihre Schuld. Wenn man einen Betrieb vernachlässigt, übernehmen die Angestellten das Ruder. Unter der Großmutter wäre das alles nicht passiert, sie wusste, wie man sich Respekt verschafft. Maria Cristina muss sich ein Herz fassen und die beiden entlassen. Aber wer kümmert sich dann um das Gut? Von der Abwicklung ganz zu schweigen.
Das Telefon vibriert.
NICOLA SARTI
Blond steht dir super. Die neue Maria Cristina Palma. Genau richtig für das Interview. Du wirkst seriöser und gleichzeitig mädchenhafter. Super gemacht. Hut ab!
Sie betrachtet sich im Spiegel über dem Klo.
MARIA CRISTINA
Danke. Nett von dir.
NICOLA SARTI
Wo bist du? Was machst du?
MARIA CRISTINA
In der Maremma. Gerade angekommen.
NICOLA SARTI
Gibt’s ja nicht! Ich in Cala Galera. Habe Mechaniker hier, die den Bootsmotor reparieren. Kein dolles Wetter heute, aber ich wollte nach Giglio segeln. Kommst du mit?
Cala Galera ist eine halbe Autostunde vom Gut Bastoni entfernt. Verfolgt er sie?
Maria Cristina klappt den Mund auf, starrt auf das Handydisplay, die Angst war nicht verschwunden, sondern hatte sich wie eine Schlange in irgendeiner Gehirnwindung verkrochen, um jäh daraus hervorzuschnellen. Maria Cristina versucht zu atmen, zieht sich die Strumpfhosen hoch und mustert ihre aufgerissenen Augen im Spiegel. Jetzt bloß keine Panik. Cala Galera ist zwar in der Nähe, aber nicht um die Ecke. Die reichen Römer fahren am Wochenende zum Circeo oder zum Argentario. Wäre er in Manciano, dem Dorf gleich nebenan, müsste man sich Sorgen machen. Außerdem liegen die schönen Segelboote nun einmal in Cala Galera.
Sie spritzt sich Wasser ins Gesicht und schreibt:
MARIA CRISTINA
Ich kann leider nicht.
NICOLA SARTI
Komm schon, wir fahren heute Abend los. Und morgen wachen wir auf Giglio auf. Das Wetter soll schön werden.
Meint er das ernst oder tut er nur so? Er führt sich auf, als könnte er mit ihr machen, was er will. Und segeln, schon wieder? Allerdings klingen diese Nachrichten so spontan, dass sie beschließt, ihm nichts Böses zu unterstellen.
MARIA CRISTINA
Heute Abend ist ein belgischer Minister bei uns.
NICOLA SARTI
Schade. Es kommt auch ein nettes Paar mit. Mauro und Rosella Singolare. Wie ich dich kenne, würdest du sie mögen. Versuch doch, dich freizumachen.
Wie ich dich kenne? Dass sie die Frau des italienischen Premierministers ist und nicht mit den Eheleuten Singolare nach Giglio segeln kann, will ihm wohl nicht in den Kopf. Es ist fast schon lustig.
MARIA CRISTINA
Euch eine gute Reise.
NICOLA SARTI
Danke.
Maria Cristina putzt sich die Zähne, spült mit Mundwasser, zieht den Lippenstift nach und macht sich auf den Weg zu Luciano, der endlich loslegen will. Sie führt ihn in die alte Küche am verwaisten Ende der Villa. Hinter einem Holztor liegt eine staubige Remise, in der ihr Großvater einst seinen Maserati parkte und in der heute Jutesäcke, Olivenfässer und Stapel weißer Plastikkisten lagern. Durch einen Bogen gelangt man in die riesige dunkle Spülküche mit der schwindelhohen, rußgeschwärzten Balkendecke, dahinter liegt die eigentliche Küche, ein großer, eisiger Raum mit schwarzweißen Schachbrettfliesen an den Wänden, der durch ein lächerlich weit oben sitzendes Fensterchen sein Licht bekommt. An der Seite eine lange Arbeitsfläche aus schwarzem Eisen mit Ofenringen, gusseisernen Klappen und Kupferrohren, an der Rückwand ein plumper Kuppelofen mit verrosteter Klappe, der früher das gesamte Gut mit Brot versorgte.
»Aber der ist ja riesig, Cri. Da brauchen wir zwei Tage, um den heiß zu kriegen«, stellt Luciano betroffen fest, die Hände in den Hüften.
»Meinst du?«
»Meine ich. Den müssen wir mächtig befeuern. Um Pizza zu backen, braucht es vierhundertfünfzig Grad.«
»Ist das viel?«
»Irre viel. Ein Haushaltsherd bringt es auf höchstens zweihundertfünfzig.« Der Mann öffnet die Klappe und wirbelt eine Aschewolke auf, die im Gegenlicht flimmert. Mit der Handytaschenlampe leuchtet er hinein. »Seit wann wird der nicht mehr benutzt?«
»Ich glaube, das letzte Mal, dass ich ihn in Betrieb gesehen habe, war ich noch ein Kind.«
Luciano schüttelt den Kopf, dann greift er sich eine Zeitung und zündet sie in der Ofenöffnung an.
Atemlos schaut Maria Cristina zu, wie der Qualm sich in der Küche ausbreitet.
»Das Rohr ist verstopft. Ich glaube, das mit der Pizza können wir vergessen.« Luciano klingt so dramatisch wie ein Arzt, der das unvermeidliche Ableben eines Patienten verkündet.
Sie ergreift seine Hand. »Luciano, bitte. Der Minister kommt. Wie stehe ich denn da?«
»Hol Pizza im Dorf.«
»Die schmeckt nicht. Außerdem hat Domenico ihm erzählt, im Pizzabacken sei ich eine Wucht. Frag mich nicht, wieso. Aber ich darf ihn nicht enttäuschen.«
Luciano lächelt sie mit gütigen Augen an. »Dann muss ich aufs Dach. Kann Italo mir helfen?«
Heute hat der Hausmeister seinen freien Tag und obendrein Probleme mit dem Bein. Bleibt nur noch Davide, der Fahrer, aber der kann nichts außer Fahren und Fußball auf seinem Tablet gucken, sie würde ihn ungern aufs Dach schicken.
»Dann gehe ich mit dir rauf. Was soll schon sein?«, sagt sie überschwänglich.
»Das ist gefährlich. Und wenn du runterfällst?«
»Ich falle nicht runter. Ich ziehe mir nur schnell Turnschuhe an.«
Luciano ist nicht sonderlich überzeugt.
»Vertrau mir«, sie setzt ihren bezirzenden Blick auf. »Weißt du, auf wie viele Dächer ich in meinem Leben schon geklettert bin?«
»Ich kann’s mir vorstellen.« Luciano reckt seine drei verbliebenen Finger und verfügt in pragmatischem Ton: »Wir brauchen ein Seil, eine Taschenlampe und einen Eimer, sonst wird’s nichts.«
Da sind sie nun, das Faktotum und die Premiersgattin, in wackliger Balance auf dem Dachfirst, er vorn, einen Eimer in der Hand, wankend wie ein Braunbär und darauf bedacht, die Dachpfannen nicht zu beschädigen, dicht dahinter sie in ihrem grashüpfergrünen Kleid, mit weißen Adidas an den Füßen. Der Schornstein ist am anderen Ende des Gebäudes.
»Geht’s?«, fragt Luciano wie ein Seilschaftsführer auf einem Felsband des Lagazuoi, ohne sich umzudrehen.
»Ja.«
Dort oben breitet sich vor Maria Cristina das gesamte Panorama aus. Im Süden, jenseits einer waldigen Weite, die sich über Senken und von dolchspitzen Felsgraten gespickte Hügel zieht, ist die seichte, seimige, vom dunklen Meer umspülte Küste zu sehen, ein Stück weiter die kompakte Silhouette des Monte Argentario, und dahinter, halb versteckt im Dunst, der Naturpark Uccellina, Talamone und die Insel Giglio. Im Norden, wie Hagelzucker versprengt auf einem Hügel, das Dorf Manciano, auf der Kuppe der alte Turm, darunter ein Rinnsal zunehmend moderner, eckiger Häuser. Ihr Blick füllt sich mit all dem, das noch immer ihr gehört: das Gut Bastoni mit dem ochsenblutfarbenen Silo, den blechgedeckten Ställen, den leeren Koppeln, den verrammelten Lagerhäusern, dem Schottersträßchen, das sich zum verschilften See hinabschlängelt.
»Wird dir nicht schwindlig?«, fragt Luciano.
»Ach was, ich habe doch Stabhochsprung gemacht. Und wenn ich abstürze, hältst du mich fest.«
»Mach keine Witze. Los, weiter.«
Sie erreichen den Schornstein, der hoch und dick ist wie ein Fabrikschlot. Das Licht der Taschenlampe wird verschluckt, außer der krustigen Schwärze der über Jahrhunderte versotteten Innenseiten ist nichts zu erkennen.
»Und jetzt?«
»Und jetzt lassen wir den Eimer runter und finden heraus, ob er verstopft ist.« Luciano löst das Seil um seine Hüften, bindet es an den Eimergriff und will ihn gerade hinablassen, als es in seiner Hosentasche vibriert. Maria Cristinas Handy. Er holt es hervor und hält es ihr hin.
Nachricht von Nicola Sarti.
NICOLA SARTI
Die Mechaniker kriegen den Motor nicht flott. Aus Giglio wird nichts. Sehen wir uns morgen? Es wäre schön, wenn du nach Cala Galera kommen könntest. Oder ich komme zu dir.
Wie sieht’s bei dir aus?
»Wie nervig!«, schnaubt Maria Cristina und hält sich am Schornstein fest.
Der Typ ist ein Stalker.
Ey! Du hast ihm doch vor einer Stunde geschrieben, erinnert sie Diana Brinzaglia, die ihren Job macht und sich nie verarschen lässt. Sogar ein Foto hast du ihm geschickt. Was hast du erwartet?
Luciano sieht ihre veränderte Miene. »Was ist los? Ist das der Kerl mit dem Video?«
Maria Cristina nickt.
»Und was will er?«
»Mich sehen.«
»Warum?«
»Er tut so, als wären wir Freunde. Was soll ich machen, Luciano?«
»Sag ihm Nein.«
»Kann ich nicht.«
»Warum nicht?«
»Was, wenn er sauer wird und das Video veröffentlicht?«
»Also erpresst er dich? Wenn du ihn nicht triffst, stellt er es ins Netz?«
Maria Cristinas Blick gleitet über das Faktotum und verliert sich in der Unermesslichkeit des Himmels. »Ich glaube nicht. Aber wenn ich ihn treffe, komme ich vielleicht dahinter, was er will und ob er es wirklich gelöscht hat.«
»Verabrede dich morgen mit ihm. Ich begleite dich.«
»Nein. Das muss ich allein machen.«
Luciano reibt sich ein Augenlid und denkt nach. »Nimm euer Gespräch auf. Dann hast du Beweise.«
Maria Cristina macht große Augen. »Stimmt. Aber wie?«
»Mit dem Handy. Da gibt’s so Programme. Du legst es auf den Tisch, drückst Start und, zack, hast du alles auf Band. Erwischt.«
»Perfekt. Morgen zum Mittagessen. Dann ist Domenico nicht da.« Maria Cristina lehnt sich gegen den Schornstein und will gerade antworten, als ein lebhaftes, von Zischen und Fauchen begleitetes Geräusch die Luft erfüllt. Sie blickt auf, und ein weißes, gefiedertes Etwas schießt aus dem Schornstein, breitet seine schneeleichten Schwingen aus und peitscht ihr damit ins Gesicht. Mit einem Schrei stolpert Maria Cristina rückwärts über einen Dachziegel, der Vogel stößt flatternd gegen sie und scheint für einen kurzen Moment die Herrschaft über die Luft verloren zu haben, dann verwandelt er sich mit einem Flügelschlag von einem u in ein n und stiebt an ihr vorbei, und während sie mit ebenfalls flatternden Armen verängstigt das Gleichgewicht wiederzufinden versucht, rutscht ihr das Handy aus der Hand, wirbelt wie der Knochen in 2001: Odyssee im Weltraum durch die Luft und verschwindet im Rauchabzug.
Alles geht so schnell, dass Maria Cristina und Luciano gar nicht begreifen, was los ist.
»Ist dieser Vogel etwa aus dem Schornstein gekommen?«, fragt er.
»War das ein Vogel?«, fragt sie.
»Ich glaub’, eine Schleiereule.«
Dann, mit perfekt synchronen Bewegungen, schlägt sie die Hände vor den Mund, und er schlägt seine über dem Kopf zusammen. »Das Telefon!«, rufen sie, hechten vornüber zum Schornstein und stoßen mit den Köpfen zusammen.
»Oh mein Gott. Oh mein Gott. Oh mein Gott.«, wiederholt Maria Cristina.
»Elender Mist, verdammter«, schiebt Luciano nach.
»Da ist das Video drauf.«
»Ist bestimmt unten im Ofen gelandet.«
»Bestimmt ist es kaputt.«
»Das hat einen ordentlichen Flug gemacht. Wir müssen runtergehen und nachsehen.«
Maria Cristina fasst sich an die Stirn. »Ruf Davide an und sag ihm, er soll nachsehen, aber er soll es nicht anrühren. Er soll es genau da liegenlassen.«
Fünf Minuten später kommt die Antwort. Im Ofen ist nichts.
Maria Cristina späht in den Rauchabzug. »Wie kann das sein? Ist es verschwunden?«
»Ist wohl irgendwo steckengeblieben. Ich habe ja gesagt, der ist verstopft.«
»Und wie kommen wir da jetzt ran?«
»Jedenfalls nicht mit einem Eimer. Da braucht es eine Spezialfirma.«
»Bist du irre? Dieses Telefon darf niemand anfassen. Und heute ist Samstag, wer soll denn da kommen?«
»Vielleicht die Feuerwehr von Marciano, wenn du denen sagst, wer du bist.«
»Nie und nimmer. Die Story landet in allen Zeitungen.« Maria Christina hämmert sich gegen die Schläfen. »Womit habe ich das verdient?«
Luciano holt tief Luft. »Ich gehe.«
»Du?«
»Ja.« Er hebt die Arme. »So steige ich runter, Kopf voran. Torpedoartig.« Linkisch macht er sich daran, auf den Ziegelquader zu kraxeln.
Maria Cristina sieht verdattert zu, unschlüssig, was sie ihm sagen soll; in den Schornstein passt kaum ein Kürbis. Selbst wenn er es hineinschaffte, würde er bis in alle Ewigkeit darin feststecken.
»Warte«, hält sie ihn zurück, während er fünfzehn Meter über dem Boden auf dem Schornsteinrand balanciert. »Du kannst da nicht rein. Du passt nicht durch.«
»Torpedoartig nicht. Aber mit den Füßen voran schon. Kerzenartig.« Als wäre die Sache ein Klacks, bringt sich Luciano wie ein Springer auf dem Sprungbrett in Stellung.
Maria Cristina packt sein Fußgelenk. »Nein, bitte, tu’s nicht.«
Luciano steckt ein Bein in den Rauchabzug, schiebt es bis zum Schritt hinein und muss zugeben: »Nichts zu machen.«
Kopfüber, mit gereckten Armen und einer Taschenlampe zwischen den Zähnen, hängt die Frau des Premiers an einem Seil und wird in den Rauchabzug hinabgelassen. Die rußverkrusteten Wände verschlucken das Licht wie die Antimaterie eines schwarzen Lochs. Neben ihrer Klaustrophobie hat Maria Cristina ein weiteres Problem: Ihr Kleid rollt sich wie eine Wurst um ihre Hüften und verplombt sie im engen, bodenlosen Kaminschacht. Keine Chance, es abzustreifen. Das Einzige, was sie frei bewegen kann, sind die vor ihr herumtastenden Finger.
»Wie geht’s? Alles in Ordnung?«, klingt Lucianos Stimme aus einer fernen Welt hinunter.
Wenn sie antwortet, fällt die Taschenlampe, also brummt sie ein Nein, während das Seil ihr in die Fesseln schneidet. Dieser Stollen nimmt kein Ende, die Asche und die staubig blätternde Farbe lassen sie fast ersticken, schmecken bitter und verkleben Zunge und Zähne. Doch wird Maria Cristina Palma in dieser tödlichen Finsternis von einer Erleuchtung durchzuckt: Das Video gehört nicht zu den wichtigsten Dingen in ihrem Leben. Lieber soll das gesamte Parlament, der Ministerrat, ganz Brüssel und die Nato sie beim Ficken mit Nicola Sarti sehen, als dass sie hier ihr Leben aushaucht, allein in diesem entsetzlichen Schlauch. Luciano muss sie sofort hochziehen, stattdessen gibt er ständig Seil, sie versinkt immer tiefer in dieser enger werdenden, erdrückenden Grube, bis sie tatsächlich plötzlich stecken bleibt. Für einen Wimpernschlag lockert sie verschreckt den Kiefer, die Taschenlampe rutscht ihr aus dem Mund, blitzartig wie ein Chamäleon bekommt sie sie gerade noch zu fassen, ehe die Dunkelheit sie verschlucken kann. Sie ächzt, flucht, windet und schlängelt sich, heult, das Blut lässt ihr fast die Augäpfel platzen, die Brustimplantate drücken gegen die Rippen, das Kleid wird immer länger, dehnt sich, los, noch ein bisschen, komm schon, sie lässt nicht locker, stemmt sich mit den Armen gegen die Wand, und endlich geben die Maschen nach, und Maria Cristina schlüpft heraus wie eine Klapperschlange aus ihrer Haut und sinkt weiter in die Tiefe, Kopf voran, Zentimeter für Zentimeter. Das Lichtbündel fällt auf zwei leuchtende Punkte, die zu großen Murmeln werden, die Augen eines Dämons, der ihr gleich das Gesicht zerfetzen wird. Dann taucht aus dem Dunkel ein Nest aus Zweigen und Federn auf, Eier sind darin, und neben den Eiern ihr Handy und eine Schleiereule, die Mutter womöglich, die ihr mit ihrer cremefarbenen Federkrone entgegenstarrt, doch sie kann nicht anhalten, weil dieser Trottel Luciano immer weiter Seil gibt. Ein Zusammenstoß ist unvermeidlich. Maria Cristina kommt auf den Vogel zu, der sich schützend über seine Brut kauert, und alles, Nest, Eier, Taschenlampe, Vogel, Frau, stürzt den Schornstein hinab. Plötzlich hält Luciano fest, der Ruck fährt wie eine Welle durch das Seil und die dreiunddreißig Rückgratwirbel bis hinauf in den C 1 der Premiersgattin, die schreiend die Augen schließt. Als sie sie wieder öffnet, hängt sie kopfüber im Ofen. Ihre Fingerspitzen berühren die aschebedeckten Ziegel, durch die offene Klappe fällt das fahle Licht der Küche herein. Die verwirrte Schleiereule kann sich flatternd ins Freie retten, das Seil gibt nach, und Maria Cristina landet mit zerfetztem Kleid und gefesselten Knöcheln sacht auf der Backfläche.
Die Schornsteinfegerin hat ihr Handy wieder.
Eine gute halbe Stunde hat sie unter der kochend heißen Dusche gestanden und sich von Kopf bis Fuß mit der Bürste abgeschrubbt, um den Ruß loszuwerden. Dreimal hat sie sich die Haare gewaschen. Aber jetzt brennt der Ofen, dass es eine Freude ist. Wie der Gott Vulcanus füttert das Faktotum ihn mit Holz und kontrolliert mit einer Thermopistole alle fünf Minuten die Temperatur, die langsam, aber stetig steigt. Der Minister kann sich auf knusprige Pizza freuen. Für den Teig ist leider keine Zeit mehr, deshalb haben sie beschlossen, zu bluffen und zu behaupten, der von Luciano mitgebrachte sei selbstgemacht.
»Wenn er dich fragt, wie du ihn gemacht hast, sagst du, du hättest ihn vierundzwanzig Stunden im Kühlschrank und sechs Stunden bei Zimmertemperatur gehen lassen. Und er hätte eine Hydration von 65 Prozent …«
»Das ist ein Minister, Luciano. Das wird er mich nicht fragen.«
»Ich sage das nur zur Sicherheit. Man weiß ja nie.« Er schiebt einen Scheit nach. »Hast du dem Typen geschrieben?«
»Ja. Ich habe ihm gesagt, er soll herkommen.«
»Hierher?«
»Spinnst du! In eine Trattoria nicht weit von hier.«
»Wie ist die?«
»Nicht schlecht, gutes Essen. Da ist nie viel los, und ich kenne die Eigentümer, die als Zeugen herhalten oder mir helfen oder was tun können, falls …«
»Falls?«
»Keine Ahnung«, sagt Maria Cristina knapp.
»Bist du sicher, dass das richtig ist?«
»Ich muss diesen Ärger ein für alle Male aus der Welt schaffen. Wenn er irgendwas von mir will, wird er es mir morgen bestimmt sagen. Das nehme ich auf und nagle ihn fest.«
Maria Cristina muss das Abendessen organisieren, sie hat ein paar Mädchen aus dem Dorf angerufen, die ihr zur Hand gehen und sich um alles kümmern sollen, kochen, Tisch decken, servieren. Zum Glück hat sie erfahren, dass der Minister nur drei Personen im Schlepptau hat und es ein zwangloses Essen wird.
Sie überquert den Hof. Wo sind eigentlich die Hunde? Sie hasst es, dass Italo sie einsperrt und nur rauslässt, wenn er weiß, dass sie kommt. Sie geht zum Zwinger, öffnet ihn, eine Meute kleiner, von den Jägern ausgesetzter Mischlinge und ein paar große Maremmaner stürzen auf sie zu und springen freudig an ihr hoch.
Wie sehr sie ihre stinkende, fröhliche Horde liebt. Pippo, eine drollige Kreuzung aus Dackel, Bracke und Hyäne, hinkt. Seine Pfote ist dick, die Haut zwischen den Zehen rot und geschwollen, offenbar ist sie entzündet.
Entschlossen strebt Maria Cristina auf eine beleuchtete Kate zu, klopft an die Fenstertür, erhält keine Antwort und tritt ein.
Der Hausmeister fläzt in einem Liegestuhl vor dem Fernseher, auf dem Schoß einen Teller mit Resten von Leber Venezianer Art und Stängelkohl. Auf dem Boden daneben steht eine halbe Flasche Rotwein. Seine Frau steht am Ausguss und spült Geschirr.
In dem Raum, der Wohnzimmer, Esszimmer und Küche in einem ist, stapelt sich Dosenessen, das die beiden bei der Metro in Rom kaufen. Das gnadenlose LED-Licht des Muranoleuchters spiegelt sich in den weiß beschichteten Hängeschränken. Es riecht nach Feuchtigkeit, Zwiebeln, Brokkoli und Spülmittel. Weinbräsig dreht Italo sich um und glotzt sie schweigend an. Emma gönnt ihr ein leicht überraschtes Lächeln und trocknet sich die Hände am Geschirrtuch ab.
Da sie nicht hereingebeten wird, bleibt Maria Cristina auf der Schwelle stehen. »Emma, hast du die Gästezimmer fertiggemacht?«
»Ja, die im ersten Stock. Ich habe Federbetten und Handtücher rausgelegt.«
»Bestens.« Sie schweigt einen Moment und wendet sich an den Mann. »Pippo geht es nicht gut. Seine Pfote ist entzündet. War der Tierarzt da?«
Der Hausmeister schüttelt den Kopf. »Ist nichts Ernstes.«
So halten es gewisse Leute auf dem Land mit Tieren, denkt Maria Cristina. Viehzeugs ist Viehzeugs und Christen sind Christen, lautet das unerträgliche Motto der Gegend.
»Der Tierarzt meinte, er kann nicht kommen. Er schaut die nächsten Tage vorbei«, schiebt Italo beschwichtigend nach.
Er war schon immer ein bisschen hinterfotzig, aber jetzt lügt er so dreist, dass es wie eine absichtliche Provokation klingt.
Emma springt ihrem Mann bei. »Pippo ist ein Schlitzohr. Morgen ist er bestimmt wieder obenauf, keine Sorge.«
Maria Cristina lächelt steif. Sie wird den Tierarzt anrufen. Dann platzt ihr der Kragen. »Wie auch immer, so kann man die Hunde nicht halten, Italo. Der Zwinger muss jeden Tag saubergemacht werden. Es darf kein vergammeltes Futter herumliegen. Kein Wunder, dass sie krank werden. Und du weißt, dass sie frei herumlaufen sollen.« Sie schließt die Tür hinter sich und muss sich beherrschen, sie nicht zuzuknallen, doch als sie die beiden durch das Fenster heftig miteinander tuscheln sieht, öffnet sie sie wieder. »Morgen früh muss dieser Saustall sauber sein.«
Er starrt sie an und wendet sich grummelnd von ihr ab.
»Wie war das? Sieh mir ins Gesicht, wenn du mit mir sprichst.«
Der Bauer schüttelt den Kopf, als wollte er sagen, du solltest jetzt besser gehen.
»Was hast du für ein Problem, Italo? Na los, raus mit der Sprache. Traust du dich nicht?«
Das darf man einem echten Maremmaner nicht sagen, schon gar nicht als Frau. Man kann ihm vorhalten, dass er ein Dieb ist, aber nicht, dass er keinen Mumm hat. Der Bauer bläht sich auf wie eine Kröte, sein angetrunkenes Gesicht glüht wie ein Heizstrahler. Er stemmt eine Hand in die Hüfte, setzt einen Fuß nach vorn und hebt das Kinn in Mussolini-Pose. »Für solche Arbeiten sind wir nicht zuständig. Wir sind keine Diener.«
Weshalb, fragt sich Maria Cristina, sind die beiden so garstig und anmaßend geworden? Die Kürzung des Personals hat ihnen gewiss nicht geschmeckt, denn jetzt sind sie gezwungen zu arbeiten, statt die zugewanderten Hilfsarbeiter wie Feldwebel herumzukommandieren. Pünktlich wie die Maurer verlangen sie jedes Jahr eine Gehaltserhöhung, die sie ihnen auch gewährt, und trotzdem fühlen sie sich ausgebeutet und drohen damit, nach Pieve di Cadore zu ihren Kindern zu ziehen, die einen Laden für Nippes und Keramikkunst haben.
»Und wer, bitte, ist dann dafür zuständig?« Die Frau des Premiers wundert sich über ihren gefassten Ton.
Der Bauer zuckt die Achseln. Er ist ein Mann weniger, wirrer Worte, der sogar handgreiflich werden kann, wenn man ihn reizt. Aber heute hat er zu seinem Pech nicht die übliche Maria Cristina Palma vor sich. Die letzten drei Tage waren einfach zu viel, und das Video, das wie ein Damoklesschwert über ihr schwebt und ihr Leben zu pulverisieren droht, gibt ihr die Kühnheit des Fußsoldaten in vorderster Linie. »Ihr beide habt euch um das Haus zu kümmern. Oder irre ich mich?«
Wie aus der Hexenhöhle in Macbeth taucht Emma hinter ihrem Mann auf.
»Ganz genau, um das Haus. Die Hunde gehören nicht zum Haus.«
Im Gegensatz zu ihrem ungeschlachten, verlebten Mann ist sie zierlich und nervös, ihr strohgelbes Haar sieht aus wie eine billige Perücke. Da sie an Divertikulitis leidet, ist sie reizbar, ein angewiderter Ausdruck umspielt ihre grämlich herabgezogenen Mundwinkel, als hätte sie verdorbenen Tintenfisch gegessen.
»Also kümmert ihr euch nicht um sie?«
»Also kümmern wir uns um sie, obwohl es eigentlich nicht unsere Sache wäre.« Mit gefalteten Händen stellt sich Emma neben ihren Mann, und würde er eine Mistforke halten, sähen sie aus wie die beiden auf dem Gemälde von Grant Wood.
»Vor allem die Scheiße aufsammeln. Sie holen die Streuner von der Straße, weil Sie ihnen leidtun, aber saubermachen tun wir«, schließt er mit fast genüsslicher Betonung auf Scheiße.
»Und wer sollte es sonst tun?«
»Keine Ahnung. Sie sind die Chefin. Niladri, Nikihil, die Inder oder Amidou, einer von den Schwarzen. Ihr Freund.«
Für einen winzigen Augenblick denkt Maria Cristina an Nicola Sarti. »Wen meinst du?«
»Den, der den Ofen angefeuert hat.«
»Luciano? Bist du verrückt?«
»Ich? Sie …«, grummelt der Mann.
Mit einer Geste schneidet Maria Cristina ihm das Wort ab. »Ich werde jemanden finden, der sich um die Hunde kümmert. Und um das Haus.«
Unsicher, ob sie recht gehört haben, glotzen die beiden sie an, werfen einander einen verwirrten Blick zu und erkennen die Wahrheit in den Augen des anderen.
Ist es möglich, dass Maria Cristina Palma, das Püppchen Italiens, so nennen sie sie untereinander, sie gerade gefeuert hat?
Maria Cristina schleift einen grünen Schlauch hinter sich her, aus dem eisiges Wasser spritzt, und wagt sich in das schummrige Zwischenreich von Tag und Nacht.
Sie ist euphorisch. Sie hat die beiden gefeuert. Sie hat es getan. Es war ganz leicht. Trotz der Kälte pumpt ihr Herz heißes Blut durch die Adern. Keuchend erreicht sie die Hundehütten und fängt an, alles ringsherum abzuspritzen, die Kackwürste und den grauseligen Brotpampf und das Hackfleisch und die matschigen Kroketten zur Abflussrinne zu spülen, während die Hunde aufgeregt kläffend versuchen, in den Wasserstrahl zu beißen. Pippo lugt aus seiner Hundehütte, rührt sich aber nicht.
Es reicht, sagt sich Maria Cristina, ihr Platz ist hier bei ihren Hunden, auf ihrer Scholle. Es reicht mit dieser Farce von der Frau des Premiers. Sie hat Wichtigeres zu tun. Sie muss den Betrieb wieder in die Hand nehmen. Sie wird mit Domenico darüber sprechen. Sie wird Irene an der Schule in Manciano anmelden, dann wird sie wieder zu dem unbeschwerten, tierbegeisterten, gesunden Mädchen statt zu einem verwöhnten Papakind.
Eine Reihe Autoscheinwerfer nähert sich der Villa, Maria Cristina dreht das Wasser ab, die Wagen halten auf dem Vorplatz. Aus dem ersten steigen die Männer der Eskorte, aus dem zweiten der Fahrer, Greta und Irene, aus dem dritten Domenico, Marina und …
Caterina.
Sie ist hier, obwohl sie ihr ausdrücklich gesagt hatte, nicht zu kommen.
Ihre Wut schäumt wie Brausepulver unterm Zwerchfell. Als würde sie aus sich selbst heraustreten, sieht die eine Maria Cristina zu, wie die andere zum Angriff übergeht. Ihre Maremmaner im Schlepptau, stürmt sie wie die Winterkönigin auf die Männer der Eskorte zu. Sie gibt ihrer Tochter einen Kuss, ignoriert ihren Mann und stürzt sich dann auf Caterina. »Was machst du hier?«
Die junge Frau zückt ihr altbekanntes ekstatisches Lächeln, mimt kindliche Aufregung und Freude, sie ist so glücklich, dort im Märchenschloss zu sein, dass sie eine Spur zu lange braucht, um es wieder wegzustecken. In ihr Mäntelchen gehüllt, mit Pudelmütze und Pashminaschal, weicht sie einen Schritt zurück. »Ciao, Maria Cristina. Na ja, ich dachte, du freust dich vielleicht …«
Von der Warte ihrer eins achtundsiebzig funkelt Maria Cristina sie vernichtend an. »Nein, ich freue mich nicht. Ich hatte dir Nein gesagt. Aber nichts da, du musstest trotzdem kommen.«
»Ich weiß … Es ist nur …« Die junge Frau blickt sich hilfesuchend um.
»Es ist nur was?« Maria Cristina ist blind und gnadenlos wie Dike, die Göttin der Gerechtigkeit. »Warum respektierst du mich nicht?«
Die Assistentin läuft auf Grund, sie kann nur mit den Schultern zucken, als hätte man sie beim Ladendiebstahl erwischt.
Die Frau des Premiers dreht sich zu den Männern der Eskorte um, die sich eine Zigarette angezündet haben und die Show genießen. Der Maremmaner Mirtillo, ein weißer Bär, blafft Caterina Gamerini ein lautes Bellen ins rechte Ohr, das sie verängstigt zusammenzucken lässt.
Ohne ihn anzusehen, packt Maria Cristina den Hund im Nacken und schiebt ihn fort. »Wissen Sie das, meine Herren?«
Verlegenes Schweigen. Unter den Nikotinjunkies ist auch Domenico, der noch einen letzten Zug nimmt, ehe er sich einschaltet. »Beruhige dich, Schatz. Warum regst du dich so auf? Sie kann dir bei der Vorbereitung auf das Interview helfen.«
Wachsam wie ein Boxer im Ring hat Maria Cristina Mühe, den Blick von Caterina loszureißen. »Ich rege mich auf, weil ich will, dass die Leute tun, worum ich sie bitte.«
»Sie kann nichts dafür. Ich habe ihr gesagt, sie soll mitkommen.«
»Das stimmt«, stammelt die Assistentin, Sekretärin, Tinker Bell oder wer auch immer zum Henker sie ist.
Maria Cristina deutet auf sie. »Und übrigens, für Pizzateig braucht es keine achtundvierzig Stunden Gehzeit.«
Caterina blickt in die Runde und verdreht die Augen, als wollte sie sagen, seht ihr, sie hat den Verstand verloren.
Die Frau des Premiers schüttelt den Zeigefinger. »Stell dich nicht doof. Das kannst du dir sparen. Ich habe dich auf der Toilette gehört, neulich Abend bei dem Fest. Du hast gesagt, ich tue dir leid, ich sei unbedarft. Oberflächlich.«
»Ich? Das habe ich niemals gesagt. Du musst mich verwechseln. Ich schwöre.« Tinker Bell wird rot und legt sich mit wehleidiger Stimme die Hand auf die Brust. »Wie kannst du so was nur denken?«
»Ich denke es nicht, ich hab’s gehört.«
Der Blick des Premierministers geht zwischen seiner Frau und der Assistentin hin und her.
Maria Cristina hat noch nicht genug, mit lässigen Schritten umkreist sie die junge Frau, schüttelt lächelnd den Kopf. Sie muss ihr den K. o.-Schlag versetzen.
Hau ihr in die Fresse, schlägt Diana Brinzaglia vor. Wenn du’s machst, nehme ich dich ernst.
»Darüber können wir doch in Ruhe drinnen reden.« Domenico ist die Sache peinlich. »Muss das denn sein, hier vor allen diese Szene. Bitte. Irene ist dabei.«
»Umso besser. Sie muss lernen, in was für einem Schlangennest sie lebt.« Maria Cristina kann sich nicht mehr beherrschen. »Jemand soll diese junge Dame gefälligst nach Rom zurückbringen. Ich will sie in meinem Haus nicht haben. Denn das ist immer noch mein Haus«, sagt sie an Domenico gewandt, »vergiss das nicht.«
Der Ehemann unternimmt einen letzten Versuch. »Bist du dir sicher? Komm schon …«
»Ich war mir noch nie sicherer.«
Caterina Gamberini hat den steinerweichenden Blick eines Menschen, der sich erlittenem Unrecht fügt. »Kein Problem, Presidente. Es tut mir leid. Es ist alles meine Schuld. Maria Cristina hatte mir gesagt, dass sie allein sein will, ich hätte nicht kommen sollen …«
Die Frau des Premiers verschränkt die Arme. »Na bitte, braves Mädchen. Und deshalb musst du Leine ziehen.«
»Ja, es ist wohl besser«, meint der unfähige Vermittler von Ehemann. »Michele, fahr du sie.«
Feixend öffnet der Fahrer die Autotür.
Das Kraftfeld einer Superheldin umgibt Maria Cristina. »Komm, Irene. Onkel Luciano ist hier, gehen wir ihm Hallo sagen.«
Hand in Hand gehen Mutter und Tochter Richtung Ofen davon.
»Was war denn mit dir los, Mama?«, fragt Irene.
»Nichts. Ihr musste nur mal der Marsch geblasen werden. Hin und wieder braucht es das.«
»Ich hab’s dir ja gesagt.«
»Was denn?«
»Dass du anders bist mit den Haaren.«
Marina Cristina neigt den Kopf zur Seite. »Meinst du?«
»Ja. Du bist mehr … Ich weiß nicht. Mehr wie die Politikerfrauen im Film. Das war cool von dir. Ich kann Cristina eh nicht leiden. Weißt du, was die mal getan hat? Sie ist ins Bad gegangen und hat ein Parfum geklaut.«
»Gibt’s ja nicht!«
»Doch! Ich schwöre! Weißt du, was sie gemacht hat?« Irene stellt sich ihr in den Weg. »Weißt du, was sie gemacht hat? Sie hat das Parfum in eine kleine Eisteeflasche gekippt und den Eistee in die Parfumflasche. Sie hat sie ausgetauscht, verstehst du? Das weiß ich, weil ich mich mal parfümieren wollte, also eigentlich nicht ich, von Parfüm kriege ich Kopfweh, sondern Erica, und wir haben es genommen, und sie hat sich Eistee draufgespritzt und meinte, das sei komisch. Klar war das komisch, es war ja Eistee. Die Haut war vom Zucker ganz klebrig.« Sie rattert alles mit Überschallgeschwindigkeit herunter, um möglichst schnell zum Finale zu kommen. So ist Irene, auch deshalb vergöttert Maria Cristina sie. Sie macht nie den Mund auf, aber wenn sie einmal loslegt, hört sie nicht wieder auf, und ihre Geschichten sind so verworren und absurd, dass man ihnen kaum folgen kann.
Mit verschränkten Armen, das Kinn auf der Brust, sitzt Luciano zusammengesunken auf einem Stuhl neben dem Ofen und döst. Die Küche ist blitzsauber. Auf dem Arbeitstresen stehen Schalen mit Tomate, Mozzarella und Parmesan bereit, die Teigkugeln ruhen in Plastikbehältern.
»Psst … Lassen wir ihn schlafen«, flüstert Maria Cristina ihrer Tochter zu.
»Aber machst du die Pizza?«, wispert das Mädchen.
»Klar. Mit dir.«
Irene hopst, und ihr entfährt ein freudiger Juchzer, der das Faktotum weckt.
Die beiden umarmen sich, als hätten sie sich seit Monaten nicht gesehen.
Inzwischen ist es in der alten Küche mollig warm geworden. Wenn Luciano noch ein paar Lampen und Kerzen aufstellt, können sie alle dort essen, am langen Marmortisch. Es ist stimmungsvoll und anheimelnd, bestimmt wird es dem Minister gefallen.
Sie sagt Luciano, was sie sich vorstellt.
»Und wann zeige ich dir, wie man den Teig ausrollt?«, fragt er besorgt.
»Keine Sorge, ich habe mir ein YouTube-Video angesehen.«
»Von wegen, keine Sorge.«
»Mama, kommst du rein?«
Maria Cristina kniet vor der Wanne und wäscht ihrer Tochter den Rücken. »Nein, es ist spät.«
»Ach komm, nur zwei Minuten.«
»Ich kann nicht. Gleich kommt der Minister.«
»Bitte, bitte, Mama. Nur eine Minute. Ganz kurz. Wie als ich noch klein war.«
Seufzend zieht Maria Cristina sich aus, lässt die Kleider auf den Boden fallen und steigt in die Wanne. Das Wasser wärmt ihre Füße und die klammen Glieder. »Tut das gut …«, seufzt sie. »Du hast recht, das brauchte es.«
»Dein Nagel ist ganz schwarz. Der geht ab.« Sie berührt ihn. »Darf ich ihn abreißen?«
»Nein.«
»Dann machen wir, wer länger unter Wasser bleiben kann.«
»Ich darf mir die Haare nicht nassmachen.«
»Dann musst du zählen.« Das Mädchen hält sich die Nase zu, taucht rücklings unter, kommt kurz darauf wieder hoch und reißt keuchend die Augen auf. »Wie lang?«
»Siebenunddreißig.«
»Ist das lang?«
»Superlang. Aber jetzt geh dich anziehen. Flott.«
Irene klettert aus der Wanne, und sie schließt die Augen, lässt sich ins Wasser gleiten, hört, wie ihre Tochter sich bibbernd abtrocknet, das Geräusch ihrer nassen Füße auf den Fliesen.
»Zieh Pantoffeln an. Und lass dir von Greta die Haare föhnen.«
Die Tür schließt sich, endlich ist es still. Sie lässt ein bisschen heißes Wasser nachlaufen und taucht mit einem langen Seufzer bis zu den Schultern ein, doch es ist wie verhext: Jemand klopft an die Tür.
»Was ist?«, fragt Maria Cristina.
»Ich bin’s.« Domenicos Stimme.
»Ich sitze in der Wanne.«
»Ich wollte mit dir reden.«
»Bin gleich fertig.«
»Darf ich reinkommen?«
»Gib mir fünf Minuten. Ich bin sofort da.«
Domenico lugt herein. »Ich muss mit dir reden. Unter vier Augen. Darf ich?«
Maria Cristina versucht, in den dreißig Zentimetern Wasser unterzutauchen. Intuitiv schließt sie die Schenkel, am liebsten würde sie ihren Busen mit den Armen bedecken, hält sich aber zurück, er ist immerhin ihr Mann.
Diskret vermeidet er es, sie anzusehen. »Der Belgier verspätet sich. Das Flugzeug ist nicht pünktlich losgekommen.«
»Gut. Dann muss ich keine Hektik machen.«
Domenico setzt sich auf den Klodeckel und lockert den Krawattenknoten. »Erklärst du mir mal, was das vorhin mit Caterina war? Sie hat die Cafiero angerufen, und die hat mich angerufen. Sie hat ihr gesagt, sie fühle sich schlecht behandelt. Sie heult. Sie muss sich mit dir aussprechen.«
Maria Cristina verdreht die Augen. »Armes Ding.«
»Musstest du sie unbedingt vor der Eskorte fertigmachen? Du hast sie gedemütigt.«
»Ja, musste ich. Und wenn du es genau wissen willst, sie sagte auch noch, dass ich ihr leidtue, weil ich mit dir zusammen bin und du Affären hast. Also, ich will sie nicht mehr sehen. Die gehört gefeuert. Ende.«
Domenico steht auf, mustert seine geschwollenen Augäpfel im Spiegel und inspiziert sein blutleeres Zahnfleisch. »Die gehört befördert.«
»Befördert?«
Domenico verschränkt die Arme und lehnt sich ans Waschbecken. »Wenn man so eine rausschmeißt, wendet sie sich gegen einen. Sie kann schreiben, sonst was erzählen. Stuft man sie zurück, ist es noch schlimmer. Die muss befördert werden.«
»Jemand macht einen lausigen Job und wird befördert? So läuft das?«
»Exakt, es läuft genau andersherum. Wenn du darauf bestehst, schmeiße ich sie raus. Aber dann darfst du dich nicht wundern, wenn du überall in ihre Scheiße trittst. Wir sind eine Zielscheibe. Daraus habe ich gelernt. Ich rede nicht, gebe zu niemandem meine Meinung ab, bin ein Buddha.« Er greift sich an den prallen Bauch. »Es wird dauern, bis man sie woanders untergebracht hat. Du musst dich gedulden und noch ein Weilchen mit ihr leben.«
»Das Handtuch.«
Domenico nimmt eins vom Regal, hält es ihr hin und setzt sich wieder aufs Klosett.
»Könntest du bitte rausgehen?«
»Was ist? Schämst du dich?« Der Premier lässt den Blick über die Brüste seiner Frau gleiten.
Sie verdeckt sie mit den Händen. »Bravo. Cleveres Kerlchen.«
»Und warum schämst du dich?«
»Was soll ich dir sagen? Ich fühle mich alt und hässlich.«
Domenico tippt sich mit dem Finger an die Schläfe. »Du spinnst. Du bist hinreißend, ein echtes Hammergeschoss. Du machst jeden Tag Fitness, siehst spitze aus. Weißt du, wie viele Männer jetzt gern hier an meiner Stelle wären?«
Maria Cristina steigt aus der Wanne und wickelt sich in das Handtuch. »Was redest du da? Du bist hinreißend, ein Hammergeschoss … Wie alt bist du? Ist das dein Slang mit der Gilardoni?«
Bei ihm kommt nur der Name Gilardoni an. »Apropos, wie ist es gelaufen?«, fragt er scheinbar beiläufig.
Maria Cristina nimmt die Anspannung wahr und braucht für ihre Antwort etwas länger als nötig. »Gut.«
Domenico greift nach der Rolle Zahnseide und reißt ein Stück ab. »Worüber habt ihr geredet?«
»Wir waren in der Oper.«
Der Premier wickelt sich den Faden um die Zeigefinger. »War sie nett?«
»Wieso sollte sie nicht nett gewesen sein?« Maria Cristina schiebt ihn vom Waschbecken weg und kämmt sich die Haare. »Wir haben über dich geredet.«
»Über mich? Und was habt ihr so gesagt?«
Maria Cristina spürt ihn in zitternder Erwartung auf die Antwort lauern. »Sie sagt, du würdest sie wahnsinnig zum Lachen bringen. Angeblich bist du ein echter Komiker. Ich war platt. Mit mir bist du immer ernst. Aber sie meint, du würdest ständig Witze reißen und sie würde sich vor Lachen in die Hosen machen. Wortwörtlich.«
»Dumme Nuss …« Auf Domenicos Gesicht erscheint ein winziges, eitles Lächeln.
Schweigend kämmt sich Maria Cristina das Haar und mustert ihn im Spiegel.
Wie viel Spaß hat er wohl mit seiner wilden Hummel? Wilde Hummeln, so nannte ihr Großvater seine wechselnden Geliebten. Sie legt den Kamm beiseite. Sammelt die Anziehsachen auf, das Handy …
Wo ist es?
Es lag neben der Wanne.
Sie blickt sich um, sucht auf dem Boden, auf den Regalen, zwischen den Handtüchern.
»Hast du was verloren?«, nuschelt Domenico, die Zahnseide zwischen den Backenzähnen.
»Oh Gott, Irene.« Mit einem Satz stürzt Maria Cristina aus dem Bad, knallt mit der Schulter gegen den Türrahmen, rutscht mit dem nassen Fuß auf dem Terrakottaboden aus, kann sich gerade noch abfangen, das Badetuch landet auf dem Boden, sie rafft es, sprintet mit der Energie der früheren Leichtathletin nackt den Flur entlang, setzt wie ein Gepard durch das Wohnzimmer, schießt an der Eingangstür vorbei und läuft den Jungs vom Begleitschutz in die Arme, die ihr Beifall klatschen, während sie nicht einmal versucht, sich zu bedecken. Sie jagt die Treppe hinauf, nimmt vier Stufen auf einmal, überwindet den letzten Treppenlauf und biegt in den Schlafzimmerflur ein. Atemlos prallt sie gegen die Zimmertür, wickelt sich notdürftig in das Handtuch und tritt ein.
Irene sitzt teilnahmslos auf dem Bett, sie sieht aus wie die Infantin von Spanien und Greta wie ihre Magd, die ihr das Haar trocknet.
»Das … Mo … bil … te … le … fon«, keucht Maria Cristina.
Kein bisschen überrascht zeigt ihre Tochter darauf. Es liegt auf dem Nachttisch. »Hast du deine Pin geändert? Ich wollte Candy Crush spielen.«
Der Minister ist eingetroffen.
Heute Abend müssen Italien und Belgien sich einander stellen, morgen haben sie eine wichtige Versammlung, doch zum Glück hat Domenico beschlossen, dass zuvor gegessen wird. So Gott will, ist die Sache also rasch erledigt.
Während ihr Mann am Telefon ist, versucht Maria Cristina, den Minister zu unterhalten, was allerdings nicht einfach ist, weil er wie ein Afrikanischer Wildhund im Käfig durch die Küche tigert.
Wim Claes scheint einem Sowjetministerium aus den Siebzigern entstiegen zu sein, vor seinen Ohren kleben buschige Koteletten, das dunkle Haar ist mit irgendeiner Schweinerei über die glänzende Stirn gestriegelt. Er trägt eine klobige Brille, die so out ist, dass sie schon wieder in ist. Die Gläser lassen seine Augen klein erscheinen. Unter den vollen, weiblichen Lippen kommt das kräftige, vergilbte Gebiss zum Vorschein. Er trägt einen babyblauen, abgetragenen Anzug, in dem er sich offenbar wohlfühlt, und darunter ein nach Outlet aussehendes weißes Hemd, um dessen spacken Kragen eine riesige schwarzgrau gestreifte Krawatte gewürgt ist.
Er zieht sich an, weil er muss, doch könnte er sich ebenso gut in Felle hüllen. Er ist ungeduldig, hat mangelhafte Umgangsformen, und obwohl er behauptet, ein großer Fan von ihr zu sein, zeigt er weder ihr noch Domenico gegenüber Respekt. Er erinnert sie an jemanden, aber sie weiß nicht, an wen.
Während er auf die Pizza wartet, hat der Belgier die Salami, den Käse und zwei Kilo gebratenes Spanferkel in sich hineingestopft.
»Wie haben wir uns noch mal kennengelernt?«, fragt sie und klammert sich an das erstbeste Thema, das ihr in den Sinn kommt.
»Das war in Paris. Ich habe als Fahrer gearbeitet. Ich habe Sie zu den Modeschauen gefahren.« Er spricht räudiges Englisch.
»Wirklich? Und dann sind Sie Minister geworden?«
»Ich habe mir einen Namen gemacht. Mit klaren Ideen«, sagt er und schlägt die Zähne in eine Scheibe Räucherfleisch.
Domenico hat ihr erzählt, er sei der Anführer einer rechten Partei. Kampf gegen Migranten, Belgien raus aus der Europäischen Union, Einheitssteuer. Die übliche Leier.
»Haben Sie sich die Haare gefärbt?«, fragt er und füllt sich sein Glas am Buffettisch.
»Wie gefällt es Ihnen?«
»Steht Ihnen gut. Aber, mit Verlaub, vorher sahen Sie besser aus, sizilianischer.« Für einen kurzen Moment bohrt er seine Äuglein in ihren Blick. »Aber Komplimente sind Sie ja sicher gewohnt. Bestimmt können Sie es nicht mehr hören, die schönste Frau der Welt zu sein«, stellt er mit einer Beiläufigkeit fest, als müsste er sich jeden Tag mit den schönsten Frauen der Welt herumschlagen.
Maria Cristina antwortet mit einem Lächeln. »Nun, Sie werden sich wundern, aber ich freue mich noch immer darüber.«
Jetzt weiß sie, an wen er sie erinnert.
An Professor M.
Professor M., der Cheforthopäde und Schutzpatron verletzter Sportler, war ein Freund ihres Großvaters. Er operierte große Tennisspieler und Fußballer und Maria Cristina, als sie sich das rechte hintere Kreuzband gerissen hatte.
Nach dem Eingriff hatte der Chirurg ihr ohne großes Drumherum mitgeteilt, dass sie den Leistungssport vergessen könne. Sie hatte es gut aufgenommen. Der Konkurrenzdruck machte ihr zu schaffen, und ihre Leistungen waren gut, aber nicht hervorragend. Die Verletzung bot einen wunderbaren Vorwand, um sich würdevoll aus dem Wettkampfsport zurückzuziehen. Der Professor würde ihre lange Genesung persönlich betreuen.
»Um dieses hübsche Kind kümmere ich mich«, hatte er dem Großvater gesagt und die Röntgenbilder studiert. »Bald ist ihr Bein wieder wie neu.«
Und so begab sich Maria Cristina jede Woche in eine schöne Klinik auf einem Pinienhügel oberhalb der Via Olimpica. Sie betrat das Behandlungszimmer, und der Chirurg teilte seiner Sekretärin mit, dass sie nicht gestört werden wollten. Das Mädchen zog sich hinter einem Wandschirm aus und legte sich in Unterhosen und BH auf die Liege.
M. hatte gnadenlose Pranken. Wie gemacht, um einen Autoreifen zu wechseln oder Wände zu verputzten, aber nicht, um einen armen Christenmenschen zu operieren. Doch angeblich war er der Beste. Immer stärker krümmte er ihr Knie, das steif und hölzern war wie ein Stuhlbein, und der Schmerz trieb ihr die Tränen in die Augen. Anfangs war es Maria Cristina nicht aufgefallen, doch mit jeder Sitzung rückten die Hände des Professors näher an ihre Leistengegend. Die ehemalige Sportlerin hatte lange Beine, doch auch die hörten irgendwann auf, und genau dorthin schien die Hand des Professors unterwegs zu sein. Eines Tages verlor er offenbar die Geduld, und mit der Ausrede einer neuen Übung fuhr er ihr an besagter Stelle mit den Fingern entlang, vor und zurück.
Maria Cristina war wie versteinert. Sie bezweifelte, dass dieser Handgriff etwas mit der Therapie zu tun hatte, und fragte sich, ob sie etwas sagen, ihm ausweichen sollte, doch sie traute sich nicht. Was, wenn er sauer würde? Wenn sie sich irrte? Sie versuchte, die Schenkel möglichst zusammenzukneifen.
Einige Sitzungen später verlangte der Professor ebenso sachlich, wie er sie aufforderte, die Wade anzuspannen: »Spreiz bitte die Beine. Mach dich locker. Schließ die Augen und denk an nichts. Entspann dich. Die folgende Anwendung soll die Verklebungen lösen. Ich lege dir eine Hand auf den Hals, dann liegst du ruhiger.«
Das junge Mädchen tat keinen Mucks.
»Öffnen, spreiz die Beine noch ein bisschen mehr, na los, es tut nicht weh.«
Er schob seine Hand zwischen ihre Schenkel und fing an, über die baumwollene Unterhose zu streichen, und sie lag da wie ein tiefgefrorener Seehecht, die Kehle im Schraubstock, wartete mit zusammengepressten Lidern, angehaltenem Atem und zusammengekniffenen Lippen das Ende der Sitzung ab und hörte, wie der Arzt schnaufend wie eine Schlauchbootpumpe durch die Nase atmete und hin und wieder ein Geräusch ausstieß, als hätte er ein Staubkorn in die Kehle bekommen.
So lief es auch die folgenden Termine.
Maria Cristina sprach mit niemandem darüber, es war zu beschämend, zu peinlich, und wenn der Großvater fragte, wie es mit der Therapie vorangehe, antwortete sie einsilbig.
Die Reha des Knies war schmerzhaft, und dieses abschließende Reiben hatte von Sitzung zu Sitzung ein boshaftes kleines Flämmchen entfacht, wie die matte Wärme eines Heizstrahlers in einer eisigen Kirche, die ihr unter die Haut kroch und nichts Angenehmes an sich hatte.
Mit geschlossenen Augen versuchte Maria Cristina sich vorzustellen, Dario würde sie berühren, der blonde Junge mit dem Ohrring, der in der Wohnanlage in Olgiata in der Pförtnerloge saß und Kurt Cobain ähnlichsah, doch sofort verwandelte sich Kurt Cobain in eine riesige Languste, die auf ihren orangefarbenen Beinen neben der Liege stand, mit langen Fühlern, die gegen die Decke des Behandlungszimmers stießen, stacheligem Rückenpanzer und Stielaugen. Sie schob ihr die Schere zwischen die Beine, und sobald sie sich rührte, würde sie sie köpfen wie ein Huhn.
Mit gesenktem Blick verließ Maria Cristina das Behandlungszimmer, angeekelt von sich selbst, tiefrot und fest überzeugt, dass die Sprechstundenhilfe, die Pfleger und die Patienten im Wartezimmer genau Bescheid wüssten und in hämisches Gelächter ausbrächen, kaum wäre sie aus der Tür.
Eines Tages empfing der Professor sie mit einem Strauß blutroter Rosen und teilte ihr mit, dies sei ihre letzte Sitzung, ihrem Knie gehe es besser, von nun an würde sich der Physiotherapeut seines Vertrauens um sie kümmern.
»Aber heute, meine Liebe, musst du dich noch einmal richtig anstrengen. Du bist gut, aber du kannst es noch besser«, hatte er ernst gesagt. »Leg dich hin und schließ die Augen, damit ich deine Verspannung löse.« Er fing an, sie zu berühren, die eine Hand an der üblichen Stelle, die andere diesmal fest auf dem Brustbein, als wollte er ihr Herz anhalten. »Du musst dich mehr anstrengen. Zeig, was du kannst.« Sie nickte, und die Languste fing an, langsam und unermüdlich ihre Scheren zu bewegen.
Maria Cristina wusste, dass der Doktor nicht aufhören und bis zu dem Punkt gehen würde, nach dem ihr Körper strebte und den ihre Freunde auf dem Gymnasium sie nie hatten erreichen lassen. Das Flämmchen hatte sich in ein Feuer verwandelt, das im Unterleib aufloderte, ihr Becken krümmte wie einen brennenden Zweig, den sich wölbenden Rücken vom schwarzen Plastik der Liege riss, durch die klatschenden Schenkel und unerbittlich hinab bis in die Füße und die krampfenden Zehen fuhr, einen wirbelnden Luftsog zwischen Kehle und Brust entfachte, während die Zeit ringsum zerging und sich neu zusammensetzte und es einfach kein Ende nahm (wie im St.-Bernhard-Tunnel, wenn der silbrige Punkt am Ende nie heller wird). Verzweifelt sehnte Maria Cristina das Ende herbei, während M.s Finger erbarmungslos in ihr herumstocherten, bis sie endlich, wie einen Kraken aus der Höhle, den Orgasmus aus ihr herauszogen. Mit verzerrtem Gesicht hatte sich Maria Cristina um das Handgelenk des Mannes zusammengekrümmt, es gepackt, ihm die Nägel ins Fleisch getrieben, Gott angefleht, ich bitte dich, ich bitte dich, aufhören, sie hatte ihm ins Handgelenk gebissen, und sämtliche Anspannung, die sich in diesen entsetzlichen Monaten in ihren Muskeln gestaut hatte, hatte sie bebend hingestreckt wie einen Kraken auf der Theke eines Fischgeschäfts. So war sie liegengeblieben, geschüttelt vom Nachbeben des Blitzgewitters.
»Mach die Augen auf.«
Nein. Die Scham war zu groß.
»Maria Cristina, Liebes, bitte, mach die Augen auf«, hatte M. gesagt.
Sie hatte die Arme übers Gesicht gelegt und den Kopf geschüttelt.
»Ich habe gesagt, mach die Augen auf!« Die Stimme des Arztes musste sich nur um eine Oktave heben, um sie blinzeln zu lassen. Vor ihr stand nicht die Languste, sondern Großvaters Freund, das Genie des Skalpells, in kastenförmigen Mokassins, feist wie eine Babypuppe, mit stumpfer Miene und klebrigem Blick. Der Doktor schob seine Plauze, die geöffnete schlammgrüne Cordhose, die heruntergezogene graurosa gestreifte Boxershorts und dieses dunkle, knollige Ding an die Liege, das aussah wie ein Bärenkrebs.
»Mach den Mund auf.«
Maria Cristinas Kopf hing irgendwo zwischen dem Schwanz und dem Gesicht des Orthopäden.
»Du hast deinen Spaß gehabt, kleine Schlampe, jetzt bin ich dran. Mach auf.« Wieder hatte er ihre Kehle zusammengedrückt, und sie hatte die Lippen geöffnet, ihn in den Mund genommen und ihn machen lassen.
Unser Organismus verträgt es nicht, wenn etwas in ihn eindringt. Sobald sich ein Dorn, ein Splitter oder das Beißwerkzeug einer Zecke in unsere Haut bohren, erkennt unser Immunsystem sie als Fremdkörper und greift an, um sie auszuschalten. Gelingt ihm das nicht, errichtet es eine fibröse Barriere, eine Zyste, um sie zu isolieren und uns zu schützen. Auch die Scheren von Professor M. wurden mit der Zeit eingekapselt und unschädlich gemacht, als unschöne Jugenderfahrung verdrängt, an die Maria Cristina nur noch selten denkt und sich fragt, warum sie niemandem etwas gesagt, ihn nicht angezeigt oder nicht einfach aufgehört hat, zu ihm zu gehen. Was war das? Vergewaltigung? Missbrauch? Ein einvernehmlicher Akt?
Sie hat sich nie eine Antwort gegeben.
Pünktlich jede Woche ist sie zu M. gegangen, und noch heute, zwanzig Jahre später, hallt dieser schändliche Ur-Orgasmus mächtig in ihr nach.
Fest steht, dass sich Maria Cristina nach M. stets schwertat, zum Höhepunkt zu kommen. Kaum ist sie kurz davor, ist es, als verlöre sie den Faden, als löste sie sich ab wie ein von der Wand fallender Handzettel. Sie weiß, wie wichtig Sex für eine glückliche Beziehung ist, man braucht ihn, um sich an den Partner zu binden und ihm seine Liebe zu zeigen, und zum Kinderzeugen ist er unerlässlich, doch er erregt sie nicht, ja, er langweilt sie, und wenn es nötig ist, kann sie sich meisterhaft verstellen. Die seltenen Male, die sie gekommen ist, war bei Zufallsbegegnungen mit Männern, die sie in einem Nachtclub gegen die Toilettenwand knallten oder sie in der Dunkelheit einer baumbestandenen Straße achtlos in einem Auto nahmen.
Mit dem Blick folgt Maria Cristina dem belgischen Minister, der mit unbehelligter, selbstsicherer, gottväterlicher Attitüde am Buffet entlangschlendert. Er ist unempfänglich für den Reiz der Villa, der elegant ausgeleuchteten Küche, des in den ländlichen Farben der Maremma gedeckten Tisches. Er hat weder die Kellnerinnen noch Luciano oder Greta begrüßt und Irene nur den Kopf getätschelt, weil sie die Tochter des Premiers ist.
Maria Cristina weiß, wie begehrenswert sie in dem schwarzen Schlauchkleid aussieht, das ihre Beine kaum verhüllt. Sie spürt, wie die Angestellten des Ministers sie ansehen, zwei hübsche Jungs um die dreißig und eine füllige, leicht verlebte Rothaarige, doch ihr Chef würdigt sie keines Blickes. Der Buffetgeier bewegt sich ruckartig wie ein Velociraptor, spricht zu laut in dieser mit Konsonanten gespickten Sprache, in der er seinen Leuten Gott weiß was befiehlt, und ehrlich gesagt ist sie von ihm genervt.
»Maria Cristina?«
Die Frau des Premiers dreht sich um. »Ja?«
»Solltest du nicht die Pizza machen?«, fragt Luciano ungeduldig. »Ich habe alles vorbereitet.«
»Stimmt.« Maria Cristina steht auf. »Du hast recht.« Sie geht zum Minister, der jetzt am Tisch sitzt und mit Domenico redet. »Wollten wir zwei nicht Pizza backen?«
Wim Claes tut zuerst so, als erinnere er sich nicht, und antwortet dann: »Stimmt.«
Domenico deutet zum Ofen. »Ich begleite euch.«
Der Minister folgt Maria Cristina zur Arbeitsfläche. »Was machen Sie mir denn für eine?«
»Welche Sie wollen. Ich habe nach Pizza Beneventana gesucht, aber konnte die Zutaten nicht finden. Wenn Sie mir sagen, wie sie gemacht wird, kann ich sie Ihnen vielleicht backen.«
»Die Beneventana … Scharf. Mit Salami.«
»Wie eine Diavola?«
»Genau. Ich habe sie in Benevento gegessen.«
Maria Cristina wirft Luciano einen vielsagenden Blick zu und bindet sich die Schürze um. »Machen wir sie gemeinsam?«
»Darf ich?« Er bindet ihr die Schürze auf dem Rücken zu, zieht das Jackett aus und krempelt sich die Hemdsärmel hoch, unter denen schlampige verblichene Tattoos zum Vorschein kommen. »Sie sagen, was ich machen soll.«
Mit gezückten Handys gesellen sich die beiden Angestellten zu ihnen an die Arbeitsfläche, um zu filmen und zu posten. Irene ist wieder aufgewacht und kräht, dass sie eine Pizza mit Kochschinken will.
»Also. Wir nehmen uns eine Teigkugel und rollen sie aus.« Maria Cristina klingt wie ein Fernsehkoch. »Man muss den Teig flach und breit auswalzen und die Luft zu den Rändern drücken.« Sie nimmt den Teig und schlägt mit einer Hand darauf. »Die Pizza ist frech, sie muss verhauen werden, sonst wird sie nicht gut.«
Der Minister tut es ihr gleich, versohlt mit grimmiger Miene den Teig und fängt dann herzlich an zu lachen. Ein Triumph. Alle applaudieren.
Die Pizzaschaufel in der Hand und von banger Anspannung zerfressen, überwacht Luciano die Zubereitung. Domenico steht, belämmert vor Müdigkeit, auf der anderen Seite des Arbeitstisches und lächelt seine Frau an.
Sie verteilen Tomate, Mozzarella, Basilikum und Öl. Und auf der Pizza des Ministers natürlich scharfe Salamischeiben.
Luciano schiebt die Pizzen in den Ofen und erklärt: »Anderthalb Minuten.«
Alle schauen auf die Uhr. Die Pizza des Ministers kommt runder aus dem Ofen als die von Maria Cristina, die aussieht wie Afrika.
Wim Claes sitzt neben ihr, die Pizza hat seine Laune gehoben, immer wieder beteuert er mit vollem Mund, das sei die beste Pizza seines Lebens.
Tatsächlich ist sie knusprig und locker, mit einem hohen, gefleckten Rand.
»Ist er immer so?« Der Minister deutet auf Domenico, der wieder telefonierend in einer Ecke steht, neben sich seine Sekretärin, die ihm etwas auf dem Tablet zeigt.
»Sehr häufig.«
»Wenn ich esse, gehe ich nie ans Telefon.«
»Das ist gut für Ihre Verdauung.«
»Man nennt Sie Maria Tristina.« Sein Italienisch ist lausig. »Das bedeutet traurige Maria, richtig?«
»Ja.«
»Und warum?«
Die Frau des Premiers sieht ihn an. »Ich habe melancholische Augen.«
»Melancholie ist das Glück, traurig zu sein, sagte Victor Hugo.« Er zeigt auf die halbe Pizza, die noch auf Maria Cristinas Teller liegt. »Gib sie mir, wenn du sie nicht isst.«
»Möchten Sie vielleicht noch eine? Ich lasse Ihnen sofort eine machen.«
»Nein, ich will deine.«
Maria Cristina starrt ihn an, dann schiebt sie ihm den Teller hin.
»Oder vielleicht bist du traurig, weil du ein Leben lebst, das dir nicht gefällt? Dein Mann findet es schöner, das Kommando zu führen, als mit dir zusammen zu sein.« Er klappt die Pizza mit den Händen zusammen und beißt hinein.
»Cummanari è megghiu ca futtiri«, sagt Maria Cristina auf Sizilianisch und übersetzt: »Kommandieren ist besser als ficken.«
Der Minister erstickt fast vor Lachen.
»Und Ihre Frau?«
»Ich habe keine Frau«, sagt Wim Claes kauend. »Das bei dir ist nicht Traurigkeit, sondern Langeweile.«
»Wenn du’s genau wissen willst, langweilt es mich, darüber zu reden«, versetzt sie und ärgert sich, keine schlagfertigere Bemerkung auf Lager zu haben, die ihn in die Schranken weist.
Die plötzliche Versessenheit des Belgiers, mit ihr zu reden, nachdem er sie den ganzen Abend keines Blickes gewürdigt hat, dieser flotte Vorstoß, sie zu psychoanalysieren und den Rest ihrer Pizza zu verlangen, ist nichts weiter als der x-te, kindische, männertypische Versuch, ihr den Hof zu machen.
Der Velociraptor ist eingeknickt.
Wie in der Nacht zuvor schläft Maria Cristina tief und fest. Mit der Hellsichtigkeit, die besonders schwerer Schlaf zuweilen hervorbringt, sagt sie sich, dass sie morgen mit Nicola Sarti ganz gelassen sein, keine Angst haben und diese Geschichte für immer beenden wird. Sollte dem nicht so sein, wird sie es ihrem Mann erzählen.