Kalt, hell, steril. Meine Hand war in Jakes Hand eingeschlossen und Angst und Aufregung hielten meinen Körper in einem ständigen Zustand des Zitterns. In ein paar Minuten würde dies alles vorbei sein und ich würde mein Baby halten. Ich schloss meine Augen und bat still um ein gesundes Kind und eine reibungslose Operation. Es war ein geplanter Kaiserschnitt, doch das schloss Komplikationen nicht aus. Anscheinend war das Baby zu groß, um durch mein durchschnittlich großes Becken zu passen. Verdammt seien die McKallisters und ihre absolut robusten Babys.
„Ich bin kurz davor, die Fruchtblase aufzuschneiden“, verkündete der Arzt.
Ich warf einen Blick auf Jake, der etwas blasser als normal aussah.
„Du wirst mir doch nicht ohnmächtig, oder?“, fragte ich.
„Nein, mir geht‘s gut“, antwortete er und machte eine Show daraus, aufrechter zu stehen. Er blieb für mich stark, aber ich konnte mir vorstellen, dass mein aufgeschnittener Bauch nicht der angenehmste Anblick für ihn wäre.
„Du machst das toll“, machte ich ihm ein Kompliment.
„Ich?“, gluckste er und trat nervös von einem Fuß auf den anderen. „Ich bin nicht derjenige, der Hände in meinem Bauch hat.“
Der Arzt unterbrach ihn. „In Ordnung, Casey, Sie werden jetzt ein leichtes Ziehen spüren, wenn ich das Baby herausziehe.“
Als ich hilfesuchend zu meinem Mann sah, fand ich Trost in der Intensität seines Blicks. Jake packte meine Hand noch fester. Er war mein Beschützer und ich fühlte mich mit ihm an meiner Seite sicher.
„Wir haben es fast geschafft“, flüsterte er.
Ich biss mir auf die Unterlippe und nickte. Das war‘s. Jeder Kampf, den wir durchgemacht hatten, gipfelte hier, in diesem Raum … mit unserem Baby. Sobald ein hohler Schrei hinter der sterilen Leinwand ertönte, brach Jake den Augenkontakt zu mir ab.
„Hört euch diesen Schwätzer an“, staunte der Arzt. „Noch nicht einmal geboren und schon schreit er.“
„Das überrascht mich nicht“, sagte Jake und seine Stimme war voller Belustigung und Stolz.
Und dann hallte ein echter Schrei, laut und eindringlich, durch den Raum.
Fasziniert von der Geburt seines Kindes, vergaß Jake mich völlig, aber ich war nicht im Geringsten beleidigt. In der Tat machte mich nichts glücklicher, als dass mein Mann voll und ganz an unserem Baby interessiert war. Einst ängstlich, dass er kein guter Vater sein würde, hatte Jake sich tapfer durch seine Probleme gearbeitet und dabei seine neue Rolle als Daddy angenommen.
Ich suchte in seinem Gesicht nach Reaktionen. Es war mein einziger Führer zu dem, was auf der sterilen Seite meines Körpers geschah und als ich sah, wie das Lächeln sein Gesicht erhellte, verpufften alle meine Sorgen.
„Er ist hier“, sagte Jake mit nichts als Ehrfurcht in diesen einfachen Worten. „Und er ist perfekt.“
Tränen der Freude fluteten meine Augen, als ich auf einen Blick auf meinen neuen kleinen Mann wartete. Als ich Jakes
Hand fester drückte, fühlte ich die Kraft unserer Verbindung. Jeder gemeinsame Meilenstein wurde zu einer Erinnerung, auf die wir mit Liebe und Stolz zurückblicken konnten – und dies, die Geburt unseres Sohnes, war ein Triumph, der uns ein Leben lang begleiten würde.
Eine Krankenschwester trug das Baby zu mir und rieb seine Wange an meiner. Mit seinen roten, geschwollenen Augen, seiner gefleckten Haut und seinen Schreien, die so laut waren, dass sie von den Wänden widerhallten, war unser kleiner Junge stinksauer und wollte, dass die Welt es erfuhr. Ich konnte nur annehmen, dass seine momentane Stimmung das Ergebnis davon war, dass er aus seiner netten, warmen Wohnung rausgeschmissen worden war, nur um von der Handlangerin des Vermieters in den Arm genommen zu werden.
„Es ist okay, Süßer, dir geht’s gut“, beruhigte ich ihn. Er reagierte sofort auf den Klang meiner Stimme.
„Er kennt dich“, sagte Jake und wunderte sich über die Verbindung, die wir bereits hergestellt hatten. Aber ich war nicht im Geringsten überrascht. Dies war nicht unser erstes Treffen, nicht wirklich. Ich hatte nonstop mit ihm gesprochen, seit dem Tag, an dem ich herausgefunden hatte, dass ich schwanger war. Und meine war nicht die einzige Stimme, die er gehört hatte.
„Sing das Lied für ihn“, drängte ich. „Er liebt es.“
Und so sang Jake leise den Refrain einer Ballade, die er speziell für seinen Sohn geschrieben hatte – ein Lied, das den aufsteigenden Fußballstar, der die letzten neun Monate in meinem Bauch gelebt und getreten hatte, sofort beruhigte. Und wie er es schon unzählige Male zuvor getan hatte, hörte unser Baby zu. Das Schreien verstummte und Jake und ich starrten beide auf sein wunderschönes Gesicht. Er war ein Wunder, geschaffen aus unserer Liebe und der Grund für die Freude, die unsere Herzen an diesem bedeutsamen Tag
erfüllte.
„Okay, Mom und Dad, ich werde ihn bald zurückbringen. Wir müssen den kleinen Kerl nur aufwärmen.“ Die Krankenschwester lächelte liebevoll und blickte zwischen uns hin und her, ehe sie unseren Sohn wegbrachte.
„Casey, Sie haben noch ein bisschen Arbeit vor sich“, sagte der Arzt. „Jake wird dem Baby zum Wärmestrahler folgen, während ich die Plazenta entbinde.“
„Okay.“ Ich nickte und fühlte eine plötzliche Kälte über meine Haut rasen.
Jake beugte sich vor und strich mit seinen Lippen über meine Stirn. „Ich werde gleich dort drüben sein.“ Er schien genauso zögerlich zu sein, meine Hand loszulassen, wie ich mit seiner Hand.
„Es ist okay. Es wird mir gut gehen. Wirf ein Auge auf unser Baby.“
„Du weißt, dass ich das tun werde.“
Und dann war Jake weg. Und das Baby war weg. Meine einzige Verbindung zu den beiden waren die gelegentlichen Updates, die Jake mir zurief. Ich lag für eine gefühlte Ewigkeit allein auf dem kalten Tisch und träumte von dem Moment, an dem ich wieder mit der anderen Hälfte meines schlagenden Herzens vereint sein würde. Ich schloss meine Augen und wartete.
„Casey“, dröhnte die Stimme des Arztes laut, als er mich aus meiner Trance rief. „Alles ist gut gegangen. Wir werden Sie in den Aufwachraum bringen und dann werden wir Sie in einem bequemen Raum unterbringen. Da ist jemand, der Sie sehen möchte.“
Meine müden Augen wurden aufmerksam, als die Krankenschwester mit Jake und unserem Baby zurückkam. Plötzlich brach der sterile Raum in Farbe aus und mein Körper erwärmte sich, als ob er sich in Sonnenstrahlen aalen würde. In dem Moment, als er in meine Arme gelegt wurde und diese
flüssigen blauen Augen mich anstarrten, fühlte es sich an, als hätte die Welt aufgehört, sich zu drehen. Er gehörte mir. Uns. Ich fragte mich, ob mein Herz groß genug war, um all diese neuen Emotionen zu verarbeiten.
„Er ist ein großer Junge“, verkündete sie. „dreitausend neunhundert Gramm schwer und sechsundfünfzig Zentimeter lang.“
Ich warf einen Blick auf Jake und rollte dramatisch mit den Augen. Er grinste mich an. Es war unser Running Gag und ich konnte nicht umhin, auf seine Schuld in der Größenfrage hinzuweisen.
Aber ich war nur bereit, meine Augen für eine Sekunde von der Schönheit abzuwenden, die in meinen Armen lag. „Na, hallo, mein Hübscher. Ich bin deine Mutter. Ich habe lange darauf gewartet, dich endlich persönlich kennenzulernen.“
Jake legte eine Hand in den Nacken des Babys und beugte sich vor, um seine pummelige kleine Wange zu küssen. „Willkommen in der Welt, kleiner Kerl. Es wird besser, ich verspreche es dir.“
Ich starrte bewundernd auf meinen liebenden Ehemann und meinen kostbaren Sohn und fühlte nichts als Dankbarkeit für das Leben, mit dem ich gesegnet worden war. Es war noch gar nicht so lange her, dass mein Geist durch den Verlust von Miles, meinem geliebten Bruder, in zwei Hälften zerbrochen war. Damals konnte ich mir nicht einmal vorstellen, dass mich eines Tages ein so schöner Augenblick wie dieser erwarten würde. Das war der wirklich wunderbare Teil des Lebens – es ging einfach immer weiter und brachte neue und unerwartete Überraschungen für diejenigen mit sich, die bereit waren, ihr Herz und ihren Verstand der Liebe zu öffnen. Ich küsste das Baby oben auf den Kopf und streckte dann meine Hand aus, um sie an Jakes stoppeligem Kiefer entlang zu führen.
Ich platzte vor Glück und flüsterte meinen Männern zu: „Besser geht‘s nicht.“