Kapitel 20

D u hast den einfachsten Job der Welt«, bemerkte Lee, als sie und Sophia durch das Portal auf eine üppige tropische Insel traten. Vögel zwitscherten in den hellgrünen Bäumen am Strand und hinter ihnen rollten die sanften Wellen des Karibischen Meeres über den weißen Sand.

Sophias Stiefel sanken in den feuchten Boden ein, während sie die Lippen schürzte. »Lass dich nicht täuschen. Nur weil diese Blume, die Jammer-Mandel, auf dieser scheinbar schönen Insel wächst, wird es kein Zuckerschlecken sein, sie zu erreichen. Ich weiß nicht, welche Hindernisse uns erwarten, aber ich bin mir sicher, dass es eine Bestie gibt, die uns den Kopf abreißen will.«

Lee grinste, während sie ihre Hände aneinander rieb. »Okay, vielleicht nicht der einfachste Job, aber definitiv der beste. Ich treffe nie auf Bestien, die mir den Kopf abreißen wollen. Nur auf eine streitsüchtige Frau, die ich regelmäßig zu erwürgen versuche, aber ich habe winzige Hände und die passen nicht so leicht um ihren Hals.« Sie hob ihre Hände und Sophia musste lachen, als sie die Hände eines kleinen Kindes an der erwachsenen Frau sah.

»Du hast Puppenhände!«, rief sie aus und überschlug sich fast vor Lachen.

Lee zog eine Grimasse. »Das sind immer noch tödliche Waffen. Sie sind nur zum Erwürgen nicht geeignet.«

»Aber wenn mir etwas in ein winziges Loch purzelt, bist du diejenige, die ich anrufe«, scherzte Sophia.

Lee schüttelte den Kopf und starrte auf die geheimnisvolle Insel, von der das Buch in der Großen Bibliothek berichtet hatte, sie sei der einzige Ort, an dem sich die Jammer-Mandel befände. Sophia war nicht überrascht, als sie erfuhr, dass die Insel unentdeckt, unbenannt und angeblich unbewohnt war. Als Lee dies infrage stellte, winkte Sophia ab und erklärte, das sei typisch für diese Auftragsart.

›Normalerweise ist es auf einem anderen Planeten wie Oriceran, in einem Paralleluniversum oder an einem Ort wie dem Gute-Feen-College, den niemand ohne Einladung betreten darf‹, hatte Sophia erklärt.

Die beiden hatten sich Sorgen gemacht, dass es aufgrund dieser Faktoren unmöglich sein könnte, dorthin ein Portal zu öffnen. Aber es schien, als ob es allein dadurch, dass sie den Ort kannten, möglich wurde.

»Also, wo ist der Poolboy mit meiner Piña Colada?« Lee suchte mit ihren Augen nach möglichen Gefahren. Was Sophia gesagt hatte, hatte sie in Alarmbereitschaft versetzt. Sie vermutete, dass sich ein dubioses Monster darauf vorbereitete, herauszuspringen und versuchen wollte, sie zu zerfleischen.

»Ich glaube, das Besucherzentrum ist da drüben«, entgegnete Sophia und zeigte auf den Strand, wo etwas im Wasser zu schwimmen schien. Ein paar Dinge sogar.

»Okay, dann lass uns Miranda fragen, wo diese Blume ist und sie soll uns zum Kajakfahren anmelden«, sagte Lee. »Urlaub ist bei mir überfällig.« Sie krempelte ihren Ärmel hoch, um ihre blasse Haut zu zeigen.

Sophia schirmte ihre Augen ab. »Ja, du musst auf jeden Fall an deiner Grundbräune arbeiten. Das tut mir in den Augen weh.«

»Ich werde nicht braun«, erklärte Lee verbittert. »Ich habe Sommersprossen.«

»Oh, ich habe gleich drei davon«, stichelte Sophia.

Die Attentäterin rollte mit den Augen. »Willst du, dass ich dich töte?«

»Nicht unbedingt«, meinte Sophia. »Ich hätte nie gedacht, dass ich das mal sagen würde, aber ich bin froh, dass du beruflich Leute tötest, denn sonst wüsste ich nicht, wen ich diese Blume pflücken lassen könnte.«

»Kann ich den ersten Teil schriftlich bekommen?«, fragte Lee. »Und es ist nicht wirklich für den Lebensunterhalt. Es ist eher ein Nebenverdienst.«

»Vielleicht liegt das daran, dass deine Schläge so raffiniert sind«, bemerkte Sophia. »Du könntest meine Strategie ausprobieren, indem du einfach auf Leute einstichst, anstatt Ambosse über Türöffnungen zu hängen und Murmeln auf der Treppe zu verstreuen.«

Lee warf ihr einen ungläubigen Blick zu. »Dann könnte ich auch einfach in die Buchhaltung gehen? Mein Leben wäre dann so todlangweilig, dass ich es einfach nicht mehr ertragen könnte.«

Sophia glaubte, ein Geräusch zu hören, das aus der Mitte der Insel kam, als sie sich auf den Weg machten, aber es verflog fast sofort, als sie versuchte, sich darauf zu konzentrieren. Zum Glück war die Insel nicht sehr groß. Sie hatten zwar keine Ahnung, wo sich diese magische Blume befand, aber hoffentlich würden sie nicht allzu lange brauchen, um sie zu finden.

Unter anderen Umständen hätte Sophia Lunis beauftragt, über das Gebiet zu fliegen und es für sie auszukundschaften. Aber er war auf seiner eigenen Mission unterwegs und versuchte, die Drachenbabys zu finden. Sie hoffte inständig, dass es den Drachen gelingen würde, die Kleinen zu finden und sie davon zu überzeugen, nach Gullington zurückzukehren – zumindest so lange, bis die Welt sie besser akzeptieren würde.

»Ich frage mich, was das da vorne ist«, überlegte Lee und starrte auf das Wasser, das vor der Küste um etwas herumschwappte.

»Ich glaube nicht, dass es eines dieser Wassertrampoline oder überdimensionalen Hüpfburgen ist, die man in Ferienanlagen sieht«, kommentierte Sophia und kniff die Augen zusammen.

Die Attentäterin hatte nicht Sophias verbesserte Sicht und so wusste sie nicht, warum die Drachenreiterin den Atem anhielt, als sie erblickte, was vor ihr lag.

»Was ist denn?« Lee richtete sich auf, während sie ihre Machete zog.

»Das ist ein Flugzeug«, verkündete Sophia, als sie den Rumpf einer 747 erspähte, der aus dem Wasser ragte. »Hier ist ein Flugzeug abgestürzt.«