D er Hitzeschwall war real, als Sophia das Brennende Haus betrat. Zuerst dachte sie, das Feuer wäre eine wirklich überzeugende Illusion, aber es gab keinen Zweifel daran, dass es sich um echte Flammen handelte. Es war verblüffend, dass die Flammen das Gebäude nicht zerstörten. Das Feuer brannte einfach weiter, wie eine Gasflamme auf einer Holzscheitimitation.
Sophia verlor Ainsley fast aus den Augen, als sie ins Haus rannte. Es war klug von ihr, eine so kleine Gestalt anzunehmen, die nahe am Boden sein konnte, aber Sophia konnte sich in ihrem jetzigen Körper nicht so schnell bewegen und sie war diejenige, die das Gegenmittel bei sich trug.
Sie holte den Schal aus ihrer Tasche, den sie mitgebracht hatte und wickelte ihn um Nase und Mund, sodass sie wie ein Bandit aussah. Das Feuer brannte in ihren Augen, aber wenigstens konnte sie atmen.
Sophia blinzelte in der Helligkeit des Feuers und versuchte, die Feldmaus zu finden. Sie entdeckte die winzige Kreatur wartend vor einer lodernden Wand.
Die meisten Menschen gingen nicht freiwillig in ein brennendes Gebäude, es sei denn, sie mussten, wenn die Liebe ihres Lebens in Gefahr war oder sie etwas Wichtiges retten wollten. Sophia fand es ironisch, dass sie sich entschied, in das Brennende Haus zu gehen, obwohl es nicht um Leben oder Tod ging. Wenn sie es wäre, würde sie ihre Erinnerungen zurückhaben wollen und sich daran erinnern, wer sie war und warum. Sie würde ihre Vergangenheit zurückhaben wollen. Ainsley hatte das verdient.
Sophia hatte überlegt, dass sie Ainsley mit dem Erinnerungselixier allein in das Brennende Haus hätte schicken können. Aber die Haushälterin war nicht an Kämpfe und Gefahren gewöhnt, denn sie war den größten Teil der vergangenen Jahrhunderte in Gullington eingesperrt gewesen. Nein, die Elfe brauchte sie. Nicht nur, um sich in dem Gebäude zurechtzufinden, sondern auch wegen allem, worauf sie außer den lodernden Flammen noch stoßen könnte. Sie wollte auch für sie da sein, wenn sie sich wieder erinnerte, wer sie war. Die Sorge auf Hikers Gesicht und Quiets fragwürdige Bemerkung ließen Sophia glauben, dass das, was Ainsley erfuhr, weitreichende Auswirkungen haben sollte.
Tief geduckt trat Sophia in die Flammen. Die Glut flog von den Dachsparren herab und versengte ihren Kopf. Sie zog ihre Kapuze über und war schon nach wenigen Sekunden in dem Gebäude schweißgebadet.
Der Weg durch das Haus war – wie nicht anders erwartet – an jeder Ecke blockiert. Sophia hielt inne und versuchte herauszufinden, wie sie weitergehen sollte. Für Ainsley in ihrer Gestalt als kleine Feldmaus war es viel einfacher. Sophia musste über brennende Möbel springen oder es wagen, zwischen den Flammen hindurchzugleiten, die in die Luft leckten. Sie entschied sich für einen gemischten Ansatz, rannte los und sprang über einen umgestürzten Stuhl, der lichterloh brannte. Das Feuer sah aus wie Wasser, so wie es über das Möbelstück lief.
Ihre Lunge schmerzte von der Anstrengung, aber sie ließ sich davon nicht aufhalten. Als sie zu einem schmalen Gang kam, war der einzige Weg geradeaus, aber es war schwierig, die Wände nicht zu streifen, da nur wenig Platz dazwischen ohne Flammen war.
Sophia holte tief Luft und wünschte, sie wäre kleiner. Sie erinnerte sich an Feuerwehrmänner, die durch die Flammen gingen, um aus den brennenden Gebäuden zu gelangen. Wenn die Drachenreiterin sich so schnell bewegte wie diese Männer, konnten die Flammen sie vielleicht nicht verletzen … oder nicht so sehr.
Mit gesenktem Kopf und einem Gebet in ihrem Herzen stürmte Sophia vorwärts und spürte einen sengenden Schmerz, als sie durch das Feuer musste. Zu ihrer Erleichterung kam sie auf der anderen Seite wieder heraus. Aber was sie sah, machte ihr bewusst, dass sie das Schlimmste noch nicht überstanden hatte – nicht einmal ein kleines bisschen.