Als ich Paul Tudor Jones fragte, was er dem Durchschnitts-Trader als wichtigsten Rat mitgeben würde, antwortete er: „Konzentriere dich nicht darauf, Geld zu verdienen; konzentriere dich darauf, zu bewahren, was du hast.“
Die meisten Trading-Anfänger sind der Ansicht, für den Trading-Erfolg komme es nur darauf an, eine gute Methode dafür zu finden, in Trades einzusteigen. Die Magier der Märkte, die ich interviewt habe, waren sich jedoch im Allgemeinen einig, dass das Money-Management (also die Risikokontrolle) für den Trading-Erfolg wichtiger sei als die Methode für die Auswahl der Trades. Man kann mit einer mittelmäßigen Einstiegsmethode (die also ein bisschen besser ist als die zufällige Auswahl) und gutem Money-Management recht gut fahren, aber mit einer sehr guten Einstiegsmethode und schlechtem Money-Management macht man wahrscheinlich Pleite. Doch leider sieht die Wirklichkeit so aus, dass das Maß an Aufmerksamkeit, das die meisten Trading-Anfänger dem Money-Management widmen, umgekehrt proportional zu seiner Bedeutung ist.
Konzentriere dich nicht darauf, Geld zu verdienen; konzentriere dich darauf, zu bewahren, was du hast.
– Paul Tudor Jones
Es ist aufschlussreich, sich anzuschauen, wie die Magier der Märkte die Risikokontrolle angehen. Marty Schwartz lieferte die vielleicht beste Beschreibung einer effektiven Sichtweise der Risikokontrolle. Schwartz rät ganz einfach: „Kenne deinen Uncle-Punkt“. Ich weiß nicht, ob der Ausdruck „say uncle“ heute noch gebräuchlich ist, aber als Schwartz und ich Kinder waren, rief man „uncle“, um aufzugeben, damit der Schmerz aufhört. Wenn zwei Kinder miteinander kämpften und das eine hatte dem anderen den Arm umgedreht, konnte es verlangen: „Sag ‚uncle‘.“ Es war das Zeichen dafür, dass das andere aufgab. Schwartz will damit also sagen, dass man, bevor man eine Position eingeht, den Punkt kennen muss, an dem man gegenüber dem Markt kapituliert, weil der Schmerz zu groß wird.
Bruce Kovner, der Gründer von Caxton Associates, war einer der besten Global-Macro-Trader aller Zeiten. Als ich ihn interviewte, tradete er seit zehn Jahren und hatte in dieser Zeit die erstaunliche kumulierte durchschnittliche Jahresrendite von 87 Prozent erzielt. Eine solche Rendite kann man zwar unmöglich durchhalten, aber er schlug sich auch in den Jahrzehnten danach sehr gut, bis er sich 2011 zur Ruhe setzte. Ein Trading-Erlebnis in seiner Anfangszeit, als ihn ein leichtsinnig eingegangenes Risiko an einem Tag die Hälfte der bisher aufgelaufenen Gewinne kostete, hatte ihm einen Schock versetzt und ihm lebenslangen Respekt vor der Risikokontrolle eingeflößt. (Die Details dieses Trades werden in Kapitel 17 besprochen.)
Eines von Kovners grundlegenden Money-Management-Prinzipien bestand darin, dass er, bevor er irgendeine Position einging, seinen Ausstiegspunkt anhand seiner Einschätzung festlegte, wohin der Markt nicht laufen sollte, wenn er mit seiner Trading-Idee richtiglag. „Nur so kann ich schlafen“, erklärte Kovner dazu. „Bevor ich einsteige, weiß ich, bis wohin ich gehe.“ Warum ist es so wichtig, den Ausstieg festzulegen, bevor man einsteigt? Weil der Zeitpunkt vor dem Einstieg in den Trade der letzte ist, zu dem man noch vollständig objektiv ist. Sobald man in dem Trade drin ist, verliert man die Objektivität und man neigt eher zum Aufschieben, weil man vernünftige Gründe für eine Verlustposition findet. Dadurch, dass Kovner die Entscheidung über das Verlust-Limit vor dem Einstieg in den Trade trifft, sorgt er für eine disziplinierte Strategie der Risikokontrolle und schließt Emotionales aus dem Money-Management-Prozess aus.
Bevor ich einsteige, weiß ich, bis wohin ich gehe.
– Bruce Kovner
Dazu eine persönliche Anmerkung: Kovners Regel, dass man vor dem Einstieg festlegt, wo man aus einem Trade aussteigt, war der Kern eines Trades, den ich als meinen Übergangspunkt vom Trader, der netto Verlust macht, zum Trader, der netto Gewinn macht, betrachte. Dieser Trade, den ich als einen meiner besten überhaupt betrachte, brachte mir ironischerweise Verlust. Ich hatte damals schon mehrere Trading-Versuche gestartet und jedes Mal mit einem kleinen Einsatz angefangen. Dieser ging jedes Mal drauf (oft weil ich den Verlust aus einem einzelnen Trade aus dem Ruder laufen ließ) und dann wartete ich eine Weile, bevor ich den nächsten Versuch startete. Der erwähnte Trade, der für mich den Wendepunkt darstellte, beinhaltete die D-Mark, die vor der Einführung des Euro die wichtigste europäische Währung war. Damals bewegte sich die D-Mark in einer ausgedehnten Trading-Range, die sich nach einem anhaltenden Niedergang gebildet hatte. Meine Analyse brachte mich zu der Überzeugung, dass die D-Mark einen bedeutenden Boden bildete. Ich ging innerhalb der Kursspanne long und erwartete, dass irgendwann ein Ausbruch nach oben erfolgen würde. Gleichzeitig platzierte ich einen Stopp knapp unter dem Tiefpunkt der Konsolidierung. Ich dachte mir nämlich, wenn ich recht hatte, würde der Markt nicht auf ein neues Tief fallen. Ein paar Tage danach begann die Mark zu fallen und ich wurde mit einem geringen Verlust aus meiner Position ausgestoppt. Das Tolle daran war, dass der Kursverfall kräftig anzog, nachdem ich ausgestoppt worden war. Früher hätte dieser Trade mein Konto ausgelöscht, aber diesmal erlitt ich nur einen geringen Verlust.
Wenn man mich aufordern würde, den meiner Meinung nach wichtigsten Trading-Ratschlag zu nennen, und ich dürfte dafür höchstens zehn Wörter verwenden, würde ich einen Rat nennen, den ich als Kovners Diktum bezeichnen möchte: Lege vor dem Einstieg fest, wo du aussteigen willst.
Stop-Losses oder vorher festgelegte Ausstiegspunkte zur Verlustbegrenzung, wie sie Schwartz und Kovner einsetzen, gehören zu den effektivsten Werkzeugen des Risikomanagements. Allerdings platzieren viele Trader ihre Stopps nach derart verqueren Herangehensweisen, dass der Stopp die Sache manchmal sogar noch schlimmer macht. Colm O’Shea, ein erfolgreicher Londoner Hedgefonds-Manager, der vor der Gründung seines eigenen Fonds COMAC Capital LLP Geld für die Citigroup, für Balyasny Asset Management und für George Soros verwaltete, erinnerte sich, dass ein falsch gesetzter Stop-Loss seinen allerersten Trade sabotierte.
Als frisch eingestellter Trader bei der Citigroup erstellte O’Shea eine Fundamentalanalyse der britischen Wirtschaft und kam zu dem Schluss, dass die Zinserhöhungen, die der Markt für Zinskontrakte eingepreist hatte, nicht stattfinden würden. Diese Prognose erwies sich als absolut korrekt. Drei Monate danach war es immer noch zu keiner Zinserhöhung gekommen und die kurzfristigen Zinsfutures waren um 100 Punkte gestiegen. Doch obwohl O’Shea richtiglag, hatte er Verlust gemacht. Wie schaffte er es, Geld zu verlieren, obwohl er richtiglag? Sein Problem war, dass er zwar eine längerfristige Meinung über die Zinsen hatte, dass er aber den Markt mit kurzfristigen Risiko-Einschränkungen tradete. Er wurde dauernd von unbedeutenden Kursbewegungen ausgestoppt, weil er zu viel Angst hatte, Verlust zu machen.
Dieser erste Trade lehrte O’Shea, dass man genug Risiko zulassen muss, damit ein Trade funktioniert. Er erklärte, wie man Stopps setzen soll, und verglich dann diesen Ansatz mit dem, was viele Trader tatsächlich tun. „Zunächst“, so O’Shea, „muss man entscheiden, ab wann man sich geirrt hat. Das bestimmt darüber, auf welchem Niveau der Stoppkurs liegen sollte. Dann rechnet man aus, wie viel man an der Idee zu verlieren bereit ist. Zum Schluss teilt man den Betrag, den man zu verlieren bereit ist, durch den Verlust pro Kontrakt bis zum Stoppkurs und bestimmt so die Positionsgröße. Der Fehler, den ich am häufigsten sehe, ist, dass die Menschen rückwärts vorgehen. Sie fangen mit der Positionsgröße an. Dann ermitteln sie ihre Schmerzschwelle und die entscheidet darüber, wo sie den Stopp setzen.“
Wenn man den Stopp zu eng setzt, führt das wahrscheinlich zu zahlreichen Verlusten. Wie O’Shea unter Bezugnahme auf solche Trader erläuterte: „Sie steigen aus, weil ihr Stopp erreicht wurde, und sie sind diszipliniert. Aber kurz danach wollen sie wieder einsteigen, weil sie nicht glauben, dass sie sich geirrt haben. Auf diese Art haben Day-Trader in den Jahren 2000 und 2001 an der Nasdaq haufenweise Geld verloren. Sie waren diszipliniert und schlossen deshalb ihre Positionen am Ende des Tages. Aber sie machten immer wieder den gleichen Trading-Fehler.“
Im Grunde rät O’Shea dazu, dass man einen Stopp auf einem Niveau setzen sollte, das die Prämissen des Trades widerlegt, nicht auf einem Niveau, das sich nach der Schmerzschwelle richtet. Dem Markt ist Ihre Schmerzschwelle nämlich egal.
Stopps können zwar unschätzbar wertvolle Instrumente des Risikomanagements sein, haben aber unter anderem den Nachteil, dass die Position wenden kann, nachdem der Stoppkurs ausgelöst wurde, sodass der Trader mit einer Position Verlust macht, die ohne Stopp Gewinn gebracht hätte. Als alternatives Risikomanagement-Werkzeug kann man Optionen verwenden und dadurch dieses frustrierende Szenario zu vorher festgelegten Kosten vermeiden.
Nehmen wir als Beispiel einen Trader, der die Aktie XYZ kaufen möchte, die gerade 24 Dollar kostet, und der bereit ist, einen Verlust von höchstens zwei Dollar zu riskieren. Der geradlinige Ansatz wäre, die Aktie zu kaufen und einen Stop-Loss bei 22 Dollar zu setzen. (Natürlich könnte der Verlust dann trotzdem mehr als zwei Dollar betragen, wenn die Order unter 22 Dollar ausgeführt würde.) Würde die Aktie auf 21,80 Dollar fallen und dann auf 30 Dollar zurückfedern, säße der Trader auf einem Verlust von circa zwei Dollar pro Aktie, obwohl er für die Aktie die richtige Bewegungsrichtung erwartet hatte.
Als Alternative zum Stopp könnte der Trader zum Beispiel eine 1-jährige Call-Option auf XYZ mit Basispreis 22 Dollar kaufen. In diesem Beispiel nehmen wir an, die Optionsprämie betrüge drei Dollar (oder einen Dollar mehr als die Kursdifferenz, nach der die Option im Geld wäre). Wenn die Aktie unter 22 Dollar fällt und bei Fälligkeit der Option immer noch unter 22 Dollar steht, beschränkt sich der Verlust des Traders auf die drei Dollar Prämie, die er für die Option bezahlt hat, egal wie tief der Aktienkurs fällt. Wenn die Aktie hingegen unter 22 Dollar fällt und bis zur Fälligkeit der Option auf 30 Dollar steigt, macht der Trader fünf Dollar Gewinn je Aktie (die Differenz zwischen dem Kurs von 30 Dollar und dem Ausübungspreis von 22 Dollar abzüglich der drei Dollar Prämie, die er für die Option bezahlt hat). In diesem Szenario hätte der Trader mit dem Stopp zwei Dollar Verlust je Aktie gemacht und der Trader, der die Option gekauft hat, fünf Dollar Gewinn je Aktie (einen Dollar weniger als den Kursanstieg der Aktie). Wenn der Stoppkurs nicht erreicht wird, steht der Trader mit dem Stopp natürlich um einen Dollar besser da (den Betrag, um den die Prämie über die Preisdifferenz hinausgeht, nach der die Option im Geld ist). Im Geld befindliche Optionen haben zudem den Vorteil, dass man dafür weniger Geld auslegen muss als für direkte Long-Positionen.
Was ist nun besser? Das Positionsrisiko durch Stopps oder durch im Geld befindliche Optionen zu kontrollieren? Die Antwort hängt von den persönlichen Vorlieben ab, von der Liquidität der Optionen und vom relativen Preis der Optionen zum Zeitpunkt des Trades. Ich möchte hier lediglich darauf hinweisen, dass unter gewissen Umständen und für manche Trader im Geld befindliche Optionen ein attraktiveres Instrument zur Risikokontrolle darstellen können als Stoppkurse und dass man sie daher als mögliche Alternative zu direkten Positionen in Betracht ziehen sollte, die man durch Stopps schützt.
Der Flaggschiff-Fonds von BlueCrest, ein von Michael Platt geleiteter Multimanager-Fonds, der so gestaltet ist, dass die Verluste sehr begrenzt ausfallen, hat über einen Zeitraum von 13 Jahren Jahresrenditen über zwölf Prozent2 (nach Abzug aller Gebühren) geschafft und dabei den Drawdown vom Gipfel zum Tal im gesamten Zeitraum unter fünf Prozent gehalten. Wie konnte BlueCrest über einen so langen Zeitraum zweistellige Renditen erwirtschaften und dabei den größten Drawdown so klein halten? Die Antwort liegt vor allem in der Risikomanagement-Strategie des Portfolios, die den Betrag straff begrenzt, den jeder Manager verlieren darf, bevor Kapital herausgezogen wird. Jedes Kalenderjahr fängt bei null an. Jeder Manager darf drei Prozent Verlust machen, bevor seine Allokation um 50 Prozent gekürzt wird. Verliert der Manager vom restlichen Vermögen weitere drei Prozent, wird die gesamte Allokation für den Rest des Jahres zurückgenommen. Diese strengen Regeln der Risikokontrolle sollen den maximalen Jahresverlust jedes Managers auf weniger als fünf Prozent begrenzen (zwei aufeinanderfolgende Verluste von drei Prozent ergeben weniger als fünf Prozent, weil der zweite Verlust nur auf 50 Prozent des Vermögens angefallen ist).
Man könnte nun meinen, wenn man den maximal zulässigen Verlust derart straff zügelt, würden auch die Renditen sehr gedämpft ausfallen. Aber wie ist es dem Fonds dann gelungen, Jahresrenditen zu erzielen, die im Schnitt zweieinhalb Mal so groß waren wie der größte Kapital-Drawdown des gesamten Zeitraums? Das liegt daran, dass sich die Risikovorschrift mit den zweimal drei Prozent nur auf den Anteil bezieht, mit dem der Manager das neue Jahr beginnt. Somit spornen diese Regeln die Fondsmanager zwar an, anfangs sehr vorsichtig zu sein, aber wenn sie sich ein Gewinnpolster aufgebaut haben, können sie immer größere Risiken eingehen. Im Endeffekt darf der Manager die ursprünglichen drei Prozent zuzüglich aller in dem Jahr anfallenden Gewinne riskieren, bevor seine Allokation gekürzt wird. Diese Struktur gewährleistet, dass das Kapital bewahrt wird, lässt aber gleichzeitig das Gewinnpotenzial nach oben offen, da es größere Risiken erlaubt, wenn bereits Gewinne vorliegen.
So manchem Trader mag die Risikomanagement-Methode von BlueCrest als Vorbild für eine Begrenzung der jährlichen Verluste auf ein vorher festgelegtes Maximum dienen, die trotzdem ein größeres Gewinnpotenzial zulässt. Dabei kann der Trader das für ihn geeignete Verlustniveau als Schwellenwert für die Senkung des Engagements oder die Beendigung des Tradings wählen.
Den Magiern der Märkte gelingt es, schnell auszusteigen, wenn sie falschliegen. Als ich Steve Cohen interviewte, den Gründer von SAC Capital und einen der erfolgreichsten Trader der Welt3, erzählte er mir von einem Trade, bei dem er völlig falschgelegen hatte: „Ich shortete eine Aktie bei 169 Dollar. Die Ergebnisse wurden gemeldet und sie fielen schlicht phänomenal aus – die totale Panne! Ich stieg im nachbörslichen Handel deutlich höher aus und kaufte die Position zu 187 Dollar zurück. Der Trade ging einfach nicht auf. Am nächsten Tag eröffnete die Aktie bei 197 Dollar. Gott sei Dank hatte ich die Position noch am Abend im nachbörslichen Handel eingedeckt.“
Ich fragte Cohen, ob es ihm immer gelinge, sich auf dem Absatz umzudrehen, wenn er sich geirrt hat. Er antwortete: „Das sollte man tunlichst schaffen. Es ist ja kein perfektes Spiel. Ich führe über meine Trader Statistiken. Mein bester Trader macht nur in 63 Prozent der Fälle Gewinn. Die meisten Trader [von SAC] machen nur in 50 bis 55 Prozent der Fälle Gewinn. Das heißt, dass man sich ganz oft irrt. Wenn das passiert, sollte man seine Verluste so klein wie möglich halten und dafür sorgen, dass die Gewinne größer ausfallen.“
Nun zu einem Dilemma, vor dem die meisten Trader bereits das eine oder andere Mal gestanden haben: Man hat eine Position, die sich gegen einen wendet, ist aber immer noch von dem Trade überzeugt. Auf der einen Seite will man nicht, dass der Verlust aus der Position noch größer wird, doch auf der anderen Seite befürchtet man, dass der Markt, wenn man ausgestiegen ist, sofort in Richtung des liquidierten Trades wendet. Dieser Konflikt kann dazu führen, dass Trader in eine Starre verfallen und nichts tun, während ihre Verluste anwachsen. Auch für den Umgang mit solchen Situationen hatte Cohen einen nützlichen Ratschlag parat: „Wenn der Markt gegen Sie läuft und Sie wissen nicht, warum, nehmen Sie die Hälfte vom Tisch. Man kann sie jederzeit wieder einsetzen. Wenn man das zweimal macht, hat man drei Viertel seiner Position gekürzt. Der Rest ist dann keine große Sache mehr.“
Es ist viel leichter, einen Teilverlust mitzunehmen, als die gesamte Position zu liquidieren. Außerdem ist es eine Möglichkeit, zu agieren anstatt es vor sich herzuschieben. Und doch widerstrebt den meisten Tradern der Gedanke einer teilweisen Liquidierung. Warum? Weil eine teilweise Liquidierung garantiert, dass man falschliegt. Falls der Markt wendet, hätte man nicht liquidieren sollen, und falls er weiterhin gegen einen läuft, hätte man die gesamte Position liquidieren sollen. Egal was passiert, man liegt zum Teil falsch. Das Bedürfnis, zu 100 Prozent richtigzuliegen, hält viele Trader davon ab, eine Teilliquidierung in Betracht zu ziehen. Doch durch den Versuch, zu 100 Prozent richtigzuliegen, liegen viele Trader am Ende zu 100 Prozent falsch. Wenn Sie das nächste Mal unentschlossen sind, ob sie eine Verlustposition liquidieren oder die Zähne zusammenbeißen und sie aussitzen sollen, bedenken Sie, dass es eine dritte Wahlmöglichkeit gibt: Die teilweise Liquidierung ist eine Alternative, die man, wie Cohen erwähnt hat, auch mehrmals auf die gleiche Position anwenden kann.
Wenn Sie Zweifel haben, steigen Sie aus und schlafen Sie eine Nacht drüber. Ich habe das schon oft gemacht und am nächsten Tag war alles klar. […] Solange Sie [in der Position] drinstecken, können Sie nicht nachdenken. Wenn Sie aussteigen, können Sie wieder klar denken.
– Michael Marcus
Laut Michael Marcus ist beste Strategie, um Klarheit zu gewinnen, wenn man sich nicht sicher ist, was man mit einer Position machen soll, auszusteigen: „Wenn Sie Zweifel haben, steigen Sie aus und schlafen Sie eine Nacht drüber. Ich habe das schon oft gemacht und am nächsten Tag war alles klar. […] Solange Sie [in der Position] drinstecken, können Sie nicht nachdenken. Wenn Sie aussteigen, können Sie wieder klar denken.“ Die Bemerkung von Marcus, dass man am besten Klarheit gewinnt, wenn man nicht in der Position ist, passt zu der Überlegung, die hinter Bruce Kovners Ratschlag steckt, dass man vor dem Einstieg in einen Trade bereits über den Ausstieg entscheiden sollte.
Die unmittelbaren nachteiligen Folgen, die es hat, wenn man einen Verlust unnötig groß werden lässt, liegen auf der Hand. Jedoch haben große Verluste noch eine weitere, weit weniger offensichtliche Konsequenz, die sich auf das Vermögen sehr nachteilig auswirken kann. Große Verluste hemmen den Trader nämlich geistig und führen dazu, dass er sich Gewinnchancen entgehen lässt. Michael Platt fasste diese Beobachtung plastisch in Worte, als er über die Zeit nach der Mitnahme eines großen Verlustes sprach: „Man kommt sich vor wie ein Idiot und ist nicht in der Stimmung, etwas Neues aufzuziehen. Und dann läuft der Elefant an einem vorbei, aber das Gewehr ist nicht geladen. Es ist schon verblüffend, wie ärgerlich oft das passiert. In diesem Spiel muss man da sein, wenn einem der großartige Trade über den Weg läuft. Das ist die 80/20-Regel des Lebens. Beim Trading stammen 80 Prozent des Gewinns aus 20 Prozent deiner Ideen.“
Das Money-Management muss nicht komplex sein. Es gibt zwar Bücher, die nur dem Thema Money-Management gewidmet sind, aber ich bin von einer Regel überzeugt, die so einfach ist, dass sie sich in einem einzigen Satz formulieren lässt und die bereits 90 Prozent des Money-Managements abdeckt.
Larry Hite, Mitgründer von Mint Investment, eines der größten und erfolgreichsten CTAs (Commodity Trading Advisors) der 1980er-Jahre, sagte sehr deutlich, was seines Erachtens die wichtigste Komponente der Strategie seiner Firma war: „Die alleroberste Regel, an die wir uns bei Mint halten, lautet: Riskiere mit einem Trade niemals mehr als ein Prozent des gesamten Kapitals.“ Und das ist es: effektives Money-Management in nur einem Satz ausgedrückt. Hite führte weiter aus: „Da ich nur ein Prozent riskiere, lässt mich jeder einzelne Trade kalt.“ Diese einfache Regel funktioniert, weil sie verhindert, dass ein einzelner schlechter Trade großen Schaden anrichtet. Man kann dann zwar beim Trading trotzdem Geld verlieren, aber man wird nicht deshalb aus dem Spiel geworfen, weil man es bei einem oder ein paar schlechten Trades zugelassen hat, dass unbeschränkte Verluste auflaufen – eine schmerzliche Erfahrung, die schon viele Trader gemacht haben, auch wenn sie effektive Einstiegsmethoden für Trades hatten.
Die 1-Prozent-Grenze hat nichts Magisches an sich. Genauso gut können Sie 0,5 Prozent oder 2,0 Prozent nehmen – oder welche Zahl auch immer am besten für Ihre Strategie geeignet ist. Der entscheidende Punkt ist, dass es bei jedem Trade eine strenge Verlustgrenze gibt. Effektives Money-Management ist keine Frage der Komplexität, sondern eine Frage der Disziplin. Sogar einfache Regeln zur Risikokontrolle dürften wunderbar funktionieren – wenn man so diszipliniert ist, sich auch daran zu halten.
1} Leser, die sich mit Optionen nicht auskennen, können diesen Abschnitt überspringen oder erst den Anhang lesen.
2} Die Performance-Zahlen stammen von www.barclayhedge.com.
3} Zahlreiche ehemalige Mitarbeiter von SAC bekannten sich des Insiderhandels schuldig oder wurden des Insiderhandels überführt. Auch die Firma an sich bekannte sich des Insiderhandels schuldig und bezahlte Geldstrafen in Höhe von insgesamt 1,8 Milliarden US-Dollar. Steve Cohen wurde vorgeworfen, seine Mitarbeiter nicht ausreichend beaufsichtigt zu haben, aber eine direkte Beteiligung am Insiderhandel wurde ihm nicht zur Last gelegt. Trotzdem haben die erwähnten Verurteilungen und die Tatsache, dass Cohen die Manager, die für ihn arbeiteten, routinemäßig aufforderte, ihre Trading-Ideen untereinander auszutauschen, dazu geführt, dass es umstritten ist, ob und in welchem Maße Cohens Trades von Insiderinformationen profitiert haben. Ich sehe die Sache so: Selbst wenn man Cohens Renditen halbieren würde, ergäben sie noch einen außerordentlichen Track Record. Welche Auswirkungen Insidergeschäfte auf Cohens Erfolgsbilanz auch gehabt haben mögen (wenn überhaupt), so waren sie sicherlich geringer als dieser Anteil, denn sonst hätten mit Sicherheit mehr als genug Beweise gegen Cohen vorgelegen, um ihn unmittelbar anzuklagen. Daher ist es für mich vom rein statistischen Standpunkt her keine Frage, dass Cohen ein sehr fähiger Trader ist. Diese Bemerkungen sollen ausschließlich erklären, weshalb ich überzeugt bin, dass Cohen unabhängig davon, von welchen eventuellen Annahmen bezüglich der Auswirkungen von Insiderhandel man ausgeht, ein großartiger Trader ist. Sie sollen auf keinen Fall andeuten, er sei direkt an Insidergeschäften beteiligt gewesen – ich möchte über diese Frage nicht spekulieren –, oder ein solches Verhalten billigen, falls er es an den Tag gelegt haben sollte.