KAPITEL 12

VERLIEREN GEHÖRT ZUM SPIEL

Der Zusammenhang zwischen Selbstvertrauen und Verlustmitnahmen

Eng verknüpft mit dem Selbstvertrauen ist der Gedanke, dass Verlieren notwendig zum Spiel dazugehört. Linda Raschke ist ein Beispiel für die Geisteshaltung, die mit dieser Sichtweise verbunden ist. Zunächst machte sie als erfolgreiche Parketthändlerin Karriere, dann zwangen sie Verletzungen, die sie bei einem Reitunfall erlitten hatte, den Parketthandel aufzugeben und stattdessen von einem Büro aus zu traden. In den Jahren als Händlerin abseits des Parketts war Raschke weiterhin erfolgreich.

An einem Punkt unseres Interviews bekannte Raschke: „Es machte mir nie etwas aus, zu verlieren, denn ich wusste immer, dass ich es gleich wieder zurückgewinnen würde.“ Oberflächlich mag sich das arrogant und selbstgefällig anhören. Aber das passt überhaupt nicht zu Raschkes Persönlichkeit. Sie prahlt nicht mit ihrem Trading. Eigentlich sagt sie damit in Wirklichkeit: „Ich habe eine Methode, von der ich weiß, dass sie auf lange Sicht Gewinn bringt. Zwischendurch gibt es auch ein paar Verluste. Wenn ich jetzt verliere, werde ich später gewinnen. Solange ich mich an meine Methode halte und so weitermache wie bisher, mache ich Plus.“ Sie verdeutlicht damit, dass Verlieren Teil des Prozesses ist und dass einem Trader das klar sein muss, wenn er erfolgreich sein will.

Und wenn man schon weiß, dass man das Trading-Spiel gewonnen hat, bevor man damit anfängt, ist es kein Problem, einen Verlust mitzunehmen, denn dann ist einem klar, dass das nur zu dem Weg gehört, der am Ende zum Gewinn führt.

Der Experimentalpsychologe Dr. Van Tharp, den ich für „Magier der Märkte“ interviewt habe, hat den Unterschied zwischen Tradern, die gewinnen, und Tradern, die verlieren, auf seine Weise analysiert. Dr. Tharp hat eine Liste entscheidender Überzeugungen aufgestellt, von denen er festgestellt hatte, dass sie Spitzentradern gemeinsam sind. Zwei dieser Überzeugungen hängen unmittelbar mit dem Thema des vorliegenden Kapitels zusammen. Erstens sind Spitzentrader überzeugt, dass es in Ordnung ist, an der Börse Geld zu verlieren. Zweitens wissen sie schon, dass sie das Spiel gewonnen haben, bevor sie angefangen haben. Und wenn man schon weiß, dass man das Trading-Spiel gewonnen hat, bevor man damit anfängt, ist es kein Problem, einen Verlust mitzunehmen, denn dann ist einem klar, dass das nur zu dem Weg gehört, der am Ende zum Gewinn führt.

Die Begründungen eines Traders, der Verlust macht

Marty Schwartz erklärte, dass er für seine Verwandlung von einem Trader, der Verlust macht, in einen Trader, der Gewinn macht, akzeptieren musste, dass Verlieren zum Spiel gehört. Er führte aus: „Was ist die letztliche Rationalisierung eines Traders, der eine Verlustposition hält? ‚Ich steige aus, wenn ich wieder auf null stehe.‘ Warum ist es ihm so wichtig, auf null rauszukommen? Weil es das Ego schützt. Ich habe es geschafft, zum Gewinner zu werden, als ich mir sagen konnte: ‚Zum Teufel mit meinem Ego – Geld zu verdienen ist wichtiger.‘“

Wenn man auf null rauskommt, kann man sagen: „Ich lag nicht falsch. Ich habe keinen Fehler gemacht.“ Dieses Bedürfnis, sich nicht zu irren, ist genau der Grund, aus dem die Menschen verlieren. Die Ironie liegt darin, dass Amateur-Trader deshalb Verlust machen, weil sie Verluste vermeiden wollen. Professionellen Tradern ist hingegen klar, dass sie Verluste mitnehmen müssen, um gewinnen zu können. Ihnen ist klar, dass die Verlustmitnahme untrennbar zum Trading-Prozess gehört. Damit man beim Trading gewinnt, muss man verstehen, dass Verlieren Teil des Spiels ist.

Die vier Arten von Trades 1

Die meisten Trader glauben, es gebe zwei Arten von Trades: Trades mit Gewinn und Trades mit Verlust. In Wirklichkeit gibt es aber vier Arten von Trades: Trades mit Gewinn und Trades mit Verlust sowie gute und schlechte Trades. Verwechseln Sie nicht das Konzept von Gewinn und Verlust mit dem Konzept von gut und schlecht. Ein guter Trade kann Verlust bringen und ein schlechter Trade kann Gewinn bringen. Ein guter Trade folgt einem Verfahren, das (bei akzeptablem Risiko) profitabel ist, wenn man es oft wiederholt, bei einzelnen Trades jedoch Verlust bringen kann.

Nehmen wir an, ich biete Ihnen eine Wette auf Münzwürfe an, von denen Sie wissen, dass sie fair sind (sowohl die Münze als auch die Würfe): Bei Kopf geben Sie mir 100 Dollar, bei Zahl gebe ich Ihnen 200 Dollar. Sie nehmen die Wette an, werfen die Münze und sie zeigt Kopf. War das nun eine schlechte Wette? Natürlich nicht. Es war eine gute Wette, die Verlust gebracht hat. Wenn wir sie viele Male wiederholen würden, würden Sie damit sehr gut fahren und es war richtig, die erste Wette anzunehmen, auch wenn Sie damit Verlust gemacht haben. Ebenso ist ein Verlust-Trade auf der Grundlage einer profitablen Strategie immer noch ein guter Trade, denn wenn man ähnliche Trades viele Male wiederholt, bringt das Verfahren insgesamt Gewinn.

Beim Trading geht es um Wahrscheinlichkeiten. Selbst die besten Trading-Prozesse bringen in einem erheblichen Teil der Fälle Verlust. Man kann im Voraus nie wissen, welcher einzelne Trade Geld bringen wird. Solange ein Trade einem Prozess mit Vorteil entspringt, ist er ein guter Trade, egal ob er Gewinn oder Verlust bringt, denn wenn man ähnliche Trades häufig wiederholt, laufen sie im Durchschnitt ins Plus. Im Gegenzug ist ein Trade, den man als Glücksspiel eingeht, ein schlechter Trade, egal ob er Gewinn oder Verlust bringt, denn mit der Zeit bringen solche Trades Verlust. Ein Vergleich aus dem Glücksspielbereich: Wenn man am Spielautomaten gewinnt, war die Wette (der Trade) trotzdem schlecht, denn wenn man sie (ihn) viele Male wiederholt, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass man damit Geld verliert.

Die Bereitschaft, zu verlieren

Man kann nicht gewinnen, wenn man nicht bereit ist, zu verlieren. Laut Bruce Kovner gehört zu den wichtigsten Dingen, die ihm Michael Marcus beigebracht hat, dass „man bereit sein muss, regelmäßig Fehler zu machen. Daran ist nichts Falsches. Michael hat mich gelehrt, nach bestem Wissen und Gewissen zu urteilen, mich zu irren, noch einmal nach bestem Wissen und Gewissen zu urteilen, mich zu irren, ein drittes Mal nach bestem Wissen und Gewissen zu urteilen und dann mein Geld zu verdoppeln.“

1} Teile dieses Abschnitts stammen in abgewandelter Fassung aus „Market Wizards“, Neuauflage, Hoboken2012.