Edward Thorps Track Record gehört sicherlich zu den besten aller Zeiten. Sein erster Fonds, Princeton Newport Partners, erzielte eine annualisierte Bruttorendite von 19,1 Prozent (nach Abzug von Gebühren 15,1 Prozent) über einen Zeitraum von 19 Jahren. Noch beeindruckender war die außerordentliche Beständigkeit seiner Rendite: In 227 von 230 Monaten erzielte er Gewinn und sein größter Monatsverlust lag unter einem Prozent. Sein zweiter Fonds, Ridgeline Partners, brachte bei einer durchschnittlichen annualisierten Volatilität von nur sieben Prozent über zehn Jahre eine durchschnittliche Jahresrendite von 21 Prozent.
Bevor sich Edward Thorp für die Märkte zu interessieren begann, war er Mathematikprofessor mit der Berufung, sich Methoden auszudenken, wie man bei verschiedenen Kasino-Spielen gewinnen kann – ein Unterfangen, das allgemein als aussichtslos galt. Denn wie sollte sich irgendjemand eine Gewinnstrategie für Spiele überlegen können, bei denen der Spieler im Nachteil ist? Man könnte meinen, ein Mathematikprofessor müsste der Letzte sein, der Zeit auf ein derart sinnloses Ziel verwendet. Allerdings ging Thorp völlig unkonventionell an das Problem heran. Zum Beispiel entwickelte er gemeinsam mit Claude Shannon (bekannt als „Vater der Informationstheorie“) einen Miniaturcomputer, der anhand der newtonschen Physik vorhersagte, in welchem Oktanten eines Roulette-Rades die Kugel mit der größten Wahrscheinlichkeit landen würde.
Ebenso wie beim Blackjack kann man selbst eine verlustbringende Strategie in eine gewinnbringende Strategie verwandeln, wenn man bei Trades mit hoher Wahrscheinlichkeit mehr und bei Trades mit geringer Wahrscheinlichkeit weniger oder gar nichts einsetzt.
Beim Blackjack erkannte Thorp, dass man ein Spiel mit Nachteil in ein Spiel mit Vorteil verwandeln kann, wenn man auf Blätter mit hoher Wahrscheinlichkeit mehr setzt als auf Blätter mit geringer Wahrscheinlichkeit. Diese Erkenntnis hat bedeutende Konsequenzen für das Trading: Durch die Änderung der Positionsgröße kann man die Performance steigern. Ebenso wie beim Blackjack kann man selbst eine verlustbringende Strategie in eine gewinnbringende Strategie verwandeln, wenn man bei Trades mit hoher Wahrscheinlichkeit mehr und bei Trades mit geringer Wahrscheinlichkeit weniger oder gar nichts einsetzt. Beim Trading kann man die Wahrscheinlichkeit zwar nicht so exakt bestimmen wie beim Blackjack, aber immerhin kann man als Trader häufig Trades mit höherer Wahrscheinlichkeit von Trades mit geringerer Wahrscheinlichkeit unterscheiden. Wenn beispielsweise ein Trader mit Trades besser fährt, zu denen er großes Vertrauen hat, kann sein Maß an Vertrauen als Näherung für die Gewinnwahrscheinlichkeit fungieren. Daraus folgt dann, dass er nicht bei jedem Trade den gleichen Betrag einsetzen sollte, sondern bei Trades, denen er mehr zutraut, ein größeres Risiko eingeht, und bei Trades, denen er weniger zutraut, ein geringeres.
Michael Marcus führte unterschiedliche Positionsgrößen als entscheidendes Element seines Erfolgs an. Er hatte erkannt, dass Trades viel besser liefen, wenn die Fundamentaldaten, das Chartmuster und die Stimmung des Marktes (wie er auf Nachrichten reagierte) gleichzeitig für den Trade sprachen. Ihm wurde klar, dass er wahrscheinlich besser fahren würde, wenn er sein Trading ausschließlich auf Trades beschränkte, die allen drei Bedingungen genügen. Doch solche Gelegenheiten ergeben sich nicht allzu oft und wie er selbst eingesteht, machte ihm „das Spiel zu viel Spaß“, als dass er geduldig nur auf solche Situationen hätte warten können. „Ich stellte den Spaß an der Action über meine eigenen Kriterien“, gab Marcus zu und räumte ein, die nicht optimalen Trades hätten insgesamt betrachtet nachteilig sein können. „Was mich jedoch rettete“, so Marcus, „war die Tatsache, dass ich bei einem Trade, der allen meinen Kriterien genügte, fünf- bis sechsmal so große Positionen einging wie bei den anderen Trades.“
Paul Tudor Jones erlebte in seiner Anfangszeit an den Märkten, als er noch Broker war, den verheerendsten Trade seiner Laufbahn. Damals managte er spekulative Depots am Baumwollmarkt. Der nächstfällige Juni-Kontrakt bewegte sich innerhalb einer Handelsspanne und Jones hatte eine Long-Position auf 400 Kontrakte aufgebaut. Eines Tages, als er sich gerade auf dem Börsenparkett aufhielt, durchbrach der Baumwollpreis das untere Ende der Trading-Range, federte danach jedoch wieder zurück. Jones dachte, nachdem die Stopps unterhalb der Range wieder überboten worden waren, würde der Markt steigen. Draufgängerisch wies er seinen Parketthändler an, für 100 Kontrakte einen höheren Preis zu bieten – für damalige Verhältnisse eine sehr große Order. Fast im selben Augenblick rief der Broker der Firma, die den größten Teil der verfügbaren Baumwollvorräte hielt, „Verkauft!“ und Jones begriff sofort, dass die Firma vorhatte, ihre Vorräte gegen den Juli-Kontrakt zu liefern, den er hielt, und dass sich der Aufschlag des Juli-Kontrakts gegenüber dem nächstfälligen Kontrakt (Oktober) in Höhe von 400 Punkten schnell in Luft auflösen würde. Er wusste sofort, dass er auf der falschen Seite des Marktes stand, und wies seinen Händler an, so viel zu verkaufen, wie er nur konnte. Der Markt stürzte ab und war innerhalb von 60 Sekunden limit down. Er hatte es nicht einmal geschafft, die Hälfte seiner Position zu liquidieren.
Am nächsten Morgen war der Markt erneut limit down, bevor Jones seine restliche Position vollständig auflösen konnte. Am Tag darauf gelang es ihm endlich, aus der Restposition auszusteigen, wobei er manche Kontrakte bis zu 400 Punkte unter dem Punkt verkaufte, zu dem er eigentlich hatte aussteigen wollen.
Jones erläuterte, das Problem sei nicht die Menge der Punkte gewesen, die er an diesem Trade verlor, sondern dass er viel zu viele Kontrakte im Verhältnis zu dem von ihm verwalteten Vermögen gehandelt hatte. Seine Depots verloren durch diesen einen Trade etwa 60 bis 70 Prozent! Beim Rückblick auf diese schmerzliche Erfahrung gestand Jones: „Ich war vollkommen demoralisiert und sagte mir: ‚Ich bin nicht für diesen Beruf gemacht, ich glaube, ich halte das nicht mehr lange durch.‘ Ich war so niedergeschlagen, dass ich beinahe aufgegeben hätte. […] Doch an diesem Punkt sagte ich mir auch: ‚Du Dummkopf, warum riskierst du auch mit einem Trade alles? Warum läufst du nicht dem Glück statt dem Leid nach?‘“
Dieser Trade war so traumatisch, dass er Jones veränderte. Jones verschob seinen Fokus von dem, was er an einem Trade verdienen konnte, auf das, was er daran verlieren konnte. Er tradete viel vorsichtiger. Nie wieder würde er mit einem einzelnen Trade ein sehr großes Risiko eingehen.
Overtrading war auch bei einem katastrophalen Trade ein Aspekt, bei dem Bruce Kovner an einem einzigen Tag die Hälfte seiner aufgelaufenen Gewinne verlor. Dieser Trade, der in Kapitel 17 genauer beschrieben wird, weckte in ihm die Vorliebe für kleinere Positionen. Kovner glaubt, dass die meisten Trading-Anfänger zu große Positionen handeln. Sein Rat an Trader lautet: „Undertrade, undertrade, undertrade. […] Wenn man eine Vorstellung von der richtigen Positionsgröße hat, sollte man diese mindestens halbieren. Ich habe bei Anfängern die Erfahrung gemacht, dass sie drei- bis fünfmal zu groß traden. Bei einem Trade, bei dem sie ein oder zwei Prozent riskieren sollten, gehen sie ein Risiko von fünf bis zehn Prozent ein.“
In unserem Interview erzählte Kovner, dass er versucht habe, rund 30 Trader auszubilden, dass aber nur aus etwa fünf von ihnen gute Trader geworden seien. Ich fragte ihn, ob es irgendein Unterscheidungsmerkmal zwischen der Mehrheit gebe, die mit dem Trading keinen Erfolg hatte, und der erfolgreichen Minderheit. Als einen der entscheidenden Unterschiede hob Kovner hervor, dass die erfolgreichen Trader diszipliniert ihren Positionen die richtigen Größen zuwiesen. „Ein gieriger Trader lässt immer sein Portfolio platzen“, so Kovner.
Je größer die Position, desto größer die Gefahr, dass Trading-Entscheidungen eher von Angst als von Urteilsvermögen und Erfahrung geprägt sind.
Je größer die Position, desto größer die Gefahr, dass Trading- Entscheidungen eher von Angst als von Urteilsvermögen und Erfahrung geprägt sind. Laut Steve Clark, Portfoliomanager des Londoner Omni Global Fund 1, der eine Strategie mit guter Rendite-Risiko-Bilanz fährt, muss man im Rahmen seiner „emotionalen Kapazität“ traden. Andernfalls passiert es leicht, dass man anlässlich unbedeutender Korrekturen aus guten Trades aussteigt und mit Trades Verlust macht, die eigentlich Gewinn gebracht hätten. Dass eine Position zu groß ist, erkennt man laut Clark mit Sicherheit daran, dass man sich beim Aufwachen Sorgen um sie macht.
Howard Seidler hat innerhalb der Gruppe von Tradern, die von Richard Dennis und William Eckhardt geschult wurden und als Turtles berühmt wurden, mit die beste Performance erzielt. Er hat die Lektion, was passiert, wenn man jenseits seiner „emotionalen Kapazität“ tradet, sehr früh in seiner Trader-Laufbahn gelernt. Nachdem er eine Short-Position eingegangen war, begann der Markt in die gewünschte Richtung zu laufen, und so beschloss er, die Position zu verdoppeln. Kurz danach begann der Markt wieder zu steigen. Der Anstieg war nicht groß, aber wegen der verdoppelten Positionsgröße machte sich Seidler wegen seiner Verluste derart große Sorgen, dass er nicht nur die zusätzliche Position, sondern auch die ursprüngliche auflöste. Zwei Tage später brach der Markt, wie ursprünglich vorhergesehen, ein. Hätte Seidler einfach seine anfängliche Position behalten, hätte er mit dem Trade einen großen Gewinn erzielt. Da er aber zu viel eingesetzt und danach überreagiert hatte, verpasste er die Gewinnchance vollständig. Seidlers Lehre aus dieser Erfahrung: „Es gibt bestimmte Lektionen, die man unbedingt lernen muss, wenn man ein erfolgreicher Trader werden will. Zu diesen Lehren gehört, dass man nicht gewinnen kann, wenn man so viel einsetzt und hebelt, dass einem der Markt Angst macht.“
Marty Schwartz warnt Trader davor, ihre Position zu schnell zu vergrößern, sobald sie damit Gewinn machen. „Die meisten Menschen machen den Fehler, ihren Einsatz zu erhöhen, sobald sie Gewinn machen“, so Schwartz. „Das ist ein schneller Weg in den Ruin.“ Er rät, mit dem Aufstocken von Positionen abzuwarten, bis man sein Kapital mindestens verdoppelt hat.
Ein zu großer Einsatz ist zwar einer der häufigsten Gründe, aus denen Trader scheitern, aber es gibt auch Zeiten, in denen es gerechtfertigt und sogar wünschenswert ist, im großen Stil zu traden. Laut Stanley Druckenmiller besagt eine der wichtigsten Lektionen, die er von George Soros gelernt hat, dass „nicht wichtig ist, ob man richtig- oder falschliegt, sondern wie viel Geld man verdient, wenn man richtigliegt, und wie viel man verliert, wenn man falschliegt“. Er ergänzte, die wenigen Situationen, in denen ihn Soros je kritisiert habe, seien jene gewesen, als er den Markt richtig eingeschätzt, aber nicht „die Chance maximiert“ hatte. Als Beispiel führte Druckenmiller eine Episode an, die sich kurz nach seiner Einstellung durch Soros abspielte. Druckenmiller sah damals den US-Dollar gegenüber der D-Mark sehr bearish und hatte eine seiner Meinung nach große Position platziert. Sie hatte begonnen, sich zu seinen Gunsten zu entwickeln, und Druckenmiller war ziemlich stolz auf sich. Soros kam in Druckenmillers Büro und sie sprachen über den Trade.
„Wie groß ist Ihre Position?“, fragte Soros.
„Eine Milliarde Dollar“, erwiderte Druckenmiller.
„Und das nennen Sie eine Position?“, fragte Soros abschätzig. Er ermunterte Druckenmiller, seine Position zu verdoppeln. Das tat er auch und der Trade entwickelte sich spektakulär weiter zu seinen Gunsten.
Laut eigener Aussage hat ihn Soros gelehrt: „Wenn man von einem Trade absolut überzeugt ist, muss man auf die Halsschlagader zielen. Ein Schwein zu sein erfordert Mut.“
Obwohl Druckenmiller zu dem Zeitpunkt noch nicht bei Soros Management arbeitete, hatte er erfahren, was der Firma nach dem Plaza-Abkommen 1985 widerfahren war. Damals hatten sich die Vereinigten Staaten, Großbritannien, die Bundesrepublik Deutschland, Frankreich und Japan darauf geeinigt, durch gemeinsame Maßnahmen für eine Abwertung des Dollar gegenüber anderen Währungen zu sorgen. Vor dem Treffen hatte Soros eine massive Long-Position auf den Yen gehalten und andere Trader in seinem Büro hatten sich dieser Position angeschlossen. Am Montagmorgen nach dem Abkommen eröffnete der Yen 800 Punkte höher. Die Trader von Soros Management konnten es nicht fassen, wie groß der plötzliche warme Regen war, und begannen Gewinne mitzunehmen. Soros kam polternd aus seinem Büro heraus und erklärte ihnen, sie sollten aufhören, Yen zu verkaufen, er werde ihre Positionen übernehmen. Druckenmiller zog aus dieser Episode folgende Lehre: „Während sich die anderen Trader dazu beglückwünschten, dass sie den größten Gewinn ihres Lebens erzielt hatten, betrachtete Soros das Gesamtbild. Soeben hatte ihm die Regierung verraten, der Dollar werde im nächsten Jahr fallen – warum sollte er da kein Schwein sein und [Yen] nachkaufen?“
Der Leser sollte die Lektion, die er aus diesem Abschnitt zieht, präzise fassen. Der entscheidende Punkt ist nicht, dass Trader bereit sein sollten, große aggressive Trades einzugehen, sondern vielmehr, dass sie bereit sein sollten, dann größere Trades einzugehen, wenn sie sehr davon überzeugt sind.
Allzu viele Trader behalten bei verschiedenen Marktbedingungen dieselbe Positionsgröße bei. Wenn aber gewünscht ist, dass das Risiko im zeitlichen Verlauf ungefähr gleich bleibt, müssen sich die Positionsgrößen an wesentliche Änderungen der Marktvolatilität anpassen. Colm O’Shea erinnert sich, dass er 2008 auf Manager stieß, die behaupteten, sie hätten ihr Risiko halbiert. O’Shea sagte darauf: „Die Hälfte, das ist ganz schön viel.“ Dann fuhren die Manager fort: „Ja, ich hatte einen Hebel von vier, jetzt habe ich nur noch zwei.“ O’Shea erwiderte: „Ist Ihnen eigentlich klar, dass sich die Volatilität verfünffacht hat?“ Die Manager hatten gedacht, sie hätten ihr Risiko gesenkt, aber volatilitätsbereinigt war es sogar gestiegen.
Die verschiedenen Positionen sind im Gegensatz zu Münzwürfen nicht voneinander unabhängig. Manchmal können sie es zwar sein, aber zu anderen Zeiten können sie wesentlich miteinander korreliert sein. Wenn verschiedene Positionen positiv miteinander korreliert sind, steigt die Wahrscheinlichkeit eines Portfolioverlusts in beliebiger Höhe, weil dann die Tendenz besteht, dass bei verschiedenen Positionen gleichzeitig Verluste auftreten. Um dieses erhöhte Risiko zu berücksichtigen, sollte man die Positionsgröße senken, wenn verschiedene Positionen miteinander positiv korreliert sind.
Nachdem Edward Thorp in einer langen Laufbahn anhand verschiedener Arbitrage-Strategien getradet hatte, entwickelte er eine Trendfolgestrategie und handelte danach. Als ich ihn fragte, wie er es denn schaffe, eine bessere Rendite-Risiko-Performance zu erzielen als andere Trendfolger, schrieb er den Vorsprung zum Teil der Tatsache zu, dass er eine auf Korrelationen basierende Strategie der Risikominderung eingebaut hatte. Er beschrieb sein Verfahren so: „Wir handelten anhand einer Korrelationsmatrix und senkten so unser Engagement an korrelierten Märkten. Wenn zwei Märkte eng korreliert waren und das technische System den einen kaufte und den anderen shortete, war alles gut. Aber wenn es beide kaufen oder beide shorten wollte, verkleinerten wir beide Positionen.“
1 } Diese Strategie wurde im Februar 2007 in Omni Global Fund umbenannt. Davor hieß sie Hartford Growth Fund und stand externen Anlegern nicht offen.