Vorwort:
Geld und Demokratie – eine überfällige Hochzeit

Sind Sie mit der gegenwärtigen Geldordnung zufrieden? Halten Sie sie für gerecht, demokratisch, verständlich und nachhaltig?

Wissen Sie, wie das heutige Geldsystem funktioniert: wie das Geld geschöpft wird, wie die Beziehungen zwischen Geschäfts- und Zentralbanken laufen, wie ein Kredit in ein Wertpapier verwandelt wird, was genau eine Schattenbank ist und auf welchem Weg hundert Millionen Euro in eine Steueroase transferiert werden?

Wissen Sie, wer die heutige Geldordnung gemacht hat? Welches Gremium sie entwickelt, welcher Ausschuss sie diskutiert, welches Parlament oder welcher Souverän sie beschlossen hat?

Die Ratlosigkeit, die sich üblicherweise angesichts solcher Fragen ausbreitet, ist einer lebendigen Demokratie ebenso unwürdig wie freier und mündiger BürgerInnen. Dieses Buch möchte die »Herrschaft des Geldes«19 beenden, indem es

 a) einen öffentlichen Diskurs über die herrschende Geldordnung anstößt;

 b) konkrete und verständliche Alternativen zu allen wichtigen Elementen der herrschenden Geld- und Finanzordnung vorschlägt und

 c) einen demokratischen Prozess skizziert, wie wir von der gegenwärtigen Plutokratie und Finanzdiktatur zu einer demokratischen Geldordnung kommen könnten.

Der Autor dieses Buches ist der Ansicht, dass das gegenwärtige Geldsystem nicht nur multipel dysfunktional, sondern auch – und das ist gleichzeitig die wichtigste Ursache dafür – durch und durch undemokratisch ist. Die politischen Entscheidungen, die zur gegenwärtigen Geldordnung geführt haben, tragen nicht den Bedürfnissen und Werten der Souveräne Rechnung. Laut repräsentativer Umfragen wünschen sich in Deutschland und Österreich zwischen achtzig und neunzig Prozent der Bevölkerung eine andere Wirtschaftsordnung als die gegenwärtige.20 Stünden mehrere Alternativen zur Auswahl, würde die aktuelle Geldordnung mit Sicherheit abgewählt. Würde es beispielsweise zu einer demokratischen Abstimmung darüber kommen, ob

 – Geschäftsbanken Geld schöpfen

 – Kredite an Spekulanten vergeben werden

 – systemrelevante Banken entstehen

 – diese mit Steuergeld gerettet werden

 – Schattenbanken existieren dürfen

 – Staaten sich auf Märkten verschulden müssen

 – der Kapitalverkehr in Steueroasen frei sein

 – mit Nahrungsmitteln spekuliert werden darf

 – der US-Dollar die Rohstoffwährung sein soll …

es würde sich wohl in kaum einem Land der Welt auch nur für eine dieser heute gültigen Regeln eine demokratische Mehrheit finden. Dennoch existiert dieses unsägliche Geldsystem legal im Rahmen demokratischer Rechtsstaaten und macht uns das Leben schwer. Manchen nimmt es das Leben. Zu oft stimmt leider: Geld oder Leben.

Teil des Problems ist, dass die demokratisch gewählten Vertretungen so sehr von den mächtigsten Interessen, die sich innerhalb des neofeudal-kapitalistischen Geldsystems herausgebildet haben, eingenommen sind, dass sie an den gegenwärtigen Spielregeln des Geldsystems nichts Entscheidendes zu ändern gewillt sind. Die Regierungen und Parlamente machen jedenfalls nicht die geringsten Anstalten, die herrschende Geldordnung in Frage zu stellen, geschweige denn, die Spielregeln neu zu schreiben. Zwar betreiben sie – von der G20 und dem Basler Komitee über die EU-Institutionen bis hin zu den Nationalstaaten – eine Reihe von Reformprojekten und Finanzregulierungen, doch keine einzige stellt eine profunde Lösung dar, keine von ihnen wird eine alternative Geldordnung hervorbringen, diese ist in den offiziellen Prozessen gar nicht das Ziel!

Deshalb bleibt aus der Sicht des Autors allen freien, vernünftigen und demokratisch gesinnten Menschen nichts anderes übrig, als sich aus der bequemen Passivität und achselzuckenden Hinnahme einer multipel dysfunktionalen Geldordnung zu lösen und eigenverantwortlich und kooperativ von der BürgerInnenbasis her die Gestaltung einer neuen Geldordnung in Angriff zu nehmen.

Gute Gründe sollten uns dazu motivieren: Wir stehen vor der berühmten Entscheidung: »Change by design or change by desaster.« Besser bewusst gestalten als in die nächste Krise taumeln. Diesen »system shift« sind wir nicht nur uns selbst, unserer Selbstachtung und Würde schuldig, sondern auch den kommenden Generationen, denen wir das gegenwärtige »Unsystem« nicht untätig vererben sollten. Wenigstens sollten wir den Versuch unternehmen, ein gerechteres, stabileres und nachhaltiges Geldsystem zu entwickeln.

Ein Systemwechsel oder besser: eine demokratische Weiterentwicklung der Geldordnung kann nur von vielen gemeinsam in die Wege geleitet und von der höchsten Instanz der Demokratie – dem Souverän – beschlossen werden. Die indirekte Demokratie ist selbst zum Opfer des Geldsystems und seiner Tendenz zur korruptiven Vereinnahmung, zum blinden monetären Wachstum, zur finanzalchimistischen Selbstreferenzialität, zur »Umwertung aller Werte«21 und zur ungebremsten Konzentration ökonomischer und politischer Macht geworden.

Der Vorschlag dieses Buches ist daher, die Spielregeln für das Geldsystem in partizipativen, dezentralen Prozessen zu diskutieren, in delegierten oder direkt gewählten nationalen Konventen zu finalisieren und durch bindende Volksabstimmungen in den Verfassungen zu verankern. Konkret könnte ein eigener Abschnitt in den Verfassungen ergänzt werden, in dem die Spielregeln des Geldsystems verankert sind. Damit hätten die Parlamente eine klare Grundlage für die Geld-Gesetzgebung. Die Geldverfassung ist bindend für den Gesetzgeber, aber nicht für alle Zeiten in Stein gemeißelt. Sie kann geändert werden, bloß nur wieder vom Souverän selbst, von derselben Instanz, die sie in Kraft gesetzt hat. Eine demokratische Geldordnung kann und sollte auch periodisch überarbeitet, verbessert und weiterentwickelt werden – vom Auftraggeber des Parlaments.

Einen persönlichen Appell möchte ich an diejenigen Menschen richten, die mit besonderer Kreativität, Intelligenz und Intellektualität ausgestattet sind. Diese sind Gaben der Natur, die uns geschenkt werden. Wir können sie für unseren persönlichen Vorteil nützen und wir können diese Gaben an die Gemeinschaft zurückgeben, indem wir an der Entwicklung fairer und demokratischer Spielregeln mitwirken. Wie viele hochbegabte Menschen erlernen heute das Handwerk der InvestmentbankerIn, FondsmanagerIn oder VermögensverwalterIn? Wie viel Intelligenz wird heute investiert in Produktinnovationen innerhalb des Systems? Und wie viel in Innovationen am System? Ein Wirtschaftssystem kann nur gut funktionieren, wenn die Spielregeln gerecht und akzeptiert sind. Wenn die »Spielregeln« in einem Unternehmen, in einem Haus oder in einer Organisation nicht stimmig sind, dann leidet die gesamte Organisation. Die gegenwärtige Geldordnung belastet die gesamte Gesellschaft – die Regeln sind multipel disfunktional.

Ziel dieses Buches ist eine demokratische Geldordnung, welche die Freiheit aller erhöht durch a) die gleiche Möglichkeit zur Mitgestaltung der Spielregeln, b) die egalitäre Wirkung dieser Spielregeln und c) ihre Tendenz zu Systemstabilität, Verteilungsgerechtigkeit und Nachhaltigkeit. Je demokratischer sie zustande kommt, desto eher wird sie mit den Grundwerten der Gesellschaft – Menschenwürde, Freiheit, Solidarität, Gerechtigkeit, Nachhaltigkeit – übereinstimmen. Die Vision des Buches ist: Geld darf weder das Ziel des Wirtschaftens noch ein privates Gut sein, sondern ein Mittel des Wirtschaftens und ein öffentliches Gut. Geld soll von einer Waffe zum Werkzeug werden. Geld soll dem Leben dienen, dem Gemeinwohl.