7. Kapitel
Das Herz der Finsternis
„Du hast ja geübt“, stellte er anerkennend fest.
Gerade eben hatte er Jens Begrüßungs-Knicks vor der Haustür begutachtet. Anmutig hatte sie sich vor ihm herabgelassen, tief und tiefer die Knie gebeugt, bis sein Blick auf ihrem zierlichen Nacken ruhte, dann war sein Bikinimädchen geschmeidig wieder hochgekommen. „Melde mich zum Putzdienst, Herr Gutenberg“, hatte es brav gesäuselt und dabei das Bikini-Oberteil ein wenig zurechtgezupft. Eine sehr erotische Geste, wie er fand. Den Morgenmantel hatte sie, wie befohlen, in ihrer Wohnung gelassen. Statt der Turnschuhe trug sie, ebenfalls auf sein Geheiß hin, Pumps.
Sein Blick glitt von ihren schlanken Fesseln hoch zu ihrem Gesicht. Angesichts seiner lobenden Feststellung war sie errötet. Dann aber grinste sie.
„Vielleicht ein bisschen“, sagte sie kokett und ließ ihre Augen in einem effektvollen Seitenblick zu ihm emporflattern. Unwillkürlich hoffte er, dass auch ihr gefallen würde, was sie dabei sah. Zu seinen schwarzen Jeans trug er diesmal kein schlabbriges Oberteil, sondern ein knapp geschnittenes, weißes T-Shirt – Jean-Pierre hatte ihm ein Dutzend von Lacoste eingepackt.
Jens gestrige Flucht aus dem Fahrstuhl schien zudem kein Thema mehr. Er hatte allerdings auch nicht ernsthaft damit gerechnet, sie dauerhaft verschreckt zu haben. Dafür war sie einfach zu bereitwillig seinen begehrlichen Wünschen nachgekommen.
Johann machte ihr Platz, um sie in sein Appartement zu lassen und bewunderte, wie graziös sie auf den hochhackigen schwarzen Schuhen an ihm vorbeistöckelte. Als sie sich ihm wieder zuwandte, erklärte er: „Wenn du das Knicksen schon so gut beherrscht, wird es Zeit, dass du etwas Neues lernst“.
Er deutete auf die drei Statuen, die er auf dem Mahagoni-Schränkchen im Flur platziert hatte. Ihr Blick folgte seiner Handbewegung und sofort wandelte sich ihr Gesichtsausdruck. Alle Koketterie verschwand. Staunend – fast gebannt – schaute sie auf das, was bislang ihrer Aufmerksamkeit entgangen war.
Pelletiers Porzellan-Ladys waren wohlgerundete, fast schon mollige Frauen, die sich dem Betrachter in überaus devoten Positionen darboten. Sie schienen direkt den Haremsphantasien aus Tausendundeiner Nacht entsprungen. Denn gekleidet waren sie auf den ersten Blick fast genauso wie Jen auf dem Foto, das Johann in ihrem Flur gesehen hatte. Es war jene Aufnahme, die sie inmitten ihrer Bauchtanz-Gruppe zeigte. Die drei Porzellan-Figuren trugen ebenfalls orientalisch anmutende Kleidung: goldene Pumphosen und grüne Bolero-Jäckchen. Ein neckischer roter Fes thronte auf ihren Köpfen. Darunter fielen die langen schwarzen und braunen Haare offen ihren Rücken herab.
Im Gegensatz zu Jens Outfit auf dem Foto war die Kleidung der Porzellan-Frauen allerdings geradezu schockierend offenherzig. Die Jäckchen waren so kurz geschnitten, dass sie die nackten Brüste unbedeckt ließen und deren füllige Größe durch ihren Schnitt sogar hervorhoben.
Noch freizügiger fielen die Pumphosen aus, denn sie ließen die Scham vollkommen frei. All dies wurde noch dadurch betont, dass die Frauen ebendort geschminkt waren! Nicht nur die kleinen, puppenhaften Münder glänzten knallrot, sondern auch ihre Brustwarzen und die Schamlippen. Letztere waren zudem besonders fein modelliert und lenkten den Blick des Betrachters fast automatisch in diesen intimen Bereich, zumal die beiden Statuen, die Pelletier Motte und Stachel genannt hatte, ihn – jede auf ihre Art – besonders offen präsentierten.
Alle drei Figuren strahlten eine so intensive und direkte Erotik aus, dass sie Jen vollkommen in ihren Bann zu ziehen schienen. Ihre starke Reaktion überraschte sogar Johann. Sicher, auch auf ihn hatten die Statuen sofort eine schwer zu beschreibende Faszination ausgestrahlt. Sobald er sie gestern aus ihrer sorgfältigen Verpackung befreit hatte, war ihm klargeworden, dass Pelletier ihm einzigartige kleine Kunstwerke geschickt hatte. Sie wirkten in ihrer üppigen Weiblichkeit ungeheuer realistisch. Es war, als könnten sie jeden Moment zum Leben erwachen, als würden sie in der nächsten Sekunde suchend nach ihrem Herrn Ausschau halten, um ihm weitere Freuden zu bereiten oder um sich angstvoll für eine strenge Strafe bereitzuhalten. In ihrer Haltung, in der Kleidung und in ihrem Gesichtsausdruck schien sich ein ganzes Universum ebenso peinvoller wie wonniger Vergnügungen zu spiegeln. Bei Jen aber schien die Wirkung der Figuren noch extremer.
„Nimm sie. Schau sie an“, forderte Johann sie auf.
Zögernd streckte sie ihre Hand aus und schien zu überlegen, welche Figur sie als Erstes betrachten wollte. Als sie sich für die hockende Frau entschied, musste er unwillkürlich lächeln. Es war auch seine Favoritin.
Vorsichtig, als wäre sie etwas Lebendiges, nahm Jen die Statue vom Schrank und betrachtete sie von allen Seiten. Die Figur, die Pelletier Motte genannt hatte, hockte mit weit gespreizten Beinen da. Die Hände waren auf dem Rücken verschränkt. Mit etwas Phantasie ähnelte sie tatsächlich der Silhouette eines Nachtfalters mit ausgebreiteten Flügeln. Ein mit feinem, schwarzem Strich auf den Sockel gemaltes Bild griff die Haltung der Frau auf und legte die Umrisse einer Motte darüber. Das hatte Pelletier gemeint, als er schrieb, dass die jeweilige Bezeichnung der Figuren auf dem Sockel zu erkennen wäre.
Neben dem gemalten Nachtfalter fand sich zudem das Zeichen der sechsfingrigen Hand wieder. So, wie es auch auf dem Umschlag von Pelletiers Brief geprangt hatte. Johann glaubte sich sogar zu erinnern, es ebenfalls auf dem Sockel der steinernen Gorillas vor dem Eingang zu Pelletiers Haus wahrgenommen zu haben. Anscheinend war es Pelletiers Zeichen, denn es war auch auf den beiden anderen Statuen abgebildet.
Jen aber hatte keine Augen für das Zeichen. Ihre Sinne waren anderweitig beschäftigt. Langsam ließ sie ihre Fingerkuppen über die weiblichen Rundungen der Figur gleiten. Sie befühlte Po, Hüften und Brüste. Kurz wanderten ihre Finger auch über die Scham der Frau. Fasziniert sah Johann, wie Jen dabei selbst unwillkürlich erschauderte.
„Was ist das?“, hauchte sie. „Es sollen bestimmt Haremssklavinnen sein, nicht wahr? Sie sind wunderschön und so… so demütig und unterwürfig. Besonders diese hier.“
„Sie sind für dich. Du wirst sie mitnehmen und in deiner Wohnung aufstellen. Such einen passenden Ort für sie aus. Sie sollen dich an unser Arrangement erinnern“, antwortete er. Jen hatte unterdessen das Bild auf dem Sockel der Statue erspäht.
„Ist das ein Schmetterling?“, fragte sie fast wie in Trance.
Johann lächelte wieder. Jens Vermutung war natürlich nicht ohne Ironie – und absolut falsch. Schließlich konnte es doch nur ein Schmetterlingsmädchen auf dieser Welt geben.
„Es ist eine Motte. So heißt die Figur, und so heißt auch die Position“, antwortete Johan.
Im nächsten Augenblick stockte ihm der Atem, denn Jen hatte die hockende Figur auf das Schränkchen zurückgestellt und ließ sich nun selbst nieder. Die Motten-Frau immer im Blick, spreizte sie ihre Beine weit auseinander und nahm die Hände auf den Rücken. Die Handflächen drehte sie nach außen, wie sie es bei der Figur gesehen hatte.
Während Jen sich in diese ebenso unterwürfige wie freizügige Pose herabließ, schien Johann bei ihrem Anblick geradezu in die Höhe zu wachsen. Ein intensives Gefühl von Macht und Dominanz ließ ihn fast ebenso erschaudern wie Jen vorhin.
„Knie weiter auseinander. Oberkörper aufrechter. Schultern zurück“, forderte er, um ihre Position noch genauer dem Porzellan-Vorbild anzugleichen. Gehorsam folgte sie seinen Anweisungen, bis er zufrieden war.
„Sobald du von nun an das Kommando ‚Motte‘ hörst, wirst du diese Position einnehmen“, sagte er.
Als sie schwieg und nur mit einem kaum merklichen Nicken zustimmte, griff er grob in ihre Haare. Sie schrie auf und wollte aufstehen, aber er ließ sie nicht hochkommen, sondern zog ihren Kopf nach hinten, so dass sie nun von unten zu ihm aufschauen musste. Er war der Herr und sie die Sklavin. Seine Sub, seine willige Stute.
„Du kennst die Regeln. Also halte dich daran“, erklärte er mit harter Stimme. Wenn ich das Wort an dich richte, hast du mir stets klar und deutlich zu antworten. Dabei nennst du immer meinen Namen.“ Er grinste, herablassend. „Verstehen wir uns, Mottenmädchen?“
Sie war so erschrocken, dass sie wieder nur nicken wollte. Aber da zog er ihren Kopf unbarmherzig ein Stück weiter nach hinten.
„Wie heißt das?“
„Ja, Herr Gutenberg.“
Er ließ ihren Kopf los.
„Jetzt die andere Figur. Nimm sie in die Hand“, verlangte er.
Sie stand auf und nahm sich diesmal die stehende Statue namens Stöckchen. Wieder schienen ihre Hände mehr noch als ihre Augen die nackte Frauen-Figur zu erkunden. Gierig, fast lüstern glitten ihre Finger über das glatte Porzellan. Diesmal verharrten sie länger auf der Scham der Frauen-Figur.
Stöckchen stand aufrecht in einer Art Habachtstellung. Der Po war weit nach hinten herausgedrückt. Die Hände hatte sie unter ihre Brüste gelegt und leicht angehoben, so dass sie nun in ihrer ganzen Fülle präsentiert wurden. Von der Seite betrachtet ähnelte sie dabei tatsächlich einem etwas verästelten Zweig. Das Bildnis auf ihrem Sockel zeigte es.
„Sie fühlen sich so warm und lebendig an“, stellte Jen fest. „Von wem sind sie?“, wollte sie gleich darauf wissen.
„Von einem guten Freund“, antwortete Johann.
„Wer ist er?“
„Vielleicht wirst du ihn bald kennenlernen.“
„Ist er… so Einer wie du?“
„Ja und nein. Er ist ziemlich einzigartig.“
Neugierig und fast etwas ängstlich sah sie ihn an, aber als Johann schwieg, wandte sie ihre Aufmerksamkeit schnell wieder der Figur in ihren Händen zu.
„Ist das ein Ast?“, fragte sie mit Blick auf das Bild im Sockel und Johann hörte sehr wohl die vibrierende Erregung in ihrer Stimme.
„Ja, die Figur heißt Stöckchen. Du weißt also, was zu tun ist, wenn du diesen Befehl von mir hörst“, antwortete Johann.
„Bitte sag es“, verlangte sie leise. „Befehlen Sie es mir, Herr Gutenberg“, flüsterte sie.
„Dann zieh dich ganz aus. Ich will dich nackt sehen für diese Position.“
Sie zögerte, aber nur kurz, dann stellte sie die Figur zurück auf den Schrank, streifte sie sich das Bikini-Oberteil ab und stieg aus ihrem Höschen.
Sowie das schwarze Stück Stoff auf den Boden glitt, befahl er „Stöckchen“ und verfolgte gebannt, wie das nackte Mädchen ihm gehorchte.
Sie stellte sich gerade und mit geschlossenen Beinen hin. Dann wölbte sie ihren runden, prächtigen Po nach hinten heraus. Ihre Hände glitten unter ihre Brüste und suchten einen kurzen Augenblick nach der richtigen Position. Dann wurden sie leicht nach oben geschoben, um beide Brüste anzuheben und darzubieten.
Es war tatsächlich das erste Mal, dass er ihre Brüste sah. Sie waren recht klein und apfelförmig. Pelletier hatte sich abfällig über ihre Größe geäußert, als er Jens Foto bei ihrem ersten Treffen gesehen hatte. Johann konnte sich noch gut daran erinnern. Teilen konnte er Pelletiers Urteil nicht. Jens Brüste waren perfekt. Sie konnten nicht zu groß oder zu klein sein, denn sie waren Teil ihres Körpers. Daher waren sie entzückend und einzigartig. Jeder Quadratzentimeter ein Wunderwerk der Natur. Die Brustwarzen waren hell, ihre Warzenhöfe recht klein, genau wie Johann es mochte.
Fast widerwillig riss er seinen Blick los und schaute hoch. Jen hatte ihre Augen demütig gesenkt. Ihr Mund war, wie es eine seiner acht Regeln vorschrieb, leicht geöffnet. Ihre Lippen schimmerten in diesem Augenblick tausendmal verlockender als alles, was die Porzellan-Mädchen so offenherzig präsentierten.
Er spürte, wie sich ihm auch Jen erwartungsvoll entgegenbog. Ihr schneller Atem wehte ihm erregt und süß entgegen. So beugte er sich wie von selbst immer weiter zu ihr herüber und herunter. Auch seine Lippen öffneten sich, bereit, von den ihren zu kosten. Ein Dürstender, dem das fruchtigste Getränk der Welt dargeboten wurde.
Dann schrak er zurück. Nein, das war nicht gut. „Meide den Kuss“, hatte Pelletier geschrieben und er hatte recht. Ein Kuss stand für Hingabe und Zuneigung. Das hätte sie wohl gern. Wie hatte Pelletier es formuliert: „Sie wird dir immer wieder auch ihre Lippen darbieten. Meide sie! Der Kuss macht dich schwach und sie stark. Lass dich nicht manipulieren. Sie wird es versuchen, denn sie hält sich für schlau und einfach unwiderstehlich.“
Dieses Luder. Einmal hatte er sie geküsst, und dabei sollte es bleiben. Mit kalter Stimme erklärte er: „Erstaunlich, wie leicht es dir fällt, dich so schamlos darzubieten. Steh gefälligst gerade.“
Sie tat, was er verlangte, schob aber trotzig ihr Kinn vor: „Du musst gar nicht so gemein zu mir sein“, platzte es aus ihr heraus. „Außerdem habe ich keine Angst vor dir. Ich glaube, du bist eigentlich nett.“
Er und nett? Da irrte sich die kleine Dame aber gewaltig, und das würde er ihr umgehend beweisen. Ohne Jen einer Antwort zu würdigen, zeigte er auf die dritte Figur: „Diese Figur nennt sich Stachel. Nimm ihre Position ein.“
Stachel hatte sich so weit nach vorne gebeugt, dass ihre gewaltigen Brüste fast den Boden berührten. Dadurch präsentierte sie nun ihr ausladendes, porzellanweißes Hinterteil in seiner ganzen Fülle. Die Beine waren leicht gespreizt. Die gestreckten Arme hatte sie nach hinten und zwischen den Oberschenkeln hindurchgeschoben. So ergab sich eine besonders unterwürfige Position. Zwischen den Händen hielt sie zudem eine Peitsche, die tatsächlich stachelähnlich schräg nach oben ragte.
Erstaunlich war die Länge des Strafinstruments. Es war etwa eineinhalb Mal so groß wie die Figur selbst. Dass die Statue unter dieser Last trotzdem stabil stand lag daran, dass sie auf ihrem massiven Sockel sehr fein austariert war. Die Peitsche war zudem relativ leicht, denn sie war nicht aus Porzellan, sondern aus Leder. Stachel balancierte ein echtes Strafinstrument zwischen ihren Händen!
Wenn man mochte, konnte man diese so reizend dargebotene Peitsche sogar zwischen Stachels Porzellanhänden hervorziehen. Johann tat es und hielt nun eine biegsame, aus dunkelroten Lederstreifen geflochtene Bösartigkeit in der Hand. Es war eine sogenannte Hundepeitsche. Der Griff war etwa daumendick. Zum Schlag hin lief sie in zwei fingerbreite, längliche Lederstücke aus.
Da sie als „wichtiges Requisit“ zur Stachel-Position gehörte, reichte Johann sie Jen hinüber. Unbeholfen und mit spitzen Fingern nahm sie das Strafinstrument entgegen. Sie blickte darauf, als hätte man ihr eine Giftschlange in die Hand gedrückt. Dann änderte sich plötzlich ihr Gesichtsausdruck. Ihre Hand schloss sich fest um den Griff der Peitsche und sie ließ sie zischend durch die Luft fahren. Ihre Augen funkelten Johann zornig und mutwillig an. Sie schien für einen kurzen Moment tatsächlich zu überlegen, die Peitsche an ihrem gemeinen Nachbarn zu erproben – und sie sah hinreißend dabei aus, fand Johann. Eine nackte Domina, eine strafende Göttin, die der verdorbenen Männerwelt rächend und peitschenschwingend zu Leibe rückte. Dennoch war es höchste Zeit, Gehorsam einzufordern.
„Ich warte, Jen“, erklärte er kühl und ohne auf ihr Gefuchtel mit der Peitsche zu achten.
Vielleicht war es der drohende Unterton in seiner Stimme, der sie gehorchen ließ. Sie tat, was er befahl, aber sie bewegte sich langsam und widerwillig. Im Zeitlupentempo beugte sie ihren Oberkörper herunter. Aufreizend gemächlich streckte sie die Arme zwischen ihren Oberschenkeln hindurch.
Johann ließ sie gewähren. Sie würde sich noch schnell genug wünschen, ein braves Mädchen gewesen zu sein. Dann, als Jen endlich die geforderte Position eingenommen hatte und ihren Po weit genug herausstreckte, befreite er vorsichtig, fast andächtig, die dargebotene Peitsche aus ihren Händen. Wie leicht und griffig sie sich anfühlte.
Er trat direkt neben Jen und sah, dass sie ihn aus den Augenwinkeln heraus erschrocken beobachtete. Anscheinend wurde ihr erst jetzt klar, was auf sie zukam. Während seine linke Hand schwer auf ihrem Nacken ruhte und den Oberkörper niederhielt, schlug er mit der rechten zu. Überrascht registrierte er, wie geschickt und geübt er die Peitsche handhabte. Was auch immer geschehen sein mochte in den Jahren, die ihm die Amnesie geraubt hatte – der Umgang mit Schlaginstrumenten schien dazugehört zu haben.
Zunächst hatte er so schnell gehandelt, dass Jen nicht einmal Zeit gehabt hatte, aufzuschreien. Erst, als der zweite Schlag sie traf, fand sie ihre Sprache wieder.
„Bitte, bitte, Johann. Nicht mehr. Hör auf. Es tut mir leid.“
Ihre Stimme klang hoch, fast schrill. Obwohl er sie im Genick gepackt hatte, sank sie in die Knie, um ihren Po vor seinen Hieben zu schützen.
„Hoch“, herrschte er sie an, „oder ich verdopple die Zahl der Schläge. Außerdem möchte ich kein Wort mehr von dir hören.“
Er machte eine Pause und ließ sie wieder ihre Position einnehmen. Dann begann er von neuem. Sie wimmerte bei jedem Schlag, blieb sonst aber stumm und traute sich auch nicht mehr, ihre Position zu ändern.
Johann hatte die Kraft seiner Schläge jetzt etwas gedrosselt. Jeder Hieb saß und es war eine Freude, dieses Instrument zu handhaben. Die Peitsche schien, gleich ihm selbst, Jens Pobacken zu lieben und gar nicht genug von ihnen zu kriegen. Immer wieder griff sie fröhlich sirrend nach deren Rundungen und ließ schnurgerade Abschiedsgrüße zurück.
Schließlich aber hielt Johann inne. Acht rosarote Linien zeichneten in gleichmäßigen Abständen Jens Hinterbacken. Schön und reizvoll sah das aus, fand Johann. Er sagte: „Du wirst jetzt nackt, wie du bist, deine Arbeit erledigen, und wenn du fertig bist, kniest du dich im Arbeitszimmer neben meinen Schreibtisch auf den Boden und wartest schweigend, bis ich mich an dich wende. Verstanden?“
Sie nickte – immer noch vornübergebeugt in der Stachel-Position stehend – schwach mit dem Kopf.
„Oh Jen, sollte das etwa eine Antwort gewesen sein?“
Er hob die Peitsche und ließ sie zischend durch die Luft fahren. Da schrie sie erschrocken auf. „Nein, nein, bitte nicht. Ich habe verstanden, Herr Gutenberg. Ich werde es jetzt immer sagen. Ich schwöre es.“
Sie traute sich nicht, hochzukommen, aber in ihrem Schrecken wedelte sie mit ihren zwischen den Beinen gehaltenen Händen schützend vor ihren Pobacken herum.
Da lachte er und entließ sie aus seinem Nackengriff. Jetzt richtete sie sich auf. Verwirrt, schmerzerfüllt und erschrocken schaute sie ihn an. Aber er lachte immer noch, und da stürzte sie fort von ihm in Richtung Tür.
„Jen?“
Sein Ruf ließ sie innehalten. Sie drehte sich um. Ihre Augen groß, dunkel und fahrig. Schmetterlinge in einem Hagelsturm, dachte Johann.
„Ja, Herr Gutenberg.“
„Wenn du nächstes Mal kommst, bist du da unten komplett rasiert. Genau wie deine drei Porzellan-Freundinnen.“
Er blickte auf ihre Scham: „Man sieht dann nämlich noch viel deutlicher, wie feucht und geil dich die Peitsche werden lässt.“
Erschrocken und verschämt drückte sie ihre Oberschenkel zusammen und bedeckte mit ihren Händen das, was trotz des flaumig-blonden Haarwuchses sichtlich erregt zwischen ihren Beinen hervorblitzte. Dann, als er unverwandt in ihr schamrot angelaufenes Gesicht starrte, begriff sie als Nächstes, dass sie es schon wieder vergessen hatte.
Johann hob die linke Hand und zeigte ihr drei Finger.
„Drei vergessene Worte, drei Schläge. Streck die Hände aus. Handflächen nach oben.“
„Ja, Herr Gutenberg“, kam es zurück. Gehorsam streckte Jen ihm ihre Arme entgegen. Ihre Augen hefteten sich an die Peitsche in seiner rechten Hand. Er trat an sie heran und gleichzeitig zog sie unwillkürlich ihre Arme immer weiter zurück, möglichst weit weg von der bissigen Gemeinheit in seiner Faust.
Johann lächelte und tat mit der Hundepeitsche eine winkende Bewegung in seine Richtung. Langsam und offensichtlich mit einiger Selbstüberwindung schob Jen ihm wieder ihre Handflächen entgegen. Die Augen hielt sie jetzt in furchtsamer Erwartung fest geschlossen.
„Tapferes Mädchen“, säuselte er.
Dann setzte er die Peitsche ein, aber nicht so, wie Jen es erwartet hatte. Sanft ließ er sie zwischen ihre Schamlippen gleiten. Er hörte einen leisen Laut, der ebenso überrascht wie wollüstig klang. Ihre Beine glitten ein Stück weit auseinander. Als er die Peitsche langsam und mit zunehmendem Druck hin und her bewegte, warf sie den Kopf zurück und sog zischend die Luft ein. Da schlug er schnell und treffsicher zu. Erst links, dann rechts, dann wieder links sauste die Peitsche auf ihre Handflächen herab, um im nächsten Augenblick schon wieder ihre Scham zu liebkosen.
Jen hatte laut aufgeschrien. Nun hielt sie ihre schmerzenden Hände zu Fäusten geballt, fest an ihre Brust gedrückt. Gleichzeitig aber hatte sie ihre Hüften weit vorgeschoben, um die Peitsche dort, wo sie höchste Lust bereitete, willkommen zu heißen.
Und nun begann Johann sein erregendes Spiel. Er hatte es nicht geplant. Es ergab sich einfach. Ein flotter Dreier, ein magisches Dreieck. Die Beteiligten: Er selbst, seine nackte Gespielin und der Gegenstand in seiner rechten Hand. Diesmal aber benahm sich die Hundepeitsche nicht wie ein lederner Folterknecht, sondern wie ein leidenschaftlicher Liebhaber. Mal federleicht und sanft, mal rau und rücksichtslos ließ Johann sie Jens Körper erkunden.
Aber zunächst nahm er sie zwischen ihren Beinen fort und begutachtete unter ihrem verlegenen Blick ausgiebig die beiden länglichen Lederstücke am Ende der Peitsche.
„Schau nur, wie feucht du bist, Jen.“
Sie drehte ihr Gesicht zur Seite. Aber Johann schob die Peitsche unter ihr Kinn und hob damit ihren Kopf, so dass sie ihn direkt anblicken musste. Als sie seine kritisch nach oben gezogene Augenbraue sah, wusste sie, dass sie sich wieder einmal am Rande einer Bestrafung bewegte.
„Ja, Herr Gutenberg“, hauchte sie erschrocken und schnell.
„Möchtest du, dass ich weitermache?“
„Bitte. Ja. Ja, Herr Gutenberg.“
„Warum?“
„Weil… Weil ich geil bin und… und… feucht“, stieß sie hervor, den Kopf schamrot, die Hüften aber immer noch in gieriger Erwartung einer kosenden Peitsche weit nach vorn geschoben.
Aber Johann nahm sich jetzt Zeit. Er ließ die Peitsche langsam an ihrem Hals heruntergleiten. Er zeichnete ihr Schlüsselbein nach, umrundete mehrmals ihre Brustwarzen und ließ die Peitsche sanft gegen die aufgerichteten Spitzen klopfen. Scharf sog Jen die Luft ein und riss dabei ihre Augen auf, um im nächsten Augenblick unwillkürlich zu kichern, denn er kitzelte nun ihren Bauch und umkreiste federleicht ihren Nabel.
Dann wanderte die Peitsche weiter nach unten. Sie streifte Jens Venushügel und fand ihren Weg zur Innenseite der Schenkel. Vor dort unternahm sie kleine, freche Erkundungen zu den Schamlippen. Johann hörte sein Schmetterlingsmädchen dann jedes Mal vor Lust aufstöhnen.
Er tat dies alles bald vollkommen selbstvergessen – eins mit dem Gegenstand in seiner Hand ebenso wie mit Jen. Dieses Gefühl war so intensiv, dass ein Teil von ihm bald genauso gierig und erregt wie Jen auf die Berührungen der Peitsche wartete. Er glaubte, selbst das kühle Leder federleicht zu spüren, als es die Innenseite ihrer Schenkel streichelte. Sein Glied zuckte voller Verlangen, als das Leder ihre erregte Klitoris liebkoste.
Johann hatte Jen irgendwann befohlen, die Hände auf den Rücken zu nehmen. So war ihr Körper der Peitsche noch freier zugänglich. Er erlaubte ihr zudem, sich leicht zu bewegen, und so bog sich ihr Körper bald gierig in alle Richtungen den Berührungen der Peitsche entgegen. Bewegte sie sich allerdings zu sehr, biss die Peitsche fester zu und machte Jen klar, wie begrenzt ihre Freiheiten waren. Der Schmerz ließ sie – Johann spürte es deutlich – nur noch empfänglicher für die Lust werden, die ihr die Zärtlichkeit der Peitsche schenkte.
So trieb sie das Instrument in seiner Hand bald unverkennbar auf einen Höhepunkt zu. Ein Tremolo von sanften, kaum spürbaren Schlägen direkt auf Jens Klitoris ließ sie schließlich zitternd und stöhnend in seine Arme gleiten. Sie krallte sich an ihn und vergrub ihren Kopf so tief in seiner Halsbeuge, als wollte sie sich niemals wieder von ihm lösen.
Dann aber, als ihr Höhepunkt verebbte, glitt sie – immer noch bebend und schwer atmend – an ihm herab, bis sie dicht vor ihm kniete. Im nächsten Augenblick spürte er zu seinem Entzücken ihre Lippen, die sein Glied durch die Hose küssten.
Natürlich war auch er aufs Höchste erregt. Jen fand unter dem schwarzen Stoff der Jeans einen Körperteil, der gierig seine Freiheit verlangte. Johann sah, wie sie beim Anblick der ausgebeulten Hose zufrieden lächelte, dann nahm sie ihre Hände zum Bund seiner Hose hoch.
„Bitte, Herr Gutenberg, darf ich?“, hauchte sie.
Als Johann nickte, öffnete sie Knopf und Reißverschluss. Ihre Finger tasteten nach dem Bund seiner Shorts und zogen ihn herunter. Sein Glied schnellte hervor. Fleischig und fordernd ragte es Jen entgegen, und eine Sekunde lang wirkte sie beinahe erschrocken über seine Ausmaße. Vorsichtig, fast scheu berührten ihre Lippen die Haut über seiner Eichel und ließen, so empfand er es, glühende Spuren purer Seligkeit zurück.
Jen begann, ihn intensiver zu küssen. Er spürte ihre Zunge an seinem Schaft, an seinem Hoden, an der Spitze seiner Eichel. Mit entzücktem Staunen registrierte er die zärtliche und fast andächtige Hingabe, mit der sie seiner Lust diente. Längst brannte er lichterloh. Ein Stück Eisen in einem Hochofen, ein Baumstamm in einer Feuerbrunst.
Als sie dann ihre Lippen ganz über seine Eichel gleiten ließ, kam er fast sofort pulsierend und überfließend. Wieder registrierte er in wollüstigem Staunen Jens Verhalten. Sein Samen ließ sie nicht eine Sekunde zögern. Gierig, beinahe hungrig nahm sie auf, was er zu geben hatte.
Und dies feuerte seine Lust noch einmal an. Das Eisen schmolz dahin. Der Baumstamm wandelte sich in eine Flammensäule. Auch, als sein Höhepunkt schon langsam verebbte, nahm er daher nur am Rande wahr, dass Jen das Zimmer verließ. Eines aber hatte er, obwohl es rasch und fast verschämt geschehen war, bemerkt. Bevor Jen aufgestanden war, hatte sie seine Hand ergriffen und einen Kuss auf den Handrücken gehaucht. Erst dann war das nackte Mädchen hinausgehuscht.
Als er wieder klarer denken konnte, hörte er sie aus dem Bad kommen und in die Küche gehen. Dann klapperte Porzellan. Wenig später sprang die Geschirrspülmaschine an. Was mochte jetzt in Jen vorgehen? Immer noch glaubte er den Kuss auf seinem Handrücken zu spüren und er lächelte – zugebenermaßen etwas selbstgefällig, denn er war sich sicher, dass er die Hauptrolle in ihren Gedanken spielte.
Fast widerwillig ging er dann ins Bibliothekszimmer. Jetzt arbeiten? Johann hatte es sich vorgenommen. Sein Chauffeur würde ihn noch heute Abend abholen. Er hatte Adil, so hieß der Mann, für 19.00 Uhr bestellt. Also blieb genügend Zeit, sich auf das abendliche Meeting – eigentlich war es mehr ein Geschäftsessen – vorzubereiten. Ein langjähriger Geschäftspartner der EG-Immobilien GmbH wollte überraschend die Bedingungen ihrer Zusammenarbeit neu aushandeln. Der Mann hoffte auf bessere Konditionen, denn der Betrieb, ein Baustofflieferant, war anscheinend in finanzielle Schieflage geraten und kämpfte um sein Überleben.
Johann, der sich nach wie vor als Laie sah, würde sich im Hintergrund halten und die Verhandlungen seinen Fachleuten überlassen. Dennoch mochte er nicht unvorbereitet in das Treffen gehen. Er hatte eine Kopie des bestehenden Vertrags auf seinem Schreibtisch liegen und begann ihn aufzublättern, als er auf seinem Bürostuhl Platz genommen hatte.
Neben ihm lag ein Schreibblock, auf dem er sich Verständnisfragen notieren wollte, um sie später mit den Firmenjuristen durchzugehen. Aber der Block blieb leer, ebenso wie sein Kopf. Er las die ersten fünf Vertragspunkte einmal. Er las sie zweimal. Er las sie ein drittes Mal. Immer noch wollten die staubtrockenen Begriffe keinen Sinn ergeben und schließlich legte er das Schriftstück entnervt beiseite.
Verdammt noch mal, es war natürlich höllisch schwer, sich zu konzentrieren, solange sich dieses verlockende, hinreißende Wesen in seiner Wohnung herumtrieb. Wie hatte er es nur bei ihrem ersten Treffen geschafft, sich halbwegs auf seine Arbeit zu fokussieren? Hin und wieder hörte er Jen in der Küche herumwerkeln. Der Gedanke an ihre Nacktheit brachte sein Glied fast sofort wieder in Habachtstellung.
Immer noch fühlte er sich wie berauscht von dem, was eben passiert war. Es war einzigartig, wunderbar und magisch gewesen. Magie? Ja, wie viel von der ganzen Sache beruhte eigentlich auf der zauberdunklen Macht von Luc Pelletier? Angesichts dieser Frage fühlte sich Johann plötzlich, als hätte er selbst einen scharfen Schlag mit der Hundepeitsche erhalten. Der Gedanke, dass alles geschehen war, weil Jen und er selbst unter einer Art Zauberbann gestanden hatten, war hässlich. Und schon sauste die Peitsche ein zweites Mal herab. Falls es so gewesen war, dann waren sie in diesem Spiel wirklich nicht mehr als Marionetten. Die Fäden zog ein dämonisches Wesen, das nach Belieben über sie verfügen konnte. Vor allem in Bezug auf Jen missfiel Johann diese Vorstellung. Abstoßend war der Gedanke, dass sie dies alles nicht um seinetwillen tat, sondern letztendlich für Mr. Spinnenfinger. Die Peitsche sauste ein drittes Mal herab und traf Johann genau zwischen den Beinen. Eifersucht nannte man diesen Schmerz. Er hatte plötzlich das Gefühl, dass Pelletiers dunkle Künste diesen in einen geradezu übermächtigen Rivalen bei Johanns Schmetterlingsmädchen verwandelten.
Wie gierig der Belgier damals bei ihrem Treffen in Wilhelmsburg auf das Foto gestarrt hatte. Kein Wunder, Jen war eine Schönheit. Sie würde in jedem Mann Begehrlichkeiten wecken, und natürlich besonders in einem, der sich anscheinend ganz und gar seinen abartigen Gelüsten verschrieben hatte. Dann war da auch noch das seltsame vierte Geschenk, dass Pelletier seiner gestrigen Sendung beigelegt hatte. Während die drei Statuen Johann faszinierten, hatte dieses Ding eigentlich sofort Widerwillen in ihm ausgelöst. „Nur eine kleine Aufmerksamkeit in Eisen und Gold für die Gespielin meines Freundes“, hatte Mr. Spinnenfinger geschrieben.
Wirklich „nur“?
Johann schaute auf den Notizblock, der vor ihm lag, und registrierte überrascht, dass er seinen Stift in der Hand hielt. Ganz in seinen düsteren Gedanken versunken, hatte er ein Wort aufgeschrieben. „EIFERSUCHT“, las er.
Er riss das oberste Blatt vom Block, zerknüllte es und beförderte es in den Papierkorb. Aber seine Schrift hatte sich durchgedrückt. Auch auf dem darunterliegenden Papier war das hässliche Wort wie eingestanzt zu lesen. Also riss er auch dieses Blatt ab, und als er sah, dass die Schrift auch darunter fast ebenso deutlich zu erkennen war, zerknüllte er das nächste. Zwecklos. Immer noch grinsten ihm die Buchstaben deutlich entgegen. Er hatte sie in seiner Wut anscheinend geradezu ins Papier gemeißelt. Also pfefferte er den ganzen Block wütend in den Papierkorb.
Das half – irgendwie. Johann lehnte sich zurück und atmete tief durch. Vielleicht lagen die Dinge doch etwas anders, wenn man sie sachlich betrachtete. Wenn er ehrlich war, musste er zugeben, dass Pelletier eher mäßiges Interesse an Jen gezeigt hatte. Er hatte sich – unverständlicherweise – sogar negativ über ihre Oberweite geäußert. Außerdem könnte ein Mann mit Pelletiers Fähigkeiten wahrscheinlich jede Frau auf diesem Planeten besitzen. Er musste sich nicht mit den Angebeteten seiner „Kunden“ abgeben.
Und was die Sache mit dem Zauberbann betraf: Kam er sich denn selbst wie eine Marionette an magischen Schnüren vor? Nein, absolut nicht. Hatte er das Gefühl, dass Jen wie eine ferngesteuerte Puppe agierte? Ebenfalls nein. Sie entdeckte ihr Verlangen nach Unterwerfung, Demütigung und auch Schmerz. Das mochte sie überraschen und verwirren, aber willenlos und ferngesteuert wirkte sie nicht. Sicher, die drei Figuren hatten eine verblüffende (und wunderbare!) Wirkung bei Jen gezeigt. Aber Pelletier hatte selbst geschrieben, dass sie – auf welch geheimnisvolle Weise auch immer – nur freilegten, was schon vorhanden war.
Er überlegte, was Pelletier damals bei ihrem Treffen in Wilhelmsburg von seinen Fähigkeiten preisgegeben hatte. Wenn er dessen Äußerungen glaubte, hing zunächst einmal alles von Jens Bereitschaft ab, sich auf das Spiel einzulassen. Pelletier hatte beim Blick auf das Foto – noch so eine geheimnisvolle Fertigkeit – nach ihren devoten Neigungen geforscht. Bei ihrer Freundin Sofie-Kristin zum Beispiel schienen sie nicht vorhanden gewesen zu sein, bei Jen aber wohl. Auch Johann spielte nach Pelletiers Bekunden eine entscheidende Rolle. Er müsse gut sein, hatte Mr. Spinnenfinger ihm eingeschärft. Strenge und Konsequenz hatte er gefordert.
Pelletier war also nicht allmächtig, worin auch immer seine Fähigkeiten liegen mochten. Furchterregend waren seine Zauberkünste natürlich trotzdem, auch wenn sie bislang wie eine einzigartige Glückssträhne daher kamen. Allerdings nicht ganz. Es gab tödliche Nebenwirkungen: Johanns Glück war Ennos Unglück gewesen. Man ging jetzt von einem Fahrfehler als Unfallursache aus, hatten die Behörden Johann mitgeteilt. Möglicherweise hätte Herr Gutenberg einem Reh oder Wildschwein auf der Bundesstraße ausweichen wollen, hatte es geheißen. Ein plötzliche, heftige Lenkbewegung bei hoher Geschwindigkeit und Sekundenbruchteile später war der Porsche 911 am Stamm einer mächtigen Eiche zerschellt.
Was für ein Pech, dass es der einzige größere Baum auf mehreren Kilometern entlang der Straße gewesen war. Was für eine Beruhigung, dass am Steuer des Sportwagens anscheinend ein Kinderschänder ums Leben gekommen war. Johann hatte – unter anderem in einem ziemlich abstoßenden Gespräch mit dem redseligen Pulitza – herausgefunden, dass es diese Gerüchte um Enno Gutenberg tatsächlich gab. Und ja, sie änderten Johanns Sicht der Dinge. Ihre Wahrheit vorausgesetzt, geschah der tödliche Unfall seinem Kinderschänder-Onkel recht. Johann dachte mit Widerwillen daran, wie er selbst als Kind von Enno zuweilen getätschelt und umarmt worden war. Wie arglos er selbst dabei gewesen war und was Enno Gutenberg dabei wohl empfunden haben mochte.
Sicher, soweit er sich erinnern konnte, waren es harmlose Zärtlichkeiten gewesen. Trotzdem klangen Pulitzas Erzählungen stimmig und plausibel. Außerdem tat es dem eigenen Seelenfrieden gut, in diesem Fall vom berechtigten Tod eines verabscheuungswürdigen Menschen auszugehen.
Ennos Schreiben kam ihm in den Sinn. Es lag noch immer ungeöffnet auf dem Rücksitz seines Autos. Was mochte dort drinstehen? Er würde es so bald wie möglich herausfinden, nahm er sich vor. Und er hatte eine Menge herauszufinden.
Johann dachte wieder kurz an die EG-Immobilien-Verträge, die er so erfolglos durcharbeiten wollte. Auch mit Pelletier hatte er einen Vertrag. Eine rätselhafte, undurchsichtige Vereinbarung über zwölf Monate, die als Gegenleistung für Pelletiers Unterstützung fällig wurden. So hatte es Mr. Spinnenfinger gefordert, so hatte Johann zugestimmt. Wieder musste er an die furiose Wirkung der drei Porzellan-Figürchen denken. Auch wenn Pelletier nicht allmächtig sein mochte, war seine Hilfe doch ein grandioser Erfolg. Die Frage war, wann und wie Mr. Spinnenfinger die Rechnung aufmachen würde. Eine zweite Frage war ebenso wichtig: Ließen sich Pelletiers Forderungen – was auch immer sie bedeuten mochten – abmildern oder vielleicht sogar umgehen? Nein, auch Johann mochte ebenso wenig wie die Baustofffirma in existenzielle Schieflage geraten.
Also war es höchste Zeit, mehr über seinen unheimlichen Vertragspartner herauszufinden. Aber wo anfangen? Er dachte an ihr schicksalhaftes Treffen in Wilhelmsburg. Als Erstes hatte der gebürtige Belgier vom Kongo gesprochen. Anscheinend hatte er dort die meiste Zeit seines Lebens verbracht. Von einem herrlichen Land hatte er geschwärmt und vom Kongofluss erzählt. Johann konnte sich bestens erinnern: Der Strom würde die absonderlichsten Dinge herbeitragen und durch Regionen fließen, die Europäern so fremd wären, als lägen sie auf einem fernen Planeten.
Der Kongo also. Johann wusste kaum etwas über das Land und ebenso wenig über den Fluss. In der täglichen Berichterstattung der Medien kam diese Weltgegend praktisch nicht vor. Je mehr Johann dann in den nächsten Minuten im Internet recherchierte, desto erstaunter fragte er sich, warum eigentlich. Die „Demokratische Republik Kongo“ war der perfekte Lieferant für grauenerregende Bilder und blutige Schlagzeilen.
Zunächst die trockenen Fakten: Das Land in Zentralafrika war mehr als sechsmal so groß wie Deutschland. Tropischer Regenwald bedeckte weite Teile. Immer noch galten manche Regionen als kaum erforscht. Der Kongofluss, der dem Land seinen Namen gegeben hatte, war sagenhafte 4400 Kilometer lang. Einer der mächtigsten Ströme der Welt. Seine Wassermassen färbten noch 20 Kilometer vor der Küste den türkisfarbenen Atlantik in ein schmutziges Rostbraun. Das Land selbst strotzte anscheinend nur so vor Bodenschätzen. Es gab Diamanten, Gold, Kobalt und Kupfer. An der Küste waren reiche Öl-Vorkommen entdeckt worden.
Soweit die Fakten, wie sie Wikipedia auflistete. Die anderen Dinge entdeckte Johann nach und nach auf Internetseiten, die Google weniger schnell preisgab. Er las von Joseph Conrad und seinem berühmten Buch „Das Herz der Finsternis“. Genauso hatte der Schriftsteller das Land in dem Roman von 1899 genannt. Damals war der Kongo eine belgische Kolonie gewesen. Unterdrückung, Gewalt und Ausbeutung hatte Conrad in seinem Buch beklemmend eindringlich beschrieben.
Obwohl der Kongo seit Jahrzehnten unabhängig war und vor Bodenschätzen nur so strotzte, schien sich kaum etwas an den Verhältnissen geändert zu haben. Trotz aller seiner Bodenschätze war das Land bitterarm. Bürgerkriege und Stammesfehden wüteten seit Jahrzehnten. Je mehr Johann las, desto mehr kam ihm der Kongo wie ein finsterer Alptraum vor, eine monströse Ungeheuerlichkeit. Die Politologen nannten es einen „failed state“, einen gescheiterten Staat. Die Kämpfe dort führten zu furchtbaren Gewaltexzessen. Ungläubig las Johann, dass selbst in jüngster Zeit immer wieder Fälle von Kannibalismus bezeugt wurden.
Der Kongo schien – zu welcher Zeit auch immer – auf der dunklen Schattenseite des Weltgeschehens zu liegen. Das tödliche Ebola-Virus wurde 1976 in einer kleinen Stadt im Norden des Landes entdeckt. Der erste Aids-Fall wurde 1959 in Kinshasa, der Hauptstadt des Kongo, dokumentiert. Das Uran für die Atombomben, die 1945 Hiroshima und Nagasaki auslöschten, stammte aus einer Mine im Süden des Landes.
15 Jahre nach Ende des zweiten Weltkriegs erhielt das Land seine Unabhängigkeit. Die Kolonialherren hatten die Bevölkerung in Belgisch-Kongo bis zu diesem Zeitpunkt anscheinend bewusst ungebildet und unwissend gehalten. Als sie gingen, hinterließen sie zwar fast 100.0000 Kilometer befestigte Straßen, aber nur eine Handvoll kongolesischer Hochschul-Absolventen. Heute gab es drei Universitäten, aber kaum noch 3000 Kilometer asphaltierte Fahrwege.
Belgisch-Kongo? Plötzlich erinnerte sich Johann daran, dass Pelletier ausdrücklich diesen Namen erwähnt hatte, als er von seinem „herrlichen Land“ gesprochen hatte. Er hatte es auf eine Art und Weise getan, als hätte er selbst diese Zeit erlebt. Aber das war kaum möglich. Wenn das Land 1960 seine Unabhängigkeit erlangt hatte, lag diese Epoche über 50 Jahre zurück. Konnte Pelletier so alt sein, dass er diese Zeit bewusst erlebt hatte? Johann hätte ihn auf Mitte vierzig geschätzt. Andererseits: bei Mr. Spinnenfinger schien alles fraglich und alles möglich.
Also las Johann mehr über die Kolonialzeit. Es war furchterregend. Die Belgier waren nicht nur emsige Straßenbauer gewesen, sondern ebenso fleißige Totengräber. Sie hatten dem Land eines der großen Menschheitsverbrechen hinterlassen: die sogenannten Kongogräuel.
Zwischen 1885 und 1908 war das Land eine Art Privatkolonie des belgischen Königs Leopold gewesen. Er hatte es mit unvorstellbarer Grausamkeit ausplündern lassen. Es war die Zeit des Kautschukbooms gewesen. Gerade hatten findige Europäer und US-Amerikaner den luftgefederten Gummireifen erfunden. Nun war der milchige Saft des Kautschukbaums zum begehrten Rohstoff für die Gummi-Herstellung geworden. Unsummen ließen sich damit verdienen. Der Kongo mit seinen Kautschuk-Bäumen der Gattung Landolphia bot beste Voraussetzungen dafür, besonders wenn man bereit war, drastische Mittel anzuwenden. Leopolds Helfer raubten und mordeten. Sie vergewaltigten, kreuzigten und verstümmelten in ihrer Gier nach dem Rohstoff.
Am Ende der „Kongogräuel“ waren zehn Millionen Menschen tot, etwa die Hälfte der damaligen Bevölkerung. Als besondere „Spezialität“ der Belgier und ihrer Helfer galten die Amputationen. Damit die Männer genug Kautschuk aus dem Wald lieferten, wurden ihre Frauen in den Dörfern als Geiseln genommen. Kamen ihre Männer zu spät oder brachten sie zu wenig, wurden den Geiseln zur Strafe nicht selten die Hände abgehackt. Dies geschah noch aus einem anderen Grund: Die einfachen Soldaten mussten Rechenschaft über ihre verschossene Munition abgeben. Eine abgeschnittene rechte Hand sollte beweisen, dass sie ihre Kugel gegen einen Aufrührer verwendet hatten. Um anderweitig verschossene Munition zu erklären, verstümmelten sie daher einfach Lebende.
Der Schriftsteller Joseph Conrad, der selbst kurze Zeit auf Flussschiffen im Kongo gearbeitet hatte, berichtete von Körben voller verwesender Hände, die zum Zählen in die Stützpunkte der Soldaten geschafft wurden. Johann schauderte. Angewidert schloss er die Website, die er gerade offen gehabt hatte. Neben Zeitzeugenberichten hatte sie auch mehrere beklemmende Fotos von verstümmelten Menschen präsentiert.
So also schaute das Land aus, von dem Pelletier ihm vorgeschwärmt hatte. Ein herrliches Land? Ja, das war es tatsächlich, aber nur für geborene KZ-Aufseher, Folterknechte und Serienkiller. Das alles hatte nicht das Geringste mit den kultivierten Vergnügungen europäischer BDSM-Anhänger zu tun. Es war abstoßend, und Johann fand, dass er fürs Erste eindeutig genug über Pelletier und seine Vorlieben herausgefunden hatte.
Trotzdem gab es eine Sache, der er noch nachgehen wollte. Bei Google gab er die Stichworte „Kongo“ und „Zauberei“ ein. Die Suchmaschine listete eifrig ihre Ergebnisse auf und er begann, sich durch die angegebenen Websites zu arbeiten. Wieder erfuhr er Dinge, die partout nicht in die moderne Welt des 21. Jahrhunderts passen wollten. Obwohl 70 Prozent der Bewohner des Kongo als Christen galten, waren Magie und Okkultismus anscheinend allgegenwärtig. Man glaubte daran wie hierzulande an die moderne Medizin. Johann las von Bürgerkriegs-Soldaten, die versuchten, sich mit Schutzzaubern gegen die Maschinengewehr-Kugeln ihrer Feinde zu wappnen. Es gab Hexenverbrennungen und okkulte Rituale, bei denen Menschenfleisch verzehrt wurde. Sogenannte Schadenszauber wurden als reguläre Delikte sogar vor Gericht verhandelt. Mehr als 3000 Zauberer würden allein in Kinshasa ihre Dienste feilbieten, hieß es.
Die westlichen Autoren berichteten, wie es sich gehörte, mit verächtlicher Skepsis. Aber es gab Ausnahmen. Meist waren es Schreiber, die sich besonders intensiv mit dem Thema auseinandergesetzt hatten. Ihre Storys klangen anders. Widerwillig und sichtlich verunsichert berichteten sie von Fällen, in denen afrikanische Hexenmeister Gutes oder Schlimmes bewirkt hatten. In jedem Fall aber ließ sich das beobachtete Zauberwerk beim besten Willen nicht rational erklären.
Bei Pelletier war das anders, dachte Johann. Alles, was passiert war, ließ sich auch durch Zufall erklären. In seiner Gesamtheit aber war es ebenso überwältigend wie unheimlich. Vielleicht war er mit Pelletier an den mächtigsten aller Hexenmeister geraten. Ein sechsfingriger Champion darin, an den Dingen zu drehen und an der Wirklichkeit zu schrauben. Europäische Gründlichkeit und afrikanische Magie hatten ihn zum Zauberer-Genie werden lassen. Das Schicksal hatte dafür allerdings nicht gerade einen „Gutmenschen“ auserwählt. Im Gegenteil – es hatte eine Art Hannibal Lecter mit Hexenkünsten geschaffen. Einen teuflischen Sadisten mit extremer Machtfülle.
Aber machte Johann sich nicht gerade selbst vollkommen verrückt? Wieder musste er, wie neulich bei seinem nächtlichen Alster-Spaziergang, an seinen Vater denken. „Einspruch“, hörte er im Geiste dessen Stimme sagen. In einem Gerichtsaal hätte sein Vater wohl Folgendes zu bedenken gegeben: „Dies alles sind Vermutungen über den Charakter von Monsieur P., aber schauen wir doch einmal auf seine Taten. Hat er sich nicht als großzügiger Freund und Wohltäter erwiesen? Hat er sich nicht dieses verlorenen und gedemütigten jungen Mannes, der mein Sohn ist, in vorbildlicher Weise angenommen? Hat er ihm nicht großartige Genugtuung und noch großartigere neue Lebensumstände verschafft?“
Johann nickte unwillkürlich mit dem Kopf. Natürlich hatte sein Vater, beziehungsweise dessen geistiges Abbild, recht. Pelletier war Johanns Verbündeter und er hatte bislang nur Gutes für ihn bewirkt. Er dachte an die Porzellan-Figuren und ihre wunderbare Wirkung auf Jen. Nun gut, das vierte Geschenk gefiel ihm weniger. Aber was auch immer es für Voodoo-Kräfte besitze mochte – dort, wo Johann es deponiert hatte, würden sie sich kaum entfalten können.
Genau in diesem Augenblick schrillte die Alarmanlage.