8. Kapitel: Der verbotene Raum

8. Kapitel

Der verbotene Raum

 

Es war ein langgezogenes an- und abschwellendes Heulen –ähnlich wie das Nebelhorn eines Schiffs. Johann kannte diesen speziellen Ton. Er wusste, was er bedeutete. Aber das war absolut ausgeschlossen.

Er ging hinaus in den langgestreckten Flur. Jen war nicht zu sehen. Aber vor einer der Türen standen ein Wischmopp und ein Eimer mit Seifenlauge. Es war der Eingang in den verbotenen Raum. Als er näher kam, sah er, dass die Tür weit offen stand, und er erblickte Jen. Sie stand ganz am anderen Ende des Raums.

Aber wie war das möglich? Sicher, er selbst war gestern kurz dort drinnen gewesen. Er hatte den vierten Gegenstand aus Pelletiers Päckchen, das spezielle „Präsent“, dort deponiert. Aber er war sich beinahe absolut sicher, den Raum danach verschlossen zu haben. Trotzdem stand die Tür jetzt offen, trotzdem erwartete ihn dahinter sicherlich ein zu Tode erschrockenes Mädchen. Ein Mädchen, das sich soeben – hier in der Alsterdorfer Straße, hier im langweiligen Stadtteil Ohlsdorf – mitten ins Herz der Finsternis verirrt hatte.

Jen war zur Fensterfront geflüchtet. Es war eine der wenigen Flächen, auf denen keine bösartigen Vorrichtungen und Werkzeuge lauerten. Als sie Johann eintreten sah, wich sie noch einen Schritt zurück. Nun stand sie direkt an der Wand zwischen zwei Fenstern. Johann schaltete zunächst den Alarm aus. Wenn man wusste wie, war es leicht. Er drückte einen schwarzen Schalter an einer Schalttafel neben der Tür herunter: Stille.

Jetzt schien es fast unnatürlich leise im Raum. Johann wandte sich von der Schalttafel ab und ging auf Jen zu. Seine Schuhe hinterließen bei jedem Schritt ein klickendes Geräusch auf dem Terrakotta-Boden. Das Mädchen blickte ihn unterdessen so scheu und ängstlich an, als würde sich ihr ein vollkommen Fremder nähern. Plötzlich wurde ihr anscheinend auch wieder bewusst, dass sie nackt war. Mit Hände und Armen bedeckte sie Brüste und Scham.

Johann blieb lässig mitten im Raum stehen. Natürlich konnte er ihre Reaktion verstehen. Die drei kleinen Porzellanfiguren im Flur wirkten trotz ihrer freizügigen BDSM-Posen verspielt und harmlos. Dieser Raum war etwas völlig anderes. Links von Jen stand auf einer kleinen Empore der Gynäkologen-Stuhl. In ihren Augen sicherlich ein Monstrum aus blitzendem Stahl, schwarzem Kunstleder und unheilverkündenden Schnallen und Riemen. Irritierenderweise lud gleich daneben auf einem flauschigen Teppich eine plüschige Couchgarnitur zum Verweilen ein. Anderswo hätte sie gemütlich gewirkt, hier unterstrich sie nur den düsteren Eindruck der bizarren Gerätschaften drumherum. Johann wusste, dass die beiden Sessel nicht nur bequem waren, sondern besonders leichtgewichtig. Schnell ließen sie sich verrücken, wenn man sich anderswo niederlassen wollte. Dorthin, wo sich dem lüsternen Auge weitere interessante Anblicke bieten mochten. Etwa vor dem wandhohen X-förmigen Kreuz an der linken Seite des Raums. Die Schnallen und Ringe an den Holzbalken deuteten an, was dort mit einem Mädchen wie Jen alles angestellt werden konnte.

Ja, es gab jede Menge „Sehenswürdigkeiten“. Allein schon, weil der Raum so unerwartet groß war. Selbst in einer überdimensionierten Wohnung wie dieser hätte niemand einen beinahe kathedralartigen Saal vermutet. Das lag einerseits daran, dass die Decke überraschend hoch war. Johann wusste, dass der Raum über zwei ganze Stockwerke reichte. Man hatte dafür einfach die Bodenräume in der darüber liegenden Etage eingespart. Auch die raffinierte indirekte Beleuchtung sowie die verschiedenfarbige Täfelung der Wände mit hellen und dunklen Marmorplatten schufen ein Gefühl von geradezu einschüchternder Weite. Aber die Größe war mehr als nur ein optischer Eindruck. Auch das wusste Johann. Die geschickte Zimmeraufteilung in der übrigen Wohnung hatte diese Dimensionen ermöglicht und genug Platz geschaffen für alles, was das Sadisten-Herz begehrte.

Die Polizei hatte zwar viele der kleineren Gegenstände mitgenommen, aber immer noch war auf diversen Regalen und Ablageflächen genug garstiges Equipment zurückgeblieben: Es gab düstere Gummi-Masken, Ketten, Halsbänder und Fesseln in allen Variationen, diverse Schlaginstrumente und Dinge, deren Ausstrahlung auf Jen einfach nur bedrohlich wirken mochte, auch wenn sie nicht wusste, welchem bizarrem Zweck sie dienen mochten.

Und dann waren da die Bilder. Etwa die Hälfte der rechten Wand nahmen vier großformatige Fotografien ein. Normalerweise waren sie hinter einem Vorhang verborgen. Jetzt war der schwere schwarze Stoff seltsamerweise zur Seite gezogen. War dies wieder einer jener seltsamen Pelletier-Zufälle? Johann selbst ließ den Vorhang stets geschlossen. Aber vielleicht hatte ihn Jen zur Seite gerückt. Der Alarm sprang nicht sofort an, sobald jemand das Zimmer betrat. Er heulte erst los, wenn man sich etwa fünf Minuten darin aufgehalten hatte, ohne den schwarzen Aus-Schalter zu betätigen. Zeit genug also für ein neugieriges Mädchen, zu erkunden, was hinter dem Vorhang warten mochte.

Nun hatte sie es gesehen. Auf den allerersten Blick mochte es fast harmlos wirken. Die Bilder zeigten nur Gesichter. Aber es waren extreme Gesichter. Extrem in dem, was sich in ihnen spiegelte. Ganz links hing die Aufnahme einer Frau, die sich höchster, wonnigster Ekstase hingab. Daneben, auf der zweiten Fotografie, war ein sehr junges Mädchen zu sehen. Johann mochte lieber nicht so genau über ihr Alter nachdenken, besonders wenn man daran dachte, was ihr widerfahren sein musste. Denn in ihrer Miene spiegelte sich grenzenlose Scham. Dann folgte die Aufnahme eines jungen, recht feminin wirkenden Mannes. Etwas Entsetzliches musste ihm drohen, denn tiefste Angst sprach aus allen seinen Gesichtszügen. Das letzte Bild zeigte wiederum eine Frau. Ganz offensichtlich fühlte sie im Augenblick der Aufnahme nur eines: puren Schmerz.

Lust, Scham, Angst, Schmerz – da waren alle Gefühle abgebildet, die den BDSM-Kosmos bestimmten. Jene Empfindungen, nach denen es Subs und Doms verlangte. Die einen, um sie zu spüren, die anderen, um sie zu verursachen. Auf perverse Weise passte diese Installation sogar zu seinem Staranwalts-Vater, hatte Johann erkannt, als er sie entdeckte. Das, was an Hintergrund auf den Bildern zu sehen war, zeigte, dass alle in diesem Raum aufgenommen worden waren. So dienten sie als unzweifelhafter Beweis dessen, wie nützlich und tauglich die exquisiten Gerätschaften hier waren. Für einen Anwalt mochte darin ein zusätzliches Vergnügen liegen.

Johann schaute wieder auf Jen. Immer noch hielt sie die Arme schützend vor ihren nackten Körper. Ihre Augen flatterten unterdessen durch den Raum, als suchten sie verzweifelt irgendeinen Punkt, der nicht von bizarren Praktiken kündete.

„Jen?“

Sie sah ihn an.

„Komm zu mir“, lockte er und streckte seinen Arm aus, um sie mit einer lässigen Bewegung seines Zeigefingers heranzuwinken. Und tatsächlich bewegte sie sich auf ihn zu. So als hoffte sie, ausgerechnet bei ihm Schutz vor den Ungeheuerlichkeiten dieses Raums zu finden.

„Was hast du hier zu suchen?“, fragte er.

„Ich… Ich weiß nicht“, stammelte sie. „Die Tür war offen und da lag dieser Ring auf dem kleinen Schrank da hinten. Es war ganz seltsam, die Sonne im Fenster schien wirklich nur ihn anzuleuchten. Er glitzerte und sah superschön aus. Da musste ich ihn mir einfach anschauen.“

Der Ring! Johann begriff und plötzlich waren all seine Bedenken, was Pelletier und seinen Einfluss auf Jen anbelangte, wieder da. Das kleine Schmuckstück war der vierte Gegenstand, den Mr. Spinnenfinger mitgeschickt hatte. Da er nicht recht wusste, was er mit ihm anfangen sollte, hatte Johann ihn zunächst einmal auf einem Schränkchen im verbotenen Raum abgelegt. Er war davon ausgegangen, dass Pelletiers „Präsent“ dort keine wie auch immer gearteten Voodoo-Kräfte entfalten könne. Was für ein Irrtum!

Der Ring war aus Gold und Eisen gefertigt. Die Innenseite bestand aus Gold, das sich in einem schmalen Rand auf beiden Seiten um die eiserne dunkelgraue Oberseite herumbog. Ein flacher hellblauer Edelstein schmückte zudem die Oberseite. Sechs goldene Striche führten schräg von ihm weg. Das ganze Arrangement bildete unverkennbar Pelletiers Zeichen, die sechsfingrige Hand.

Das Schmuckstück wirkte auf eine robuste, schlichte Art ansprechend und edel, fand Johann. Dennoch hatte er von Anfang an Widerwillen dagegen gespürt. Der Gedanke, dass Jen ihn trug, wie Pelletier es gewünscht hatte, gefiel ihm nicht. Pelletiers Zeichen prangte auf dem Ring. Das ließ fast so etwas wie einen Besitzanspruch daraus werden.

Und jetzt hatte dieses Ding Jen irgendwie angelockt. Es war natürlich wieder eine dieser „rein zufälligen“ Pelletier-Nummern. Was Johann bislang als hochwillkommene Glücksfälle erlebt hatte, ließ ihn diesmal wütend werden. Sein Zorn richtete sich jetzt nicht nur gegen Mr. Spinnenfinger, sondern auch gegen Jen. War sie wirklich so dumm, dass ein glitzerndes Schmuckstück sie dazu brachte, seine Vorschriften zu missachten? Er hatte doch eindeutig erklärt, dass dieser Raum tabu war.

„Er glitzerte und da musstest du ihn dir einfach anschauen?“, fragte er. „Bist du eine Elster? Hast du ein Vogelhirn?“

Sie schluckte angesichts seiner Gemeinheit. Dann sagte sie: „Nein, ich bin auch hineingegangen, weil ich so gerne mehr über dich wissen wollte. Was du machst. Wer du bist. Weil du mich nicht mehr loslässt, weil ich immer an dich denken muss.“

Ihre Augen wanderten wieder durch den Raum. „Dann war ich hier drinnen und es war nur schrecklich. Die Sirene begann zu heulen.“ Sie zögerte, dann sprach sie mit leiser Stimme weiter: „Ist dieser Raum noch von deinem Vater oder… oder…?“

„Mein Vater hat ihn eingerichtet, aber ich finde ihn durchaus nützlich“, erklärte Johann herablassend. „Zum Beispiel gerade jetzt.“

Sie wich vor ihm zurück und hob abwehrend die Hände. Was er dabei sah, machte ihn sofort noch zorniger. Sie hatte sich das Ding von Pelletier sogar angesteckt! Es prangte ausgerechnet am Ringfinger ihrer rechten Hand. Verheiratete trugen dort den Ehering.

„Zieh ihn sofort aus und gib ihn mir“, verlangte er.

Sie begann, an dem Schmuckstück herumzufingern, und weil es sich nicht lösen wollte, wurde sie immer hektischer. Bald drehte und riss sie so sehr an dem Ring, der ihren Finger gefangen hielt, dass sogar Johann Angst um ihre zarten Gliedmaßen bekam. Schließlich aber gab sie auf.

„Es geht nicht. Er ließ sich ganz leicht auf den Finger schieben. Ehrlich. Wie von selbst. Ich schwöre es, und jetzt sitzt er so schrecklich fest“, erklärte sie. Ihre Stimme zitterte, ebenso ihre Mundwinkel. Sie war offensichtlich den Tränen nah.

„Warum hast du ihn dir überhaupt angesteckt?“

„Ich weiß nicht. Er war da und irgendwie wollte er einfach an meinen Finger.“

Johann runzelte die Stirn. Das war eine furchtbar alberne Antwort. Es sei denn, man wusste, von wem der Ring kam, dann klang sie plötzlich schrecklich einleuchtend.

„Dürfte ich etwas anziehen?“, fragte Jen jetzt mit gesenktem Blick. Johann würdigte sie keiner Antwort. Seine schamhafte Sünderin sah in ihrer Nacktheit viel zu erregend aus, als dass er ihr ein Kleidungsstück gestattet hätte. Stattdessen war es Zeit, eine angemessene Strafe zu finden. Immer noch war er zornig. Es kam ihm so vor, als hätte sie schon bei der erstbesten Gelegenheit Pelletier ihm vorgezogen. Aber das würde er ihr austreiben. Oder war es besser, sie einfach fortzuschicken? Für immer?

Er achtete nicht auf die trostlose Dunkelheit, die diesen Gedanken begleitete. Stattdessen gefiel er sich in zorniger Unvernunft darin, es darauf ankommen zu lassen. Vielleicht war diese Lösung für sie beide ohnehin besser, und Pelletier geschah es auch nur recht, wenn er mit seinem verdammten Dämonenzeug nichts erreichte.

„Du hast dir jetzt zum zweiten Mal bei deiner Arbeit einen schweren Fehler geleistet“, begann er und fuhr fort: „Erst bist du so tollpatschig, dass du einen wertvollen Spiegel zerstörst. Nun zeigst du, dass du nicht im Mindesten vertrauenswürdig bist. Du weißt, was ich dir zu diesem Raum erklärt habe? Es ist dir verboten, ihn zu betreten.“

Sie nickte schwach.

„Eigentlich sehe ich nur die Möglichkeit, umgehend auf deine Dienste zu verzichten. Es ist besser, wenn du hier und jetzt gehst. Du hast genug Unheil angerichtet.“

Er trat beiseite, so dass sie an ihm vorbei zur Tür gehen konnte. „Du kennst den Ausgang.“

„Ich… Ich möchte nicht gehen, Herr Gutenberg“, sagte sie, während sich ihr Blick auf ihre Fußspitzen heftete. Hätte Jen hochgeschaut, hätte sie ein Gegenüber gesehen, das sie einen kurzen Augenblick lang voller Erleichterung ansah. Erst, als er es ausgesprochen hatte, war Johann bewusst geworden, was er Jen nahegelegt hatte. Ihr Fortgehen hätte mehr Düsternis und Qual bereitgehalten, als der gesamte verbotene Raum zu bieten hatte, wurde ihm klar.

Schnell hatte er seine Miene allerdings wieder im Griff. Gut, er war furchtbar erleichtert, aber seinen Zorn auf diese nackte, reuige Übeltäterin mochte er sich trotzdem nicht nehmen lassen. Mit kalter Stimme eröffnete er ihr: „Okay, dann hast du jetzt wieder mal die Wahl. Strafe oder Rauswurf?“

„Strafe, Herr Gutenberg“, hauchte sie immer noch mit gesenktem Kopf. „Aber bitte, bitte nicht das.“

Sie deutete auf einen Stuhl zu ihrer Linken. Er schien sie besonders schockiert zu haben. Johann konnte verstehen warum. Lehne und Sitzfläche waren aus einem einzigen Stück weißen Kunststoffs geformt. Als Stuhlbein diente ein einzelnes stabiles Metallrohr. Es war direkt unterhalb der Mitte der Sitzfläche angebracht. Am Boden war es über einen breiten Sockel im Untergrund verankert. Oben allerdings ragte es mit einer sanft gerundeten Spitze durch die Sitzfläche hindurch und bildete unverkennbar einen voluminösen Dildo. Er wirkte so gewaltig, als würde er jedes weibliche Wesen entzwei sprengen, das es mit ihm aufnehmen wollte. Für diese bemerkenswerte Vorrichtung gab sogar eine elektronische Steuerung. Johann wusste, was man damit alles anstellen konnte.

„Hast du Angst, dass er dir zu gut gefallen könnte?“, fragte er höhnisch. „Vielleicht zeigt er, dass dieser Raum wie für dich geschaffen ist. Dass du dich hier eigentlich richtig wohlfühlst.“

„Nein, nein, ich... ich… weiß nicht, Herr Gutenberg“, stammelte sie mit zittriger Stimme. Johann beschloss, sich ihre spezielle Scheu vor dem Stuhl für spätere Gelegenheiten aufzuheben.

„Ich bin großzügig. Such dir einfach etwas aus“, erklärte er.

Sie sah sich um und Johann genoss ihren hilflosen Blick auf all die Vorrichtungen, die unbekannten Schrecken für sie bargen. Schließlich deutete sie auf einen Gegenstand, der direkt neben der Eingangstür angebracht war. In ihren Augen sah er wohl recht harmlos aus. Johann wusste, dass der Schein trog. Man nannte das Gerät einen Spanischen Reiter.

Er grinste böse. „Da hast du dir einen etwas unbequemen Sitzplatz ausgesucht. Aber wenn du möchtest…“

Der Gegenstand war ähnlich wie ein Holzbock geformt. So einer, wie man ihn in jedem Baumarkt bekam. Dieser hier bestand aus Stahl. Einem mittelgroßen Menschen reichte er bis knapp unter die Hüfte, oder, um genauer zu sein, bis zum Schritt. Um ihn jeder Person genau anzupassen, ließ sich das obere Stahlrohr in der Höhe verstellen. Das armdicke Rohr war mit einem abnehmbaren grauen Lederüberzug gepolstert. Das minderte die schmerzhafte Wirkung, aber Johann mochte ihn nicht entfernen. Man war ja schließlich kein Unmensch, nicht wahr?

Er forderte Jen auf, sich direkt neben das Gerät zu stellen. Als er dann „Stöckchen“ befahl, kam sie gehorsam seinem Kommando nach. Die Aussicht auf Strafe ließ sie herrlich fügsam werden, stellte er zufrieden fest. Dann machte er sich am Schraubmechanismus des Geräts zu schaffen. Mit Blick auf ihre Körpergröße verstellte er das gepolsterte Stahlrohr in der Höhe.

Das ging leicht, denn seine Hände schienen von selbst zu wissen, was sie zu tun hatten. Es war wie eben, als er die Peitsche geschwungen hatte. Das Ganze war ein seltsamer Effekt, den er schon öfter festgestellt hatte und der mit seinem Gedächtnisverlust zusammenhing. Längst nicht alles aus den vergessenen Jahren war tatsächlich vergessen. Auf irgendeiner Bewusstseinsebene war vieles noch da. Er beherrschte zuweilen Dinge, an die er sich eigentlich nicht im Geringsten erinnern konnte. Anscheinend gehörte der Erwerb gründlicher Fachkenntnisse im BDSM-Bereich dazu.

So überließ er sich ganz der instinktiven Arbeit seiner Hände. Wenn er dabei kurz zu Jen schaute, sah er, wie ihre Augen ängstlich seinen Bemühungen folgten. Manchmal huschten sie auch zu den Ledermanschetten, die unten an der Stahlkonstruktion befestigt waren.

Nur Geduld, Mädchen. Sie werden sich gleich um deine Knöchel legen, dachte er, als er die letzte Einstellung arretierte. Jetzt müsste die Höhe für seine ungeduldige Reiterin genau passend sein, stellte er per Augenmaß fest. Er wollte Jen gerade befehlen, rittlings auf dem gepolsterten Rohr Platz zu nehmen, da fiel ihm etwas Besseres ein. Schließlich hatte sie seinen muskelbepackten Oberkörper doch so sehr bewundert. Nun würde sie ihn in Aktion erleben. Er trat hinter sie, umfasste mit beiden Hände ihre Hüften und hob sie einfach hoch. Erschrocken schrie sie auf und strampelte mit den Beinen. Dann schwebte sie auch schon über dem Spanischen Reiter. Dort ließ er sie mit dem Gesicht zur Wand langsam auf das gepolsterte Stahlrohr nieder.

Er hatte es tatsächlich perfekt eingestellt. Mit ihren Beinen links und rechts der Stange erreichte sie gerade eben den Boden, wenn sie sich auf Zehenspitzen stellte. Tat sie es nicht, drückte das Stahlrohr trotz des Polsters unangenehm in ihren Schritt. Das wurde auch Jen schnell bewusst. Sie begann sich fast sofort mit ihren Händen auf dem Stahlrohr abzustützen, um ihre Unterkörper anzuheben und zu entlasten.

Aber das würde er umgehend unterbinden. Zunächst allerdings legte er die Ledermanschetten um ihre Knöchel und schnallte sie fest. Nun konnte sie nicht mehr von ihrem stählernen Reittier herabsteigen. Jetzt zu ihren übereifrigen Händen. Etwa auf Augenhöhe von Jen war ein stählerner Ring in die Mauer eingelassen. Eine kurze Kette verband den Ring mit einem ledernen Halsband. An der Rückseite des Halsbands wiederum waren ebenfalls über eine kurze Kette Handschellen befestigt. Johann legte ihr das Halsband um, schnallte es fest, und dann, ohne sich um ihren Protestschrei zu kümmern, nahm er ihre Hände und zwang sie auf ihren Rücken. Dann legte er ihr die Handschellen um. Nun schwebten die Hände hilflos ein gutes Stück über dem Stahlrohr. Abstützen konnte sie sich jetzt nicht mehr.

Der gewünschte Effekt zeigte sich schnell. Wenn Jen ihren Schambereich vom Druck des Stahlrohres entlasten wollte, musste sie sich auf Zehenspitzen stellen. Das aber war nicht lange durchzuhalten, denn die Zehenspitzen mussten ihren ganzen Körper tragen. So war das Mädchen bald gezwungen, sich fortwährend auf und ab zu bewegen. Mal entlastete sie ihre Scham und stellte sich auf die Zehenspitzen, mal schonte sie ihre Beinmuskeln und ließ ihr Gewicht auf der unbequemen Sitzgelegenheit ruhen.

Seine Delinquentin wurde zu einer fleißigen Reiterin und bot ein wunderbares Bild. Da war das Spiel ihrer Pobacken. Jedes Mal, wenn sie sich mühte, aufzustehen, spannten sie sich an und wurden fest zusammengepresst. Sobald sie sich hinsetzte, ergaben sie sich in ihrer ganzen Weichheit und schmiegten sich um die garstige Stange, als wollten sie sie tatsächlich liebkosen. Ihre Apfel-Brüste wippten bei jeder Aufwärts-Bewegung in einem sinnlichen Takt dazu.

Nur Jens laustarke Proteste störten. Sobald er ihre Hände auf dem Rücken fixiert hatte, begann sie zu bitten und, mehr noch, zu schimpfen. Er solle sie umgehend freilassen. Sie habe es sich anders überlegt und wolle gehen. Außerdem sei er ein hundsgemeiner Sadist. Er habe kein Recht zu alldem. Die Strafe sei viel zu hart. „Dieses Ding ist ja noch viel schrecklicher als die Peitsche“, jammerte sie.

Es waren ihre letzten Worte, denn Johann tat das, was er schon längst hätte tun sollen. Er holte aus einem Schrank, der hinter Jens Rücken stand, so dass sie ihn nicht sehen konnte, einen Knebel. Als seine schimpfende Delinquentin gerade zu neuen Beschwerden ansetzten wollte, schob er ihn ihr ohne Umstände in den Mund. Sie schaute herrlich überrascht, als sie den roten Hartgummiball zwischen ihren Zähnen spürte, befand Johann.

Rasch war der dazugehörige Riemen um ihren Kopf geschlungen und befestigt, so dass sie den mandarinengroßen Quälgeist in ihrem Mund nicht mehr ausspucken konnte. Gleich danach sorgte er dafür, dass sie sogar noch überraschter blickte. Er zeigte ihr, was er ebenfalls aus dem Schrank mitgebracht hatte.

„Es sind Nippelspangen“, erklärte er ihr freundlich. „Hungrige kleine Biester, die immer etwas zwischen ihren Zähnen haben möchten. Ich glaube, sie sind schon ganz gierig auf das, was du ihnen hier so offenherzig darbietest. “

Sie schüttelte wild mit dem Kopf und versuchte sich wegzudrehen. Aber das führte nur dazu, dass ihr rechtes Bein trotz der Fessel wegrutschte und ihre Scham schmerzhaft auf das Stahlrohr prallte. Sie stöhnte auf und mühte sich hektisch, wieder Halt zu bekommen, um ihren Körper zu entlasten. Mit einer kurzen, knappen Bewegung schob er mit seinem Bein ihren Fuß wieder in die richtige Position, so dass sich ihre Fußspitzen wieder vom Boden wegstemmen konnten. Einen kurzen Augenblick schaute sie ihn dankbar an. Dann, als wäre sie selbst über dieses unpassende Gefühl für ihren Peiniger wütend, richtete sie ihren Blick starr gegen die Wand. Aber sie ließ sich nun ohne Widerstand die Klemmen anlegen. Die erste biss zu, als sie auf dem Stahlrohr saß, die zweite gleich darauf, nachdem sie sich hochgestemmt hatte. Jedes Mal stieß sie einen zarten Schmerzenslaut aus, der irgendwie – vielleicht gerade weil er so hauchzart war – seinen Weg am Knebel vorbeifand.

Wie herzergreifend das böse Mädchen sein konnte, dachte Johann und ließ seine Fingerspitzen unwillkürlich sanft über Jens Wangen fahren. Ihre Schmetterlingsaugen flatterten zu ihm hoch. Er glaubte sogar, Unterwürfigkeit und Dankbarkeit für seine unerwartete Zärtlichkeit in ihrem Blick zu erkennen. Aber wieder schien sie im nächsten Moment zornig über ihre unwillkommenen Gefühle. Ruckartig drehte sie den Kopf weg und starrte wie zuvor verbissen auf die Wand vor sich. Die Wand? Johann lächelte. Er hatte eine wunderbare Idee.

„Bin gleich wieder da“, erklärte er Jen und konnte sich nicht verkneifen, noch hinzuzufügen: „Auf keinen Fall weggehen.“

Bevor das gefesselte Mädchen auf seine zynische Bemerkung reagieren konnte, war er auch schon fort. Im Arbeitszimmer setzte er sich hinter den Rechner, hämmerte in die Tasten und druckte wenig später ein einzelnes Blatt aus. Einige wenige Sätze in großen Buchstaben hatte der Canon-Drucker aufs Papier geschrieben.

Keine zehn Minuten waren vergangen, als er wieder zu Jen in den verbotenen Raum kam. Er sah, dass Ihre Auf- und Ab-Bewegungen jetzt gleichmäßiger und sparsamer ausfielen. Sie schien einen Bewegungsrhythmus gefunden zu haben, der ihre Kräfte weitgehend schonte. Der dünne Schweißfilm auf ihrem Gesicht zeigte trotzdem deutlich ihre missliche Situation. Und sie war immer noch wütend. Als er hereinkam, flammte ihm ihr anklagender Blick entgegen.

In diesem Augenblick hatte er wieder eine Eingebung, die aus einer intensiven BDSM-Vergangenheit zu stammen schien. Er trat dicht neben sie und schob seine Hand – als sie gerade aufstand – vorne zwischen ihre Beine. Seine Ringfinger und Zeigefinger fuhren tief zwischen ihre Schamlippen. Das ging leicht, denn sie war feucht. Der unablässige Wechsel zwischen Druck und Entspannung, zwischen Schmerz und Erleichterung an dieser intimen Stelle hatte sie eindeutig erregt. Triumphierend präsentierte er ihr seine feuchten Finger und sah, dass ihr vor Anstrengung gerötetes Gesicht noch sehr viel röter werden konnte.

„Du scheinst dich ja ziemlich gut zu amüsieren. Du bist klitschnass da unten. Es wird Zeit, dass du etwas zu tun bekommst, bevor du hier vor Wonne zerfließt“, erklärte er und zeigte ihr das beschriftete Blatt, das er mitgebracht hatte. Fein säuberlich und in fettgedruckter Schrift standen dort die neun Regeln, die er ihr Sonntagnacht gemailt hatte.

„Da es dir anscheinend so schwer fällt, sie zu befolgen, wird es Zeit, dass du sie dir wirklich gründlich einprägst. Ich möchte, dass du sie auswendig lernst. Wort für Wort“, sagte er und befestigte das Blatt mit einem Klebestreifen vor ihr auf Augenhöhe an der Wand. Jen tat einen Blick darauf und stieß wütende Laute in den Knebel. Es war nicht schwer, sie zu deuten. Sie konnten nichts anderes als „Leck mich“ heißen.

„Oh Jen, du bist nicht gerade in der Position, dich zu zieren. Um genauer zu sein: Ich werde dich erst herunterlassen, wenn du diese Regeln auswendig beherrschst. Dafür gebe ich dir sechzig Minuten Zeit.“

Sie stöhnte auf und schüttelte den Kopf.

„Kriegst du es schneller hin?“

Sie nickte energisch.

„Ich warne dich. Wenn du sie nicht korrekt aufsagen kannst, bleibst du weitere sechzig Minuten auf dem Spanischen Reiter sitzen.“

Wieder nickte sie als Zeichen des Einverständnisses.

„Wie wäre es mit dreißig Minuten?“

Jen zögerte. Sie starrte auf die Regeln und schien fieberhaft zu überlegen. Schließlich schüttelte sie den Kopf.

„Zehn Minuten?“

Jetzt nickte sie.

„Respekt, da mutest du deinem kleinen Köpfchen einiges zu“, sagte er, aber Jen achtete schon nicht mehr auf ihn, sondern hatte sich ganz in die Sätze vor sich auf dem Papier vertieft. Johann wandte sich ab und steuerte auf die Sofaecke zu. Er ließ sich in einem der Sessel nieder, so dass er Jen in den nächsten Minuten gut beobachten konnte.

Angesichts des Schauspiels, das ihm seine Reiterin bot, verging die Zeit schnell, auch wenn Jen das sicherlich etwas anders sehen mochte. Sie schien alles um sich herum vergessen zu haben. Je nach Reiter-Position, mal von unten, mal von oben, starrte sie verbissen auf das Blatt Papier, während sich ihr nackter Körper mühte, die Schmerzquellen im Schritt und in den überlasteten Beinmuskeln auszutarieren. Johanns forschender Blick entdeckte immer wieder neue faszinierende und erotische Details in ihrem Muskelspiel.

Bald sah er, dass ihre Beinmuskeln, wenn der Körper auf dem Balken ruhte, von der vorgehenden Anstrengung zitterten. Wenn sich das Mädchen dann wieder hochstemmte, geschah das nun sichtlich mühsamer. Schweiß bedeckte ihren Körper.

Unwillkürlich schaute er nach links zu den vier Bildern. Aber keines von ihnen war auf dem Spanischen Reiter entstanden. Seltsam, eine der Frauen kam ihm sogar irgendwie bekannt vor, stellte er plötzlich fest. Es war diejenige, die sich in höchster Verzückung ihrem Orgasmus hingab. Sie trug über ihrer schweißfeuchten Stirn einen stylishen Fransenhaarschnitt sowie ein Piercing rechts über dem Mund, genau dort, wo Frauen in früheren Jahrhunderten oft einen künstlichen Schönheitsfleck getragen hatten. Er überlegte, woher er sie kennen könnte, aber er kam nicht darauf, und dann waren Jens zehn Minuten um.

Johann stand auf und ging zu ihr hin. Sie hatte ihre Augen geschlossen und schien sich die Regeln in Gedanken herzusagen. Im nächsten Augenblick allerdings riss sie die Augen erschrocken auf und überflog das Papier von neuem. Das kleine Köpfchen schien sich vielleicht doch nicht alles merken zu können. Aber die Zeit war abgelaufen.

„Game over“, erklärte er und pflückte das Blatt von der Wand. Dann machte er sich daran, sie zu befreien. Als Erstes löste er die Nippelspangen. Dann öffnete er die Handschellen. Sofort stützte sie sich eilig mit ihren Händen auf dem Balken ab und seufzte dabei in tiefster Erleichterung auf. Johann befreite sie unterdessen von den Fußfesseln und entfernte das Halsband. Als Letztes nahm er ihr den Knebel aus dem Mund. Sie quittierte alles mit einem dankbaren Blick. Zum Sprechen schien sie zu erschöpft.

 

Johann umfasste ihre Hüften und hob sie in die Höhe. Vorsichtig ließ er sie neben dem Spanischen Reiter herab. Er hatte geplant, sie nun in der Stöckchen-Position die Regeln hersagen zu lassen, aber ihre müden Beine gaben sofort nach, sobald die Füße den Boden berührten. Marionettengleich sank sie in sich zusammen, so dass er sie schließlich ganz auf den Boden herabließ. Schwer stützte sie ihren Oberkörper auf ihre Hände, während sie ihre Beine langsam und vorsichtig ausstreckte. Immer noch zitterten die Muskeln der Oberschenkel.

Da kniete er neben ihr nieder und begann, ihre Oberschenkel mit harten Griffen zu massieren. Schmerzhaft stöhnte sie anfangs immer wieder auf, dann entspannten sich ihre Muskeln. Schnell lag sie flach auf dem Rücken und wand sich wohlig unter seinen Händen. Vor allem, als er sich an ihren Beinen immer höher arbeitete. Bald schon berührte er, wie nebenbei, auch immer wieder ihre intimste Körperstelle. Der Stahlbalken hatte gerötete Spuren auf den hellrosa Schamlippen hinterlassen. Wie zart und verlockend sie trotzdem aussahen, ebenso ihre Klitoris mit der rosa Perle, die dort fast schüchtern hervorschimmerte.

Für Johann war es wie eine fremde Landschaft, die darauf drängte, begangen und erforscht zu werden. Sacht ließ er seine Fingerspitzen jeden Zentimeter erkunden und beobachtete gebannt, wie sich Röte und Feuchtigkeit mehrten. Herrlich groß und verlangend lag jetzt vor ihm, was eben noch zierlich und klein gewesen war. Er nahm auch den Duft ihrer Erregung wahr.

So vertieft war er in ihren Anblick, dass seine Hände mit ihrem zärtlichen Spiel für einen Augenblick innegehalten hatten.

„Nicht aufhören, nicht aufhören“, stieß sie hervor und streckte ihm verlangend ihren Unterleib entgegen. Ihre Hände griffen nach den seinen, um sie wieder dorthin zu ziehen, wo sie so dringend benötigt wurden. Wieder blitzte Pelletiers Ring an ihrem Finger auf. Sofort ließ Johann von ihr ab. War das richtig, dieser kleinen Schlampe so viel Vergnügen zu bereiten?

Er richtete sich abrupt auf. Er sah, wie sie erschrocken zu ihm aufblickte. Hulkmäßig, beherrschend, unbezwingbar – so stand er jetzt über ihr, und doch blickte er sich fast hilflos im Raum um. Er war wie gelähmt von den beiden völlig entgegengesetzten Gefühlen, die Jen – wieder einmal – in ihm auslöste. Liebend gern hätte er sie weiterhin mit Streicheleinheiten überhäuft. Ebenso stark aber war der Wunsch, ihren sündigen Körper noch härter zu strafen, ihn unbarmherzig zu zeichnen und zu drangsalieren.

Wo war das Folterinstrument, das diesen Gefühlen auch nur annähernd entsprach? Er sah die Vorrichtungen zur Atemreduktion. Er könnte auch Strom einsetzen oder Wachs. Warum das Mädchen nicht fisten, bastonieren, tunneln oder nadeln?

Und plötzlich war es ihm genug. Mehr als genug. Er wollte sie hier raushaben. Wie hatte sein Onkel damals vor fünf Jahren gesagt, als Johann ihm eröffnete, in das Appartement seines Vaters ziehen zu wollen? Er hatte ihm entsetzt abgeraten, weil dort einfach zu viel Schlimmes geschehen sei. „Es hängt in den Mauern, in der Luft, überall. Ein böser Atem, der alles verpestet“, hatte Enno gesagt. Ja, und das verbotene Zimmer war das Zentrum von all dem, und in diesem Augenblick fiel Johann auch ein, woher er das Mädchen auf dem Foto kannte.

Da packte er Jen bei den Hüften und warf sie sich – ohne auf ihren erschrockenen Schrei zu achten – über die Schulter. Er marschierte in Richtung Ausgang. Mit raschen Handgriffen an der Tastatur des Bedienungspanels neben dem Eingang ließ er die Foto-Installation wieder hinter dem Vorhang verschwinden. Dann bugsierte er seine Last vorsichtig durch den Türrahmen und verschloss – den Sicherheitsschlüssel zwei- und dreimal hinter sich umdrehend – den verbotenen Raum.

Er trug Jen ins Schlafzimmer und ließ sie auf das Bett gleiten. Verblüfft und ängstlich schaute sie ihn an. Als er sich das weiße T-Shirt über den Kopf zog und aus der schwarzen Jeans schlüpfte, mischte sich lüsternes Verlangen in ihren Blick.

Er grinste sie an und sie grinste zurück.

„Was ist?“, wollte er wissen.

„Du erinnerst mich gerade an den Panther im Flur, und ich bin deine Beute.“

„Gefällt dir das?“

„Ja…“

Und so kam er über sie. Geschmeidig glitt er auf allen Vieren über die Satinlaken des voluminösen Betts auf sie zu. Er drückte ihre Beine auseinander und schob seinen Körper über den ihren. Dann drang er langsam in sie ein. Er genoss bei jedem Millimeter ihre Hitze, ihre Enge, ihre Feuchtigkeit und die Lust, die ihre Augen überschwemmte. Aber als sie begann, sich unter ihm zu bewegen, schüttelte er den Kopf.

„Nicht“, herrschte er sie mit rauer Stimme an.

Das fiel ihr schwer. Sie stöhnte frustriert auf und grub ihre Zähne in den Handrücken. Da befahl er ihr, die Arme nach oben zu nehmen und sich an den Metallstangen am Kopfende des Betts festzuhalten. Als sie es tat, hob er seine Hüften an und zog sich fast vollständig aus ihr zurück. Wieder stöhnte sie enttäuscht auf, aber er registrierte mit Genugtuung, dass sie es trotzdem nicht wagte, sich zu bewegen. Die Spitze seines Penis teilte immer noch leicht ihre Schamlippen. Eine kleine Bewegung würde genügen, um Jen voll und ganz auszufüllen, ein noch kleinere würde reichen, sie leer und unerfüllt zurückzulassen.

Er spürte, wie sie vor Verlangen unter ihm erzitterte. Aber die Erfüllung sollte ihren Preis haben. Er hatte die Aufgabe, die er ihr auf dem Spanischen Reiter gestellt hatte, nicht vergessen.

„Jetzt lass hören. Für jede Regel wirst du mich einmal ganz tief in dir spüren“, forderte er, aber sie schüttelte den Kopf.

„Ich… Bitte… Komm, komm… Bitte, bitte…“, flehte sie.

„Für jede Regel ein Stoß“, wiederholte er unerbittlich.

„Du… Du befiehlst, ich gehorche“, stieß sie da hervor.

„Weiter. Ich will alles hören.“

„Immer und über…“

Stöhnend erbebte sie unter ihm, als er sich langsam wieder in sie versenkte. Danach sprudelten die Regeln ihrer Unterwerfung nur so aus ihr heraus. Der Schmerz hatte sie auf dem Spanischen Reiter in ihrem Verstand verankert, die Lust ließ sie federleicht über ihre Lippen gleiten. Als sie ihm schließlich mit Regel Nummer neun das ungeheuerliche Recht einräumte, sie immer und überall zu strafen, sprang der schwarze Panther mit seiner Beute der Sonne entgegen.

Jäger und Opfer wurden eins, verschmolzen für endlose Sekunden zu einem glühenden, pulsierenden Wesen, das dem Himmel näher war als je ein anderes Lebewesen. So fühlte es sich an. So empfand es Johann, während er schließlich von ihr abließ und schwer atmend neben ihr lag. Jen hatte sich in der gleichen Bewegung zu ihm hingedreht und schmiegte sich nun eng an ihn. Ihr Mund stand ein wenig offen. Die Augenlider zitterten. Ihr Atem ging schwer, aber regelmäßig. Sie war eingeschlafen…

…und das war kein Wunder! Johann wurde plötzlich klar, was er ihr in den letzten Stunden abverlangt hatte. Sie musste zu Tode erschöpft sein. Vorsichtig, um sie nicht zu stören, wollte er sich erheben, aber als Antwort drängte sie sich nur noch enger an ihn heran. Plötzlich lag ihr Arm schwer auf seiner Brust. Jetzt war er der Gefesselte, stellte er amüsiert fest und ergab sich bereitwillig in seine „Gefangenschaft“. Als er sich wieder ganz zurücksinken ließ, quittierte das seine kleine, schlafende Gefängnisaufseherin mit einem zufriedenen Schnaufen.

Er lag neben ihr, lauschte ihren Atemzügen, spürte ihre nackte Haut und dachte daran, wie froh er war, dem verbotenen Raum entkommen zu sein. Wieder kam ihm das Mädchen auf dem Bild in den Sinn. Ja, er hatte diese junge Frau, die sich dort in allerhöchster, vibrierender Lebendigkeit ihrer Lust hingab, schon einmal gesehen. Aber da war sie tot gewesen. Zu Tode gefoltert. Er hatte sie an ihrem Fransenhaarschnitt und am Piercing links oberhalb des Mundes erkannt. Sie war eine der drei Frauen auf den Tatort-Fotos gewesen, die ihm die Polizisten im Krankenhaus gezeigt hatten.

Hatte die Polizei bei ihrer Wohnungsdurchsuchung damals die Foto-Installation im verbotenen Raum übersehen? Er wusste es nicht. Viel wichtiger war ohnehin die Frage, welche Schlussfolgerungen er selbst aus dieser Entdeckung zog. Aber das musste warten. Träge schloss er die Augen. Der Panther hatte seine Beute gerissen, sich gesättigt und war nun viel zu entspannt, um sich scharfsinnige Gedanken zu machen.

Das Telefon surrte. Überrascht sah er zur Uhr. Es war Viertel nach sieben. Adil, sein Chauffeur, wartete seit 15 Minuten auf ihn, um ihn zu dem Meeting in der EG-Immobilien GmbH zu fahren. Die Zeit war einfach rasend schnell vergangen. Vorsichtig richtete er sich nun doch auf und nahm das Gespräch an. Es war tatsächlich sein Chauffeur. Adil fragte, ob er noch warten sollte oder ob sich Johanns Pläne geändert hätten. Im Hintergrund hörte Johann türkische Musik leise aus dem Autolautsprechern der Mercedes-Limousine plätschern. Er mochte den Chauffeur und dessen respektvolle, zurückhaltende Art. Er wies ihn an, zu warten. Er würde in etwa einer halben Stunde unten sein.

„Wer war das“, murmelte Jen schlaftrunken, als Johann das Telefon beiseitegelegt hatte.

„Adil, mein Chauffeur.“

„Dein Chauffeur?“, sie wurde etwas wacher. „Du hast nicht nur eine Folterkammer und das größte und bequemste Bett der Welt, sondern auch einen Chauffeur? Wer bist du, Johann Gutenberg?“

„Zufällig der Chef der EG-Immobilien GmbH. Dieses Haus gehört mir und etwa vierhundert andere Gebäude in Hamburg auch. Mein Onkel ist kürzlich gestorben und hat mir das alles vererbt.“

„Oh“, sagte sie nur und er merkte, wie sie wieder in den Schlaf glitt. Johann stand auf, ging hinüber ins Ankleidezimmer, wählte einen seiner Anzüge und zog sich an.

„Du bist trotzdem ein hundsgemeiner Quälgeist“, hörte er von drüben ihre schlaftrunkene Stimme. Er lächelte. Weil er sie nicht nackt durchs Treppenhaus tragen wollte, griff er sich eines der taubenblauen Seidenhemden von Jean-Pierre und ging damit zurück ins Schlafzimmer. Sie wurde nicht einmal richtig wach, während er ihr das Hemd überstreifte. Als er sie mit beiden Armen hochnahm, schmiegte sie sich wieder an ihn.

„Ich will auch meinen Bikini und meinen Slip. Den aus dem Fahrstuhl“, hörte er sie murmeln. „Du… Du Fahrstuhl-Slip-Räuber. Du stiehlst ja wie eine Elster, Johann Gutenberg. Gib mir auch…“

Ihr Kopf fiel an seine Schulter. Sie war wieder eingeschlafen, und sie wachte auch nicht auf, als Johann sie in ihre Wohnung trug. Vorsichtig ließ er sie auf ihr Bett gleiten. Jen hatte anscheinend eine Vorliebe für bunte, blumige Flanell-Bettwäsche, stellte er fest. Als er sie damit zugedeckt hatte, holte er noch ihre Sachen: Bikini, Slip sowie – natürlich –Stöckchen, Motte und Stachel. Er stellte sie auf ein Regal in ihrem Schlafzimmer. Sie würde sie sofort sehen, wenn sie aufwachte. Warum auch nicht, dachte er unbekümmert. Im Vergleich zu den Gegenständen im verbotenen Raum wirkte dieses Damentrio einfach nur verspielt und harmlos.