20. Kapitel
Safeword aus Stahl
Nie hatte der verbotene Raum bizarrer ausgesehen. Auf Pelletiers Anweisung hin hatten Luna und Johann ihn in den Tagen zuvor in eine Art romantisch-kitschige Hochzeitssuite verwandelt. So stellte sich Mr. Spinnenfinger also das „Liebe machen“ jenseits seiner sadistischen Praktiken und Umtriebe vor, hatte Johann dabei nicht ohne Sarkasmus gedacht.
Die meisten Gerätschaften des Studios waren mit dunkelroten Tüchern abgedeckt. Dutzende Teelichter standen auf dem Fußboden und auf allen möglichen freien Flächen. Jen musste sie vorhin entzündet haben, nachdem sie den Dolch in Pelletiers Auto gebracht hatte. Jetzt ließ ihr flackerndes Licht hunderte roter Rosenblätter aufleuchten. Sie bedeckten Fußboden und Bett.
Das Bett im verbotenen Raum war zwar deutlich schlichter als das barocke XXL-Möbelstück in Johanns Schlafzimmer, in seiner Größe aber stand es ihm kaum nach. Eindeutig mehr als Spielwiese denn als Schlafstätte war es gedacht. In Pelletiers Dekorationswünschen spielte es die entscheidende Rolle. Die Bettwäsche aus Seide schimmerte dunkelblau und ziegelrot. Zahllose Kissen türmten sich zusätzlich über den Laken. Sie sollten wahrscheinlich Bequemlichkeit bei den ausgefallensten Stellungen bieten. Die Rosenblätter am Fußende des Betts waren in Form zweier Herzen ausgestreut. Lunas Zauberkraft hatte ihnen die perfekten Rundungen gegeben. Im ganzen Raum hing der blumig-süße Geruch von Räucherstäbchen. Das Soundsystem war auf kitschige Musik programmiert. Streicher und Klavier verbreiteten klebrige Süße.
All dies sah, roch und hörte Johann, und er tat es doch nicht, denn er war mit etwas unendlich viel Wichtigerem beschäftig: Mit der Tatsache, dass er fortan zu einem jämmerlichen Dasein als Lunas Dauer-Keuschling verdammt sein würde – als elendes Subjekt, das sich jede Sekunde seines Leben nach etwas verzehrte, was ihm niemals gewährt werden würde.
Nicht, dass er vorhin nicht gekämpft, beziehungsweise gebettelt hätte. Mit „herzerweichendem Hundeblick“ – ein Kommentar von Pelletier – hatte er um Aufhebung des harten Urteils gegen ihn und seine Männlichkeit gebeten. Er hatte tatsächlich Lunas Füße geküsst. Tränen waren geflossen. Nichts hatte etwas an der Entscheidung geändert und irgendwann hatten sie ihm befohlen, endlich Ruhe zu geben, um sich wichtigeren Dingen zu widmen. Dann hatten sie angeregt geplaudert über Gott und die Welt, beziehungsweise über Pelletier und die Welt. Der Zauberer war nach dem erfreulichen Beginn von „la cérémonie“ anscheinend in Beichtstimmung. Er erzählte, dass er sich in Jens Gegenwart manchmal wie ein verliebter Teenager vorkommen würde. Manchmal sogar auch schon wie ein braver Familienvater, obwohl der Nachwuchs doch erst in seinen Visionen quicklebendig war. Aber er habe zum Beispiel die Milde und Gelassenheit für sich entdeckt. Wer hätte das gedacht. Johann sei das beste Beispiel dafür. Der Sohn von Gerrit Gutenberg, einem üblen Verräter, dürfe von nun an einer entzückenden Zauberer-Kollegin dienen. Was für eine Ehre!
Dann war er auf Lunas „kleines Problem“ zu sprechen gekommen. Er wisse von ihrer Furcht vor den Händen der Männer und er würde das mit der ganzen Zärtlichkeit und Behutsamkeit, die ihm zu Eigen sei, berücksichtigen. Aber da war Luna plötzlich kopfschüttelnd von ihrem Sessel aufgesprungen. Johann sah mit großen Augen, wie sie zu Pelletier hinübereilte. Sie kniete sich vor ihm hin und blickte zu ihm auf. Pelletier verstand die Aufforderung. Seine Hand berührte sacht ihre Wange und Luna lächelte! Sie ergriff sogar Pelletiers missgebildete Gliedmaßen und bedeckte sie mit Küssen.
Alles wäre anders bei Mon Seigneur, sprudelte es aus ihr heraus. Schon damals, bei ihrer ersten Begegnung, als sie in ihrer Wohnung vor dem Fenster gestanden und er unten auf dem Parkplatz sein magisches Spiel mit ihr getrieben hatte, wäre es einfach nur berauschend gewesen, seine Hände zu spüren.
Wie überrascht und verwirrt sie damals über diese Erfahrung gewesen sei, aber seitdem verzehre sie sich nach seinen Berührungen. Von keinem anderen Mann würde sie es ertragen. Sie warf Johann einen herablassenden Blick zu. Aber von Mon Seigneur, ihrem zukünftigen Zauberer-Lehrmeister, würde sie sich immer und jederzeit berühren lassen. Johann erwartete beinahe, dass seine Katzenlady als Nächstes schnurrend und auf allen Vieren um Pelletiers Beine herumstreichen würde, um von ihm die ersehnten Streicheleinheiten zu erlangen.
Sie war eine elende Schlampe, befand Johann. Wie sie sich vor ihm und seinen harmlosen Händen geziert hatte! Weiß Gott was hatte sie von ihm verlangt, nur damit sie ja nicht Gefahr lief, berührt zu werden. Pelletiers zwei Monstrositäten dagegen machten sie anscheinend nur geil und rollig.
Dann endlich kehrte Jen zurück. Alles sei nun „für das große Ereignis hergerichtet“, erklärte sie ganz piepsig und kurzatmig vor Erregung, und wenn ihr die intime Szene zwischen Luna und ihrem Mon Seigneur missfiel, ließ sie es sich nicht anmerken.
Unter Pelletiers wohlwollendem Blick waren Luna und Jen dann im Bad verschwunden, um sich „noch einmal frisch zu machen“. Der Zauberer hatte Johann unterdessen in den verbotenen Raum geführt. Die Strumpfhose riss er mit zwei raschen Griffen von Johanns Körper. Die Bewegungen waren so schnell, dass Johann nicht einmal Zeit hatte zu erschrecken. Völlig nackt hatte ihn Pelletier dann an der gegenüberliegenden Seite des Betts angekettet. Da es in einer Nische des Raums stand, trennten Johann nur wenige Meter vom Fußende der Schlafstätte. Er hatte zweifelsohne einen hervorragenden Blick auf alles, was sich dort abspielen würde.
Johann wusste nicht warum, aber Pelletier hatte es für gut befunden, seine Fesselung zu ändern. Er war dabei eindeutig auf Nummer sicher gegangen. Johanns Hände waren mittels einzelner Handschellen wieder hinten an einem Gürtel fixiert. Genau, wie es auch Luna schätzte. Pelletier aber hatte ihm einen Gürtel umgelegt, der nicht aus Leder, sondern aus beweglichen Metallplatten gefertigt war. Zweifach war er zudem an die Wand hinter seinem Rücken gefesselt. Anscheinend hatten in der Vergangenheit des Öfteren hilflose Subs dem lustvollen Treiben ihrer Herren auf dem Bett zusehen müssen, denn dort, wo Johann stand, waren zwei Ringe in die Wand eingelassen. Einer etwa auf Hüfthöhe, ein anderer war ein Stück weiter oben angebracht. Nun verband eine kurze Kette den unteren Ring mit seinem Gürtel, eine zweite Kette spannte sich zwischen oberem Ring und Halsband.
Unbequem war Johanns Fesselung nicht, aber ihre stählerne Unbedingtheit brachte sein Herz zum Erzittern und ließ seine Knie weich werden. Irgendein dämlicher Reflex zwang ihn außerdem immer wieder zu schlucken, obwohl sein Mund vollkommen trocken war. Was hatte der Zauberer vor, wenn solche Fesseln nötig waren? Johann musste sich zwingen, in Pelletiers Gegenwart nicht schon wieder zum jammernden, zitternden Feigling zu werden. Aber was gab es noch, um Mut daraus zu schöpfen? Nichts.
Den Peniskäfig hatte Pelletier mit in den verbotenen Raum genommen und auf einen Beistelltisch neben dem Bett gelegt. Sein knalliges Rot fing Johanns erschrockenen Blick immer wieder ein. Pelletier quittierte es stets mit einem zufriedenen Grinsen. Offensichtich genoss er die Situation. Wahrscheinlich wurde ihm jedes Mal ein köstlicher Leckerbissen aus Angst und Scham serviert, spekulierte Johann. Ob Mr. Spinnenfinger auch eine kräftige Portion Wut schmecken würde? Vielleicht gab es nicht mehr den geringsten Hoffnungsschimmer, aber Hass gab es genug.
„Arschloch“, zischte er dem Zauberer entgegen, als dieser gerade den letzten Karabinerhaken der Fesselung hatte einrasten lassen. Wie durch ein Wunder hatte sein Stottern anscheinend gerade eine Pause eingelegt. „Arschloch“, brachte er noch einmal lauter hervor, aber Pelletier lachte nur. Die grauen Augen blickten spöttisch. Der Brief von Dr. Kibami fiel Johann ein. Also feuerte er einen anderen Pfeil ab.
„Wie ist Ihre erste Frau gestorben? Hat sie dabei glücklich gelächelt? Ich wette, sie war froh, einem kranken Monstrum wie Ihnen zu entkommen.“
Kein Spott mehr jetzt im Gesicht des Zauberers. Heiße Wut verzerrte die Züge. Dann flog seine Faust heran. Sie krachte rechts neben Johanns Kopf gegen die Wand. Splitter des Mauerwerks spritzen gegen seine rechte Gesichtshälfte. Aus den Augenwinkeln sah er, dass sich ein Spinnennetzmuster auf den Steinen gebildet hatte. Mr. Spinnenfinger musste annähernd mit der Wucht einer Abrissbirne zugeschlagen haben, und er war noch nicht fertig. Als Nächstes schlug die Faust links von Johanns Kopf ein. Diesmal war es so nah, dass er spürte, wie sich winzige Steinsplitter in seine Wange bohrten. Wieder holte Pelletier aus. Johann sah, dass seine Augen ein drittes Ziel anvisierten. Es war sein Kopf. Er schoss die Augen. Wenigstens würde es schnell gehen…
„Mon Seigneur, Mon Seigneur!“
Johann riss die Augen wieder auf. Jen und Luna kamen in den Raum gelaufen. Sie hingen plötzlich links und rechts von Pelletier an seinen Armen und gurrten tausenderlei Nichtigkeiten. Wie herrlich romantisch der Raum auf sie wirken würde, wie sehr sie Mon Seigneur in dieser kurzen Zeit schon vermisst hätten. Jen habe Luna jetzt genug von Mon Seigneurs unglaublicher Persönlichkeit vorgeschwärmt. Keine Sekunde länger mochten sie ohne seine Gesellschaft bleiben. Ob sie nicht jetzt und auf der Stelle endlich, endlich in seinen Armen versinken dürften.
Pelletier schien verwirrt. Er warf Johann noch einen wütenden Blick zu. Dann aber gab er sich ganz den beiden Schönheiten hin. Er lachte, als er ihre Finger auf seinem Körper spürte. Er lachte noch mehr, als sie begannen, ihn langsam auszuziehen.
Johann sah wohl, dass Luna und Jen den zornigen Zauberer gleichzeitig von ihm weglotsten. Konnte es sein, dass die beiden ihm gerade in voller Absicht das Leben retteten? Aber es war dumm, so etwas auch nur zu denken, denn dafür hatten Jen und Luna gerade viel zu viel Spaß.
Zwei richtige Femmes fatales habe er sich da zugelegt, erklärte der Zauberer. Sich ihm so wild und fordernd zu nähern, habe seit vielen Jahren keine Frau mehr gewagt. Aber es würde ihm gefallen. Sehr sogar.
Als Jen und Luna Pelletier Weste und Hemd auszogen, sah Johann die Narben, die der Shukri-Dolch auf dessen Oberkörper hinterlassen hatte. Sein Vater musste mindestens ein Dutzend Mal zugestochen haben. Auch in der Herzgegend hatte er mehrmals getroffen. Nichts hatte das Monstrum getötet. Der sehnige, schlanke Körper strotzte nur so vor Leben, und jedes Stück sichtbare Zaubererhaut schien Jen und Luna zu entzücken. Eilig begannen sie, am Verschluss seiner Hose zu nesteln.
„Genug, genug, da brauch ich ja ein Safeword, um mich vor euch zu retten“, gab er schließlich in gespielter Scheu zum Besten. Johann glaubte zu erkennen, dass sich Jens Miene für einen Augenblick verdüsterte, dann aber lachte sie hell auf und schien Pelletiers Safeword-Gerede sehr komisch zu finden. Luna sah die beiden unterdessen ratlos an.
„Was ist ein Safew…“
Sie kam nicht dazu, ihre Fragen zu beenden, denn Jen küsste sie innig auf die Lippen, und das war der Anfang eines leidenschaftlichen Austauschs von Zärtlichkeiten zwischen den beiden. Entzückend schüchtern war Luna am Anfang. Abwehr und Hingabe angesichts der Liebkosungen einer Frau hielten sich die Waage. Aber je mehr Kleidungsstücke Jen ihrer Gespielin abstreifen konnte, desto mehr schien Luna entflammt, und bald übernahm sie die Führung im Liebesreigen.
Während Jen immer noch das weiße, halbdurchsichtige Kleid trug, war Luna schließlich vollkommen nackt. Nein, nicht ganz. Immer noch thronte der Zylinder schräg und keck auf ihrem Kopf. Seltsamerweise schien er ihre Nacktheit noch zu unterstreichen. Die schweren, vollen Brüste, der runde, halbmondförmige Po, das zierliche, dunkelblonde Haarbüschel über ihrem Geschlecht wirkten noch betörender unter der irritierend männlichen Kopfbedeckung. Gleichzeitig schien der Zylinder wie ein unmissverständliches Symbol. Er wies seine Trägerin, so schien es Johann, eindeutig als die Herrin dieser intimen Zweisamkeit aus.
Gedemütigt, versklavt, angekettet und bereits seit vielen Tagen zur Keuschheit gezwungen blickte Johann auf ein Schauspiel, das ihn gleichzeitig mit tiefster Frustration und brennender Begierde erfüllte. Er versuchte fast panisch und so weit es die Fesseln ermöglichten, woanders hinzuschauen – vor sich auf den Boden, über sich zur Decke, nach links, nach rechts, aber seine Augen wanderten immer wieder zurück, dorthin, wo sein Schmetterlingsmädchen und seine Katzenlady seine Lust so grausam anstachelten.
Er sah, dass auch Luna um die erotische Kraft des Zylinders zu wissen schien. Als Jen ihn ihr als letztes Kleidungsstück vom Kopf nehmen wollte, drückte sie die Hand weg. Mit einer herrischen Geste stieß sie ihre Gespielin aufs Bett. Nun war Jen endlich dran, entkleidet zu werden. Luna hielt sich nicht mit Knöpfen und Häkchen auf. Mit zwei Fingern ihrer rechten Hand berührte sie Jens Haut direkt unterhalb der Halskuhle und etwas oberhalb des Tüllkleides. Johann sah, wie Jen erschauderte.
„Sieh her“, forderte Luna ihre Gespielin auf, dann ließ sie ihre Finger langsam über den Stoff ihres Oberteils nach unten gleiten. Jens Augen wurden riesig groß, als sie sah, was passierte. Dort, wo die Fingerkuppen ihre Kleidung berührten, stoben bläuliche Funken zur Seite. Gleichzeitig zerriss der Soff und teilte sich. Es war, als hätte ihn jemand gewaltsam entzweigerissen. Dabei schien Luna nicht die geringste Kraft aufzuwenden. Ganz leicht glitten ihre Finger vom Halsansatz abwärts und ließen nackte Haut zurück. Jen keuchte auf. Unwillkürlich hielt sie mit den Händen den zerteilten Stoff vor ihren Brüsten zusammen. Aber dann lachte sie entzückt auf und warf sich in Lunas Arme.
Über alle Maßen schien dieses Zauberkunststück auch Pelletier zu erregen. Johann sah, wie er sich Hose und Shorts vom Leib riss und im nächsten Augenblick schon das Bett mit den beiden Frauen teilte. Durchtrainiert, schlank, sehnig und ohne ein Gramm Fett präsentierte er sich seinen Gespielinnen. Muskulös und männlich wölbten sich seine Hinterbacken. Kein einziges Haar bedeckte die leicht gebräunte, in diesem Licht fast bronzefarbene Haut seines Körpers. Weiß schimmerten allein die Narben, die der Shukri-Dolch hinterlassen hatte, ansonsten störte kein einziger Makel das perfekte Erscheinungsbild von Luc Pelletier in seiner ganzen, überwältigenden Nacktheit.
Jetzt gab es nur noch einen dominanten Part und das war der Zauberer. Er nahm den Zylinder von Lunas Kopf und warf ihn schwungvoll quer durch den Raum. Mitten in der Luft verwandelte sich dieser in einen mächtigen Löwen, der aufbrüllend davongaloppierte und sich irgendwo in der Weite des Raums in Luft auflöste.
Luna und Jen schienen gebührend beeindruckt. Schnell hatte Pelletier die beiden so drapiert, wie er es sich wünschte. Beide lagen nun weit oben am Kopfende des Betts nebeneinander auf dem Rücken. Jen hatte ihre Beine links und rechts ihres Körpers weit hochgezogen und an den Knien angewinkelt. So bot sie Pelletier ihre klaffende Scham dar, und ebenso tat es Luna, die rechts neben ihr in der gleichen Haltung lag. Weil sie sich dabei eng aneinanderschmiegten, hatte sich Jens linkes Bein über Luna rechtes geschoben. Ihre vier Hände umklammerten das obere Gestänge des Bettes. Pelletiers hatte es so verlangt.
Wie eilig und eifrig sie sich für ihn positionierten und darboten, stellte Johann fest. Heißer Zorn auf Luna, Jen, Pelletier und eine Welt, die so etwas zuließ, überfluteten ihn ebenso wie eine weitere Welle unbändiger, verzweifelter Lust. Sein Schwanz ragte genauso erigiert und lüstern vor ihm auf, wie es der von Pelletier tat. Für den Zauberer lag die Erfüllung all seiner Begierden nur noch Zentimeter entfernt, Johann aber trennten unüberwindliche Fesseln aus Stahl von dem, wonach jede Faser seines Körpers gierte. Mit aller Macht wurde ihm jetzt auch bewusst, was er bislang so gut es ging verdrängt hatte. Der Zauberer würde Jen besteigen, um ihr ein Kind zu machen. Pelletiers Samen würde sie schwängern. Sein Nachkomme würde in ihr wachsen. Er würde ihren Körper auf so vollständige Art in Besitz nehmen, wie es einem Mann nur möglich war.
Johann sah, wie der Zauberer jetzt eine Sekunde innehielt. Zufrieden blickte er auf das erregende Arrangement aus willig dargebotenen Brüsten, begehrlich glänzenden Augen, samtig-erhitzter Haut und klaffenden Schößen vor sich. Für Johann hatte er auch noch einen triumphierenden Blick übrig. Dann griffen seine Hände unter Jens Schenkel und hoben ihren Unterkörper leicht an. Aufrecht vor ihr kniend drang er in sie ein.
Jen jubelte hell auf. Sie wölbte ihren Rücken und reckte ihren Unterkörper Pelletiers Hüften entgegen. Offensichtlich angesteckt von der Ekstase ihrer Freundin tat Luna das Gleiche. Gierig schob sie ihren Schoß nach vorne in Leere hinein. Dort aber traf sie auf Pelletiers kräftige Hand. Nun war es an Luna, aufzujubeln. Mit zitternder Gier wand und streckte sie sich dem kundigen Fingerspiel entgegen. Im Vergleich zu Lunas zierlichem Körper wirkte Pelletier Hand noch riesiger. Dennoch schien es, als wollte Luna das fremde Körperteil zwischen ihren Schenkel geradezu verschlingen und aufsaugen. Jens Körper tanzte indessen unter Pelletiers kräftigen Stößen auf und ab. Nie hatten ihre Vogellaute inbrünstiger und wollüstiger geklungen.
Johann sah all dies und es steigerte seine Erregung noch einmal bis aufs Äußerste. Verzweifelt und wütend stieß er mit seinem Glied immer wieder vor sich in die Luft. Aber dort, wo Pelletiers bei denselben Bewegungen süße, heiße, pulsierende Enge spürte, war bei ihm nichts. NICHTS.
Dort drüben, wenige Meter entfernt, bahnte sich währenddessen ein gewaltiger, himmlischer, sagenhafter dreifacher Höhepunkt an, war sich Johann sicher. Er sah, dass Jen ihren linken Arm nach hinten zum Kopfende des Betts herausgestreckt hatte, Luna hatte mit ihrem rechten das Gleiche getan. Beide Arme lagen dicht nebeneinander. In ihrer Verzückung hatten sich beide Mädchen bei den Händen gefasst und ihre Finger fest ineinander verschlungen. Sie schoben sie unter eines der Kissen. Die ganze Bewegung fesselte irgendwie Johanns Aufmerksamkeit. Vielleicht, weil sie eigentlich nicht wie die unwillkürliche, instinktive Handlung eines Menschen in höchster Ekstase wirkte. Sie schien… Sie schien… PLANVOLL.
In diesem Augenblick stieß Jen einen wilden Schrei aus. Aber dies war kein Laut der Lust, sondern des Zorns. Gleichzeitig wirbelte ihr rechter Arm zusammen mit Lunas linkem Arm unter dem Kissen hervor. Sie hielten beide etwas umklammert. Dieses Etwas beschrieb einen silbrig-schimmernden Bogen, der auf Pelletiers linker Brust endete.
Der Zauberer hielt mitten in der Bewegung inne. Die brünstigen Laute auf seinen Lippen erstarben.
„Safeword? Das ist mein Safeword, du Schwein, du Tier, du Monstrum“, hörte Johann Jen schreien. Ihre Stimme war so voller Hass und Wut, dass es ihn nicht gewundert hätte, wenn ihre Worte allein genügt hätten, um tödliche Verletzungen hervorzurufen.
Aber Pelletier hatte natürlich etwas ganz anderes aus seiner Ekstase gerissen. Er zucke mit seinem Oberkörper heftig nach hinten, und in diesem Augenblick sah Johann, dass ein Ding aus seiner Brust ragte. Es war der Griff des Shukri-Dolchs! Bis zum Heft steckte er in Pelletiers Körper. Darunter quoll dunkles Blut hervor und begann, zähflüssig über den nackten Oberkörper zu rinnen.
Einen Augenblick lang schien die Welt wie eingefroren. Sie hatte einfach aufgehört, sich zu drehen. Dafür rotierte Johanns Verstand umso mehr. Jen hatte den Dolch nicht ins Auto gebracht, sondern unter einem der Kissen verborgen. Irgendwie musste sie sich mit Luna verständigt haben. Gemeinsam hatten sie die Klinge in Pelletiers Brust gestoßen. Sie hatten den Augenblick geschickt gewählt. Als die eigene Lust Pelletier am unaufmerksamsten machte, hatten sie den Dolch benutzt.
Pelletier stieß jetzt ein schmerzvolles Stöhnen aus. Ein grässlicher Laut, der nicht aus ihm selbst, sondern irgendwo aus den tiefsten Tiefen der Hölle zu kommen schien. Johann sah, wie Pelletier langsam seine Hände hob. Der Zauberer versuchte, den Messergriff zu erreichen, aber dafür reichte anscheinend die Kraft nicht. War Pelletier tödlich verletzt?
Mit schwankendem Oberkörper kniete er auf dem Bett. Beide Hände ballten sich in einer nutzlosen Geste immer wieder zu Fäusten. Sein mächtiges Glied war bizarrerweise noch erigiert, als könnte er damit zu einem tödlichen Stoß gegen seine beide Gegnerinnen ansetzen. Stattdessen kippte Pelletier schräg nach hinten über und landete direkt an der hinteren Kante des Bettes. Dort glitt sein Körper – nun anscheinend völlig kraftlos – von der Matratze auf den Fußboden hinunter. Einen Moment lang hoffte Johann inständig, dass sich der Zauberer nie wieder erheben würde. Luna und Jen schien es ebenso zu ergehen. Sie hatten sich am Kopfende des Betts eng zusammengedrängt und schauten mit schreckgeweiteten Augen auf das Fußende, hinter dem Pelletier ihren Blickfeldern entschwunden war. Immer noch hielten sie sich bei den Händen.
Johanns Augen huschten wieder zurück zu dem mächtigen, nackten Körper am Boden. Verflucht war die Zähigkeit dieses Monstrums, denn immer noch schien Leben in Pelletier zu sein. Genug, um sich hochzustemmen und schwankend wieder auf die Beine zu kommen. Jen und Luna schrien panisch auf, als die Gestalt plötzlich emporschnellte.
Nein, es war noch nicht vorbei. Im Gegenteil – aus irgendeinem widernatürlichen Grund schien der Zauberer und Hexenmeister neue Kräfte mobilisieren zu können. Er schaffte es, eine Hand zu heben und damit auf Jen und Luna zu deuten. Sein Mund bewegte sich und formte lautlose Worte. Dann kehrte auch seine Stimme zurück. Flüsternd anfangs, dann lauter und lauter werdend sprach er Worte in einer fremden Sprache. Anscheinend war es Latein. Immer wieder dröhnte das Wort „Vipera“ in Johanns Ohren. Pelletier zischte es hervor, als wollte er selbst das Züngeln einer Giftnatter nachahmen.
Und die Worte blieben nicht ohne Wirkung. Johann sah, wie sich unter dem Laken am Fußende des Betts ein Körper formte. Armdick und schlangenähnlich glitt dieses Etwas nach oben auf die beiden Mädchen zu.
Jen schaute starr vor Entsetzen auf das, was sich unter der Decke näherte. Luna dagegen versuchte anscheinend, eine Art Gegenzauber hervorzubringen. Wie Pelletier stieß sie Formeln in einer fremden Sprache aus. Es klang Keltisch, so wie es Johann auch früher schon bei ihren Zauberübungen gehört hatte Ihre Hände formten dazu verschlungene Figuren in der Luft. Funktionieren aber tat es nicht. Das grässliche Ding unter dem Laken teilte sich sogar mehrfach. Nun waren es bestimmt ein halbes Dutzend Körper, die in Richtung der Mädchen krochen.
Johann begann, gegen seine Fesseln zu kämpfen. Er musste sich einfach irgendwie befreien, um den beiden helfen zu können. Er warf sich nach vorne und dann immer wieder zur Seite. Mit aller Gewalt riss und zerrte er an den Ketten. Sie gaben nicht einen Deut nach, aber gleichzeitig schien Luna endlich die richtige Formel gefunden zu haben. Eine Windböe toste wie aus dem Nichts durch das Zimmer und riss das Laken mitsamt dem, was sich darunter verbarg, fort. Johann sah einen Augenblick lang ein Knäuel aus dunklem Stoff und einem widerlichen schwarzen Gewimmel, dann war das Ganze verschwunden, und mit ihm der Wind, der Luna und Jen gerettet hatte.
Pelletier fletschte die Zähne, was wohl ein anerkennendes Grinsen bedeuten sollte. Aber er war noch nicht fertig mit den beiden. Wieder erklangen seine Zaubersprüche, diesmal in einer Sprache, die Johann überhaupt nicht mehr einordnen konnte. Sie klang ihm so fremdartig, dass sie ihm nicht einmal von dieser Welt zu sein schien. Dann kam Pelletiers Stimme plötzlich aus zwei Richtungen und Johann sah, dass links von ihnen neben dem Bett eine schemenhafte Figur aufgetaucht war. Es war ein Abbild des Zauberers! Dieser Pelletier blieb blass und durchsichtig, aber er schwang eine Peitsche und die wirkte schrecklich real. Als die meterlange Peitschenschnur direkt vor Jen und Luna auf das Bett niedersauste, flammte die Stelle, die getroffen worden war, auf. Danach war zu sehen, dass die Peitsche bis tief hinein in die Matratze geschnitten hatte. Diese klaffte an jener Stelle zentimeterweit auseinander.
Schon holte Pelletiers Abbild zu einem zweiten Hieb aus und zielte dabei auf Jen. Johann schrie auf und riss erneut an den verdammten Fesseln. Nicht einen Millimeter gaben sie nach.
Wieder war es Luna, die den Angriff parierte. Hell und klar ertönte diesmal ihre Stimme, als sie dem Angreifer einen Zauberspruch entgegenschleuderte. Wieder schien er in keltischer Sprache zu sein. Wieder woben ihre Hände ein kompliziertes Zeichen in die Luft.
Zwischen den Mädchen und Pelletiers peitschenschwingendem Doppelgänger tauchte eine mannshohe Dornenhecke auf! Sie war genauso durchsichtig und schemenhaft wie Pelletiers Doppelgänger. Aber sie reichte aus, um die Mädchen zu schützen. Als das Zauberwesen diesmal zuschlug, verhedderte sich die Peitschenschnur harmlos im Dornengeflecht. Das Zauberwesen musste sie wieder zurückziehen. Dabei erkannte Johann auch, woraus diese Hecke bestand. Es war eine riesige, in die Breite und Höhe gewachsene Version des Kaktus in Lunas Küche! Johann sah erleichtert, dass das Gewächs in seiner magischen Version genauso zäh und stachelig wirkte wie in der echten.
Wieder holte Pelletiers magischer Doppelgänger mit seiner Peitsche aus. Noch wuchtiger als beim letzten Schlag sauste der Fang durch die Luft und gegen das blassgrüne Hindernis. Diesmal zerfetzten die zentimeterlangen Dornen sogar die Peitschenschnur. Pelletier und sein Doppelgänger schrien unisono wütend auf. Dann wischte der echte Zauberer einmal mit seinem rechten Arm durch die Luft und hielt eine neue Peitsche in der Hand. Er warf sie seinem magischen Kampfgefährten zu. Als der sie mit einer geschickten Bewegung auffing, war zu sehen, dass dieses Schlaginstrument anscheinend noch tödlicher war als das vorherige. Denn bläuliche Flammen umzüngelten die Peitschenschnur.
Das bösartige Zauberwesen drosch damit umgehend auf die Kaktushecke ein. Die Schläge hinterließen tiefe Furchten im magischen Schutzwall und Luna hatte offensichtlich Mühe, ihn mit ihren Zauberkräften aufrechtzuerhalten. Johann hörte, wie sie unablässig den rettenden Zauberspruch wiederholte. Ihre Arme flogen nur so durch die Luft, um die magischen Schutzzeichen zu machen, während furchtbare Peitschenhiebe auf die Hecke niederprasselten.
Der echte Pelletier konzentrierte sich unterdessen wieder auf das Messer in seiner Brust. Trotz seiner wiedergewonnenen Kräfte gelang es ihm nach wie vor nicht, den peinigenden Gegenstand in seinem Körper zu erreichen. Je näher seine Hände dem Griff kamen, desto unkoordinierter wurden ihre Bewegungen, bis sie schließlich wie an einem unsichtbaren Kraftfeld abprallten und hilflos zur Seite glitten. Wieder musste Johann an die Abstoßungskraft zweier Magneten denken.
Dann aber entschied sich Pelletier für einen andere Weg. Er ließ seine Hände von den Hüften aus den Oberkörper hinaufwandern, um den Griff zu erreichen. Es war ein schauriger, abstoßender Anblick, die zwölf Finger insektengleich seinen Körper emporkrabbeln zu sehen. Aber sie kamen voran. Zentimeter um Zentimeter schoben sie sich vor.
Wohl um genauer zu sehen, wie weit sie noch entfernt waren, senkte Pelletier den Kopf. Auch diese Bewegung schien ihm Mühe zu bereiten. Er taumelte unwillkürlich einen Schritt zurück, dann noch einen und noch einen. Anscheinend ohne sich dessen bewusst zu sein, stand er nun mit seinem Rücken nur wenige Zentimeter vor dem gefesselten Johann.
In diesem Augenblick begann Johann noch einmal, gegen seine Ketten anzukämpfen. Er wusste, dass Pelletier kurz davor war, den Griff zu erreichen. Gelang es dem Zauberer, sich von dem Messer zu befreien, würde er den größten Teil seiner Kraft zurückerhalten. Da war sich Johann sicher, und er war sich ebenso sicher, dass sie dann verloren wären. Vielleicht würden Luna und Jen aber auch schon früher sterben, denn Johann sah, dass Luna anscheinend schwächer wurde. Wenn sie ihre Beschwörungen aussprach, tat sie es jetzt mit dünner, brüchiger Stimme. Das Kaktus-Schutzschild bekam Risse und wo die Peitsche hindurchglitt, zerfetzte sie das Bettzeug. Gänsefedern aus zerschlitzten Kissen wirbelten durch die Luft und überzogen den Kampfplatz wie ein Schneegestöber.
Aber er durfte sich nicht ablenken lassen. Johann konzentrierte sich auf das, was er sich vorgenommen hatte. Im Gegensatz zu seinen bisherigen wilden Befreiungsversuchen, spannte er diesmal seine Muskeln allmählich an und ließ ihre Kraft ruhiger und besonnener gegen den Stahl der Ketten kämpfen. Ohne, dass er es merkte, kam ein tiefes Stöhnen über seine Lippen. Er bleckte die Zähne vor Anstrengung. Fest stemmten sich seine Füße in den Boden.
Er war stark. Er hatte sich über Jahre beim Krafttraining geschunden. Er stellte sich die dünnen Kettenglieder vor. Ihr Metall maß nicht einmal einen halben Zentimeter. Was waren sie gegen seine Muskelkraft – und vor allem gegen seinen glühenden Hass auf Pelletier und seine Gefühle für Jen und ebenso für Luna. Er sah Lunas tapferen Kampf gegen das Zauberwesen und Jens Furcht, wenn dessen Peitsche ein neues Stück des Schutzwalls zerstörte. Er musste ihnen beistehen, und so holte er von irgendwoher ein weiteres Quäntchen Muskelkraft aus seinem Körper, und dann noch eines und noch eines.
Zwei Dinge passierten dann praktisch gleichzeitig: Pelletiers Hände fanden den Messergriff und packten ihn. Im selben Augenblick ertönte hinter ihm ein scharfer Knall, dem sofort ein zweiter folgte. Mit pistolenschussartigen Geräuschen waren zwei Kettenglieder geborsten. Johanns Arme waren frei. Sie schlossen sich um Pelletier und zogen ihn unerbittlich an sich heran. Der Zauberer schrie wütend auf, denn er war jetzt praktisch bewegungsunfähig. Johanns Umklammerung presste beide Arme des Zauberers fest an dessen Körper. Unmöglich war es für Pelletier, das Messer aus der Wunde zu ziehen. Für ein, zwei Sekunden hing er fast schlaff in Johanns Griff. Dann begann er sich zu wehren.
Welche unglaubliche Stärke trotz seiner Verletzung immer noch in diesem Menschen steckte! Bald hatte Johann das Gefühl, nicht nur gegen Pelletier anzukämpfen, sondern auch gegen die eigene dunkle Verzweiflung angesichts des schier übermächtigen Gegners. Pelletiers Arme drückten seine Arme Millimeter um Millimeter von seinem Körper fort. Gleichzeitig wand und schlängelte sich der Zauberer mit seinem ganzen Körper. Auch dadurch drohte er die Umklammerung immer wieder gefährlich zu lockern. Dann wieder drängte Pelletier seinen Hintermann gegen die Mauer, so dass es Johann den Atem raubte und er glaubte, dass seine Rippen jeden Augenblick zerbersten würden. Trotzdem ließ er nicht los – auch nicht, als Pelletier ein Bein hob und wuchtig nach hinten trat. Wie durch ein Wunder verfehlte er Johanns Knie, aber die Wucht, mit der er sein Fuß auf das Mauerwerk traf, ließ die ganze Wand erzittern.
Sie stöhnten und fluchten beide in diesem Ringen. Jedes Mal, wenn Pelletier sich fast befreit hatte, gelang es Johann irgendwie, seine Umklammerung wieder zu festigen und den Zauberer noch einmal an sich zu ziehen. Aber während Johanns Muskeln schon jetzt bis auf Äußerste und darüber hinaus angespannt waren, schien Pelletiers Stärke immer weiter zuzunehmen. Es war klar, dass Johann den Zauberer nur noch wenige Momente lang würde festhalten können. Hektisch huschten seine Augen über Pelletiers Körper, auf der Suche nach einem besseren Griff, nach einer anderen Methode, den schrecklichen Gegner zu bezwingen.
Irrsinnigerweise war das Glied des Zauberers immer noch in voller Größe erigiert. Ein pulsierender, jetzt tiefroter Pfahl, der Johann regelrecht zu verhöhnen schien. Pelletier protzte selbst in dieser Situation noch mit seiner widernatürlichen Manneskraft. Sein Schwanz gierte anscheinend immer noch danach, Jen zu schwängern.
Aber vielleicht war alles ganz anders! Plötzlich war da ein Gedanke und Johann griff danach und umklammerte ihn ebenso fest, wie er es gerade mit Pelletier tat. Diese Überlegung mochte das Einzige sein, was sie noch retten konnte. Das Monstrum bezog seine Macht offensichtlich aus allem, was es erregte und befriedigte; aus Schmerz, Scham, Lust und Leid. Davon hatte sein Onkel Enno geschrieben und ebenso Dr. Kibami.
Schmerz, Scham, Lust und Leid – all dies machte den Zauberer anscheinend ebenso lüstern wie stark, und all dies bündelte sich in einem einzigen Körperteil. Während sich seine Gedanken überschlugen, tauchte das Bild des Shukri-Dolchs in seinem Kopf auf. Dessen seltsame Form konnte doch eigentlich nur eines bedeuten: Er war nicht zum Stechen gefertigt, sondern zum Schneiden!
Mit dieser Erkenntnis ließ Johann Pelletier los. Der Zauberer hatte nicht im Geringsten mit dieser Aktion gerechnet und verharrte einen Augenblick lang verblüfft. So blieb Johann genug Zeit. Er umfasste mit seiner rechten Hand den Griff des Messers und zog es aus Pelletiers Brust. Unwillkürlich stöhnte der Zauberer erleichtert auf, aber Johanns Bewegung mit dem Messer war noch nicht zu Ende. Hoch schwang er die Waffe und ließ sie mit aller Macht dicht am Körper des Zauberers herunterfahren. Er spürte, wie die Schneide durch jenes fuhr, was dort unten immer noch aufgerichtet war. Ein abgetrennter, länglicher Fleischklumpen landete auf dem Boden, eine Fontäne aus Blut folgte.
Johann sah nicht hin. Er sah Pelletier ins Gesicht, denn nach dem blutigen Hieb war der Zauberer einen Schritt nach vorne getaumelt und hatte sich umgewandt. Sekundenlang schauten sie sich an. Johann rechnete mit einem wütenden Todeskampf und er war sich fast sicher, dass auch er ihn nicht überleben würde. Immer noch war er festgekettet und konnte nicht einen Schritt vor der Wut seines Gegners fliehen.
Allein, der Zauberer blieb ruhig. Johann konnte auch später niemals beschreiben, was sich in diesem Augenblick in Pelletiers Gesichtszügen spiegelte. Nur eines war klar: Es war vorbei. Das Sterben hatte begonnen.
Pelletiers magischer Doppelgänger, der Luna und Jen mit seiner Peitsche fast umgebracht hatte, war verschwunden – und das tat der Zauberer jetzt auch. Die Natur, der diese kranke und abscheuliche Existenz vor mehr als einem Jahrhundert abgetrotzt worden war, holte sich zurück, was ihr geschuldet.
Zuerst gaben Pelletiers Beine nach, so dass er in die Knie ging. Ein Moment lang kniete er vor Johann, als wäre er selbst der Sklave und der angekettete Mann an der Wand sein Herr. Dann kippte der Zauberer nach rechts. Beinahe sofort setzte der Zerfall ein. Johann war froh, dass Pelletier sein Gesicht abwandte. Vielleicht wollte in einer letzten bewussten Regung selbst nicht, dass seine Miene beim Sterben beobachtet wurde. Stattdessen sah Johann, wie sich der makellose, jugendliche Körper binnen Sekunden in den eines uralten Mannes verwandelte.
Ein Seufzen, ein Stöhnen stieß diese Kreatur aus, dann erschlaffte sie und zerfiel zu Staub. Johann starrte auf das, was sich vor seinen Füßen abspielte. Es schien ihm plötzlich ungeheuer wichtig, Zeuge davon zu werden, wie ihr Feind verschwand. Auf immer und ewig. Sogar die Staubkörner seiner Überreste zerfielen. Was von Luc Pelletier blieb, war NICHTS. Johann sah auf einen leeren Boden…
…der sich merkwürdigerweise hob und senkte. Anfangs waren es nur leichte Bewegungen, dann nahmen sie stetig zu. Johann hatte das Gefühl, eine flüssige Oberfläche zu sehen. Sanft wogte sie hin und her. Er starrte fasziniert auf dieses seltsame Phänomen, bis ihm klar wurde, dass er selbst hin und her schwankte. Erst jetzt wurde ihm bewusst, wie erschöpft er war. Er lauschte in sich hinein und wünschte im gleichen Augenblick, es nicht getan zu haben. Jeder einzelne Muskel in seinem Körper machte sich bemerkbar und schrieb flammende Protestnoten über das, was ihm eben abverlangt worden war. Die Arme schienen so schwer, dass er beschloss, sie niemals wieder zu gebrauchen, und wäre er nicht immer noch angekettet gewesen, hätten seine Beine wahrscheinlich längst unter ihm nachgegeben. So lehnte er sich einfach wieder an die Wand und tat ausschließlich das, was ihm zwingend notwendig erschien: Stehen, Atmen, Leben.
Er spürte kaum, wie Luna ihn von seinen Ketten befreite. Immer noch umklammerten seine Finger den Dolch. Luna nahm die Waffe und legte sie vorsichtig auf den Boden. Als das Mädchen Johann dann langsam und Schritt für Schritt zum Bett führte, hatte er Mühe, sein Gleichgewicht zu halten. Zusammen kletterten sie über die Matratze zu Jen ans andere Ende des Betts. Ungläubig sah er auf die Zerstörungen, die Pelletiers Doppelgänger mit seiner Peitsche hinterlassen hatte. Aus der Nähe war erst richtig zu sehen, wie zahlreich und tief die Risse waren. Einige hatten die Matratze beinahe zerteilt. Es war ein Wunder, das Jen und Luna unverletzt geblieben waren. Er nahm es staunend und voller Erleichterung zur Kenntnis.
Sie saßen jetzt dicht aneinandergedrängt auf dem Bett, die Rücken an das Polster des Kopfteils gelehnt. Johann war in der Mitte, Jen und Luna links und rechts von ihm. Immer wieder wanderten ihre Blicke zu der Stelle, an der noch vor wenigen Minuten ihr Feind Angst und Todesgefahr verbreitet hatte. Nichts, absolut nichts war übriggeblieben. Einzig der Dolch, der dort am Boden lag, erinnerte an die vergangene Schlacht.
Johann spürte, wie sich die nackten Körper der beiden Mädchen an ihn schmiegten. Ihre Nähe war wunderbar. Er merkte, wie seine Kräfte langsam zurückkehrten. Morgen würde er den gewaltigsten Muskelkater der Welt in seinen Armen spüren. Es spielte keine Rolle. Im Gegenteil – der Schmerz würde ihn nur an ihren glorreichen Sieg erinnern.
Sie begannen, miteinander zu reden. Es gab so viele Fragen, die sie sich nun atemlos stellten. Anfangs taten sie es flüsternd und leise, wie kleine Kinder in einem großen, dunklen Raum. Keiner mochte die Stimme erheben, als könnte jedes laute Wort noch einmal die Vergangenheit heraufbeschwören.
Wie habe er es nur geschafft, diese Stahlketten zu zerreißen, wollte Jen wispernd von Johann wissen. „Woher wusstest du, dass Jen den Dolch unter dem Kissen verborgen hatte?“, fragte Johann Luna. Atemlos hörte er dann, wie sich die beiden im Bad abgesprochen hatten. Voller Angst waren sie gewesen und doch entschlossen, den Angriff auf das Monstrum zu wagen.
Bevor sie ihren Plan schmieden konnten, hatte Jen aber bereits den Dolch unter den Kissen verborgen, statt ihn, wie Pelletier es befohlen hatte, ins Auto zu bringen. Luna und Johann bewunderten Jens Mut sehr, denn zu diesem Zeitpunkt hatte sie alleine und ohne Absprache gehandelt. Außerdem hatte sie die Waffe genau an der richtigen Stelle abgelegt. Es hätte keine bessere gegeben. Wie konnte sie das nur wissen?
Es war seltsam, aber sie stellten fest, dass vieles wohl für immer ungewiss bleiben würde. „Ich musste es einfach tun. Es schien mir richtig“, sagte Jen ein ums andere Mal und auch Luna beharrte darauf, dass sie in vielem einfach ihren Gefühlen gefolgt war.
Dann wandte sich Johann an Jen und fragte sie zögernd, ob Pelletier sie möglicherweise geschwängert habe. Sie schüttete den Kopf. Nein, sie glaube es nicht. Er sei nicht in ihr gekommen. „Um einen Schwangerschaftstest komme ich aber wohl nicht herum“, erklärte sie beklommen. Einen Augenblick später aber lächelte sie und sagte: „Wisst ihr, es ist seltsam, aber so wie ich wusste, wo ich den Dolch verstecken musste, weiß ich jetzt, dass ich nicht von ihm schwanger bin.“
Ihre Blicke wanderten zum Dolch, der immer noch auf dem Boden lag, wo Luna ihn hingelegt hatte. Konnte es wirklich sein, dass dieses kleine Ding sie alle so perfekt gelenkt und gesteuert hatte, um den mächtigen Zauberer zu eliminieren?
Vielleicht würden sie in Zukunft mehr herausfinden, spekulierten sie. Erst einmal aber stand Luna wieder vom Bett auf und trug den Dolch – vorsichtig und fast zärtlich, als wäre auch er durch den vorangegangen Kampf geschwächt und erschöpft – zu seinem Kästchen, das Jen in einem der vielen Schränke des verbotenen Raums vor Pelletier verborgen hatte.
Als sie den Dolch wieder auf die seidige Stoffunterlage in seinem hölzernen Etui gebettet hatte, kam sie zurück, und nun stand Johann plötzlich im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Sein Schmetterlingsmädchen gestand, wie schrecklich schwer es ihr gefallen war, ihn die ganze Zeit über so kaltherzig und gemein behandeln zu müssen. Johann schüttelte den Kopf und wollte gerade beteuern, dass er es doch sei, der um Verzeihung bitten müsse, aber Luna unterbrach ihn. Sie bestand darauf, dass ihre Schuld und Gemeinheit noch tausendmal größer sei. Sie sei wirklich die böseste aller Hexen. Ohne sein Wissen habe sie den Pakt mit Pelletier abgeschlossen. Sie habe sehr mit sich gerungen, ihn einzuweihen, aber dann habe sie eingesehen, dass es so am sichersten und glaubhaftesten war. Dennoch habe es ihr fast das Herz zerrissen, als Pelletier Johann eröffnet hatte, was ihm bevorstünde.
Dann begann sie, mit Johann schimpfen! Wie unvorsichtig und dumm es gewesen war, den Zauberer so zu reizen, dass er ihn beinahe umgebracht hätte. Jen und sie hätten gerade noch rechtzeitig eingreifen können.
Ein freches Grinsen stahl sich auf Lunas Gesicht. Aber hatten sie nicht eine wunderbare Ablenkungsshow abgeliefert? Pelletier ebenso wie Johann seien fast die Augen aus dem Kopf gefallen. Die beiden Mädchen kicherten und konnte fast gar nicht mehr aufhören damit.
Dann wurde Luna wieder ernst. Johann müsse ihr versprechen, nie wieder etwas so Unvernünftiges zu tun. Er sei so ein schrecklicher dummer, mutiger, törichter, tapferer Kerl, erklärte sie und hauchte ihm bei jedem Wort einen Kuss auf Schulter und Brust. Johann wurde sich plötzlich der Nacktheit und Nähe seiner Gefährtinnen sehr bewusst. Sein Glied schnellte in die Höhe und hatte damit umgehend die Aufmerksamkeit von Jen und Luna sicher. Sie liebten sich auf eine fiebrige, wilde Art. Da Jen nicht verhütet hatte, verschaffte Johann ihr mit Hand und Mund den langersehnten Höhepunkt, dem schnell noch weitere folgten. Luna ritt unterdessen sich und Johann, der auf dem Rücken lag, zielsicher zu einem grandiosen gemeinsamen Finale.
Danach schmiegten sie sich wieder aneinander. Irgendwann musste Johann eingeschlafen sein, denn als er erwachte, schlenderte Luna im Raum herum. Immer noch war sie nackt. Den Zylinder aber hatte sie sich irgendwie und sicherlich auf zauberhafte Weise wiederbeschafft. Nun thronte er wieder schräg und herausfordernd auf ihrem Kopf. Außerdem schwenkte sie Pelletiers Gehstock mit dem silbernen Knauf in der Hand. Er schien einen passablen Zauberstab abzugeben.
Immer noch waren die meisten Gerätschaften im Raum mit Tüchern abgedeckt. Aber jedes Mal, wenn Luna den Stock kurz durch die Luft schwenkte, flog eines von ihnen beiseite und enthüllte ein weiteres bizarres Spielgerät, das Luna dann gründlich und wissbegierig inspizierte.
Jen saß neben Johann im Bett und beobachtete neugierig Lunas Erkundungsgang. Als sie merkte, dass Johann wach war, reichte sie ihm ein Glas mit kühlem Mineralwasser. Er trank durstig und bediente sich dann begeistert aus einer Schale mit kleingeschnittenem Obst, die sie ihm ebenfalls hinhielt. Noch hungriger aber reagierte er dann auf ihre Zärtlichkeiten. Ihre Hände glitten langsam über Brust und Bauch, bis sie jene Stelle fanden, wo ein stramm aufgerichtetes Körperteil ihre Finger willkommen hieß. Johann Glied wollte nach der tagelangen Gefangenschaft im Peniskäfig und einer gerade noch einmal abgewendeten lebenslangen Haftstrafe die neugewonnene Freiheit anscheinend in vollen Zügen genießen. Also drehte sich Johann um und wandte sich ganz seinem Schmetterlingsmädchen und ihren wunderbaren Händen zu.
„Johann! Jen!“
Beider Bewegungen erstarrten. Ihre Köpfe fuhren herum. Sie schauten zu Luna herüber. Die Katzenlady deutete herrisch mit dem Gehstock vor sich auf den Boden. Sie hatte ihnen eindeutig gerade einen Befehl erteilt und orderte sie zu sich.
Da tauschten der junge Mann und das Mädchen neben ihm einen tiefen Blick. Es dauerte nur den Bruchteil einer Sekunde, dann wussten sie, was sie gemeinsam tun würden. Sie zögerten nicht.
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Andere Männer und Frauen werden Dir sehr dankbar sein.“
Liebe Grüße,
Giada Armani
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Wenn Du noch mehr Lust auf Dominanz hast, lies Bärenmädchen.