1. Auf der Schwelle – Gottesdienst zum Jahresende

Musik zum Eingang

Begrüßung

365 Tage dieses Jahres liegen nun hinter mir, hinter Ihnen, hinter unserer Gemeinde. 365 Tage Lebenszeit. An manche können wir uns gar nicht recht erinnern. Manche leuchten wie Lichtpunkte im Zeitenmeer, weil sie etwas Besonderes waren. Wir haben Zeit genutzt. Manchmal ist uns die Zeit auch unter den Händen zerronnen oder davongelaufen. Manche von uns haben Schweres erlebt, das noch heute belastet. Manche hatten ein gutes Jahr. Gott weiß es. In seine Hände legen wir, was dieses Jahr uns gebracht hat.

Eingangslied: Herbei, oh ihr Gläub´gen (EG 45)

Votum

Wir feiern Gottesdienst,

im Namen des Vaters, Anfang und Ende der Zeit,

im Namen des Sohnes, der uns freundlich durch unsere Tage geleitet

und im Namen des Heiligen Geistes, der uns immer wieder in ein erfülltes Leben ruft.

Psalm 121 (EG Baden 765)

Laudate omnes gentes (EG 181, 6)

Eingangsgebet

Ich schreibe Neujahrswünsche an den Himmel.

Bescheiden sind sie nicht.

Ich wünsche mir Menschen, die mich lieben und verstehen

und auch dann zu mir halten, wenn sie mich nicht verstehen.

Ich wünsche mir, dass du sie behütest und auch mich nicht vergisst.

Ich wünsche mir Kraft für meine Tage und Aufgaben,

dass ich gesund bleibe, bitte ich dich.

Ich will nicht vergesslich werden

für all das Gute, das ich habe und das vielen anderen Menschen fehlt:

das Dach über dem Kopf, die warme Heizung,

Winterstiefel und warmer Mantel,

Brot im Korb und die roten Äpfel auf dem Tisch.

Polizisten, die sich nicht kaufen lassen,

sorgsame Lehrerinnen für die Kinder,

die Verlässlichkeit von Postboten und Zeitungsfrau,

Müllabfuhr und Fahrplänen

und so viele Menschen, die an ihrem Platz ihr Bestes tun.

Ich bitte dich, Gott, um die Wärme und Schönheit der kleinen Dinge,

das Leuchten des Schnees,

wie sich der Himmel verfärbt, wenn das erste Licht kommt,

das Schnurren der Katze, das gute Buch,

der Filmabend im Kino

und die erste Tasse Assamtee am Morgen,

das Spiel der Sonne an der Hauswand,

die erste Blüte am kahlen Zweig.

Nein, bescheiden sind sie nicht,

meine Neujahrswünsche.

Ich schreibe sie an den Himmel, Gott.

Du wirst sie lesen.

Kyrie

Gnadenzusage

Hört das Wort neuer Anfänge:

Denn siehe, ich will ein Neues schaffen, jetzt wächst es auf, erkennt ihr‘s denn nicht? (Jesaja 43, 19a)

Gloria

Loblied: Ich steh an deiner Krippen hier (EG 37, 1 und 3)

Tagesgebet:

Gott, dieses Jahr legen wir zurück in deine Hände,

von dir haben wir sie bekommen, all die Zeit.

Wir schauen zurück.

Vieles hat uns dieses Jahr gebracht:

Freude und Glück,

Aufgaben, die uns ausgefüllt haben und manchmal auch eine Last waren,

Probleme, mit denen wir uns auseinandersetzen mussten,

Kummer und Leid,

Trennungen, die weh getan haben.

Schöne Augenblicke, Sonnentage, Augen, die uns liebevoll ansehen,

Worte voller Freundlichkeit und Wärme.

Was war, legen wir in deine Hand,

das Gelungene,

das Misslungene,

das nicht zu Ende gebrachte.

Aus deiner Hand nehmen wir das, was kommt.

Schenke uns Mut für neue Anfänge, Gott,

gib uns Kraft für unsere Wege,

Zuversicht, die trägt.

Lesung: Jesaja 55, 6-11

Lobspruch

Barmherzig und gnädig ist der Herr, geduldig und von großer Güte (Ps. 103, 8).

Hauptlied: Der du die Zeit in Händen hast (EG 64)

Predigt

Nur noch wenige Stunden, dann beginnt das Neue Jahr. Nur noch wenige Stunden, dann gehen wir über diese Schwelle. Schwellen trennen Räume voneinander. Schwellen trennen Zeiten. Schwellen markieren Übergänge vom einen zum anderen. Wir lassen Altes hinter uns und etwas Neues beginnt. Kein Wunder, dass Schwellen uns auch Mühe machen. Sie stehen dafür, etwas loslassen zu müssen. Solche Schwellen nehme ich auch in anderen Zusammenhängen wahr. Erwachsenwerden ist eine Schwelle, weshalb der 18. Geburtstag besonders aufwändig gefeiert wird. Oder der Schulabschluss. Beim Heiraten werden Frauen manchmal buchstäblich über die Schwelle getragen. Eine Schwelle ist auch, wenn die Kinder aus dem Haus gehen, ich die Stelle wechsle oder der Eintritt in den Ruhestand. Die Schwelle zum Neuen Jahr markiert, dass wieder Zeit vergangen ist, kostbare Lebenszeit und befragt uns, ob wir diese Zeit gut genutzt haben. Bei aller Fröhlichkeit und Geselligkeit nehme ich darum an diesem Übergang auch Ernst wahr. Auf jeden Fall widmen die meisten Menschen der Schwelle zum Neuen Jahr viel Aufmerksamkeit. Der Schritt über die Schwelle wird beachtet und meistens auch gefeiert.

Und wie feiern Sie Silvester? Können wir aus der Art, wie wir Silvester feiern etwas lernen und mitnehmen für die anderen Schwellen in unserem Leben ?

Silvester ist richtig schön für Gewohnheitstiere.

Der Abend wird eröffnet mit „Dinner for One“. Gefeiert wird immer mit den gleichen Leuten. Das Essen ist auch immer das gleiche. Auch für den besonderen Moment, wenn es zwölf schlägt, gibt es feste Abläufe: Aufstellung nehmen vor dem Haus, Böller vorbereiten, übrigens dieselben wie im letzten Jahr, Sektflaschen öffnen, die letzten Sekunden des alten Jahres herunter zählen, anstoßen. Es hat Vorteile, ein Gewohnheitstier zu sein. Feste Abläufe nehmen der Schwelle ihren Schrecken und lassen den Übergang zu etwas Handhabbarem werden. Ich habe diese Schwelle schon im letzten Jahr und in den Jahren davor so bewältigt, das hilft mir auch in diesem Jahr hinüber.

Andere Übergänge im Leben geben uns weniger Möglichkeiten, feste Rituale anzusiedeln. Aber wenn ich vor einer Schwelle in meinem Leben stehe, dann hilft mir der Gedanke: Ich habe doch schon manchmal in meinem Leben Schwellen überquert. Wie habe ich das eigentlich gemacht? Was hat mir dabei geholfen? Welche dieser Strategien hilft mir jetzt?

Ja, wie feiern Sie nun Silvester? Mit festen Gewohnheiten? Auf jeden Fall aber in Gesellschaft? Es spricht vieles dafür, dass Menschen mit der Unterstützung anderer Menschen leichter über die Schwelle kommen.

Zu Jesus kommen eines Tages Männer. Sie bringen auf einer Trage einen Menschen, der nicht laufen kann, er ist gelähmt. Die Männer wollen den Kranken zu Jesus bringen, damit er ihm hilft. Aber das Haus ist überfüllt. Sie kommen mit dem Kranken nicht über die Schwelle. Da steigen sie auf das Dach, tragen die Dachmatten ab und lassen den Kranken auf diesem Weg zu Jesus hinab (Markus 2, 1-12).

Der Mann hat Glück. Er kann aus eigener Kraft die Schwelle des Hauses sowieso nicht überwinden. Aber er hat Freunde, die ihm helfen. Diese Freunde lassen sich sogar etwas einfallen, als der direkte Weg versperrt ist. Sie helfen ihm auf anderem Weg über die Schwelle. Über eine Schwelle zu kommen ist einfacher, wenn Menschen mir beistehen.

Die Freundin erzählt: Als ich mich von meinem Mann getrennt habe, da hatte ich Angst, dass meine Freunde es nicht verstehen und sich von mir abwenden würden. Aber meine Freunde haben zu mir gehalten, obwohl sie manches nicht verstanden haben. Sie haben mir beigestanden, als ich diesen schweren Schritt getan habe. Manche haben es sogar geschafft, mit uns beiden befreundet zu bleiben.

Der Schritt über die Schwelle wird leichter, wenn Menschen mir beistehen, bei mir bleiben und mich unterstützen.

Vielleicht sind Sie aber auch ein Silvesterverweigerer. Vielleicht feiern Sie ganz anders Silvester. Nämlich gar nicht. Sie gehen zu keiner Party und laden niemanden ein. Sie bleiben allein und für sich. Vielleicht verschlafen Sie sogar den Jahresanfang. Auch das ist ein guter, ein gelassener Weg, über die Schwelle zu kommen. Ich mache kein großes Gedöns, ich schenke dem Übergang nicht mehr Aufmerksamkeit als nötig, das Neue Jahr kommt, egal was ich tue. Jesus hat gesagt, jeder Tag möge für sich selbst sorgen. Dann wird wohl auch jedes Jahr für sich selbst sorgen. Gelassen gehe ich Schritt für Schritt weiter.

Oder gehören Sie zu den besonders Sorgsamen?

Macht euch nicht zu viele Sorgen. Jeder Tag, jedes Jahr, jede Zeit wird für sich selbst sorgen. Das können wir auch den besonders Vorsichtigen auf den Weg in diese Nacht mitgeben. Denen, die schon im Januar fertig geplant hatten, wie sie diesen Abend verbringen werden. Die das Chalet oder den Partykeller zwei Jahre im Voraus buchen. Die erst sorgsam die Gebrauchsanweisung durchlesen und die Schutzhandschuhe anziehen, bevor sie die Wunderkerzen anzünden.

Oder feiern Sie Silvester als einsamer Wolf bzw. einsame Wölfin?

Dann bleiben Sie für sich, Sie haben aber dennoch etwas vor. Steigen auf einen Berg, öffnen um Mitternacht einen Piccolo und schauen von Ferne auf das Feuerwerk. Vielleicht sind Sie jetzt einfach gern allein. Oder der Mensch, mit dem Sie gern in dieses Neue Jahr gehen würden, ist nicht bei Ihnen, und die Einsamkeit ist die einzige Möglichkeit, ihm zu begegnen, außerhalb von Raum und Zeit. Ich kann mir auch vorstellen, dass heute Abend manche in geselliger Runde sitzen und eigentlich lieber die Schneeschuhe anziehen würden, um auf den Berg zu gehen. Eigentlich lieber allein wären mit sich selbst und den Sternen und den Erinnerungen.

Falls Sie eine gute Entschuldigung für Ihr Verhalten suchen, können Sie sich auf jeden Fall auf die Bibel berufen. Jesus zieht sich in die Einsamkeit der Wüste zurück, bevor er seine Wanderschaft beginnt. Dann erst geht er über die Schwelle in ein Leben als Wanderprediger in der Öffentlichkeit. Elia zieht sich unter einen Ginsterstrauch zurück. Die Schwelle zum Weiterleben ist ihm zu hoch, müde geworden möchte er am liebsten sterben. Aber Gott kommt in die Einsamkeit. Engel dienten Jesus. Auch zu Elia kommt ein Engel und stärkt ihn mit Essen und Trinken, bis Elia wieder Kraft hat, weiter zu gehen. Vor dem Weg über die Schwelle in die Einsamkeit zu gehen, ist bestimmt nicht verkehrt. Falls jemand fragt, können Sie auf jeden Fall sagen: Hat Jesus auch so gemacht.

Heute Abend gehen wir über die Schwelle. Auf ganz unterschiedliche Weise. Geschützt und gestützt von lieben Gewohnheiten. Geborgen in der Gemeinschaft. Voll Sehnsucht, mit mir und Gott allein zu sein. Sorgsam. Gelassen. Voll Freude. Mit Kummer. Ich stehe an der Schwelle und ich gehe hinüber. Ein Weg in das Neue Jahr beginnt. Ich weiß nicht, was es mir bringen wird. Aber ich weiß: Es ist ein Weg, den Gott mit mir geht.

Lied: Von guten Mächten (EG 65)

Fürbitten, dazu singen wir: Nun lasst uns gehen und treten (EG 58, 8-14)

Gütiger Gott,

Menschen sind unter uns, die in diesem Jahr Schweres erlebt haben.

Kummer und Sorge lasten immer noch auf ihnen.

Wir bitten für sie, dass sie inmitten des Kummers Menschen finden, die sie begleiten, Stille, die ihnen Kraft gibt, Worte, die sie neu hoffen lassen.

Für sie singen wir: (Strophe 8)

Menschen warten voll Sehnsucht darauf, dass ihre Situation sich verändert. Flüchtlinge suchen nach Zuflucht bei uns. Kranke warten auf ihre Genesung. Trauernde warten, dass ihr Herz wieder erwacht und sie Hoffnung fühlen lässt.

Für sie singen wir: (Strophe 9)

In vielen Ländern auf unserer Erde herrscht Krieg. Viele warten auf Frieden und einen neuen Anfang. Wir denken besonders an Afghanistan und an den Irak.

Für die Menschen dort singen wir: (Strophe 10)

Wir bitten dich für unsere Familien und für alle Menschen, die wir lieb haben. Es fällt uns oft schwer, uns über die Generationen hinweg zu verstehen. Wir denken besonders an die Kinder. Behüte und segne sie. Segne unsere Gemeinden, dass wir als ökumenische Gemeinschaft miteinander unterwegs sind.

Wir singen: (Strophe 11)

Wir bitten dich für alle, die sich einsam und verlassen fühlen und allein an der Schwelle zum Neuen Jahr stehen. Öffne ihnen die Augen für die Menschen, die für sie da sein wollen.

Wir bitten dich für alle, die ihre Macht und ihren Einfluss für ihre eigenen Zwecke missbrauchen. Wir bitten dich für die Hungernden und für die Armen, auch in unserem reichen Land.

Für sie singen wir: (Strophe 12)

Wir bitten dich für alle, die an Leib und Seele erkrankt sind. Hilf denen, die nicht herausfinden aus ihrer Trauer und Depression. Stelle ihnen Menschen zur Seite, die ihnen helfen und sie nicht allein lassen.

Für sie singen wir: (Strophe 13)

Wir bitten dich, dass dein Geist zu uns kommt und Raum findet in unserem Leben. Lass uns in der Kraft des Heiligen Geistes leben, der Liebe ist und Liebe tut.

Wir singen Strophe 14.

Vaterunser

Schlusslied: Weil Gott in tiefster Nacht erschienen (EG 56)

Abkündigungen

Segen

Musik zum Ausgang