Kapitel 6

Sollten Sie jemals Schulden aufnehmen?

Warum selbst Kreditkartenschulden nicht in jedem Fall schlecht sind

Ich habe ein Rätsel für Sie.

In der Wüste sind die allermeisten Pflanzen ein- oder mehrjährig. Einjährige Pflanzen wachsen, verbreiten sich weiter und sterben innerhalb eines Jahres, mehrjährige Pflanzen leben mehrere Jahre lang.

Einjährige Wüstenpflanzen weisen eine Besonderheit auf: Regelmäßig keimt ein Teil ihrer Samen nicht, selbst unter idealen Bedingungen.

Warum?

Auf den ersten Blick scheint das unsinnig. Warum sollte eine Pflanze in der lebensfeindlichen Umgebung einer Wüste gute Bedingungen nicht bis zum Letzten nutzen, wenn sie sich einmal ergeben?

Die Antwort hat mit Regen oder vielmehr dem Fehlen von Niederschlägen zu tun. Da einjährige Wüstenpflanzen ausreichend Feuchtigkeit brauchen, um keimen und gedeihen zu können, hängt ihr Überleben vom Regen ab. Nun sind Niederschläge in Wüsten aber naturgemäß unvorhersehbar.

Wenn alle Samen einer einjährigen Wüstenpflanze gleichzeitig keimten, würde bei einer folgenden Dürre der gesamte Nachwuchs absterben – »Game over« für die Abstammungslinie. Folglich haben sich in der Evolution Pflanzen durchgesetzt, deren Samen nicht alle gleichzeitig keimen. Diese Strategie der Risikostreuung hilft den Pflanzen, mit einer ungewissen Zukunft zurechtzukommen und maximiert ihre Chance auf langfristigen Fortpflanzungserfolg. Denn das Ziel aller Lebewesen lautet ja nicht, in einem Jahr möglichst viele Nachkommen zu zeugen, sondern auf lange Sicht.

Risikostreuung vergrößert also die reproduktive Fitness von Organismen. Im Folgenden stelle ich dar, inwiefern wir manchmal unsere Risiken verringern können, indem wir Schulden aufnehmen.

Warum Schulden (selbst Kreditkartenschulden) nicht grundsätzlich schlecht sind

Schulden sind seit biblischen Zeiten ein Thema. Schon in den Sprüchen 22:7 heißt es: »[…] wer borgt, ist des Leihers Knecht«.

Doch sind Schulden wirklich immer schlecht? Oder sind nur manche Arten von Schulden schlecht? Leider gibt es darauf keine einfache Antwort.

Wenn Sie mich vor ein paar Jahren gefragt hätten, ob Sie je Kreditkartenschulden aufnehmen sollten, hätte ich das Gleiche gesagt wie jeder Finanzexperte: »Keinesfalls!«

Doch dann habe ich mich eingehender damit beschäftigt, wie Menschen vorwiegend in den USA Schulden nutzen. Dabei ging mir auf, dass dieser Rat nicht unbedingt stimmt. Natürlich sollte man die hohen Zinsen vermeiden, die auf Kreditkartenschulden fällig werden. Aber ich weiß auch, dass Sie das wissen. Jeder weiß das.

Was Ihnen vielleicht nicht klar ist: Kreditkartenschulden helfen manchen Gläubigern mit niedrigem Einkommen bei der Risikominimierung. Am leichtesten lässt sich das am Kreditkartenrätsel zeigen, wie die Forschung es nennt. Das Kreditkartenrätsel besteht darin, dass manche Menschen Kreditkartenschulden haben, obwohl sie genug Ersparnisse hätten, um sie zu begleichen.

Stellen Sie sich vor, jemand hätte 1000 Dollar an Kreditkartenschulden und 1500 Dollar auf dem Girokonto. Nun könnte er den Kreditkartensaldo begleichen und hätte noch immer 500 Dollar auf dem Girokonto. Aber das tut er nicht. Die Entscheidung, die Schulden stehen zu lassen, mag irrational scheinen. Doch bei genauerem Hinsehen erweist sie sich als Maßnahme zur Risikosenkung.

Das erkannten die Wissenschaftler Olga Gorbachev und María José Luengo-Prado, als sie Individuen analysierten, die sowohl Kreditkartenschulden als auch liquide Ersparnisse hatten (»Schuldner-Sparer«). Wie sich zeigte, nahmen diese Schuldner-Sparer ihre zukünftigen Chancen, wieder Kredit zu bekommen, anders wahr als andere Menschen.32

Kurz gesagt, sorgen sich Menschen, die gleichzeitig Kreditkartenschulden und Ersparnisse haben, um ihren zukünftigen Zugang zu Krediten. Infolgedessen opfern sie freiwillig einen heutigen Vorteil (ersparte Zinsen auf Kreditkartenschulden), um ihr langfristiges Risiko zu verringern, zahlungsunfähig zu werden. Was oberflächlich betrachtet dumm wirkt, zeugt tatsächlich von einem klugen Umgang mit Geld.

Doch das ist nicht der einzige Grund, aus dem Menschen zu hohen Zinsen Schulden aufnehmen. Im Buch Portfolios of the Poor schildern die Autoren ihre Verblüffung darüber, dass einige der ärmsten Menschen auf der Welt Schulden als Methode verwenden, um mehr zu sparen.

So lieh sich eine Frau namens Seema aus der südindischen Stadt Vijayawada 20 Dollar zu 15 Prozent Zins im Monat aus, obwohl auf ihrem Sparkonto 55 Dollar lagen. Auf die Frage, warum sie das tue, antwortete sie:

»Bei dem Zins weiß ich, dass ich das Geld sehr schnell zurückzahlen werde. Hätte ich das Geld vom Sparkonto genommen, würde ich mir ewig Zeit lassen, es wieder zurückzulegen.«33

Seema nutzte, wie viele arme Schuldner in aller Welt, Schulden als psychologische Krücke, um schneller zu sparen. Rein mathematisch betrachtet, mag das irrational erscheinen. Berücksichtigt man aber die menschliche Psyche, ergibt dieses Verhalten durchaus Sinn.

Schulden als gut oder böse zu bezeichnen, bedeutet daher, das Wesentliche nicht begriffen zu haben. Schulden sind schlicht Finanzinstrumente wie alle anderen. Richtig eingesetzt, können sie für Ihre finanzielle Situation Wunder bewirken. Und falsch eingesetzt, können sie üblen Schaden anrichten. Es kommt immer auf den Kontext an.

Schulden zu machen, kann sich also sehr wohl lohnen, wobei ich angesichts der unverschämten Zinssätze nicht der Meinung bin, dass Sie jemals Kreditkartenschulden aufnehmen sollten.

Wann Sie einen Kredit in Betracht ziehen sollten

Menschen nehmen aus den verschiedensten Gründen Kredite auf. »Kluge« Schulden sollten einem von zwei Zwecken dienen:

  1. zur Risikominderung oder

  2. zur Erzielung eines Ertrags, der die Finanzierungskosten übersteigt.

Kredite dienen der Risikominderung, weil sie zusätzliche Liquidität verschaffen, den Cashflow verstetigen und Unwägbarkeiten zu vermeiden helfen.

So kann sich jemand durchaus rational verhalten, der bewusst seinen Hypothekenkredit nicht vorzeitig zurückzahlt, um größere Reserven für Notfälle zu behalten. Diese Option kann durchaus wertvoller sein als die Zinskosten, die man für sie bezahlt.

Mit Krediten lässt sich auch Unsicherheit vermindern, indem man Zahlungsströme auf lange Zeit festlegt. Angenommen, Sie überlegen sich, ein Haus zu kaufen. Wenn Sie es mit einem Hypothekenkredit finanzieren, wissen Sie über Jahrzehnte hinweg, wie viel Sie fürs Wohnen ausgeben müssen. Sie brauchen sich keine Sorgen mehr machen, dass Ihre Miete erhöht werden könnte; all Ihre zukünftigen Zahlungen fürs Wohnen sind bekannt und fix.

Kredite helfen aber nicht nur, Risiken zu begrenzen, sondern auch, Gewinnchancen zu nutzen. Dafür müssen die Erträge aus einer Investition die Finanzierungskosten übersteigen, was bei Studienkrediten, Existenzgründungskrediten und Hypothekenkrediten oft der Fall ist.

Natürlich steckt der Teufel im Detail. Je kleiner die Spanne zwischen Zins und erwartetem Ertrag, desto riskanter ist die Kreditaufnahme. Oft ist das Verhältnis zwischen Kosten und Ertrag aber sehr günstig, etwa bei Studienkrediten. Dann können Schulden Wunder für Ihre Finanzen bewirken.

Warum sich ein Studium (meistens) lohnt

Studieren wird zwar immer teurer, dafür übersteigt das Lebenseinkommen von Uniabsolventen das von Menschen ohne Hochschulabschluss erheblich.

Nach einem Bericht des Center on Education and the Workforce der Georgetown University aus dem Jahr 2015 lag das mittlere Einkommen von 25- bis 29-jährigen Highschool-Absolventen bei 36.000 Dollar, das von gleichaltrigen Uniabsolventen aber bei 61.000 Dollar.34 Das sind 25.000 Dollar Unterschied im Jahr, über ein 40jähriges Arbeitsleben gerechnet eine volle Million.

Seitdem diese Studie erschienen ist, verkünden die Medien gern, ein Bachelor-Abschluss sei eine Million wert. Leider wird dabei unterschlagen, dass man das zusätzliche Einkommen nur ganz allmählich hereinbekommt (sein sogenannter Barwert also niedriger liegt) und dass demografische Unterschiede zwischen Menschen bestehen, die ein Studium abschließen und solchen, die es gar nicht erst versuchen.

Angenommenen ein junger Mensch, der gerade in Harvard zu studieren angefangen hätte, würde plötzlich daran gehindert zu studieren. Dieser Mensch würde später vermutlich trotzdem weit mehr verdienen als ein typischer Erwachsener ohne Hochschulabschluss.

Rechnet man solche demografischen Faktoren heraus, sinkt das zusätzliche Einkommen durch ein Studium über das Arbeitsleben hinweg gerechnet auf 655.000 Dollar für Männer und 445.000 Dollar für Frauen. Berücksichtigt man dann noch den Umstand, dass ein aktueller Dollar in meiner Hand heute mehr wert ist als einer, den ich in zehn Jahren bekomme, sinkt der Einkommensvorsprung durch ein abgeschlossenes Studium auf 260.000 Dollar für Männer und 180.000 Dollar für Frauen.35

Im Schnitt sollten Männer also bereit sein, bis zu 260.000 Dollar für ein Studium auszugeben, Frauen bis zu 180.000 Dollar. Bei diesen Beträgen würde sich ein Unibesuch im Schnitt gerade noch lohnen, idealerweise sollte man aber weniger bezahlen, damit sich das Studium rechnet.

Allerdings handelt es sich hier um Durchschnittszahlen. In Wirklichkeit hängt das spätere Einkommen erheblich vom Studienfach ab. Entsprechend hängt die Rechnung, ob ein Studium sich für Sie lohnt, letztlich von dem Fach ab, das Sie studieren möchten. So liegt der geschätzte Unterschied zwischen dem Lebenseinkommen eines studierten Pädagogen für frühkindliche Bildung (der Abschluss mit den schlechtesten Verdienstmöglichkeiten) und dem einer studierten Erdölingenieurin (die von allen Uniabgängern am besten verdient) bei 3,4 Millionen Dollar.36

Um zu ermitteln, ob ein bestimmtes Studium sich für Sie lohnt, müssen Sie überschlagen, um wie viel Sie mit dem Uniabschluss während Ihres Arbeitslebens mehr verdienen werden, und davon dann die Kosten für den Unibesuch abziehen.

Angenommenen, Sie möchten einen MBA machen, weil Sie glauben, das würde Ihren Jahresverdienst über die nächsten 40 Jahre um jeweils 20.000 Dollar erhöhen. In diesem Fall läge der erwartete Zusatzverdienst über das Arbeitsleben hinweg bei 800.000 Dollar.

Den exakten Barwert dieses Zusatzverdiensts ermitteln Sie, indem Sie alle zukünftigen Zahlungsströme mit einem Satz von 4 Prozent pro Jahr abdiskontieren beziehungsweise abzinsen. Näherungsweise lässt sich der Barwert aber einfach ermitteln, wenn man die erwartete Steigerung des Lebenseinkommens halbiert.

Mir gefällt diese Faustregel, weil sie Ihnen hilft, Barwerte schnell im Kopf zu überschlagen. So entspricht eine Steigerung des Lebenseinkommens um 800.000 Dollar über 40 Jahre hinweg einer Summe von 400.000 Dollar, die Sie heute auf die Hand bekämen.

Zuletzt sollten Sie noch alle Einnahmen abziehen, auf die Sie während Ihres Studiums verzichten. Wenn Sie aktuell 75.000 Dollar im Jahr verdienen und einen MBA machen wollen, sollten Sie 150.000 Dollar (zwei Jahre Verdienstausfall) vom Barwert der erwarteten Einkommenssteigerungen abziehen.

Alles zusammengenommen, liegt der Wert eines MBA-Studiums, das Sie heute beginnen, bei

(800.000 Dollar / 2) – 150.000 Dollar = 250.000 Dollar.

Eine Viertelmillion Dollar – so viel sollten Sie maximal für einen MBA bezahlen, der Ihnen im Verlauf Ihres Arbeitslebens einen Mehrverdienst von 800.000 Dollar verschafft, wenn Sie aktuell 75.000 Dollar im Jahr verdienen.

Diese Berechnung lässt sich für jeden anderen Abschluss durchführen. Setzen Sie einfach die für Sie relevanten Zahlen in die Gleichung ein:

Barwert des Abschlusses = (Steigerung des Lebenseinkommens / 2) – Verdienstausfall.

Steuern und andere Faktoren spielen zwar genau genommen auch ins Kalkül hinein, aber mithilfe der Formel lässt sich dennoch rasch überschlagen, ob sich ein Unibesuch lohnt.

Wie sich bei der Berechnung zeigt, zahlen sich die meisten Bachelor- und Masterstudiengänge finanziell aus, selbst wenn man sich für sein Studium verschulden muss.

So wissen wir etwa, dass der typische Absolvent einer staatlichen amerikanischen Universität sich für einen Bachelor-Abschluss mit 30.000 Dollar verschuldet.37 Wir wissen auch, dass die aus eigener Tasche finanzierten Ausgaben für den Besuch einer staatlichen Universität pro Jahr durchschnittlich 11.800 Dollar betragen.38 Folglich betragen die Gesamtkosten eines vierjährigen Studiums (selbstfinanzierte Ausgaben plus Schulden) an einer staatlichen Universität 77.200 Dollar (11.800 Dollar x 4 + 30.000 Dollar).

Runden wir das der Einfachheit halber auf 80.000 Dollar (oder 20.000 Dollar pro Jahr) auf. Nehmen wir außerdem an, der junge Mensch hätte in den vier Jahren 120.000 Dollar (oder 30.000 Dollar jährlich) verdient, wenn er gearbeitet statt studiert hätte. Jetzt setzen wir die Zahlen in unsere Formel ein:

80.000 Dollar = (Erhöhung des Lebenseinkommens / 2) – 120.000 Dollar.

Wir lösen nach der Erhöhung des Lebenseinkommens auf und bekommen:

Erhöhung des Lebenseinkommens = (80.000 Dollar + 120.000 Dollar) x 2

oder

Erhöhung des Lebenseinkommens = 400.000 Dollar.

Damit sich ein Studium an einer staatlichen Universität lohnt, müsste das Lebenseinkommen durch den Erwerb eines Bachelor-Abschlusses um circa 400.000 Dollar (oder 10.000 Dollar im Jahr) steigen. Für manche Studiengänge kommt das zwar möglicherweise nicht hin, doch die meisten Bachelor-Abschlüsse sollten Ihr Einkommen in diesem Umfang steigern können.

Studienkredite lohnen sich also in der Regel. Leider ist das Kalkül bei anderen Schulden nicht so einfach. Rechnet es sich, eine eigene Immobilie zu kaufen und dafür einen Hypothekenkredit aufzunehmen? Sollen Sie sich selbstständig machen und dafür einen Kredit aufnehmen? Das lässt sich nicht so einfach beantworten.

Bisher haben wir allerdings nur die finanziellen Kosten der Schuldenaufnahme betrachtet. Darüber hinaus gibt es aber auch nicht-finanzielle Kosten.

Die nicht-finanziellen Kosten von Schulden

Ob man Schulden aufnehmen soll, ist viel mehr als eine rein ökonomische Frage. Denn Schulden beeinträchtigen unser Wohlbefinden. Schulden können sich, wie die empirische Forschung belegt, abhängig von ihrer Art auf unsere geistige und körperliche Gesundheit auswirken. Laut einem Artikel im Journal of Economic Psychology berichteten britische Haushalte mit höheren Kreditkartenschulden mit »signifikant geringerer Wahrscheinlichkeit komplettes psychologisches Wohlbefinden.«39 Bei Haushalten mit Hypothekenkrediten fand sich kein solcher Zusammenhang.

Forscher von der Ohio State University bestätigten dieses Ergebnis mit ihrem Befund, dass Überbrückungskredite, Kreditkartenschulden und Privatkredite bei Verwandten und Freunden den größten Stress verursachten und Hypothekenkredite den geringsten.40

Auch der Körper leidet, wie eine in Social Science & Medicine veröffentlichte Studie zeigte. Ihr zufolge ging ein hoher Verschuldungsgrad bei amerikanischen Haushalten mit »höherem empfundenem Stress einher, mit Depressionen, einem selbstberichteten schlechteren Gesundheitszustand und höherem diastolischen Blutdruck.« Das galt sogar nach einer Korrektur um den sozioökonomischen Status, um allgemeine Gesundheitsindikatoren und andere demografische Faktoren.41

Schulden (außer Hypothekenschulden) verursachen also Stress und körperliche Leiden. Folglich sollten Sie nach Möglichkeit vermeiden, welche aufzunehmen.

Was aber nicht bedeutet, dass Hypothekenschulden niemals Stress verursachen. Je nachdem, was für ein Typ Sie sind, sollten Sie vielleicht ganz darauf verzichten, Schulden aufzunehmen.

So ergab eine Umfrage unter Studenten, dass die sparsameren von ihnen sich größere Sorgen um ihre Kreditkartenschulden machten, unabhängig von der Höhe ihrer Schulden.42

Manche Menschen haben also eine starke Aversion gegen Schulden, selbst wenn sie finanziell gar nicht schlecht dastehen. Ich selbst kenne ein paar solcher Leute, die etwa ihre Hypothekenkredite schnell abbezahlten, obwohl die das gar nicht mussten, einfach ihrem Seelenfrieden zuliebe.

Solche Entscheidung mögen rein finanziell betrachtet nicht optimal sein, aus psychologischer Sicht waren sie aber goldrichtig. Wenn es Ihnen persönlich zuwider ist, jemandem etwas zu schulden, verzichten Sie also besser auf Kredite, auch wenn diese durchaus Vorteile bringen können.

Freiwillig aufgenommene Schulden

Nach Durchsicht der Literatur zu den finanziellen und nicht-finanziellen Kosten von Schulden ist mir eines klar geworden: Am meisten profitieren diejenigen von Schulden, die sie freiwillig aufnehmen. Wer Schulden strategisch einsetzen kann, um Risiken zu reduzieren oder Rendite zu machen, profitiert möglicherweise durchaus von ihnen.

Leider befinden sich die meisten der verschuldeten Haushalte nicht in einer solch luxuriösen Situation. Dem Finanzdienstleister Bankrate zufolge hatten 28 Prozent der US-Haushalte im Jahr 2019 unvorhergesehene Ausgaben, und zwar in Höhe von durchschnittlich 3518 Dollar.43 Das sind stattliche Beträge, die manche Niedrigverdiener-Haushalte nur aufbringen können, indem sie sich verschulden.

Auf lange Sicht jedoch treffen solche Ereignisse irgendwann (fast) jeden. Angenommen die Wahrscheinlichkeit für eine unvorhergesehene Ausgabe läge bei 28 Prozent pro Jahr. Dann beträgt die Wahrscheinlichkeit, in den nächsten fünf Jahren zumindest einen solchen Schock zu erleben, 81 Prozent. Und über die nächsten zehn Jahre betrachtet 96 Prozent!

Unglücklicherweise geraten diejenigen, die sich für unvorhergesehene Ausgaben verschulden, schnell in einen Teufelskreis, aus dem es kaum ein Entrinnen gibt. Der Online-Kreditplattform LendingTree zufolge hatte jeder dritte Amerikaner nach einer unerwarteten Ausgabe noch Schulden, die er nicht selbst aus eigener Tasche bezahlen konnte.44

Während viele dieser Haushalte ihre Schulden irgendwann abbezahlen, gelingt das einem erheblichen Anteil der Haushalte nicht. Forscher der Federal Reserve haben ermittelt, dass 35 Prozent aller amerikanischen Haushalte mindestens einmal im Leben in erhebliche finanzielle Not (d. h. ernsthaften Zahlungsverzug) geraten, wobei etwa die Hälfte aller Zahlungsverzüge auf die Kappe von 10 Prozent der Haushalte geht.45 Für eine Minderheit der Haushalte sind Schulden keine Option, sondern Schicksal.

Ich betone diesen Punkt, um Ihnen zu zeigen, wie glücklich Sie sich schätzen dürfen, wenn Sie selbst entscheiden können, ob Sie sich verschulden.

Nachdem wir über Schulden im Allgemeinen geredet haben, wenden wir uns nun speziell den höchsten Schulden zu, die die meisten Menschen im Leben aufnehmen: Hypothekenschulden.