KAPITEL 18

Ich sitze aufrecht im Bett, als Bits auf die Matratze springt.

„Heute ist dein Geburtstag!“, schreit sie in Adrians schlafendes Gesicht, und er reißt die Augen auf.

„Ja“, murmelt er und kommt langsam zu sich. „Ja, das stimmt. Und ich kann mir nichts Besseres vorstellen, als von einem hübschen Mädchen geweckt zu werden, das mir ins Ohr schreit.“

Bits kuschelt sich zwischen uns zurecht. An ihrem eigenen Geburtstag war sie zehnmal aufgeregter. Und dabei hat sie noch nicht einmal Kuchen bekommen. „Zeit für eine Paaarty! Wir haben abgestimmt, und wir wollen Ponyo gucken!“

Die Party ist einfach nur ein Abendessen mit etwas Besonderem zum Nachtisch, so wie zu jedem Geburtstag. Aber wir werfen auch immer den Generator an und lassen die Kinder einen Film gucken. Sie glauben, diese besondere Ausnahme sei ausschließlich für sie, aber in Wirklichkeit ist es auch eine gute Art, um für ein paar Stunden reine Erwachsenenzeit zu haben und ein wenig Alkohol zu trinken.

„Das klingt super“, meint Adrian. „Aber zuerst: Willst du dein Geburtstagsgeschenk haben?“

„Aber es ist doch gar nicht mein Geburtstag“, erwidert Bits.

„Tja, meiner aber. Und an meinem Geburtstag kann ich entscheiden, wer Geschenke bekommt. Also: Willst du dein Geschenk oder nicht?“

Sie schaut sich im Zimmer um. „Äh, okay! Was ist es? Kann ich’s haben?“

„Es ist nicht hier. Es ist im Stall.“

Ihre Augen werden doppelt so groß und kugelrund. „Ist es ein Kätzchen? Ich kriege ein Kätzchen? Heilige Scheiße!“

„Bits! Das sagt man nicht!“, rufe ich, aber sie ignoriert mich. Wahrscheinlich, weil ich dabei so lachen muss.

Adrian wirft mir ein schiefes Lächeln zu. Von der Art, bei deren Anblick ich am liebsten im Bett bleiben und alles Mögliche mit ihm machen würde. Sachen, die man nicht vor einer Achtjährigen machen kann, die gerade mit einem gellenden Freudenschrei auf meinem Bauch landet.

Ich zwinkere ihm zu und forme mit den Lippen das Wort später , bevor ich Bits unter den Achseln kitzle. „Also dann, gehen wir und lernen dein neues Kätzchen kennen, du mit deinem schmutzigen Mundwerk, du.“

***

Das grau getigerte Tier heißt Glitzerfee, und mit ihren winzigen weißen Pfötchen und der pinken Nase ist sie das Süßeste, was ich seit Langem gesehen habe. Eigentlich ist ihr vollständiger Name Glitzermondfee Regenbogen, was nun einmal passiert, wenn man einer von Feen besessenen Achtjährigen erlaubt, ihr Haustier zu taufen.

Ich bin gerade fertig mit meiner Schicht in der Wäscherei – dem mit Abstand blödesten Job hier – abgesehen natürlich vom Zombies töten. Es ist vielleicht nicht so hart wie damals für Ma Ingalls in Unsere kleine Farm , denn wir haben immerhin große Wäschetrommeln, die wir mithilfe von breiten Riemen und einem Generator in Bewegung bringen, aber um tonnenweise heißes Wasser und das schwere Tragen kommen wir nicht herum. Bereits vor Monaten ist uns das Klopapier ausgegangen, woraufhin wir zur Stoffalternative übergegangen sind. Zum Glück war heute kein „Scheiße-Waschtag“, denn an solchen Tagen möchte ich schon nach wenigen Sekunden am liebsten unter die Dusche springen.

Jetzt sitze ich wieder im Zimmer und habe Glitzerfee auf dem Arm. Ich hebe sie hoch und schaue ihr ins Gesicht, während ich mit ihr rede. Der kleine Schnurrmotor läuft am laufenden Band. „Tut mir wirklich leid wegen deinem Namen, aber wie wär’s, wenn wir dich einfach Fee nennen? Das ist doch ein bisschen besser, oder?“

Adrian kommt herein und ich setze sie ihm in die ausgestreckten Hände. „Ach, dich muss man einfach lieb haben, Glitzermondfee Regenbogen.“

„Ich finde einfach nur Fee besser“, sage ich. Adrian reibt Fee an seiner Wange, und sie schließen beide vor Wonne die Augen. Langsam ereilt mich der Verdacht, dass er in Wirklichkeit die treibende Kraft hinter dieser ganzen Kätzchenverschwörung war und nicht Bits. „Und, ist der Kuchen schon fertig?“

„Nein, Bits hat mich gerade aus der Küche verbannt. Sie wartet darauf, dass er abkühlt.“ Ich schließe die Tür ab. Adrian setzt Fee auf Bits’ Bett ab und schaut mich mit glitzernden Augen an. „He, du.“

„Hallo“, antworte ich. „Das wird wohl eine Weile dauern. Sie wird heute Nacht hier schlafen wollen, wegen der Katze, und wie gemein wäre das bitte, wenn wir da nein sagen? Was hast du dir da bloß eingebrockt?“

Adrian lacht. „Das habe ich auch gedacht, aber da war es schon zu spät. Wir besprechen morgen das Sorgerecht mit Peter.“

„Also willst du dein Geschenk jetzt oder lieber später?“

„Ich dachte, das hier ist mein Geschenk.“

„Oh, nein.“

„Mehr will ich aber gar nicht“, sagt er. „Was könntest du dir bloß ausgedacht haben?“

Ich pelle mich aus dem feuchten T-Shirt, das ich in der Wäscherei getragen habe, und wühle im Kleiderschrank herum, um etwas einigermaßen Anständiges zum Anziehen zu finden. Alles ist so langweilig. Nicht, dass ich sonst besonderen Wert auf die neueste Mode lege, aber etwas Hübsches wäre manchmal gar nicht schlecht.

„Das errätst du nie“, sage ich. „Sag schon: lieber jetzt oder lieber später?“

Er tritt von hinten an mich heran und fährt mit den Händen über meine Hüften. „Später. Eindeutig später.“

***

Ich streife mir mein einziges gutes Oberteil über, ein schwarzes T-Shirt mit ein wenig Ausschnitt, und setze mich auf die Bettkante. „Komm her.“

Adrian sitzt neben mir, und ich reiche ihm die erste Schachtel, die er hastig öffnet wie ein kleines Kind am Heiligabend. Er hält sein iPhone in die Höhe. „Mein Handy?“

Ich nicke und gebe ihm die zweite, etwas größere Schachtel. Daraus zieht er das Ladegerät hervor, das James gebastelt hat. Es hat einen USB-Eingang und ein Solarpanel, das man aufstellen kann, wenn man es nicht gerade im Rucksack mit sich herumträgt.

„Schatz, das geht doch nicht. Die Idee ist super, aber ich …“

Ich mache ein beschwichtigendes Geräusch und drücke ihm seine Geburtstagskarte in die Hand. Glitzer fällt ihm in den Schoß, als er den Text darin laut vorliest: „Wir, die Bewohner der Kingdom-Come-Farm, bestehen darauf, dass du dein Handy auflädst und Musik hörst, wann immer dir danach ist. Liebste Grüße von uns allen.“ Er blickt auf und runzelt die Stirn. „Hast du etwa alle dazu gezwungen, das hier zu unterschreiben?“

„Jede einzelne Person hier. Sogar Pennys Baby hat unterzeichnet.“ Ich zeige auf den winzigen Babyfuß in der Ecke. „Aber zwingen musste ich niemanden. Die wollen das wirklich alle für dich. Ich schwör’s! Na los, mach es an!“

Als der Bildschirm aufleuchtet, drücke ich auf die Musik-App, und da ist sie: seine ganze Musiksammlung.

„Und, was willst du zuerst hören?“, frage ich.

„Ich …“, beginnt er. Ich muss schlucken, als er das Handy fest mit der Hand umschließt und seine Lippen aufeinanderpresst. Es wird nicht funktionieren, trotz der Karte. Ich lege mir schon mal all die guten Argumente zurecht, die ich vorbereitet habe. Aber dann leuchtet sein Gesicht auf und er lächelt sein bestes Lächeln – das mit Zähnen und dem einen Grübchen und schelmisch glitzernden Augen. „Wow.“

Ich hüpfe aufgeregt auf dem Bett herum. „Du wirst es also benutzen?“

„Ja, ich werde es benutzen.“

„Und bitte fühl dich nicht schlecht deswegen. Alle hier wollen wirklich, dass du die Möglichkeit hast, Musik zu hören, und James hat gesagt, dass er das Panel sowieso nicht im System verbauen kann, und es war schließlich das, was du in Ich vermisse genannt hast, und …“

Er hält mir mit einer Hand den Mund zu. „Ist ja gut, ist ja gut. Danke dir, ich liebe es. Es ist das beste Geschenk, das ich jemals bekommen habe.“

„Jetzt spiel endlich was!“

Er scrollt durch die Millionen von Liedern und kaut sich nachdenklich auf der Lippe herum. Adrian lebt für Musik, so wie ich für Bücher, und der erste Song muss perfekt sein.

„Der hier“, sagt er. Er tippt auf den Bildschirm und „In the Aeroplane Over the Sea“ erklingt.

„Gute Wahl.“

„Es ist für dich. Ich weiß wirklich nicht, was ich getan habe, um dich zu verdienen.“ Ich will schon protestieren, aber er bringt mich mit einem Kopfschütteln zum Verstummen. „Du bist der liebevollste, schönste Mensch, den ich jemals kennengelernt habe, und ich meine sowohl innerlich als auch äußerlich. Du darfst niemals denken, dass ich nicht wüsste, was für ein Glück ich habe.“

Und ausnahmsweise nehme ich sein Kompliment an. Es ist schließlich sein Geburtstag. Und es ist das beste Kompliment, das ich je bekommen habe.