KAPITEL 27

Die anderen kehren erst zurück, als es schon dunkel ist, und kommen direkt zu mir. Auf meine Bitte hin hat Ben sie angefunkt und sie gebeten, bis zum nächsten Morgen in Whitefield zu bleiben, wenn es wieder sicherer ist, zu fahren. Aber ich selbst hätte auch nicht auf mich gehört. Ich befreie mich aus Johns fester Umarmung und lasse mich zurück in meinen Campingstuhl fallen, bevor ich noch in Tränen ausbreche. Ich will nicht weinen, ehe ich nicht Gewissheit habe.

Nelly hockt sich neben mich und nimmt meine Hand. „Was ist passiert?“

„Wir sind von der Straße abgekommen. Mussten zu Fuß weg. Er ist in die andere Richtung gerannt und hat sie weggelockt, damit ich entkommen kann.“

Meine Stimme ist Christines unheimlich ähnlich. Wir hätten zusammen weiter rennen sollen. Und wenn wir gestorben wären, dann immerhin gemeinsam. Er wusste genau, dass ich der Idee, uns aufzuteilen, niemals zugestimmt hätte, und genau deshalb hat er es auch so gemacht, hat sich nicht mal verabschiedet.

„Vielleicht …“, beginnt Ana.

„Nein“, schneide ich ihr das Wort ab. Es hallt unnatürlich laut durch die Stille.

Ana schaut weg. Ich bin bloß erleichtert, dass ihre Augen trocken bleiben. Sie lässt ihre Tasche fallen, zieht einen Stuhl heran und setzt sich neben mich. Nelly setzt sich auf die Erde und hält meine Hand immer noch fest in seiner.

„Bits ist bei Penny“, sage ich, an Peter gerichtet. Ich habe Penny und Bits ins Bett geschickt. Bits weiß nur, dass Adrian im Wald ist – und diese Information hat ihr schon genug zu schaffen gemacht.

Er hat sich bislang im Hintergrund gehalten, aber jetzt beugt er sich über mich. „Ich bin mir sicher, dass sie okay ist. Ich bleibe.“

Ich blicke auf, als ich höre, wie belegt seine Stimme ist. Er drückt seine Lippen auf meine Stirn, ehe er sich an Anas andere Seite setzt. Er nimmt ihre Hand, und dann warten wir.

***

Dan hat ein Zelt für mich und Caleb besorgt, aber jedes noch so kleine Geräusch lässt uns hochfahren. Ich weiß, dass er kommen wird, und nicht, weil ich naiv bin und glaube, dass er wegen mir zurückkommt. Wir pflügen die Felder und der Lärm zieht sie aus den umliegenden Wäldern an. Die Herde ist auf dem Weg hierher, also ist es nur eine Frage der Zeit, bis sie vor den Toren der Farm aufkreuzt.

Die Nächte sind stiller, weil dann niemand auf der Farm arbeitet. In der zweiten Nacht liege ich neben Caleb im Zelt, der den Reißverschluss seines Schlafsacks öffnet und seine Finger um mein Handgelenk legt. „Cassie?“

Er klingt so jung, was mir in Erinnerung ruft, dass er erst neunzehn Jahre alt ist. Oder ist er jetzt zwanzig? Wir wollten ja zu seinem Geburtstag zurückkommen. Ich drücke seine Hand, während er weiterspricht. „Was wirst du tun, wenn …“

„Ich weiß es nicht.“ Meine Stimme klingt wieder normal. „Und du?“

„Ich glaube nicht, dass ich es kann.“

„Irgendjemand wird es tun. Mach dir keine Gedanken.“

„Okay.“

Wir liegen schweigend nebeneinander, bis seine Hand in meiner schlaff wird, aber ich lasse ihn nicht los, bis ich gegen Morgen endlich in einen unruhigen Schlaf abdrifte.