Ich habe eine Woche damit verbracht, das blaue Dach des Zelts anzustarren. Meine Freunde bringen mir abwechselnd Essen, das ich nicht essen kann, und sitzen abends so lange bei mir, bis ich sie rausschmeiße. John hat tagelang schweigend bei mir Wache gehalten, bis ich Maureen angefleht habe, ihn dazu zu bringen, sich eine andere Aufgabe zu suchen. Sie hat ihren Mann letztes Jahr auf dem Weg zur Farm verloren und ich wusste, dass sie mich und mein Bedürfnis danach, allein zu sein, verstehen würde. Sie hat mich fest umarmt, ohne ein Wort zu sagen, und ihn dann mitgenommen.
Bits und Fee haben eine Nacht bei mir verbracht. Wir haben Uno gespielt, bis Bits es müde wurde, mich daran zu erinnern, wann ich dran bin, und mich bat, mich neben sie zu legen. Ich hielt sie im Arm, bis sie eingeschlafen war, und wünschte, dass jemand dasselbe für mich tun würde. Barnaby ist nicht von meiner Seite gewichen. Er folgt mir überallhin und streckt sich lang neben mir aus, was zwar tröstlich ist, mir aber nicht beim Einschlafen hilft.
Es ist noch immer kühl, vor allem nachts, aber wenn mir zu kalt wird, gehe ich mich im Gewächshaus aufwärmen. Da ist es still und friedlich, und wenn mich die Leute sehen, gehen sie mir aus dem Weg und lassen mich in Ruhe. Mir macht das nichts aus; sie wissen nicht, was sie sagen sollen, aber ich weiß es ebenso wenig. Die bloße Frage, wie es mir geht, lässt mich in Tränen ausbrechen, und ich hasse es, vor anderen Menschen zu weinen. Früher oder später muss ich wieder zurück in mein Zimmer. Ich kann schließlich nicht für den Rest meines Lebens wie ein Einsiedler hinter der Farm leben.
Das Dach des Zelts ist hellblau geworden, was bedeutet, dass der Morgen angebrochen ist, und so mache ich mich auf den Weg zum Bad, um mir die Zähne zu putzen. Barnaby folgt mir. Es überrascht mich, hinter den Großraumzelten ein etwas kleineres Acht-Personen-Zelt zu finden, keine zwölf Meter entfernt. Dan sitzt davor und lächelt, als ich an ihm vorbeigehe.
„Hey du“, sagt er. Ich hebe eine Hand zum Gruß. Hätte ich gewusst, dass er hier ist, hätte ich gestern Nacht leiser geweint. „Ich hoffe, dir macht das nichts aus. Ich hab mein Zelt so weit weg wie möglich aufgestellt. Ich mag es, mein eigenes kleines Reich zu haben, wenn es warm genug ist …“
Letzten Sommer und Herbst hat er das auch gemacht. Wir haben sein Zelt das Liebesnest getauft, nur um ihn zu necken. Ich schüttele den Kopf, um ihm zu signalisieren, dass es mir nichts ausmacht, und gehe weiter.
„Wir fahren heute nach Whitefield, um zu helfen“, ruft er mir hinterher. „Und die Hühner hinzubringen und solche Sachen halt. Willst du mit?“
Ich blicke mich zu ihm um. Er behandelt mich beinahe so, als sei nichts passiert – abgesehen von dem sanften Ton seiner Stimme. Niemand sonst würde mich fragen, ob ich mitwill, außer vielleicht Ana. Niemand sonst würde denken, dass ich schon bereit dafür sei. Aber beim Gedanken daran, von hier wegzukommen – weg vom Haupthaus mit meinem Zimmer und dem Garten mit den Obstbäumen und den mitleidigen Gesichtsausdrücken – bemerke ich, dass ich nichts sehnlicher will. Ich hab mich hier nie eingesperrt gefühlt, aber jetzt fühlt sich die runde Umzäunung, die ich immer geliebt habe, wie der Vorhof zur Hölle an.
„Wann fahrt ihr?“
„In ein paar Stunden. Wir bleiben über Nacht.“
„Okay“, sage ich. „Ich bin dabei.“
***
Die Treppe erscheint mir steiler als der höchste Berg, und als ich endlich oben ankomme, starre ich die Tür ganze drei Minuten lang an, ehe ich mich dazu überwinde, sie aufzustoßen. Ich gehe zu seiner Seite des Betts und presse mein Gesicht in sein Kissen, auch wenn ich weiß, dass ich mich damit nur selbst quäle. Ich lege mich auf unser Bett und starre das Bild an, das ich vor so langer Zeit für Adrian gemalt habe. Es zeigt den Ort, an dem wir uns das erste Mal geküsst haben. Er hatte es aufgehängt, nachdem ich ihm gesagt hatte, dass ich ihn nicht mehr liebe. Ich würde alles tun, um meine Worte zurückzunehmen und diese verlorenen Jahre zurückzubekommen, die ich mit ihm hätte verbringen können.
Ich hatte gehofft, dass sein vertrauter Geruch mich trösten würde, aber stattdessen macht er mich wütend: Wütend auf mich selbst, weil ich so dumm bin, und wütend auf die Lexer, die uns alles nehmen, was wir lieben. Es ist wahrscheinlich nur eine Frage der Zeit, bevor sie mir auch noch Bits wegnehmen. Ich trockne mir die Tränen und gehe zur Kommode. Dort stopfe ich meine Klamotten in den Rucksack und nehme das Messer und den Schädelspalter an mich. Adrians Handy liegt auf seinem Schreibtisch, voll aufgeladen. Ich stecke es in eine der Seitentaschen des Rucksacks und lege das Ladegerät zwischen meine Klamotten. Dann dusche ich und drehe meine noch nassen Haare über den Ohren zu zwei Dutts.
Ehe ich wieder nach unten gehe, stehe ich einen Augenblick lang vor der Schlafzimmertür. Es ist wie ein Ort aus einem früheren Leben – ein Leben, in dem ich ernsthaft geglaubt habe, dass Adrian und ich nie wieder ohneeinander sein würden. Wir waren füreinander bestimmt, und irgendwie hat mir das immer diese naive Gewissheit verliehen, dass uns das davor schützen würde, einander zu verlieren. Ich wusste, dass wir unser Happy End bekommen würden, solange wir entschlossen genug und wachsam waren. Warum ich glaubte, mehr verdient zu haben als die Leute, die in Stücke gerissen und in Monster verwandelt wurden, weiß der Teufel. Ich war eine verdammte Idiotin, weil ich glauben konnte, ich und mein persönliches Glück hätten ein Recht auf irgendeine Form von Garantie. Denn in dieser neuen Welt ist nur eins garantiert – die Tatsache, dass Zombies niemals sterben, niemals aufgeben und niemals genug bekommen.