KAPITEL 43

Zurück im Hangar ist niemand so wirklich in Feierlaune, obwohl die erste Patrouille in Bezug auf Lebensmittel ein voller Erfolg war. Sobald sich die Neuigkeit herumgesprochen hatte, wurde es in ganz Whitefield gruslig still. Die meisten Leute ziehen sich schon früh in ihre Quartiere zurück, nachdem wir den Abend damit verbracht haben, über dem Bier zu brüten, das Zekes Leute noch in den Transporter gequetscht hatten.

Zeke starrt ins Nichts über uns. Er ist bei seinem sechsten Bier, wenn ich richtig mitgezählt habe. „Danielle hat erzählt, dass Christine ihr gestern einen ganzen Haufen von ihren Sachen geschenkt hat. Sie hätte nie gedacht, dass das bedeutet … Ich hätte sie einfach nie mitfahren lassen sollen.“

„Zeke, dann hätte sie nur einen anderen Weg gefunden“, sage ich. „Sie hätte durchs Tor abhauen können, eine Pistole nehmen. Ich denke, sie wollte es auf diese Weise, weil das keine aktive Entscheidung erforderte.“

„Suizid durch Zombie“, sagt Tony. Er wirft einen blutunterlaufenen Blick in die Runde. „Wie Suizid durch Polizisten.“

„Sie hat gesagt, sie hat Albträume und kann ohne Brett nicht schlafen“, sage ich.

Nelly blickt mich stirnrunzelnd an. Ich fummle das Etikett meines Biers ab und rolle es zu einem kleinen Ball zusammen. Ich hätte nichts sagen sollen. Die Erinnerung an den Moment, als Christines Augen sich schlossen, an den Moment, in dem sie losließ, spielt sich immer wieder vor meinem inneren Auge ab, und ich kann nichts dagegen tun. Die Tatsache, dass ich sie verstehe, oder zumindest teilweise, gibt mir ein ungutes Gefühl. So, als sei das, was sie angetrieben hat, ansteckend.

Zekes Augen sind auf halbmast; vielleicht war das doch schon Bier Nummer zehn. John hilft ihm auf die Beine. „Komm schon, Freund. Ab ins Bett mit dir.“

Zeke reibt sich mit einer Faust die Augen und lässt sich von John aus dem Hangar führen. Tony und die anderen folgen. Ich bin betrunken und habe nicht die geringste Lust, neben Peter, Ana, Nelly und Adam das fünfte Rad am Wagen zu sein. „Ich geh schlafen“, sage ich.

Ich breite Isomatte und Schlafsack auf dem Fußboden der Zentrale aus. Jetzt, wo die Schäden repariert worden sind, gibt es zwar auch in der Baracke genügend Schlafplätze, aber die Geräusche der Leute, die auf Nachtwache sind, beruhigen mich.

Nelly betritt den schwach beleuchteten Raum und lässt sich neben mir auf die Matte sinken. „Alles okay bei dir?“

„Alles superduper“, lüge ich. „Und bei dir so?“

Er fährt sich mit einer Hand durchs Haar und seufzt. „Ich mach mir Sorgen um dich, Zwerg. Du bist ständig nur auf Patrouille und schiebst Nachtwache. Schläfst nicht. Und jetzt hast du auch noch Penny dein Zimmer gegeben.“

„Ich hab ihr das Zimmer gegeben, weil ich es nicht mehr brauche, nicht, weil ich mich an Zombies verfüttern will. Und nein, ich schlafe nicht viel, also scheint mir die Nachtwache wie ein sinnvoller Zeitvertreib.“

Ich gebe mir Mühe, meine Stimme so ruhig und angemessen wie möglich klingen zu lassen. Wir sitzen im Halbdunkel, und so fällt es ihm vielleicht nicht auf, wie ich mir an einigen Stellen die Wahrheit ein wenig zurechtbiege.

„Entspann dich. Ich will dir hier keine Vorträge halten. Versprich mir nur, dass du nicht heimlich deinen großen, blutigen Abgang planst.“

Ich muss lachen, aber nur kurz. „Kein blutiger Abgang, versprochen. Nur für die Lexer.“

„Gut“, sagt er und gibt mir einen sanften Knuff in die Seite. „Rück mal rüber.“

Er legt sich zu mir unter den Schlafsack und legt einen Arm unter meinen Kopf. Ich wünschte, ich könnte Nelly jede Nacht dazu bringen, bei mir zu schlafen. Meine Augenlider werden schwer; das ist die Mischung aus Wärme und Bier.

„Das ist genau wie früher“, sagt Nelly nach ein paar Minuten. „Nur, dass wir nicht eingerollt sind wie zwei Sardinen.“

„Du liebst es doch, meine Sardine zu sein.“ Ich richte mich eben genug auf, um ihm ins Gesicht sehen zu können. „Gib’s zu.“

„Na gut. Und ich wäre sehr, sehr traurig, wenn meine Lieblingssardine gefressen würde. Versprich mir, dass du vorsichtig bist?“

Ich kuschle mich wieder an ihn und murmle: „Mach dir keine Sorgen, ich werd nicht gefressen. Ana und ich haben tonnenweise von denen gekillt, und wir sind immer vorsichtig.“

Er fragt noch irgendetwas, aber ich bin zu erschöpft, um noch zu antworten.

***

Als ich wieder zu mir komme, liegt Nellys Arm noch immer unter meinem Kopf, und ich pikse ihm mit dem Finger in die Rippen.

„Was zur Hölle?“, stöhnt er mit geschlossenen Augen. „Warum stocherst du in mir rum?“

„Ich weck dich. Adam denkt bestimmt, du warst ihm untreu.“

„Es war doch seine Idee. Er hat mir gesagt, ich soll zu dir gehen, damit du ein bisschen Schlaf bekommst.“

„Na ja, danke jedenfalls. Gibt mir so gar nicht das Gefühl, der Freak der Truppe zu sein.“

Er öffnet die Augen. „Zwerg, du warst schon immer ein Freak.“

„Weißt du was, ich vermiss dich eigentlich so gar nicht“, sage ich und pikse ihn erneut, aber hart dieses Mal. Er schreit auf und greift nach meiner Hand.

„Ebenso. Komm, lass uns frühstücken, bevor du wieder fährst. Ich kann dir auch beim Essen aufzählen, was mit dir alles nicht stimmt.“

„Super. Aber wenn wir die ganze Liste abarbeiten wollen, muss ich wohl eher bis zum Mittagessen bleiben.“