KAPITEL 55

Wir kehren mit Solarpaneelen zurück – und genug Zucker, in raffinierter und anderweitig verarbeiteter Form, um uns alle todkrank zu machen. Wir haben ein neues Wohnmobil – ich könnte mir vorstellen, dass John und Maureen nichts gegen eine eigene kleine Bleibe einzuwenden hätten, und wenn wir noch einen kleinen Holzofen einbauen, könnte dies die perfekte Gelegenheit sein. Als ich aus dem Wohnmobil steige, wartet Dan auf mich. Irgendwo zwischen dem Feld der Lexer und dem Fachgeschäft für Solarenergie ist er umgestiegen. Ich habe extra darauf geachtet, ihn nicht zu ignorieren oder sonst irgendwie anders zu behandeln, aber heute ist er derjenige, der sich mir gegenüber reserviert verhält.

„Können wir kurz mal reden?“, fragt er.

Bits steht mit Penny auf dem überdachten Parkplatz hinter dem Restaurant. Ich will zu ihr rennen, aber stattdessen folge ich ihm hinters Wohnmobil. Er fährt mit einem Finger über den Fensterrahmen. „Keine Sorge, ich werd niemandem was verraten über … uns. Und die anderen auch nicht.“

„Danke“, sage ich und versuche, mir die Erleichterung nicht anmerken zu lassen.

„Und wenn du mal abhängen willst, weißt du ja, wo du mich findest“, sagt er und studiert die Bäume. „Ich fänd’s schön.“

„Abhängen?“

Endlich sieht er mir direkt in die Augen, und das schelmische Blitzen darin ist zurück. „Na, du weißt schon, Kniffel spielen oder so was.“

„Ah, Kniffel.“ Ich schüttele langsam den Kopf. „Ich glaube nicht, dass das eine so gute Idee ist.“

„Ja, vielleicht nicht. Cool, cool.“

Er lehnt sich nonchalant ans Wohnmobil, steckt die Hände in die Hosentaschen und zuckt mit den Schultern. Ich habe nicht so ganz die Wahrheit gesagt – ich denke zwar wirklich, dass es keine gute Idee ist, was aber nicht bedeutet, dass ich es nicht auch schön fände.

„Ich muss zu Bits“, sage ich. „Aber danke, Danny. Du hast mir heute das Leben gerettet, als der eine da meine Haare zu fassen gekriegt hat.“

„Ach, den hast du doch ganz alleine erledigt.“

„Ja, aber du hast die anderen von mir ferngehalten. Und du hast mir deine Jacke gegeben. Also … danke.“

„Du hättest es auch so geschafft“, beharrt er weiter. „Ich hätte das Zelt nicht so weit weg aufschlagen sollen. Ich hätte uns beinahe alle beide umgebracht.“

„Kannst du nicht einfach ‚Bitte, gern geschehen’ sagen?“ Ich öffne meine Arme, um ihm eine Umarmung anzubieten.

„Bitte, gern geschehen“, murmelt er in meine Halsbeuge.

Seine Lippen berühren mein Ohrläppchen. Ich halte ihn noch einen Moment länger fest als notwendig, bevor ich mich losreiße und um mit noch immer singenden Ohren um das Wohnmobil herum schreite. Peter kniet vor Bits auf der Erde und hört sich die letzten Neuigkeiten über Fee an. Ich gehe neben ihm in die Hocke und strecke die Arme nach ihr aus. Sie starrt mich vorwurfsvoll an. Ihre Nasenspitze ist ganz wund. Sie hat höchstwahrscheinlich die letzten drei Tage nur geweint und das wegen mir.

Als sie nicht zu mir kommt, lasse ich die Arme sinken und spüre, wie sich ein Kloß in meinem Hals bildet. „Bits, es tut mir leid. Es tut mir leid, dass ich dir Angst gemacht und all diese blöden Sachen gesagt habe. Es tut mir leid, dass ich so abwesend war. Ich war nur so furchtbar traurig, und ich weiß ja, dass das keine gute Ausrede ist. Ich hab auch gar keine Ausrede. Ich hoffe nur, dass du mir vergeben kannst.“

Bits’ Kinn bebt. Ich hebe die Arme erneut, und dieses Mal drückt sie sich so fest an mich, dass ich mir sicher bin, in meinem Rücken irgendetwas knacken zu hören, aber das und noch viel mehr ist es mir allemal wert. Bei all dem Schmerz, den ich ihr verursacht habe. Und verursacht hätte, wenn ich nicht zurückgekommen wäre. Ich habe dieses kleine Mädchen für die letzten paar Monate einfach zu sehr vernachlässigt; habe gedacht, sie hätte ja die Farm, die ihr ein Gefühl der Sicherheit geben sollte. Aber Bits ist klug – sie weiß, dass eine vom Sheriff persönlich bewachte Schule, eine mit Stacheldraht umzäunte Holzhütte und eine Farm, die von Zäunen und Gräben umgeben ist, ihr nur bis zu einem gewissen Grad sicheren Schutz bieten können. Sie braucht mich und Peter und die anderen, um sich wirklich sicher zu fühlen. Und geliebt. Ich bin so froh, dass ich das endlich auch verstanden habe – mit ein wenig Hilfe von meiner besten Freundin natürlich, die es mir mitten ins Gesicht schreien musste – ehe es ganz zu spät ist für uns.

Ich blicke zu Penny hinüber, die neben James steht. „Und wie geht’s dir so, Pen?“

„Es tritt“, sagt sie und reibt sich sanft den Bauch, der inzwischen schon sehr deutlich unter ihren Klamotten hervorsteht. Vielleicht ist das in den letzten paar Tagen passiert, oder es ist mir vorher nicht aufgefallen, oder ich wollte es nicht sehen, weil ich so eifersüchtig auf ihr Glück war.

„Das Baby? Wirklich?“

„Bisher kann aber nur ich es fühlen.“

„Ich hab stuuundenlang dagesessen und gewartet“, beschwert Bits sicht. Sie befreit sich aus meiner Umarmung und verzieht den Mund. „Das war so nervig. Immer, wenn ich meine Hand weggenommen hab, hat es sich bewegt, und dann hab ich sie wieder drauf gelegt, und es war still.“

„Es ist wahrscheinlich sowieso zu früh“, sage ich lachend. „Ich wette, du kannst es schon ganz bald spüren.“

Da ist tatsächlich jemand drin und bewegt sich; ein kleiner Mensch, genau wie Bits. Ich hätte viel eher verstehen müssen, was für eine Heidenangst Penny haben muss. „Es tut mir so leid, Pen.“

„Mir auch“, erwidert sie.

„Nein, dir muss es wirklich nicht leidtun. Du hattest ja recht.“

„Aber der ganze andere Kram tut mir leid. Ich hatte kein Recht dazu, dir zu sagen, was du zu tun und zu lassen hast.“

„Na ja, einer muss ja Nellys Job übernehmen, wo er nun mal nicht hier ist.“ Ich stehe auf und richte den nächsten Satz an ihren Bauch: „Wir haben dir ein paar unglaublich süße Klamotten mitgebracht. Also wehe, du bist jetzt kein Mädchen!“

„Der arme Junge. Der kriegt ja jetzt schon einen ernsthaften Komplex“, meint Penny.

Wir haben beide Tränen in den Augen, und dann fallen wir uns endlich in die Arme und lachen, wie wir es immer tun, wenn wir gleichzeitig weinen müssen. Ich schaukele sie von Seite zu Seite und mache rauschende Geräusche. „Wow, Baby, halt dich fest! Glaubst du, ihr wird schwindelig?“

Penny kichert und schiebt mich weg. „Nein, du Wahnsinnige. Aber mir! Komm, lass uns was essen gehen.“

Wir gehen aufs Restaurant zu. Ich habe Penny im Arm und Bits an der Hand. Ich weiß, dass der Schmerz und die Trauer darüber, jemanden zu verlieren, nie ganz verschwinden wird, aber diese Wärme – dieses Glück, Menschen um sich zu haben, für die es sich zu leben lohnt – wird mich ebenfalls nie verlassen.