17
Während Darcy noch Mut fasste abzusteigen und an die Tür zu klopfen, hörte er Schritte auf dem Kies. Eine stattliche Frau unbestimmten Alters kam mit einem vollen Korb auf dem Arm die Zufahrt herauf. Sie starrte ihn neugierig an und sprach dann in leicht feindseligem Ton.
»Suchen Sie jemanden? Haben Sie sich vielleicht in der Adresse geirrt?«
Darcy tippte an seinen Hut. »Guten Tag, Ma’am. Ich habe mich gewiss nicht in der Adresse geirrt. Ich möchte Etty besuchen.«
»Oh. Sie sind ein Freund von ihr?« Das war eher eine Feststellung als eine Frage. »Dann kommen Sie mal mit. Werden Sie von Miss Trevannick erwartet?«
»Nein, ich wollte sie überraschen.«
Darcy stieg vom Pferd, machte Midnight an einem Pfosten neben der Zufahrt fest und folgte der Frau ins Haus. Dort stellte diese den Korb auf einen kleinen Tisch. »Wenn Sie vielleicht da drinnen warten wollen«, sie deutete auf eine Tür rechts vom Flur. »Ich sage Miss Trevannick Bescheid, dass sie Besuch hat. Welchen Namen soll ich nennen?«
»Nun ja, ich möchte sie gern überraschen.« Er versuchte, die Frau mit seinem charmanten Lächeln zu bezirzen. »Bitte sagen Sie ihr einfach, dass sie jemand sprechen möchte. Allein«, fügte er hinzu, weil ihm wieder die Männerstimme einfiel, die er gehört hatte.
Die Frau zog misstrauisch die Augenbrauen zusammen und schürzte die Lippen. »Bitte, Ma’am«, wiederholte Darcy.
Mit einem Schulterzucken gab sie Darcy zu verstehen, dass sie das alles sehr merkwürdig fand, dann führte sie ihn ins Empfangszimmer und verschwand, um ihre Dienstherrin zu holen.
Mrs Brown stieg die Treppe zum Musikzimmer hinauf, wo Alistair gerade ein neues Lied angestimmt hatte, das Etty einstudieren sollte. Beide drehten sich erstaunt um, als sie an die Tür klopfte. Mrs Brown hatte die Anweisung, Etty während ihrer Übungsstunden mit Alistair nicht zu stören, es sei denn, es ginge um etwas sehr Wichtiges.
»Entschuldigen Sie bitte die Störung, Miss Trevannick. Da unten ist ein Mann, der Sie sprechen möchte.«
»Wer ist es, Mrs Brown? Vielleicht kann er in einer Stunde wiederkommen, wenn Alistair und ich unsere Übungen beendet haben.«
»Ich glaube kaum, dass er jemand ist, der gerne wartet, Miss.« Mrs Brown hatte nicht gewagt, ihm das vorzuschlagen. Er schien ziemlich entschlossen zu sein, ihre Dienstherrin sofort zu sehen. »Er wollte mir seinen Namen nicht nennen. Außerdem hat er darum gebeten, Sie allein zu sprechen.«
Alistair stand vom Klavier auf. »Ich muss sagen, dass ich das als eine sehr ungewöhnliche Bitte empfinde. Ein Mann, der seinen Namen nicht nennen möchte, will Etty alleine sprechen. Warum haben Sie nicht darauf bestanden, dass er seinen Namen verrät?«
»Es tut mir leid, Mr Alistair. Er schien Miss Trevannick zu kennen.«
»Ein Grund mehr, sich vorzustellen.«
»Wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf, Miss Trevannick, er hat etwas Ehrliches an sich.«
Alistair ließ sich nicht beschwichtigen. »Ist Ihnen sonst noch etwas an ihm aufgefallen, was uns vielleicht einen Anhaltspunkt geben könnte, was er von Etty will?«
Mrs Brown überlegte, ob sie sagen sollte, dass der Mann ein Mischling war, kam jedoch zu dem Schluss, dass sie damit seine Identität verraten könnte. Sein Charme hatte ihr Herz zum Flattern gebracht, und sie war überzeugt, dass hinter dem Wunsch des Mannes, ihre Dienstherrin zu überraschen, etwas Romantisches steckte.
»Nein, Mr Alistair.«
»Etty, ich meine, du solltest nicht alleine mit diesem Fremden reden. Du weißt nicht, wer er ist oder was er von dir will.«
»Oh, Alistair, ich möchte bezweifeln, dass mir in meinem eigenen Haus etwas passieren wird. Ist der Mann im Empfangszimmer, Mrs Brown?«
»Ja, Miss Trevannick.«
»Dann werde ich jetzt wohl zu ihm müssen. Ich glaube nicht, dass das sehr viel Zeit in Anspruch nehmen wird, Alistair. Wir setzen unsere Übung fort, sobald ich weiß, wer dieser Mann ist und weshalb er mich sprechen möchte.«
»Ich gehe mit dir hinunter. Nein, nein, ich komme nicht mit ins Zimmer. Ich warte im Flur, nur für den Fall, dass du mich brauchst.«
Sobald die Tür sich hinter ihm geschlossen hatte, trat Darcy an das offene Fenster, um nach Midnight zu sehen. Nach einem kurzen Blick, der ihm bestätigte, dass es dem Pferd offenbar nichts ausmachte, angebunden zu sein, schaute er sich im Zimmer um. Es war mit einer Eleganz möbliert, die so typisch für Etty zu sein schien. Im Kamin, der jetzt im Sommer nicht benutzt wurde, stand ein Kupfertopf mit einer Schusterpalme. Über dem Kaminsims hing ein Porträt von Etty. Dann betrachtete Darcy das Fenster, wo helle Chintzgardinen sich leicht im Nachmittagswind bauschten. Genau dieses Fenster war auch auf dem Porträt hinter Etty zu sehen, einer schönen und elegant gekleideten Etty, die ganz anders aussah als das Mädchen, das er kannte. Er starrte immer noch auf das Porträt, als sich die Tür hinter ihm öffnete.
Darcy drehte sich genau in dem Moment um, als Etty laut aufstöhnte. Eine Sekunde später lagen sie sich in den Armen. Keiner von ihnen hatte gesprochen. Die Heftigkeit, mit der sie sich umarmten, sagte mehr als tausend Worte. Als sie sich schließlich losließen, sahen sie sich lächelnd in die Augen, beide ganz überwältigt von der Wiedersehensfreude und dem Bekenntnis ihrer tiefen Liebe zueinander. Darcys Finger umschlossen Ettys Ellbogen. Ihre Hände ruhten auf seinen muskulösen Armen.
»Darcy, das ist aber eine Überraschung.«
»Anscheinend eine freudige.«
Sie lächelten sich wieder an, beide wahnsinnig glücklich.
»Du siehst gut aus, Etty.«
»Du auch.«
Sie lächelten immer weiter, als gäbe es keine Worte für ihre Gefühle. Darcy zog sie erneut an sich. »Ich liebe dich, Etty.«
»Ich liebe dich auch.«
Sie küssten sich. Darcy löste sich von ihr, als die Leidenschaft zu stark wurde. Er musste sich beherrschen. Er liebte sie zu sehr, um sie zu nehmen, bevor er mit ihr verheiratet war. Etty ergriff seine Hand und zog ihn zum Sofa, wo sie sich nebeneinander hinsetzten. Sie hielt die Hände fest auf dem Schoß ineinander verschränkt, weil sie eigentlich Darcys innig geliebtes Gesicht berühren wollte, seine Haut unter ihren Fingerspitzen spüren und mit den Fingern durch seine dichten schwarzen Locken fahren wollte.
»Warum bist du hier?«, fragte sie.
Darcy griff nach ihrer Hand. »Ich bin gekommen, um dich zu sehen. Ich wollte wissen, was du für mich empfindest und ob es einen anderen Mann in deinem Leben gibt.«
Etty lächelte ihn zärtlich an. »Es gibt keinen anderen Mann in meinem Leben. Es hat nie einen gegeben, und es wird auch nie einen geben. Du bist meine einzige Liebe.«
»Etty Trevannick, du musst mich heiraten.«
»Ich muss?« Etty lachte. »Ich habe schon immer vorgehabt, dich eines Tages zu heiraten.«
Darcy runzelte die Stirn. »Eines Tages? Jetzt noch nicht?«
»Darcy, du hast mir noch nicht mal einen ordentlichen Heiratsantrag gemacht«, neckte sie ihn. Dann kam ihr plötzlich ein anderer Gedanke. »Du musst erst meinen Vater um Erlaubnis bitten, um mich zu heiraten. Oder hast du das bereits getan?«
»Nein.« Darcy lächelte sie reumütig an. »Also schön, meine Liebste, ich werde alles ordnungsgemäß machen. Sobald wir die Einwilligung deiner Eltern haben, werde ich dir auf Knien einen Antrag machen.«
Etty lachte über seine gespielte Ernsthaftigkeit. »Du weißt ganz genau, dass es eine reine Formalität ist, meine Eltern um ihre Einwilligung zu bitten. Von nun an werde ich uns als verlobt betrachten.«
Darcy hatte Ettys rechte Hand gehalten. Nun nahm er ihre linke und betrachtete sie. Dann sah er ihr stirnrunzelnd ins Gesicht und bemerkte, dass Etty sich auf die Unterlippe biss. »Du trägst ja bereits einen Ring. Hast du mich belogen?«
»Nein! Nein. Der Ring ist nicht das, was er zu sein scheint.«
»Was ist er denn dann? Für mich sieht er sehr nach einem Verlobungsring aus.«
»Ja. Nein, warte, Darcy.« Er war bereits halb aufgestanden. Sie kannte sein aufbrausendes Temperament nur zu gut und zog ihn zurück aufs Sofa. »Hör mir zu. Ich werde es dir erklären.« Er setzte sich hin, doch sein Gesichtsausdruck war immer noch zornig. »Ich trage diesen Ring, seit ich mit dem italienischen Opernensemble in Sydney war. Er sollte lediglich eine gewisse Person von ihren Annäherungsversuchen abhalten. Du musst mir glauben. Ich sage dir die Wahrheit.«
Als er immer noch ein finsteres Gesicht machte und sie skeptisch ansah, ging Etty zur Tür und öffnete sie. Alistair stand draußen unter dem Eingangsportal. »Alistair, würdest du bitte mal kommen?«
Drinnen im Zimmer war Darcy mittlerweile aufgestanden und machte Anstalten zu gehen. »Setz dich, Darcy. Ich lasse nicht zu, dass du mich in so schlechter Stimmung verlässt. Alistair, würdest du bitte Darcy erklären, warum ich diesen Ring an diesem speziellen Finger trage?«
Darcy starrte den anderen Mann wütend an. »Wer sind Sie? Warum sind Sie hier in Ettys Haus?«
Alistair zog angesichts dieses aggressiven Verhaltens die Augenbrauen hoch und sah Etty fragend an. »Ist das der Mann, von dem du mir erzählt hast? Der Mann, den du mehr als jeden anderen liebst?«
»Ja, Alistair, das ist mein schlecht gelaunter Liebster, Darcy Winton. Darcy, ich möchte dir gern Alistair James vorstellen, meinen Klavierbegleiter und Manager. Und du hörst dir jetzt an, was Alistair zu sagen hat. In der Zwischenzeit mache ich für uns alle Tee.«
Etty ließ sich Zeit damit, das Teetablett vorzubereiten. Als sie zurück ins Empfangszimmer kam, war Darcy allein. »Wo ist Alistair?« Sie stellte das Tablett auf den niedrigen Tisch.
»Er meinte, wir sollten lieber wieder allein sein.«
»Wie ich sehe, bist du nicht mehr böse. Du glaubst also, was Alistair dir erzählt hat?«
»Ja. Es tut mir leid, Etty. Ich bin irrsinnig eifersüchtig geworden, als ich den Ring an deiner Hand gesehen hab. Doch nun, da ich deinen Alistair kennengelernt habe, weiß ich, dass ich niemals einen Grund haben werde, auf deine Beziehung zu ihm eifersüchtig zu sein.«
Weiter war dazu nichts zu sagen, ein verstehender Blick zwischen ihnen genügte. Seufzend setzte sich Etty hin und schenkte Tee ein. »Ich sollte den Ring wohl besser nicht mehr tragen, auch wenn Alistair es gerne sieht. Ich habe schon Mama gegenüber ausführliche Erklärungen abgeben müssen. Und Madame gegenüber auch.« Ihre Augen wurden feucht von Tränen, die sie rasch wegblinzelte.
Darcy stellte seine Tasse auf den Tisch und nahm Etty ihre ab. Dann zog er sie auf die Beine und nahm sie tröstend in die Arme. »Alistair hat mir erzählt, dass sie gestorben ist. Es tut mir so leid, Etty. Mir war nicht klar, dass du in Trauer bist. Du trägst ja keine Trauerkleidung.«
»Ich musste Madame versprechen, kein Schwarz zu tragen. Sie hat leuchtende Farben geliebt. Ihr Begräbnis war ganz bestimmt das bunteste, das Melbourne je erlebt hat. Der arme Pfarrer war entsetzt. Ich bin überzeugt, dass Madame in ihrem Sarg gelacht hat.« Etty lächelte schniefend. »Die liebe Madame, ich vermisse sie so sehr.«
»Dann bin ich ja zum richtigen Zeitpunkt gekommen, um dich ein bisschen von deinem Kummer abzulenken.«
»Wie lange willst du in Melbourne bleiben?«
»Das weiß ich noch nicht. Vielleicht zwei Wochen. Ich habe versprochen, Weihnachten wieder auf Riverview zu sein.«
»Wo wirst du wohnen? Hier im Haus gibt es mehrere Gästezimmer.«
»Oh nein, Etty. Mit dir in einem Haus zu schlafen, das wäre eine unwiderstehliche Versuchung, selbst wenn du ein Dutzend Anstandsdamen hättest.« Er runzelte die Stirn. »Hast du überhaupt eine Anstandsdame?«
»Nicht mehr, seit Madame von uns gegangen ist. Alistair hat, wie er dir vielleicht erzählt hat, eine eigene Wohnung auf der Rückseite des Hauses, wo früher die Zimmer für den Butler waren. Mr und Mrs Brown bewohnen ein Cottage auf dem Grundstück. Jetzt guck doch nicht so finster, Darcy. Alistair und ich fahren über Weihnachten nach Langsdale. In der kurzen Zeit bis dahin wird es schon keine skandalösen Gerüchte geben. Also sag schon, wo willst du wohnen?«
»Ich hab vor, den guten alten Boney zu besuchen. Ich hab ihm gleich nach meiner Ankunft hier in der Stadt einen kurzen Brief geschrieben. Ich hoffe, dass ich bei ihm ein Bett bekomme.«
»Der arme Boney. Madames Tod hat ihn zutiefst erschüttert. Die beiden hatten sich sehr lieb gewonnen. Er wird sich bestimmt über deine Gesellschaft freuen.«
Das tat er tatsächlich. Allerdings war Darcy schockiert, wie sehr sein Freund gealtert war, und es beschämte ihn, wie bereitwillig er ihn bei sich aufnahm. Sie redeten bis weit in die Nacht miteinander, jetzt nicht mehr als Lehrer und Schüler, sondern von Mann zu Mann. Als Darcy sah, wie Boney allmählich wieder ein bisschen Freude am Leben gewann, war er froh, dass er den alten Mann gefragt hatte, ob er bei ihm wohnen könne.
Während der zwei Wochen verbrachten Darcy und Etty jede mögliche Minute miteinander. Manchmal wurden sie auf ihren Ausflügen von Alistair oder Boney begleitet, manchmal auch von beiden. Doch die meiste Zeit waren sie allein miteinander. Sie schlenderten durch den botanischen Garten, fuhren mit dem Zug nach St. Kilda, wo sie Arm in Arm über die Strandpromenade spazierten und in einem der Cafés hausgemachtes Eis aßen, oder sie erkundeten gemeinsam die Läden und Märkte.
Zu viert verbrachten sie einen ganzen Tag im Royal Park Zoo. Sie bestaunten die Affen, die amerikanischen Schwarzbären, die Tiger, Löwen und anderen exotischen Tiere. Im Schatten machten sie ein Picknick mit kaltem Huhn, Kaninchenpastete, Käse, Tomaten und vielen anderen Köstlichkeiten, die ihnen Mrs Brown in zwei Körbe gepackt hatte. Die Freude an diesem Mahl im Freien wurde nur dadurch getrübt, dass sie ständig die Fliegen von ihrem Essen verscheuchen mussten. Nachdem sie gesättigt waren, entspannten sie sich noch eine Weile bei angenehmen Gesprächen, bevor sie einen letzten Spaziergang durch den schön angelegten Garten unternahmen.
Die Tage waren heiter und sonnig, die Dezemberhitze erträglich, bis die heißen Winde kamen, die die Quecksilbersäule auf fast vierzig Grad ansteigen ließen, und sich das Kobaltblau des Himmels in ein gleißendes Blass verwandelte, das in den Augen wehtat. Nach zwei glühend heißen Tagen änderte sich das Wetter über Nacht. Am Morgen regnete es, und die Quecksilbersäule sank um etwa zwanzig Grad.
Etty lachte, als Darcy bei ihr ankam und sich bitterlich über den Regen und die Kälte beklagte. »Das Wetter in Melbourne ist immer unberechenbar. Heute Nachmittag kann es schon wieder sonnig und heiß sein.«
Doch es regnete auch noch am nächsten und am übernächsten Tag, und mit jedem Tag schien es kälter zu werden. Der Topf mit der Schusterpalme wurde aus dem Kamin entfernt, damit man ein kleines Feuer anzünden konnte. An einem Tag besuchten sie mit Boney und Alistair die Gemäldegalerie und am nächsten Tag das Museum. Als es am dritten Tag immer noch regnete, saß Darcy mit Etty in deren Empfangszimmer. Wegen des trüben, regnerischen Wetters hatten sie die Gardinen zugezogen. Das im Kamin glühende Feuer heiterte den Raum ein wenig auf.
Etty unterhielt Darcy mit Geschichten von ihren Reisen und mit lustigen Anekdoten über ihre Erfahrungen mit dem italienischen Opernensemble. Allerdings erzählte sie ihm nicht, dass sie vorhatte, im neuen Jahr nach Mailand zu reisen und sich dort dem Ensemble wieder anzuschließen. Auch wenn Darcy beteuerte, wie sehr ihn diese Geschichten aus ihrem Leben amüsierten, wusste sie, dass er nicht verstehen würde, dass das Bedürfnis zu singen ihrer Seele entsprang. Oper hatte für sie nichts mit einem bestimmten Lebensstil zu tun. Sie musste einfach singen.
Darcy seinerseits sprach über Riverview und darüber, wie viel ihm dieser Ort inzwischen bedeutete. Er erzählte ihr von einem Traum, den er kürzlich gehabt hatte, in dem sein vor langer Zeit verstorbener Onkel Josh zu ihm gekommen war und ihm erklärt hatte, es sei schon immer vom Schicksal bestimmt gewesen, dass Riverview einmal Darcy gehören sollte. Außerdem beschrieb er, wie seine Mutter das einst so prächtige Farmhaus liebevoll wiederhergerichtet hatte.
Seine Mutter hatte ihm auch erzählt, wie sie und ihre eigene Mutter krank und halb verhungert von den Wintons gefunden worden waren, als diese auf dem Weg zu dem Stück Land waren, auf dem sie sich niederlassen wollten und dem sie den Namen Riverview geben würden. Sie hatte ihm viele Geschichten aus ihrer Jugend auf Riverview erzählt, unter anderem auch die, wie es dazu gekommen war, dass sie für Charles und Mary Winton eine zweite Tochter geworden war.
Etty hörte fasziniert zu, wie Darcy diese Geschichten für sie jetzt noch einmal wiedergab. »Wie wunderbar, dass deine Familie wieder im alten Zuhause deiner Mutter wohnt. Tante Jane muss sehr glücklich sein.«
»Ma und Nelson sind beide glücklich. Nelson hat seinem Vater geschrieben, mit dem er viele Jahre lang überhaupt keinen Kontakt hatte, und ihm erzählt, dass er jetzt eine eigene Farm besitzt. Nun korrespondieren sie regelmäßig. Nelson hofft, dass sein Vater vielleicht eines Tages zu Besuch nach Riverview kommt.«
Als sich daraufhin zwischen ihnen Schweigen ausbreitete, bemerkte Etty nach einer Weile: »Du hast gesagt, dass Tante Jane und Nelson glücklich sind, aber dich hast du nicht mit einbezogen.«
»Ich bin zufrieden, Etty. Allerdings habe ich den Wunsch, Anwalt zu werden, immer noch nicht aufgegeben. Ich glaube und hoffe, dass sich vielleicht bald eine Chance für mich auftut.«
»Oh? Wie denn das? Hat Boney eine Möglichkeit gefunden?«
»Nein, Boney nicht, auch wenn er mich stets ermutigt hat, meine Studien fortzusetzen. Das Leben ist voller merkwürdiger Zufälle. Als ich nach Langsdale gereist bin, um die Schafe abzuholen, die wir gekauft hatten, habe ich auf dem Schiff einen Mann namens Ernest Williams kennengelernt. Er war auf der Suche nach einer Stadt, in der er eine Anwaltskanzlei eröffnen könnte. Später hat er mir, wie versprochen, geschrieben, um mir mitzuteilen, dass er sich in Bendigo niedergelassen hat. Sobald er sich einen Namen gemacht hat und genügend Mandanten hat, will er mich als Gehilfen einstellen. Und wenn ich erst einmal Anwaltsgehilfe bin, hoffe ich, ziemlich rasch ein richtiger Anwalt werden zu können.«
»Wie wunderbar, Darcy. Ich freue mich ja so für dich. Das Leben läuft gut für uns beide – für uns alle. Louisa ist glücklich auf Narrabulla, und für Ruan ist Langsdale sein Ein und Alles. So sollte es ja auch sein, da es eines Tages ihm gehören und er es irgendwann an seine Kinder weitergeben wird, die dann an ihre Kinder und so weiter, von einer Generation zur nächsten.«
»Ich hoffe, dass ich eines Tages Riverview an meine Kinder weitergeben werde – an unsere Kinder.« Er nahm Ettys Hand. »Ich habe dir noch gar nicht von dem wunderbaren Erlebnis erzählt, das ich auf dem Weg nach Melbourne hatte.«
»Du hast geschildert, wie die Kutsche umgekippt ist.«
»Das ist aber nicht die ganze Geschichte.« Dann berichtete er ihr, wie er dem Arzt assistiert hatte, als Mrs Jones zwei nahezu identisch aussehende Zwillingsjungen zur Welt brachte. »Bis dahin habe ich mir nie Gedanken über Babys gemacht. Doch als ich dieses Wunder erlebt habe, sehnte ich mich plötzlich danach, eines Tages einen eigenen Sohn in den Armen zu halten, dessen Mutter du bist. Willst du mich heiraten, Etty?«
Etty, die tief bewegt von Darcys Geschichte war, verbarg ihre Gefühle hinter einem neckischen Lächeln. »Du musst trotzdem erst Papa fragen.«
Sie neckte ihn, denn jedes Mal, wenn sie sich vorstellte, mit Darcy verheiratet zu sein, begann ein Dutzend Schmetterlinge in ihrem Bauch zu flattern, und ihr Herzschlag beschleunigte sich so heftig, dass sie manchmal das Gefühl hatte, ihr würde das Herz gleich in der Brust zerspringen. Und als sie ihn nun von Babys reden hörte und sich vorstellte, von ihm ein Kind zu bekommen, steigerte sich dieser Zustand noch, und sie spürte ein heftiges Verlangen an der intimsten Stelle ihres Körpers. Vielleicht ging es Darcy genauso, denn seine Augen glühten vor Leidenschaft. »Sieh mich nicht so an, Darcy, sonst will ich …«
»Was? Mich küssen? In meinen Armen liegen?«
»Ja«, flüsterte sie, mehr brachte sie nicht heraus, denn Darcy hatte sie bereits an sich gezogen und seine Lippen heiß auf ihre gedrückt. Hitze durchströmte ihre Körper und wurde immer glühender, je mehr ihre Leidenschaft wuchs. Darcy ließ seine Hand zur Rundung ihrer Brust wandern. Sie schmiegte sich fest an ihn und krallte ihre Finger in seine schwarzen Locken, um seinen Mund in einem nie endenden Kuss festzuhalten. Nichts existierte mehr auf der Welt außer Darcy und ihr, außer ihnen beiden. Der Kuss ließ sie zu einem Wesen verschmelzen.
»Oh, Entschuldigung.« Alistairs Stimme zerstörte ihre verzehrende Leidenschaft. Sie lösten sich heftig atmend voneinander, während ihre Augen im Blick des anderen das Feuer suchten und fanden, das immer noch in ihnen loderte. Alistair war bereits wieder gegangen.
Darcy nahm Ettys Gesicht in beide Hände und strich mit den Lippen sanft über ihren Mund. »Ich brauche dich so sehr. Du musst mich heiraten, Liebste.«
»Oh mein Liebster, ich glaube, das muss ich wohl.« Sie wusste, sie beide hätten ihre Leidenschaft nicht mehr beherrschen können, wenn Alistair sie nicht gestört hätte. Und sie wusste, dass sie mehr als bereit gewesen war, sich Darcy ganz hinzugeben.
»Etty, ich hatte eigentlich vor, in drei Tagen Melbourne zu verlassen und nach Hause zurückzukehren. Du willst über Weihnachten nach Langsdale. Lass uns doch morgen schon zusammen dorthin fahren. Wir holen die Erlaubnis deiner Eltern ein, und dann heiraten wir im neuen Jahr. Liebling? Was ist los?«
Etty war abrupt aufgestanden und auf die andere Seite des Zimmers gegangen. Sie sah ihn mit tränenfeuchten Augen an und rang die Hände. Nun wurde es Zeit, das Problem anzusprechen, das sie seit Tagen quälte und nachts nicht schlafen ließ. »Ich reise im Januar nach Italien.«
Darcy stand ebenfalls auf und runzelte fassungslos die Stirn. »Was hast du gesagt?«
»Ich reise nach Italien, nach Mailand, um mit dem italienischen Opernensemble zu singen.«
»Nein.« Er schüttelte verwirrt den Kopf. »Du kannst nicht nach Italien gehen. Du hast doch gesagt, dass du mich heiraten willst.«
»Oh, Darcy. Ich will dich ja auch wirklich heiraten.« Sie fing an zu weinen, weil ihr Körper immer noch nach seinem verlangte. »Bitte, versteh das doch. Sei mir nicht böse.«
»Ich habe allen Grund, böse auf dich zu sein, nach dem, was gerade zwischen uns geschehen ist. Ich bin ganz durcheinander. Weißt du überhaupt, was du willst, Etty? Willst du dein Leben lang herumreisen und singen, oder willst du mich heiraten? Du musst dich für eines entscheiden. Entweder für mich oder für deine Karriere.«
»Ich kann mich nicht entscheiden. Ich will beides.« Nun weinte Etty so heftig, dass ihr die Tränen die Wangen hinunterliefen. Sie machte nicht einmal den Versuch, sie wegzuwischen.
Ohne ein weiteres Wort zu sagen, drehte sich Darcy auf dem Absatz um. Etty lauschte auf seine Schritte im Flur und hörte, wie die Haustür hinter ihm zuknallte. Sie sank zu Boden, während ihr Körper von lautem Schluchzen geschüttelt wurde. Die Arme, die sich einige Augenblicke später um sie legten, um sie zu beruhigen und zu trösten, gehörten Alistair. Sie wusste nicht, wie lange sie an seiner Schulter geweint hatte, doch als die Schluchzer verebbten und die Tränen nur noch vereinzelt flossen, fühlte sie sich krank und hatte rasende Kopfschmerzen.
Alistair zog sie auf die Beine. »Geh und wasch dir das Gesicht. Dann fühlst du dich schon besser. Ich mache dir eine Tasse heißen süßen Tee, und wenn du möchtest, kannst du mir erzählen, worüber du dich so aufgeregt hast.«
In jener Nacht war Etty sehr unruhig. Wenn sie schlief, träumte sie wirre und unsinnige Träume, in denen ihr Darcy entrissen wurde. Diese Träume waren so verstörend, dass sie davon aufwachte und Angst hatte, wieder einzuschlafen, weil sie fürchtete, der Traum könnte wiederkommen. Irgendwann zwischen Mitternacht und Morgengrauen stand sie auf und setzte sich ans offene Fenster. Die Nachtluft war angenehm. Von Zeit zu Zeit hörte sie den Ruf eines Nachtvogels. Einmal lauschte sie dem rauen Tschk-tschk-tschk eines Opossums auf seinen nächtlichen Streifzügen.
Viele Gedanken gingen ihr im Kopf herum, Sehnsüchte und ein tiefes Bedauern. Sie liebte Darcy sehr. Andererseits musste sie unbedingt singen. Gab es eine Möglichkeit, diese beiden Leidenschaften, die sie verzehrten, miteinander in Einklang zu bringen? Irgendwann musste sie wieder eingeschlafen sein, denn sie wurde am frühen Morgen vom Lachen der Kookaburras geweckt. Bereits jetzt war die Hitze in der Luft zu spüren. Noch bevor die Sonne aufgegangen war, versprach der Tag, im Gegensatz zu den vorhergegangenen, extrem heiß zu werden. Welch Ironie des Schicksals, dachte sie, dass die Sonne schien, während ihr Herz voll düsterer Wolken war. Etty zog sich an, verließ das Haus und spazierte eine Weile durch die Straßen von Toorak. Als sie zurückkam, war das Frühstück fertig. Alistair machte einen besorgten Eindruck.
»Etty, wo bist du gewesen? Ich hab mir schon Sorgen gemacht.«
»Ich habe letzte Nacht sehr wenig geschlafen. Da habe ich mich entschlossen, einen Morgenspaziergang zu machen.«
Er bemerkte die Schatten unter ihren Augen, die Trauer in ihrem Blick. »Wie fühlst du dich heute?«
»Ich glaube, ich muss Darcy aufsuchen. Wir können doch nicht auf diese Weise auseinandergehen, nachdem wir uns so leidenschaftlich unsere Liebe erklärt haben. Ich werde ihn bitten, mir ein Jahr in Italien zu gewähren, ihn anflehen zu warten, bis ich dieses Bedürfnis in mir befriedigt habe. Alistair, ich hab fast die ganze Nacht nachgedacht. Ich liebe Darcy sehr. Ich möchte seine Frau sein. Aber ich kann das Singen nicht aufgeben.«
»Ich halte es für vernünftig, dass du die Gelegenheit nutzen willst, in Europa aufzutreten. Wenn Darcy dich wirklich liebt, sollte er das verstehen und bereit sein, auf dich zu warten.«
»Das hoffe ich wirklich. Alistair, würdest du mich heute Morgen zu Mr Boniface begleiten? Ich möchte zwar allein mit Darcy reden, aber es gibt mir Mut, wenn ich weiß, dass du in der Nähe bist.«
Sobald sie das Frühstück gegessen hatte, das Mrs Brown für sie bereitet hatte, eilte Etty in ihr Zimmer und zog ihr schlichtestes Besuchskleid an. Sie wollte, dass Darcy in ihr die Etty sah, mit der er aufgewachsen war, und nicht die gefeierte Henrietta Trevannick.
Als sie bei Mr Boniface ankamen, konnte dieser nur sein Bedauern ausdrücken. »Darcy ist gestern Nachmittag abgereist. Hat er Ihnen das nicht gesagt?«
Etty vermochte nur den Kopf zu schütteln. Da sie spürte, wie ihr die Tränen kamen, wandte sie sich ab und überließ es Alistair, Mr Boniface die notwendigen Erklärungen zu geben. Auf dem ganzen Heimweg weinte sie.
»Schreib Darcy einen Brief«, schlug Alistair ihr vor, als sie wieder zu Hause waren. »Erklär ihm, wie wichtig dir diese Chance ist, in Mailand singen zu können. Bitte ihn, dir dieses eine Jahr zu gewähren. Wenn er dich wirklich liebt, wird er es tun.«
Darcy überlegte ernsthaft, ob er nicht direkt nach Wellington reiten sollte, um dort den Fluss zu überqueren, statt von Ballarat zuerst noch einen Abstecher nach Langsdale zu machen. Vielleicht hätte er das auch getan, wenn er in Ballarat nicht Ruan getroffen hätte. Denn wenn er sich geweigert hätte, nicht wenigstens eine Nacht auf Langsdale zu verbringen, wäre das äußerst unhöflich und nicht zu erklären gewesen. Also ritt er mit Ruan nach Hause.
Er wurde überaus herzlich willkommen geheißen. Auf die Frage, was ihn in die Gegend geführt habe, antwortete er, er sei zu Besuch in Melbourne gewesen. Und als man ihn fragte, ob er Etty gesehen hätte, bejahte er das, ohne jedoch zuzugeben, dass sie der eigentliche Grund für seine Reise gewesen war. Er sprach auch nicht von seinem Wunsch, sie zu heiraten. Mit unendlicher Selbstdisziplin hörte er zu, wie Tante Meggan sich über Ettys fantastische Aussichten in Italien ausließ. Während er sich das anhörte, wuchs in ihm die Überzeugung, dass Etty die Oper niemals aufgeben würde, um seine Frau zu werden, ganz gleich wie leidenschaftlich sie ihre Liebe zu ihm beteuerte.
Er hätte seine Reise am nächsten Tag fortgesetzt, wenn ihn die Trevannicks nicht dazu bewegt hätten, eine weitere Nacht zu bleiben. Ruan bat darum, einmal auf Midnight reiten zu dürfen, bevor Darcy abreiste, und sei es auch nur um die Koppel am Haus.
»Midnight ist ein prächtiges Tier, Darcy. Ma sagt immer, dass unser Leben vorherbestimmt ist. Das Schicksal hatte ganz sicher seine Hand im Spiel, als du Midnight gekauft hast.«
»Das denke ich auch. Eigentlich wollte ich eine Droschke nach Toorak nehmen, doch dann habe ich mich entschlossen, mir ein Pferd zu mieten, und dabei habe ich Midnight gefunden und gekauft.«
»Hat Etty sich gefreut, dich zu sehen?«
»Das hat sie jedenfalls gesagt.«
Ruan sah Darcys verschlossenem Gesichtsausdruck an, dass er dieses Gespräch nicht fortsetzen wollte. »Ach ja. Etty und du, ihr habt euch wohl wieder gestritten, was? Wie kommt es, dass ihr beide euch nie treffen könnt, ohne euch zu streiten? So ist das schon, seit wir langsam erwachsen geworden sind.«
»Wir haben halt unterschiedliche Ansichten.«
»Ansichten worüber? Kannst du das etwas genauer erklären?«
»Nein, das möchte ich nicht. Hey! Was zum Teufel …« Er rannte los, Ruan blieb ihm dicht auf den Fersen. Beide hatten gehört, dass der Hengst plötzlich furchtbar schrie.
Skink hielt Midnights Zügel in der Hand und schlug mit einem schweren Stock auf das Tier ein. Obwohl sich der Hengst immer wieder aufbäumte, schaffte Skink es, den Tritten der Vorderbeine auszuweichen und weiterhin wahllos auf das Tier einzuschlagen.
Mit einem Wutschrei setzte Darcy über den Zaun, packte Skink mit der linken Hand hinten am Hemd und riss ihm mit der rechten den Stock weg. Midnight, der immer noch vor Angst wieherte, galoppierte in Panik auf die andere Seite der Koppel. Darcy verpasste Skink mit dem Stock einen wuchtigen Schlag in die Seite, worauf dieser zu Boden stürzte, wo er benommen liegen blieb. Im Nu stand Darcy keuchend über ihm und holte mit dem Stock zu einem mörderischen Schlag aus.
»Darcy, du kannst ihn doch nicht umbringen!« Ruan packte Darcys Arm und riss ihn so fest nach hinten, dass der Stock auf die Erde fiel.
Um nicht um seine Rache gebracht zu werden, trat Darcy den am Boden liegenden Mann in die Rippen und vernahm zufrieden, wie es krachte und der Mann vor Schmerzen aufheulte.
Ruan, der versuchte, Darcy fortzuzerren, sah, dass Ned zu ihnen gerannt kam. »Ned, hilf mir, bevor Darcy diesen Dreckskerl umbringt!«
Beide Männer brauchten all ihre Kraft, um den rasenden Darcy daran zu hindern, weiter auf Skink loszugehen. Sie hielten ihn an den Armen fest, jeder auf einer Seite, während Skink rasch außer Reichweite von Darcys Stiefeln kroch. Taumelnd raffte er sich auf und humpelte, sich vor Schmerzen krümmend, davon. Dabei hielt er sich mit der linken Hand die rechte Seite seines Brustkorbs.
Darcy schüttelte Ned und Ruan ab und rannte über die Koppel. Als er sich Midnight näherte, verlangsamte er den Schritt und redete beruhigend auf das misshandelte Tier ein. Er musste sein ganzes Geschick einsetzen, bevor Midnight stehen blieb und ihm erlaubte, sich zu nähern. Das Pferd blieb jedoch ängstlich und verdrehte die Augen, sodass das Weiße zu sehen war. Als der Hengst sich ein wenig beruhigt hatte, fuhr Darcy mit den Händen über seine Vorderbeine, um nach Prellungen zu suchen, und war erleichtert, als er keine fühlte. Kurz darauf begann das Pferd wieder nervös zu tänzeln. Darcy streichelte ihm über die schwarzen Nüstern und flüsterte sanft in sein Ohr. Er würde Midnight sofort gründlich untersuchen müssen.
Während Darcy den Hengst noch abtastete, warf er zufällig einen Blick nach hinten über die Koppel und sah, dass Con Trevannick Skink zur Rede stellte. Er beachtete die beiden jedoch nicht weiter, sondern widmete seine ganze Aufmerksamkeit Midnight, um sich zu vergewissern, ob der Hengst tatsächlich keine Verletzungen erlitten hatte. Plötzlich stand Ruan neben ihm.
»Alles in Ordnung mit Midnight?«
»Er ist nicht verletzt, aber total verängstigt.«
»Skink hat zugegeben, dass er versucht hat, Midnight zu reiten. Dämlicher Idiot, zu meinen, er könnte sich einem Hengst auf den Rücken schwingen, der ihn nicht kennt. Als Midnight sich weigerte, sich von ihm satteln zu lassen, hat Skink angefangen, ihn zu verprügeln. Pa hat den Dreckskerl gerade fristlos und ohne Referenzen entlassen. Mein Vater duldet es nicht, wenn jemand ein Tier quält.«
»Es hat mich eh gewundert, dass dein Vater ihn so lange hier beschäftigt hat.«
»Mich auch. Ich bin froh, dass er weg ist. Nach dem, was ich gerade gehört habe, war Pa wohl doch nicht so blind für Skinks Fehler, wie ich geglaubt habe. Er versucht schon seit einiger Zeit, einen Ersatz für den Mann zu finden, was ich allerdings nicht gewusst habe. Darcy, pass nur auf, wenn du von hier fortreitest. Ich traue es Skink durchaus zu, dass er dir irgendwo an der Straße auflauert.«
Darcy beherzigte Ruans Warnung und war sehr wachsam, doch er erreichte Wellington ohne jeden Zwischenfall. Wenige Tage später kam er in Riverview an. Er ritt auf Midnight und führte Goonda am Zügel, froh, dass der Hengst und die Stute sich akzeptierten.