Zweites Kapitel

Wild sein dürfen und Zeit haben, ein Kind zu sein

bodymatterBereits zweijährigen Mädchen setzt die Welt Grenzen. Wir müssen unsere Töchter ermutigen, abenteuerlustig und mutig zu sein, ihnen helfen, die Verbindung zu ihrer ungebändigten Natur zu behalten. Und wir müssen die Kräfte bekämpfen, die unseren Mädchen die Kindheit wegnehmen wollen.bodymatter
Holen Sie heutzutage irgendwo in der Welt eine Gruppe von Eltern zusammen und lassen Sie diese über Mädchen sprechen. Ich garantiere Ihnen, dass es keine drei Minuten dauern wird, bis Sie den Satz hören werden: »Sie werden zu schnell groß.«
Diese Eltern sprechen nicht über das uralte Gefühl, dass Kinder viel zu schnell erwachsen werden und aus dem Haus sind, sondern über etwas Neues und deutlich Besorgniserregenderes. Innerhalb von nur einer Generation wurde die Kindheit vieler Kinder durch neue Faktoren drastisch verkürzt. Mädchen haben tatsächlich mindestens vier Jahre ihrer Kindheit verloren. Die Auswirkungen sehen Sie überall – auf erwachsen getrimmte Zwölf- oder Dreizehnjährige, die selbstbewusst ihr Dekolleté zeigen und deren Gesichter unter Make-up verschwinden, aufgedonnert und so spärlich bekleidet, dass eine Lungenentzündung droht … und gestresst durch die Frage, was wohl die Jungen von ihnen denken. Dabei sind sie weder glücklich noch frei.
Mütter und Väter in aller Welt sagen: »Vierzehn ist das neue Achtzehn.« Nach allem, was wir über die gewaltigen Veränderungen im Gehirn während dieser vier Jahre wissen, und angesichts der vielen Dinge, die in dieser Zeit gelernt werden – wie anders wir mit achtzehn als mit vierzehn Jahren sind –, muss das zwangsläufig ein Problem sein.
Denken Sie an Ihre eigenen Teenagerjahre zurück. Mit achtzehn Jahren haben Sie angefangen, Entscheidungen über Sex, Drogen und Alkohol, über Ihre eigene Sicherheit usw. zu treffen, und es war komplex und schwierig. Zum ersten Mal hatten Sie es mit unangenehmen oder skrupellosen Leuten außerhalb des sicheren Familien- und Freundeskreises zu tun. Und Sie empfanden das als eine Herausforderung. Selbst mit achtzehn ist es schwierig, achtzehn zu sein. Aber mit vierzehn (oder heute sogar noch öfter mit zwölf ) Jahren sind Mädchen denkbar schlecht gerüstet – sie sind ungeübt darin, Emotionen und Gedanken auseinanderzuhalten, ihr Selbstvertrauen ist ein einziger Bluff, und ihr Gehirn ist noch nicht richtig ausgebildet. Sie kämpfen damit, Entscheidungen zu treffen, und so gerät ihr Leben in diesem verletzlichen Alter zunehmend ins Wanken.
Um es klar zu sagen: Die meisten Mädchen gehen unversehrt daraus hervor. Wir helfen ihnen, unterstützen sie und wappnen sie gegen die Exzesse der Kultur, und sie verwandeln sich in wunderbare, starke Frauen. Drei von fünf Mädchen gelingt dies. Aber einem von fünf Mädchen gelingt es nicht. Dieses Mädchen gerät so aus der Spur, dass sein Erwachsenenleben davon ernsthaft beeinträchtigt wird.
Und das andere der fünf Mädchen macht eine Krise durch, die seine Familie dringend veranlasst, aktiv zu werden – doch dann übersteht dieses Mädchen die Krise. Dennoch haben es viel zu viele Mädchen viel zu schwer.
Ein Mädchen soll stark sein. Diese Stärke entwickelt sich, wenn es im Einklang mit seiner eigenen Natur ist, seinen Gefühlen und Instinkten vertraut. Wenn es Vertrauen in seinen Körper hat. Und wenn es langsam groß wird, um dabei alle Fähigkeiten – geistige und körperliche – so zu entfalten, wie es während der Millionen von Jahren der menschlichen Entwicklung vorgesehen war. Und bereits sehr früh – im Alter zwischen zwei und fünf Jahren – können wir am meisten für die Resilienz unserer Mädchen tun. In dieser Zeit kann die Grundlage dafür gelegt werden, dass ein Mädchen sein jeweiliges tatsächliches Alter genießt und sich nicht in einen vorgetäuschten Erwachsenenzustand drängen lässt. Langsames Wachsen macht Mädchen stark.
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Langsames Wachsen macht dich stark
Bei jüngeren Müttern und Vätern, die heute Ende zwanzig oder in den Dreißigern sind, haben diese Veränderungen bereits in der eigenen Kindheit eingesetzt. Wir setzen hier nicht voraus, dass die Vergangenheit gut war. Wichtig ist, sich anzuschauen, was Sie in dieser Phase selbst an Erfahrungen mitbringen.
Können Sie sich daran erinnern, in welcher Zeit Ihrer Kindheit Sie am glücklichsten und freiesten waren?
In welchem Alter war das?
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Was war so toll daran?
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Was haben andere Menschen getan, um dies zu ermöglichen?
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Gab es eine Zeit in Ihrer Kindheit, in der Sie sich NICHT glücklich und frei gefühlt haben?
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Was hätten andere Menschen in dieser Zeit tun können, um Ihnen zu helfen, taten es aber nicht?
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Diese Fragen haben Sie vielleicht an traurige oder schwere Zeiten in Ihrem Leben erinnert. Atmen Sie tief durch und bedenken Sie, dass es lange her ist. Sie sind jetzt hier. Sie haben diese Zeiten überstanden und sind ein liebevoller und engagierter Elternteil geworden, der es bei seiner eigenen Tochter oder seinen Töchtern besser machen will. Oder Sie haben gemerkt, dass die Menschen, von denen Sie erzogen wurden, es wirklich gut gemacht haben, und können dies noch mehr schätzen.
Nichts hilft uns besser, eine einfühlsame Mutter/ein einfühlsamer Vater zu werden, als sich an die eigene Kindheit zu erinnern. Damit erfahren Sie so viel mehr darüber, wie Sie die Mutter oder der Vater werden können, die/den Ihre Tochter braucht.
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Überlegen Sie, wie großartig die Mädchenzeit sein kann, und geben Sie sich dann nicht mit weniger zufrieden. Die Mädchenzeit – bevor die Pubertät beginnt – kann eine wunderschöne Zeit sein. Unbekümmert oder völlig frei von Sorgen über das andere Geschlecht, frei in ihrem Körper, mutig in ihrem Handeln, fähig zu Kreativität, ohne ein Urteil zu fürchten, mit viel Liebe zu Tieren und der Natur, Freunden beiderlei Geschlechts liebevoll zugetan und die Gesellschaft der Eltern genießend. Wie sehr wünschen wir uns, diese Zeit würde für immer bleiben. Und es gibt keinen Grund, warum das nicht der Fall sein sollte.
Damit dies gelingt, müssen wir Eltern aber zwei Dinge tun. Erstens müssen wir den Forschergeist unserer Mädchen und ihr ungebändigtes Selbst ermuntern und nähren, damit es stark wird und lebenslang erhalten bleibt. Und zweitens müssen wir die schädlichen Botschaften fernhalten, denen Mädchen seit einigen Jahren ausgesetzt sind. Wir müssen also wählerisch sein bei den Medien, die wir in unser Haus lassen, und auch darüber nachdenken, wie wir die Mädchen durch unsere eigenen Haltungen unbewusst beeinflussen. (Häufig »erben« Mädchen die Probleme ihrer Mütter.) Nur durch diese Kombination – »stark machen« und »ausblenden« – können wir die Bedingungen schaffen, damit eine starke und glückliche Frau heranwächst.
Beginnen muss dies im Alter zwischen zwei und fünf Jahren. Aber Sie können in jedem Alter noch an einer Korrektur arbeiten. Erinnern Sie sich an den Fragebogen zum Profil der Mädchenzeit Ihrer Tochter am Anfang des Buches? Wenn Sie diese zweite Phase – Forschungsdrang – mit höchstens drei Sternen bewertet haben, können Sie, auch wenn sie acht oder vierzehn Jahre oder sogar älter ist, noch viel tun, um ihr starkes, »wildes« Selbst zu wecken.
Um als Mama oder Papa wirklich glücklich zu sein, müssen Sie sich vielleicht selbst erst heilsam »renaturieren« und die Erlaubnis dazu Ihrer Tochter weitergeben.
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Kreuzen Sie an, was Ihr Mädchen am besten beschreibt:
bodymatter 1.Sie ist ängstlich, ordentlich und zugeknöpft. Am liebsten spielt sie mit einem iPad, weil sie sich dabei nicht schmutzig macht.
bodymatter 2.Manchmal macht sie kreative oder gewagte Dinge. Aber nicht oft.
bodymatter 3.Sie liebt es, zu spielen, ob draußen oder drinnen. Dabei wird sie laut, sorgt für Unordnung und liebt Abenteuer.
bodymatter 4.Wir haben sie seit dreiTagen nicht gesehen, aber sie sendet uns bei Sonnenuntergang ein Rauchsignal vom Berg, damit wir wissen, dass es ihr gut geht.
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Nun kommt das Rollenvorbild ins Spiel. Daher die zweite Frage:
Wie waren Sie als Kind?
bodymatter 1.Ich war ängstlich, ordentlich und zugeknöpft. Ich habe gerne gestickt, aber nur auf vorgegebenen Linien.
bodymatter 2.Manchmal habe ich etwas Kreatives oder Gewagtes gemacht. Aber damit habe ich mir immer Ärger eingehandelt.
bodymatter 3.Ich habe es geliebt, zu spielen, laut zu werden und Unordnung zu machen, und habe viele Abenteuer erlebt.
bodymatter 4.Mit sieben bin ich durchs Land getrampt und habe ein Buch darüber geschrieben: Truck-Fahrer sind meine Freunde.
(Damit soll nicht gesagt werden, dass jedes Mädchen oder jeder Junge laut und sehr aktiv sein muss. Einige Kinder sind von Natur aus ruhiger und mögen eher feinmotorische Aktivitäten, was genauso großartig ist. Die Frage ist: Fühlen sich die Kinder frei? Haben sie hochfliegende Pläne oder haben sie Angst?)
Spätestens in der Schule sind Kinder Tests und Beurteilungen ausgesetzt. Und leicht geschieht es, dass Kinder dieses Gefühl – immer die oder der Beste sein zu müssen – auch zu Hause bekommen. Was völlig verrückt ist. Das Leben ist kein Wettbewerb. Und selbst wenn es so wäre, wachsen Kinder klüger und stärker heran, haben eine bessere Auffassungsgabe und mehr Freude am Lernen, wenn sie bis zum Alter von sieben Jahren frei spielen dürfen. Mindestens.
DER FLUCH DER PERFEKTION
Autoren wie Oliver James und JoAnn Deak machen sich ernsthafte Sorgen über den wachsenden Perfektionismus von Mädchen bezüglich ihrer Leistungen – vor allem darüber, dass sie zu gut sein wollen. Es fängt in der Grundschule an mit Hausaufgaben, dem Aussehen, dem Verhalten und sportlichen Leistungen. Mit Beginn der Teenagerjahre kann dies dazu führen, dass Mädchen ihre Figur durch Diäten und exzessiven Sport zu kontrollieren versuchen. Das kann in einem psychischen Zusammenbruch enden.
Neue Forschungsergebnisse haben etwas sehr Alarmierendes offenbart: Die ängstlichsten Mädchen sind heute oft solche mit gebildeten und wohlhabenden Eltern. Der Wunsch der Eltern, dass ihre Töchter erfolgreich sind, verwandelt sich in etwas, was deren Erfolg tatsächlich untergräbt und sie zu sehr unglücklichen jungen Frauen macht.
Wir wissen seit Langem, dass Jungen in den ersten Schuljahren oft benachteiligt sind, weil sie nicht gerne stillsitzen und länger brauchen, um Lesen und Schreiben zu lernen, da sich ihr Gehirn langsamer entwickelt. Wahrscheinlich leiden Mädchen jedoch unter den ebenso schädlichen Folgen des zu frühen formellen Lernens. Mädchen werden sehr oft gelobt, weil sie »gut in der Schule« sind – nicht weil sie sie selbst sind oder das tun, was sie wirklich tun wollen, sondern weil sie gefällig sind und dem entsprechen, was die Lehrer und die Eltern für gut halten. Sie entwickeln das, was Psychologen als »externale Kontrollüberzeugung« bezeichnen: Sie glauben, ihr Glück hänge von der Bestätigung durch andere ab. Darum ist es so wichtig, dass wir unseren Kindern, solange sie unter sechs Jahre alt sind, formales Lernen ersparen und dafür sorgen, dass sie ihre natürliche Fähigkeit zum selbstbestimmten Spiel entwickeln können. Das macht sie zu motivierten, aktiven und kreativen Lernern.
WIE DIE NATUR IHRE INTELLIGENZ ANKURBELT
Vor ein paar Jahren kamen zwei Bücher mit demselben Titel auf den englischsprachigen Markt: Wild. Das eine war eine wahre Geschichte, die auch verfilmt wurde. Berichtet wurde über eine junge Amerikanerin, Cheryl Strayed, die selbstzerstörerisch, abhängig von Männern und Drogen sowie voller Unsicherheit war. Als ihre Mutter plötzlich starb, löste dies einen lebensbedrohlichen Absturz aus. Strayed beschloss, sich selbst zu heilen, nicht durch eine Therapie, sondern durch eine Wanderung, mehrere tausend Kilometer durch die Wildnis, auf dem Pacific Crest Trail. Und: Sie heilte sich selbst.
Das andere Buch stammte von einer großartigen britischen Autorin. Jay Griffiths beschrieb, wie wichtig es ist, Zeit in der wilden Natur zu verbringen und wegzukommen von der künstlichen und abstumpfenden städtischen Lebensweise mit Elektronik, Abgabeterminen und Hetze. Um für das Buch zu recherchieren, lebte Griffiths unter eingeborenen Völkern in aller Welt. Es folgte ein weiteres Buch mit dem Titel Kith. Darin vertritt sie den Standpunkt, dass Kinder ein Heimatterritorium brauchen, eine Landschaft, einen Ort mit sowohl natürlichen als auch vom Menschen gemachten Dimensionen, den sie während ihrer Kindheit ungehindert durchstreifen können. Denn die Bindung zu einem solchen Heimatterritorium sei das Fundament des Wohlbefindens. In einer Welt, in der wir häufig von einer Stadt in eine andere umziehen und in Wohnungen hoch über den Straßen der Stadt leben, ist dies eine ziemlich herausfordernde Idee.
Es ist schwierig, diesen Büchern mit nur wenigen Worten gerecht zu werden, aber beide haben, jedes auf seine Art, weltweit Anerkennung gefunden, weil sie darstellen, wie Frauen Ketten sprengen können und dass die Mädchenzeit gar nicht erst in Ketten gelegt werden sollte.
Eines der wichtigsten Dinge, die Sie über Ihre Tochter wissen müssen, ist, dass sie ein ungezähmtes Lebewesen ist und dies auch bleiben muss, um gesund zu sein und ihr volles Potenzial erreichen zu können. Ab dem Alter von ein oder zwei Jahren ist sie so weit, sich in die Natur zu wagen, Stückchen davon in den Mund zu stecken, zu klettern, herumzustöbern, kleine Tiere zu jagen, Federn zu sammeln, aus Zweigen Häuser zu bauen und mit ihrer inneren Elfe in Kontakt zu kommen. Dabei handelt es sich nicht einfach nur um Zerstreuung oder angenehme Pausen von der kindlichen Realität – diese Erfahrungen sind genau das, wofür die Kindheit da ist. Unser Körper und unser Gehirn brauchen die komplexe und reiche sensorische Welt, die nur die Natur uns liefern kann. Ein rauer Untergrund macht unsere Füße und Beine kräftiger, unser Gehirn wendiger.
STEREOTYPE SPRENGEN
Das frühere Ideal des ordentlichen, gepflegten, hübschen häuslichen Mädchens scheint noch immer zu existieren. Tatsächlich wird es durch die neuen Kleidungsgewohnheiten unseres verrückten Konsumverhaltens noch gesteigert. Wer teure, empfindliche rosa Kleidung trägt, wird nicht im Dreck spielen.
Ich finde, die Begriffe »Kinder« und »Mode« sollte man nie in einem Atemzug nennen. Kinder sollten so angezogen werden, dass sie es warm haben, sich gut bewegen können und ihren individuellen Geschmack entwickeln können, ohne je in die Nähe eines Ladens zu kommen. Es kann Erwachsenen Spaß machen, die Kinder niedlich auszustaffieren, und ein bisschen davon ist auch nicht schädlich, aber es passiert schnell, dass ein Mädchen (oder ein Junge) Selbstbewusstsein mit Aussehen verknüpft, was in unserer Zeit der massiven Ängste über das Aussehen absolutes Gift für ihre geistige Gesundheit ist.
Und dann sind da noch die Spielsachen. Wir sind die kleinen Herde, Waschmaschinen und Spielzeugbügeleisen losgeworden, die man als Mädchen in den fünfziger Jahren hatte, aber sie wurden ersetzt durch falsche Wimpern, Puppen mit Schmollmund und Netzstrümpfen, rosa Prinzessinnen-Outfits (»Eines Tages wird mein Prinz kommen!«) und knappe Tanzkleidung. Kein wirklicher Fortschritt.
Meine Schwester hatte eines dieser Spielzeugbügeleisen! Legte man eine Batterie ein, ging das »On«-Licht an. Mehr passierte nicht. Aber sie konnte das Bügeln üben. Genau wie Mama!
Es ist nicht schlecht, wenn Kinder beiderlei Geschlechts spielen, erwachsen zu sein. Essen zubereiten, Häuser bauen, Familie spielen. Aber wenn eigens dafür Mädchen- und Jungenspielzeug hergestellt wird, haben wir ein Problem.
Die richtige Lösung für diesen sexistischen Unsinn, der Mädchen aufgedrängt werden soll, ist (außer, so etwas nicht zu kaufen), sie schon früh so stark und frei zu machen, dass sie mit acht oder vierzehn Jahren über dieses Zeug nur lachen. Die Antwort lautet also: Mädchen brauchen es, ein Wildfang zu sein! Das lernen sie, indem sie chaotische Kunstwerke produzieren und im Garten verschiedene Sachen bauen, gärtnern und aus Dreck und Blättern etwas kreieren. Und indem Mama und Papa mitmachen. Sie lernen es durch Tanzen und Hüpfen im Wohnzimmer bei lauter Musik mit Mama und Papa und Freunden. Sie lernen es, indem sie Tiere haben, um die sie sich kümmern, und indem sie alle möglichen Pflanzen aufziehen. Und indem sie bei jeder Gelegenheit draußen im Regen, im Wald und am Strand sind. Ermuntern Sie sie, unordentlich, ungehemmt, lebendig und auf Achse zu sein. Beklagen Sie sich nie darüber, in welchen Zustand sie dabei geraten. Wählen Sie Kleidung aus, die schmutzunempfindlich und robust, wasserabweisend oder so fest ist, dass Nässe nichts macht. Und dann gehen Sie sooft Sie können mit Ihrem Mädchen hinaus in die Natur und lassen Sie sie dort herumrennen.
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bodymatter 1.Meine Tochter fürchtet sich vor Schmutz. Sie wagt sich selten hinaus ins Freie.
bodymatter 2.Wir wohnen in einer Wohnung mit sehr wenig Natur in der Nähe.
bodymatter 3.Wir haben einen Garten oder einen Park in der Nähe und gehen manchmal dorthin.
bodymatter 4.Wir gehen hinaus in die Natur, sooft wir können. Wir haben ein Haustier und spielen sehr viel im Freien.
bodymatter 5.Wir leben auf dem Land, sie spielt viel im Wald, und ich muss dann die Zweiglein aus ihrem Haar entfernen.
Und zur inneren Wildheit:
bodymatter 1.Unsere Familie ist ordentlich. Wir sind ruhig. Unser Ziel ist Leistung. Das verlangt Disziplin und da ist kein Platz, herumzumanschen.
bodymatter 2.Gelegentlich gehen wir aus uns heraus und haben dann viel Spaß.
bodymatter 3.Unsere Tochter liebt es, ein kreatives Chaos zu veranstalten mit Farben und Papier, Kleber und irgendeinem Material. Sie ist dann richtig eingesaut, aber in der Badewanne geht alles wieder ab.
bodymatter 4.Die Lieblingsbeschäftigung unserer Tochter ist wildes Tanzen zu lauter Musik in Küche und Wohnzimmer. Da flippen alle aus. Wenn wir einen Berg besteigen, rufen wir ganz laut unsere Namen.
Wenn Sie 1 oder 2 auf beiden Listen angekreuzt haben, keine Panik! Genau dabei soll dieses Kapitel Ihnen helfen.
Beachten Sie bitte: Wildheit sollte nicht verwechselt werden mit Chaos, Unordnung oder einem Mangel an Routineabläufen. Kinder und Familien funktionieren am besten mit Grenzen und Strukturen. Sie können nur wirklich wild und ausgelassen sein, wenn Sie wissen, wo die Grenzen sind, und wenn auf dem Boden im Bad keine Katzenkacke liegt – zumindest nicht von letzter Woche. Und vor allem nicht, wenn Sie gar keine Katze haben!
bodymatter
Es können nicht alle neben einem Wald oder Strand oder in einem Dorf wohnen, wo sie ihre Kinder mit sieben Jahren gefahrlos mit Freunden herumspazieren lassen können. Wo sie Feuer machen, einen Unterschlupf bauen und mit Papa Tiere beobachten können. Aber spüren Sie, wie wunderbar und befreiend eine solche Kindheit sein könnte? Können Sie Ihrer Tochter etwas davon nahebringen? Auch in der Stadt gibt es Abenteuer, und die Natur lässt sich finden, und wenn es nur an Feiertagen und in den Ferien ist. Schaffen Sie also sooft es geht Gelegenheiten dazu. Viele Frauen erinnern sich daran, wie sie als Kind überglücklich waren, als sie das erste Mal an einem einsamen Strand waren oder mit Mama und Papa einen Berg bestiegen, von wo sie kilometerweit herumschauen konnten und der Wind ihr Haar zerzauste.
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Unsere Tochter hat im Garten stundenlang mit Ästen, Kieselsteinen, Blättern und seltsamen Insekten gespielt (und bei uns gab es Schlangen, bis zu ein Meter lange Echsen, aus der Luft herabschießende Vögel und manchmal Habichte oder Adler). Ihre Aufmerksamkeit hielt den ganzen Tag lang an. Sie dachte sich Geschichten aus, sprach die Dialoge der Figuren und unterbrach nur hin und wieder, um uns etwas zu zeigen oder etwas zu essen oder zu trinken.
Jasmine, 37
Erkennen Sie, wie die Summe dieser Erfahrungen Ihre Tochter – wenigstens ein bisschen – immun machen kann gegen die Dummheiten der sozialen Medien oder dagegen, sich zu schminken und Gedanken darüber zu machen, für die Jungen attraktiv genug zu sein? Immun dagegen, mit Freunden schlecht umzugehen? Immun dagegen, mit fünfzehn Jahren Drogen zu nehmen, um sich gut zu fühlen?
Am besten lernt sie das Wildsein natürlich von Ihnen. Wenn Sie ihr eine freie und üppige Natur zeigen, lachen, singen, tanzen, das Leben lieben, wird sie all das so natürlich lernen wie das Atmen. Sie wird kompetente, fürsorgliche, beschützende Menschen sehen, die dennoch ungehemmt, unkonventionell und ungezähmt sind. Die den Augenblick genießen und sie aus der Zurückhaltung in die Fülle führen.
DIE HILFREICHE ROLLE DER VÄTER
Väter können Mädchen bei der Entdeckung ihres Forschungsdrangs ungemein helfen. Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass Väter mit ihren Töchtern abenteuerlicher, aktiver und mit mehr Körpereinsatz spielen als Mütter. Sie nehmen die Kinder mit in die freie Natur und zu riskanteren Aktivitäten. (Und sie haben mehr Unfälle, seien Sie also vernünftig!) Mit ihren Vätern werden Töchter am Strand von Wellen umgeworfen, schürfen sich die Knie auf, balgen, rennen und klettern mehr. Innerhalb vernünftiger Grenzen können Mädchen dadurch stressresistenter und mutiger werden. Was aber noch besser ist: Sie fühlen sich in männlicher Gesellschaft wohler und sind in der Lage, sich auf eigene Faust mit Jungen zu treffen. Also, Väter – beschäftigen Sie sich mit Ihren Töchtern! (Weiter hinten gibt es ein ganzes Kapitel dazu.)

Die Hyänen fernhalten

Kleine Kinder nehmen die Welt um sich herum ganz bewusst wahr. Daher müssen wir uns vor den Medien schützen, die unsere Wohnungen überfluten – Fernsehen, Internet und Zeitschriften –, sowie vor der allgegenwärtigen Werbung, die sie überall auf der Straße, in Schaufenstern und Einkaufszentren sehen.
Werbung kann Mädchen zufällig oder zielgerichtet beeinflussen. In beiden Fällen ist die Botschaft fast immer schädlich für ihr emotionales Wohlbefinden und ihr Selbstbild. Wir können entscheiden, was wir in unsere Wohnung hereinlassen, und wenn unsere Mädchen älter werden, können wir sie für das, was auf sie zukommt, wappnen. Wir können die Hyänen aussperren, bis unsere Töchter gelernt haben, selbst mit ihnen fertig zu werden.
bodymatter
Als unsere Tochter gerade einmal drei Jahre alt war, spielte sie auf dem Teppich vor dem Fernseher. Wir saßen da und unterhielten uns über irgendetwas, als wir klar und deutlich ihre Stimme hörten. Sie schaute auf den Fernseher. »Wie nett! Der Mann liebt sie jetzt wieder, weil sie dünn ist.« Meine Frau und ich beeilten uns, den Fernseher auszuschalten und dabei lässig und entspannt zu wirken. Wir hatten ein sehr starkes »Grrr«-Gefühl. Unsere Tochter hatte einen Werbespot gesehen, bei dem Vorher-Nachher-Fotos von pummeligen Menschen gezeigt wurden. Und sie hatte jedes Wort aufgenommen: Liebe = schlank, Frau = Dekoration, Ehe = Lebensziel. Grrrrr!
June, 33, und Daniel, 33
bodymatter
Ich stand im Schlafzimmer und suchte ein Outfit für den nächsten Tag aus. Meine Zweijährige war bei mir und beobachtete jede meiner Bewegungen. Ich wählte meine schwarze Schlankmacher-Taillenjeans, so eine, in die man nur mit einigen Verrenkungen hineinkommt. Da bemerkte ich, wie mein kleines Mädchen seinen Hintern vor dem Spiegel bewegte. Sie blickte über ihre Schulter und gaffte auf ihren windelgepolsterten Po, genau wie ich auf meinen in der Jeans – die altbekannte Geste des »Sieht mein Hintern darin dick aus?«. Ich war so schockiert, dass ich hätte heulen können.
Claire, 39
Vor etwa fünfzehn Jahren wurden die Mädchen von der Geschäftswelt als Zielgruppe entdeckt. Marketingfachleute sahen hier eine unerschlossene Bevölkerungsgruppe, ein völlig ungeschütztes Ziel für die Werbung. Große Unternehmen arbeiten regelmäßig mit Kinderpsychologen zusammen, die sie über die besten Möglichkeiten beraten, wie sie Kinder ausbeuten und ihnen, falls nötig, schaden können. Ja, ob große Tabak-, große Alkoholfirmen oder sonstige gewissenlose Unternehmen, alle lassen sich von Psychologen unterstützen. Und alle laufen wissenschaftlich fundiert zu Höchstform auf. So wird beispielsweise versucht, mit harmlos aussehender alkoholhaltiger Limonade Teenagern den Alkoholkonsum schmackhaft zu machen.
Ich muss Ihnen nun nicht lang erzählen, dass Werbetreibende Millionen in ein neues Ziel investiert haben: Mädchen zwischen neun und zwölf Jahren, englisch als »pre-teen girls« bezeichnet. Als würde man mit elf Jahren nur darauf warten, Teenager zu werden, und als habe dieses Alter für sich genommen keinen Wert. (Kinder sind nicht »vor« irgendetwas. Sie sind, wer sie sind, und sollten das auch sein dürfen.)
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Diese Werbetreibenden waren höchst erfolgreich. 40 Prozent der zehnjährigen Mädchen machen sich heute Sorgen um ihr Gewicht und verändern aktiv ihre Essgewohnheiten bei den erfolglosen und schädlichen Versuchen, ihre Figur zu verändern. Das ist traurig, weil alle Mädchen sechs Monate vor dem Beginn der Pubertät etwas pummeliger werden, was auch nötig ist, damit sich genügend Östrogen bilden kann. Zu früheren Zeiten wusste und begrüßte man das. (Heute hingegen sagen auf das Aussehen bedachte Mütter und gedankenlose Väter: »Wow, du wirst ganz schön dick!«)
Und so geht es weiter. Die Mädchenzeit hat vier wertvolle, kreative Jahre eingebüßt, in denen eigentlich das Selbstvertrauen in Schwung kommt. Zehnjährige sind modebewusst (oder genauer gesagt »modebegierig«). Zwölfjährigen ist es entsetzlich peinlich, wenn sie die falsche Marke tragen oder das falsche Erfrischungsgetränk trinken. Vierzehnjährige geben ihr Taschengeld für Make-up aus, das sie ganz offensichtlich nicht brauchen. Und eines von zwölf Mädchen entwickelt eine Essstörung bei dem Kampf, das unerreichbare Körperideal der Modezeitschriften zu erreichen. Ihr Gewicht steigt und fällt wie ein Jo-Jo bei Diäten, die ihren Stoffwechsel in den Panikmodus versetzen.
Sechzehnjährige betteln bei ihren Eltern um eine Brustvergrößerung oder Labioplastik (ja, damit ist genau das gemeint, was Sie jetzt denken). Und so geht es weiter.
Es gibt nur eine Möglichkeit, das zu verhindern: Der Medien-Tsunami muss direkt vor der eigenen Haustür gestoppt werden. Es beginnt bei Ihnen.
Bei meinen Zuhörern gingen etwa 98 Prozent der Hände nach oben. Nur zwei von hundert würden also Antwort 3 ankreuzen. Aber Antwort 3 müssen wir geben können, wenn wir unseren Töchtern helfen wollen, diesem Schicksal zu entgehen. Hier eine persönliche Geschichte aus meiner eigenen Jugend.
EIN EXPERIMENT FÜR SIE
Wie würde Ihr Leben sein, wenn Sie jetzt sofort beschließen würden, Ihren Körper so zu lieben, wie er ist? Wie würde sich das anfühlen? Könnte das dazu führen, dass Sie freundlicher zu sich selbst sind, vielleicht sogar gesünder leben würden? Sehen Sie, dass dies an keine Bedingung geknüpft ist (abzunehmen oder die Nase korrigieren zu lassen), sondern dass sich Ihr Denken verändern sollte? Einfach die harte, beurteilende Haltung aufgeben, die Sie gegenüber Ihrem eigenen Körper haben, und ihn für das Wunder wertschätzen, das er ist. Können Sie auch sehen, dass Sie durch diese Änderung Ihrer Tochter das Leben retten könnten?
Eines Tages, wahrscheinlich noch bevor sie ein Teenager ist, werden Sie Ihre Tochter sagen hören: »Ich hasse meinen Körper.« Schrecklich, das zu hören. Und Sie werden ihr sagen wollen: »Du bist schön! Du siehst großartig aus!« Aber Sie werden nicht sehr glaubwürdig sein, wenn Ihre Tochter ihr Leben lang gesehen hat, dass Sie sich Sorgen über Ihr Gewicht, Ihre Haut, Ihr Haar, Ihr Aussehen und Ihre Kleidung gemacht haben.
bodymatter
Ich bin dünn – richtig dünn. Irgendwie mag ich mich so: Mein Körper ist stark und macht so gut wie alles, was ich von ihm verlange. Ich liebe meinen Körper, weil er erstaunlich ist und mich durch 60 Jahre getragen hat. Aber als Teenager war ich mit meinem Aussehen sehr unglücklich. Unsere Schule war arm, und im Sommer gingen wir an den Strand zum Schwimmunterricht. In der Umkleide versteckte ich mich und kam nicht heraus, zog kein Stück von meiner Kleidung aus, bis alle Schulkameraden Richtung Wasser verschwunden waren. Ich hielt mich im Wasser abseits von den anderen (vor allem den Mädchen). Ich hasste das Aussehen meines Körpers, und Training änderte daran nicht viel. Was ich damit sagen will: Alle Teenager machen diese Phase durch. Wir wollen alle toll aussehen. Aber heute ist der Druck viel höher. Daher müssen wir dafür sorgen, diesen Druck aus unseren Familien fernzuhalten. Und das fängt bei Ihnen an – der Mutter oder dem Vater.
Steve, 63
Wenn Sie mehr als zwei Fragen angekreuzt haben, gibt es Anlass, ernsthaft nachzudenken, denn es scheint, als wäre das Aussehen für Sie wirklich wichtig. Das kann für Sie unbedenklich sein, aber für Ihre Tochter kann es in der heutigen Welt gefährlich werden.
Überlegen Sie, was Sie sich für Ihre Tochter wünschen. Eines Tages wird in der Schule ein Junge, irgendein Blödel, der sie wahrscheinlich gerne mag, auf dem Pausenhof zu ihr sagen: »Du bist fett!« Sie wird sich ihm zuwenden, ihren Kopf schütteln und sagen: »Ich liebe meinen Körper. Ich wette, ich kann schneller zum Zaun laufen als du«, und sie werden losrennen. Oder er wird sich als totaler Idiot entpuppen, der die zweite Chance gar nicht verdient, die sie ihm gegeben hat. Und sie wird kein Wort mehr mit ihm sprechen.
Wichtig dabei ist, dass ihr Selbstvertrauen bereits so stark ist, dass sie ihn als genau das sieht, was er ist: unbedarft und schlecht erzogen. Sie wird aber nur so reagieren können, wenn sie erlebt hat, dass Sie genau diese Worte gesagt haben: »Ich liebe meinen Körper.«
Zuerst müssen also Sie die Kurve kriegen. Sie geben alle fixen Ideen über Äußerlichkeiten auf und befassen sich mit wichtigeren Dingen.
Kringeln Sie den folgenden Ausspruch ein, wenn Sie damit einverstanden sind. Andernfalls kann er wenigstens für Ihre Tochter ein Leitsatz werden, dem sie stolz folgen kann.
»Ich glaube, ich muss aufhören, meinem Aussehen und dem anderer Menschen in meiner Umgebung so viel Bedeutung beizumessen. Es gibt Wichtigeres im Leben. Ich will, dass meine Tochter ihren Körper liebt, also muss ich meinen auch lieben.«
Gut gemacht! Ich würde das Buch jetzt weglegen, an die frische Luft gehen und singen. Es ist ein großer Durchbruch, das anzuerkennen. Ihr Therapeut würde Sie dafür umarmen!
Aber falls Sie noch da sind, ich bin es auch. Sobald wir vor unserer eigenen Tür gekehrt haben, ist das schon die halbe Miete. Es folgt der nächste Schritt: Was die Welt unsere Töchter lehrt.
Es ist nur eine Meinung, aber ich würde sagen, wenn Sie irgendwo südlich von Punkt 2 Ihre Kreuzchen gemacht haben, gibt es ein Problem. Denn ein eingeschalteter Bildschirm im Wohnzimmer bewirkt mehrere Dinge, die Ihre Familienzeit ernsthaft verändern. Erstens wird eine Unterhaltung dadurch gehemmt. Sie werden nicht mehr als ein paar Sätze miteinander reden, weil das, was auf dem Bildschirm geschieht, Ihre Aufmerksamkeit auf sich zieht oder, noch bedeutsamer, die Fähigkeit zum Zuhören beeinträchtigt. Niemand wird etwas Tiefgründiges oder Wichtiges ansprechen, weil die Atmosphäre dafür nicht passt. Das Ergebnis, zumindest in diesem Teil des Hauses, ist, dass Paare nicht miteinander kommunizieren, Kinder sich nicht anvertrauen, Themen nicht besprochen, Neuigkeiten nicht mitgeteilt werden.
Es gibt noch einen anderen überraschenden und alarmierenden Effekt, der kürzlich ans Licht kam. Studien bestätigen, was Lehrern zuerst auffiel: Es kommen Kinder in die Schule, die kaum sprechen können. Sie können keine Sätze bilden. Sie äußern lediglich hier und da ein paar Worte. Sie können keine Geschichte erzählen, nicht einmal den Satz: »Wir waren mit Mama einkaufen, ich habe eine neue Spielzeugeisenbahn bekommen.« Sie können kein Gespräch führen. Dies geschieht überall auf der Welt. Die Schwierigkeit vieler Kinder beim Lesenlernen wird inzwischen umgedeutet als Unfähigkeit, Wörter miteinander zu verbinden. Kurze Äußerungen, bei denen die Grammatik keine Rolle spielt und die nirgendwohin führen, sind alles, was von der Fähigkeit übrig geblieben ist, die die meisten Fünfjährigen früher hatten: lange Geschichten interessant zu erzählen. Und wenn ein Kind das nicht kann, kann es auch nicht denken oder schlussfolgern. Der Grund dafür ist, dass die Menschen zu Hause nicht mehr genügend mit ihren Kindern sprechen. Und zuschauen ist nicht dasselbe, auch nicht, wenn im Fernseher gesprochen wird. Es ist nicht interaktiv. Niemand erwartet, dass die Kinder antworten, und daher lernen sie es nicht.
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Kleinst- und Kleinkinder können nicht einmal richtig spielen, wenn in ihrer Hörweite der Fernseher läuft. In einem stillen Raum erfinden Kleinkinder Dialoge und lassen ihre Puppen oder Actionfiguren in langen und ausführlichen Szenen miteinander sprechen. Wenn jedoch ein Fernseher oder Radio läuft, machen sie das nicht. Ihre Aufmerksamkeitsspanne und ihre Fantasie können sich nicht entwickeln.
Und zuletzt das große Problem, auf das alle sich fokussieren: Wie die Medien das Selbstbild Ihrer Tochter beeinträchtigen. Wenn im Wohnzimmer ständig der Fernseher läuft, in Zeitschriften, auf Plakatwerbung und online sieht Ihre Tochter jeden Tag viele tausend Bilder von Frauen, die hübsch aussehen, dekorativ, gepflegt und dünn sind. Ist es dann verwunderlich, dass sie – bewusst oder unbewusst – denkt, so müsse man sein? Sie stellt Vergleiche mit ihrem Aussehen an, und schrittweise kommt die Verzweiflung. Nach relativ kurzer Zeit führen die Werbebotschaften dazu, dass sie sich selbst als Produkt sieht und dass sie die Produkte in den Läden als Mittel dazu sieht, selbst ein besseres Produkt zu werden. Sie kommt zu dem Schluss, dass die Tatsache, wie man aussieht, wichtiger ist als die, wie man sich fühlt oder wie man agiert. Dass eine Frau eine Sache ist, die prüfend gemustert und benutzt wird.
Soziale Medien, Selfies und schließlich Dating-Apps und Sexting bauen darauf auf. Dabei kann ein Mädchen sich zunehmend schlechter fühlen. Bei Eltern, die sich viele Gedanken über ihr Aussehen machen, und einer auf Äußerlichkeiten fixierten Kultur eigentlich kein Wunder, dass Mädchen Probleme mit ihrem Aussehen und ihrem Körper haben!
WAS ALSO IST ZU TUN?
Es gibt sehr viel, was Sie tun können:
1.Ins Kinderzimmer gehört niemals ein Fernseher.
2.Handys, iPads oder Computer gehören nie online ins Schlafzimmer, bevor die Kinder mindestens sechzehn Jahre alt sind.
3.Schauen Sie sich im Fernsehen nur ausgewählte Sendungen an und schalten Sie danach aus.
4.Essen Sie gemeinsam an einem Tisch und führen Sie dabei eine unbeschwerte, leichte Unterhaltung.
5.Machen Sie Klamotten-Shopping nicht zu einer wichtigen Freizeitbeschäftigung der Familie oder zu einer Gelegenheit, eine Bindung aufzubauen.
6.Fördern Sie alle anderen Dinge im Leben, die so viel mehr Spaß machen, als in den Spiegel zu schauen.
Das sind nur ein paar Ideen.