„Ich soll was tun?“, fragte Nikos Vassilis und sah den alten Herrn am Schreibtisch stirnrunzelnd an.
Yiorgos Coustakis ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. Auch mit achtundsiebzig Jahren war er immer noch ein beeindruckender Mann und sein Blick noch genauso durchdringend wie in seinen Jugendtagen. Er war kalt, berechnend und rücksichtslos und glaubte, dass alles seinen Preis hätte … ganz besonders die Menschen. „Sie haben mich genau verstanden. Wenn Sie meine Enkelin heiraten, werde ich einer Fusion nicht im Wege stehen.“
„Das soll ich Ihnen glauben?“, antwortete Nikos ruhig.
Der alte Grieche zuckte die Schultern. „Das sollten Sie besser, denn so lautet die Bedingung für das Geschäft. Und Sie wollen doch eins abschließen, stimmt’s? Oder sind Sie viertausend Meilen nur zum Spaß hierher geflogen?“
Sein Besucher betrachtete ihn ausdruckslos. In Yiorgos Coustakis’ Gegenwart Gefühle zu zeigen war ein schwerer Fehler – egal, worum es auch ging. Nikos würde ihm nie verraten, wie aufgebracht er gewesen war, als der Aufsichtsratsvorsitzende des Coustakis-Firmenimperiums ihn mitten in der Nacht angerufen und ihm praktisch die Pistole auf die Brust gesetzt hatte. Wenn er das Geschäft zum Abschluss bringen wollte, hatte er sich einen Tag später um neun Uhr morgens in Athen einzufinden!
Was für eine Unverschämtheit! Wenn es nicht Yiorgos Coustakis gewesen wäre, hätte er, Nikos, einen Wutanfall bekommen, denn zum Zeitpunkt des Anrufs hatte er gerade mit Esme Vandersee im Bett gelegen, und sie hatten ganz bestimmt nicht geschlafen! Aber der alte Grieche hatte nun einmal Vorzüge, mit denen sogar Esme, die Königin des Laufstegs, nicht mithalten konnte.
Aber die Bedingung war hart. Sollte er wirklich seine Freiheit aufgeben und eine Frau heiraten, die er noch nicht einmal kannte? War es das wert?
Nachdenklich sah er aus dem Fenster, aber er hatte keinen Blick für die atemberaubende Aussicht auf die Stadt Athen. Er kannte diesen lauten, verschmutzten Moloch nur zu gut, denn er war dort aufgewachsen und durch eine harte Schule gegangen.
Er hatte seinen Vater nie kennengelernt und mit seiner Mutter in ärmlichen Verhältnissen gelebt. Doch er hatte nie aufgegeben und seinen Weg gemacht. Jetzt, mit vierunddreißig Jahren, hatte er es geschafft. Der Kampf war erbarmungslos und lang gewesen, aber der Triumph dafür umso süßer.
Nun konnte er dem Ganzen noch die Krone aufsetzen … und zwar, indem er bei Coustakis Industries Fuß fasste.
„Ich hatte an einen Aktientausch gedacht“, sagte er schließlich gelassen.
Er hatte es schon von langer Hand geplant. Eigentlich war es ganz einfach: Er würde seine Firma Vassilis Inc. in das wesentlich größere Coustakis-Imperium eingliedern und im Gegenzug dafür Aktien erhalten. Dafür müsste er dem alten Mann finanziell natürlich sehr entgegenkommen, aber auch damit hatte Nikos gerechnet. Er wusste nämlich, dass Yiorgos Coustakis gern verkaufen würde, da es mit seiner Gesundheit nicht zum Besten stand – was er allerdings offiziell nie zugeben würde. Ein für ihn vorteilhaftes Millionendollargeschäft kam da natürlich gerade recht, damit er sein Gesicht wahren konnte.
Doch die Enkelin hatte er, Nikos, nun gar nicht auf der Rechnung gehabt. Ganz im Gegenteil: Er hatte noch nicht einmal eine Ahnung gehabt, dass der alte Mann überhaupt eine hatte!
Eins zu null für dich, dachte Nikos bewundernd. Sein Gegner mochte zwar angeschlagen sein, aber er konnte seinem Rivalen immer noch das Wasser reichen!
„Ich bin mit dem Aktientausch einverstanden“, sagte Yiorgos Coustakis kühl, „und ich werde an Ihrem Hochzeitstag alles in die Wege leiten.“
Nikos’ Gedanken rasten. Was sollte er tun?
„Also?“, fragte der alte Grieche ungeduldig.
„Ich werde es mir überlegen“, erwiderte Nikos, stand auf und ging zur Tür.
„Wenn Sie jetzt mein Büro verlassen, ist das Geschäft gestorben.“
Nikos hielt inne und wandte sich um. Eins wusste er genau: Yiorgos Coustakis bluffte niemals. Einen Moment lang blickten sich die beiden Männer in die Augen, und dann ging Nikos langsam zum Schreibtisch, nahm den goldenen Füller, den Yiorgos Coustakis ihm reichte, und unterzeichnete den Vorvertrag.
Schweigend drehte er sich dann um und verließ das Büro.