Als Odo vom Vakuum des Weltraums zum Loch in der Hülle gezerrt wurde, schien sich der lockende schwarze Kreis wie die Pupille eines riesigen Auges zu erweitern. Der verschwundene Horta hatte einen zylindrischen Tunnel mit glatten, runden Rändern hinterlassen, doch Odo, der hilflos von der explosiven Dekompression mitgerissen wurde, empfand keinerlei Bewunderung für die fast makellose Form. Etwas Spitzes oder Kantiges wäre ihm lieber gewesen, um sich daran festhalten zu können.
Er hörte, wie ihm die übrigen Hortas polternd folgten und gegen die Wand krachten. Sein Geist schätzte die Gefahr fast mit Überlichtgeschwindigkeit ein. Er hoffte, dass die Hortas sich gegenseitig behinderten, so wie es schon an der Tür zur Suite geschehen war. Damit hätte er jedoch bestenfalls ein oder zwei Sekunden gewonnen. Wenn er nicht unverzüglich handelte, würden sie alle in den Weltraum hinausgeweht, bevor man in der Zentrale überhaupt bemerkt hatte, dass sie verschwunden waren. Odo wusste, dass er außerhalb der Station eine gewisse Zeit überleben konnte. Aber er bezweifelte, dass die Hortas dazu in der Lage waren.
Also war es ein Wettlauf zwischen dem orkanartigen Wind und seinen gestaltwandlerischen Fähigkeiten. Er streckte und dehnte sich, während er gleichzeitig seine Substanz von innen nach außen verhärtete. Das Loch füllte jetzt sein gesamtes Blickfeld aus, während er darauf zuraste. Dahinter erkannte er weit entfernte Sterne in der eisigen Schwärze des Alls. Er versuchte sich der Form und Größe des Lochs anzupassen. Es kam immer näher, und er hatte das Gefühl, horizontal in einen bodenlosen Abgrund zu stürzen. Jetzt kommt es drauf an, dachte er.
Odo ähnelte inzwischen einem riesigen Pfannkuchen, pechschwarz in der Mitte, aber immer noch feucht und gelb an den Rändern. Dann wurde er mit einem heftigen Ruck in den Tunnel gesaugt, aber seine klebrigen Tentakel griffen um den Saum des Loches und ließen nicht mehr los. Jetzt arbeitete die Kälte zu seinem Vorteil, denn sie half ihm dabei, sich komplett zu verfestigen, so dass er einen Flicken über dem Leck in der Außenhülle bildete. Odos Halt lockerte sich, aber er strengte sich an, ihn nicht zu verlieren.
Dann stieß der erste Horta gegen ihn. Odo wurde von dem plötzlichen Aufprall erschüttert. Ein zweiter felsartiger Körper traf ihn in die Mitte, worauf weitere Einschläge folgten. Er hatte einmal von einer alten Bestrafungsmethode der Menschen gehört, die sich ›Steinigen‹ nannte. Jetzt wusste er, wie es sich anfühlte. Die Hortas hätten ihn fast losgerissen, doch Odo konzentrierte sich mit aller Kraft auf die Beibehaltung seiner gegenwärtigen Gestalt, bis sein ganzer Körper so hart und unnachgiebig wie Tritanium geworden war. Er verschloss das Loch wie eine dunkle, tellerförmige Scheibe. Erst nachdem er sich fest verankert hatte, drängte sich eine erschreckende Vorstellung in seine Gedanken: Was war, wenn die Hortas sich durch ihn hindurchätzten? Er wartete bereits darauf, dass der brennende Schmerz einsetzte.
Nichts. Odo zählte bis zehn, doch nichts geschah, keine Säure, die ihn zerfraß. Nachdem das Leck versiegelt war und der Sog aufgehört hatte, krochen die Horta-Babys in die Sicherheit der Suite zurück. Sie fragten sich zweifellos, wo ihre Mutter abgeblieben war, schätzte Odo, aber vielleicht hatten sie durch das Schicksal ihres Artgenossen eine harte Lektion gelernt: dass es nämlich im Innern der Station sicherer war und sie sich auf keinen Fall nach draußen graben durften. Er fragte sich, ob im Raum noch genügend Luft übrig war, um die Hortas am Leben zu erhalten, doch dann erinnerte er sich, dass die Atmosphäre von Janus VI künstlich von den menschlichen Siedlern geschaffen worden war. Wahrscheinlich benötigten die unterirdisch lebenden Hortas gar keinen freien Sauerstoff.
Wenn die automatischen Sicherheitseinrichtungen so funktionierten, wie sie es eigentlich sollten, hätte das Leck inzwischen versiegelt sein müssen, so dass er sich aus seiner unbequemen Lage befreien und schnellstens von hier verschwinden konnte. Aber das, murrte er in Gedanken, wäre wohl zuviel verlangt.
»Ein Leck in der Außenhülle des Habitatrings«, gab Lieutenant Eddon ohne Vorwarnung bekannt. »Atmosphärenverlust.«
»Sehen Sie zu, dass es versiegelt wird«, befahl Sisko. Er hoffte verzweifelt, dass die Geschütztürme nicht dadurch beeinträchtigt wurden und dass Jake sich nicht in der Nähe des Bruchs aufhielt.
»Ich versuche es, Sir«, sagte die Andorianerin, »aber die automatischen Sicherheitsmechanismen scheinen nicht zu funktionieren … Warten Sie!« Sie blickte überrascht von ihrem Monitor auf. »Irgendwie wurde das Leck geschlossen, aber dafür war keins der Notsysteme verantwortlich.« Ihre schlanken blauen Finger bewegten sich über die Kontrollen. Dann riss Eddon die Augen auf, als sie die eingehenden Datenströme interpretierte. »Commander, die Sensoren zeigen an, dass die Versiegelung organisch ist. Oder etwas in der Art.«
Odo, erkannte Sisko, während Sanger weitere Informationen durchgab. »Das Leck befindet – befand sich in einem evakuierten Sektor. Die Sicherheit meldet, dass Constable Odo und mehrere der Hortas sich offenbar in diesem Bereich aufhalten.«
»Vielen Dank, Fähnrich, aber das habe ich mir bereits gedacht.« Sisko lehnte sich gegen das Geländer. Wenn das hier ein Raumschiff wäre, dachte er, hätte ich einen Kommandosessel, in dem ich Platz nehmen könnte. »Eddon, reaktivieren Sie die Systeme über die angrenzenden Decks. Wir müssen davon ausgehen, dass die Hortas die Schaltkreise im betreffenden Bereich zerstört haben. Sobald das Leck geschlossen ist, fixieren Sie den Transporterstrahl auf dieses ›organische‹ Siegel und beamen Odo direkt in die Zentrale. Sofern der Transporter noch funktioniert.«
»Bis jetzt, ja«, erwiderte sie missmutig.
»Lassen Sie die Flitzer starten«, sagte er zu ihr. Beide Schiffe verfügten über begrenzte Transporterkapazitäten, und er wollte sie außer Reichweite der Hortas bringen. Diese Schiffstransporter sind demnächst vielleicht alles, was ich noch zur Verfügung habe, dachte er, wenn ich keine Möglichkeit finde, Ttans Kinder irgendwie unter Kontrolle zu bringen. »Sagen Sie den Piloten, sie sollen in Transporterreichweite zu DS Nine bleiben.« Er holte tief Luft, bevor er sich mit weiteren Planungen für den schlimmsten Fall befasste.
»N'Heydor«, befahl er dem centaurischen Techniker, »lassen Sie jeden, der nicht zum ständigen Stationspersonal gehört, von DS Nine evakuieren. Ich will, dass alle Besucher auf ihre Schiffe zurückkehren und dass diese Schiffe sich von der Station entfernen, in spätestens fünfundvierzig Minuten. Falls die Hortas irgend jemandem den Weg versperren, sollten die Leute direkt in ihre Schiffe gebeamt werden.«
»Ja, Sir«, sagte N'Heydor. Wie alle Centaurier sah er aus, als wäre er auf der Erde geboren und aufgewachsen, vielleicht irgendwo in Griechenland oder Italien. Er war ein zuverlässiger und pflichtbewusster Offizier, der seit dem Augenblick Dienst auf DS Nine tat, als die Station von der Föderation übernommen worden war.
»Die Cardassianer dürften es irgendwann bemerken, wenn wir Evakuierungsmaßnahmen treffen«, warf Sanger ein. Er wird eines Tages ein guter Erster Offizier sein, dachte Sisko, wenn er nicht irgendwann dem falschen Admiral auf die Füße tritt. Er fragte sich, ob Kira dem jungen Mann beigebracht hatte, die Gedanken seiner Vorgesetzten vorwegzunehmen.
»Ich hoffe, die Horta ist jetzt ohnehin schon außer Gefahr«, bemerkte Sisko trocken.
»Die Versiegelung steht«, stellte Eddon fest. »Ich beame jetzt die organische … ich meine, Constable Odo in die Zentrale.«
Sisko blickte nach rechts. Die kleine Transporterplattform summte, während sich das Energiefeld aufbaute. Er blinzelte, als plötzlich eine helle Säule aus weißem Licht über der Basis des Transporters entstand. Dann verblasste das Licht und ließ eine schwarze, metallisch wirkende Scheibe auf der Plattform zurück, die aus der Senkrechten umkippte und mit einem dumpfen Schlag auf der Seite landete. Die Masse, die wie eine gestrandete Qualle aussah, wuchs nach oben und bildete die vertrautere Gestalt von Odo aus. Der Sicherheitsoffizier blickte sich zur Orientierung um. »Das wurde auch Zeit«, sagte er mürrisch. »Kann ich also davon ausgehen, dass die Suite gesichert ist?«
»Wir sind ebenfalls erleichtert, Sie zu sehen«, erwiderte Sisko. »Sind auch die Hortas noch am Leben?«
»Alle bis auf einen«, teilte Odo ihm mit. »Ein Horta wurde durch das Leck in den Weltraum gerissen, bevor ich es schließen konnte.« Sein mürrischer Ausdruck verwandelte sich in Bedauern. »Ich hätte schneller reagieren müssen.«
»Ich bin sicher, dass Sie Ihr möglichstes getan haben«, sagte Sisko leise. Er wusste, wie ernst Odo seine Verantwortung nahm. Dann wandte er sich in lauterem Tonfall an den andorianischen Lieutenant. »Eddon, versuchen Sie den verschwundenen Horta zu lokalisieren. Er müsste irgendwo in unmittelbarer Nähe von DS Nine im All treiben. Beamen Sie ihn direkt in die Krankenstation. Benachrichtigen Sie Schwester Kabo, dass sie vielleicht einen neuen Patienten bekommt.«
»Glauben Sie wirklich, es besteht die Chance, dass der Horta überlebt haben könnte?«, fragte Sanger.
»Wer kann das bei einem Horta schon genau sagen?«, fragte Sisko zurück. »Es scheint kaum etwas zu geben, was schädlich für sie ist.« Er trat zu Odo. Dem Gestaltwandler war überhaupt nicht anzusehen, was er gerade durchgemacht hatte. Doch dann rief Sisko sich ins Gedächtnis, dass Odo jede Schnittwunde, Prellung oder sonstige Verletzung und sogar zerstörte Kleidung im Nu wieder glätten konnte. Wahrscheinlich musste er nicht einmal sein Haar kämmen. »Constable, wie steht es um die anderen Hortas?«
»Sie sind in einer unbesetzten Suite eingesperrt. Ich glaube, dass ich alle zusammentreiben konnte, obwohl ich mir nicht absolut sicher bin. In meiner Situation war es mir nicht ohne weiteres möglich, in aller Ruhe ihre Köpfe zu zählen.«
»Verstanden«, sagte Sisko. Er wollte Odo von den Schäden an den Geschütztürmen berichten, doch Sanger schnitt ihm das Wort ab.
»Ich fürchte, sie sind keineswegs eingesperrt«, platzte er heraus und erbleichte, als er Odos strengen, tadelnden Blick bemerkte. »Die Hortas haben sich wieder in Bewegung gesetzt.«
»Aber die Schilde …!«, warf Odo ein.
Sanger zuckte nervös die Schultern. »Sie scheinen die Hortas nicht aufzuhalten, Sir.«
Sisko ballte die Hände zu Fäusten, konnte sein Gesicht jedoch mit einem maskenhaften Ausdruck unter Kontrolle halten. »Wo sind sie jetzt?«
N'Heydor antwortete, ohne den Blick von seinem Monitor abzuwenden. »Alle noch übrigen Hortas bewegen sich vom Habitatring genau auf das Verbindungssegment drei zu. Commander, ich glaube, sie kehren alle auf einmal in den zentralen Bereich zurück.«
Ich stand noch nie einem hungrigen Horta von Angesicht zu Angesicht gegenüber, dachte Sisko. Es sieht so aus, als würde sich die Gelegenheit dazu früher ergeben, als ich geplant hatte.
Verdammt!
Miles O'Brien hasste Jogging, aber er eilte in einem schnellen Dauerlauf zur Zentrale zurück. Sein breites Gesicht war von der Anstrengung gerötet, und er keuchte schwer, während er spürte, wie ein stechender Schmerz in seiner Seite einsetzte. Solange die Hortas immer noch in den ohnehin nicht sehr zuverlässigen Innereien von DS Nine Amok liefen, verspürte er keinen besonderen Drang, seine Moleküle den Stationstransportern anzuvertrauen. Wenn man so intensiv mit Transportern gearbeitet hatte wie er auf der Enterprise, dann erfuhr man aus erster Hand, was alles schiefgehen konnte. Ärzten musste es ähnlich gehen, dachte er, wenn sie mit Chirurgie zu tun hatten.
Er war so sehr in seine düsteren Grübeleien vertieft, die nur von den brennenden Stichen unter seinen Rippen unterbrochen wurden, dass er Keiko und Molly erst sah, als er beinahe mit ihnen zusammenstieß.
»Miles!«, rief Keiko. Sie trug ihre gelbbraune Lieblingsjacke über einem geschmackvollen violetten Overall und hatte die Jacke mit einem dünnen Gürtel um die Hüfte enger geschnallt. Sie hielt die kleine Molly an die Brust gedrückt. Trotz des ängstlichen Gesichtsausdrucks dachte O'Brien, dass sie nie zuvor schöner ausgesehen hatte. Plötzlich war sein schmerzhaftes Seitenstechen vergessen. Er nahm seine Familie so fest in die Arme, dass nur ein Disruptorschuss sie hätte auseinanderreißen können.
»Gott sei Dank!«, keuchte er atemlos. »Als ich hörte, dass die Promenade angegriffen wurde …«
»Wir sind wohlauf«, beruhigte Keiko ihn, während sie ihrem Kind über das Haar strich. »Molly hat mir sogar das Leben gerettet. Sie hat einen Horta in Schach gehalten, indem sie alles, was greifbar war, an ihn verfütterte.«
O'Brien lachte laut auf und spürte, wie ihm ein Stein – nein, ein Asteroid, ein ganzer Planet vom Herzen fiel. »Ich habe dir doch gesagt, sie braucht dringend einen Hund«, versuchte er einen müden Scherz.
Keiko verzog die Mundwinkel zu einem leichten Lächeln. Dann wurde ihr Ausdruck zögernd wieder ernst. »Ach, Miles, was geschieht jetzt? Wohin sollen wir gehen?«
»Bleibt einfach in unserem Quartier, bis ihr andere Anweisungen erhaltet.« Er gab sich Mühe, beruhigter auszusehen, als er sich fühlte. »Ich bin mir sicher, Commander Sisko hat die Situation voll unter Kontrolle.«
Sein Kommunikator meldete sich, und O'Brien musste sich dazu zwingen, sich von seiner Frau zu lösen. Er trat ein paar Schritte zurück. »O'Brien hier.«
Der Klang von Siskos Stimme ließ ihn nichts Gutes ahnen. »Zeit für unser letztes Gefecht, Chief«, sagte der Commander düster. »Melden Sie sich am Zentraleingang zum Verbindungssegment drei. Odo wird dort auf Sie warten.«
»Sofort, Commander«, sagte O'Brien und unterbrach die Verbindung. Er warf Keiko einen betrübten und entschuldigenden Blick zu, während er automatisch seinen Phaser entsicherte.
»Das letzte Gefecht?«, fragte sie besorgt. Molly schlief tief und fest in ihren Armen. Offenbar wurde sie nicht von Albträumen voller wütender Hortas geplagt.
Das hättest du nicht mithören sollen, dachte er. Sisko wusste ja nicht, dass du neben mir stehst. »Bleib in unserem Quartier«, sagte er. »Alles wird wieder gut. Das verspreche ich dir.«
Es war nicht weit bis zum Verbindungssegment drei. Er lief los und zwang sich dazu, sich nicht noch einmal umzublicken.
»Auf den Schirm«, befahl Sisko. Ein horizontaler Querschnitt von DS Nine erschien auf der ovalen Bildfläche. Es war ein Schema aus konzentrischen Kreisen mit der Zentrale im Mittelpunkt. Eine Ansammlung von roten Dreiecken, die die gegenwärtige Position der Horta-Babys markierten, zeichnete sich deutlich vor dem blassblauen Grundriss ab. Es bestand kein Zweifel, bemerkte Sisko, dass die Dreiecke sich auf eine der Speichen zubewegten, die den Habitatring mit dem Kern verbanden.
Warum wollten sie alle zum Zentrum der Station? Es sah fast so aus, als würden sie von irgend etwas angezogen. Ihre Bewegung wirkte viel zu konsequent und koordiniert. Bei einem Haufen unbewachter Kinder hätte er ein viel zufälligeres Muster erwartet. Sisko wünschte sich, er wüsste mehr über das Wachstum und die Entwicklung der Hortas. War es möglich, dass sie miteinander kommunizierten? Und wenn ja, was hatten sie gemeinsam beschlossen?
Sisko starrte auf den Hauptschirm und verfolgte den gnadenlosen Vormarsch der Hortas. »Ich zähle nur achtzehn Hortas«, sagte er laut. »Auch wenn wir das eine Opfer, von dem wir wissen, berücksichtigen, fehlt immer noch ein Individuum. Lässt sich irgendwie feststellen, ob wir wirklich alle vorhandenen Hortas auf dem Bildschirm haben?« Er fragte sich kurz, ob der verschwundene Horta irgendwie die anderen dirigierte.
N'Heydor zuckte bedauernd die Schultern. »Vielleicht, vielleicht auch nicht«, gab er zu. »Überall in der Station gibt es ausgefallene Systeme, einschließlich der Sensoren. Einige Decks sind komplett mit Mikrowellenstrahlung überflutet, die aus zerstörten Energierezeptoren stammt. Ich kann Ihnen nicht garantieren, dass wir jeden Horta in der Ortung haben.«
»Verstanden«, sagte Sisko. Es war auch möglich, überlegte er, dass eins der Eier noch nicht geschlüpft war oder dass es eine Totgeburt gegeben hatte – falls man bei einer eierlegenden Spezies davon sprechen konnte. »Jemand soll die Suite neun fünf neun im Habitatring überprüfen. Ich möchte eine Bestandsaufnahme dieser Eier – sofern noch etwas davon übrig ist.«
»Das gesamte Sicherheitspersonal ist im Augenblick mit der Verteidigung des zentralen Bereichs beschäftigt«, warf Sanger ein.
»Dann schicken Sie einen Techniker«, sagte Sisko ungeduldig. »Ich hoffe doch, dass es noch irgend jemanden gibt, der bis zwanzig zählen kann!«
»Aber sicher!«, erwiderte der junge Mann eifrig. Er schluckte nervös und öffnete einen Kommunikationskanal. Sisko hatte jedoch andere Sorgen, als sich über die Verlegenheit eines unerfahrenen Offiziers Gedanken zu machen. Er verfolgte den zielstrebigen Vormarsch der Hortas auf dem Bildschirm. Auch wenn es irgendwo noch einen weiteren Horta gibt, überlegte er, ist das Gesamtmuster trotzdem klar. Der Einzelgänger dürfte sich mit ziemlicher Sicherheit ebenfalls in Richtung Stationskern bewegen.
Aber warum?
Lieutenant Eddon unterbrach seine Gedanken. »Ich habe den Horta lokalisiert, der durch das Leck nach draußen gerissen wurde«, sagte sie. »Er befindet sich noch in Transporterreichweite. Ich beame ihn jetzt in die Krankenstation.«
»Sehr gut«, sagte Sisko. Er nahm sofort Kontakt mit Bashirs Krankenschwester auf. »Haben Sie den Horta?«, fragte er sie.
Die Stimme der Bajoranerin drang aus dem Kommunikator. »Er ist soeben eingetroffen, Commander, aber ich glaube, er ist tot.«
Sisko verzog enttäuscht die Mundwinkel. Zuerst die Mutter und jetzt ein Kind. »Sind Sie sicher?«, fragte er sie.
»Nun, das ist schwer zu sagen«, gestand Kabo ein. »Aber er bewegt sich nicht, und ich kann auch keine Lebenszeichen feststellen.« Sie machte eine kurze Pause. »Bei den Propheten, wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich schwören, das hier sei ein verirrter Meteorit und keinesfalls ein Lebewesen.«
»Vielen Dank, Schwester Kabo«, sagte Sisko. »Bitte überwachen Sie weiterhin den … den Horta. Melden Sie sich, wenn sich sein Zustand irgendwie verändert. Sisko Ende.«
Sisko empfand plötzlich eine tiefe Erschöpfung und Müdigkeit. Er schaffte es, hier in der Zentrale vor seiner Besatzung nicht zusammenzubrechen, doch in diesem Augenblick fühlte er sich so alt wie ein Admiral. Er strich sich mit der Hand über den Kopf. Unbewusst prüfte er nach, ob er noch über sein Haar verfügte. Zwanzig Hortas, überlegte er. Und jetzt war einer verschwunden und ein zweiter höchstwahrscheinlich tot. Auf dem Hauptschirm bewegten sich die roten Dreiecke durch das Verbindungssegment, wo seine Leute, darunter auch Odo und O'Brien, sie erwarteten, um sie ein für allemal aufzuhalten.
Wie viele von Ttans Kindern muss ich töten, um DS Nine zu retten, dachte er verbittert, vorausgesetzt, ich kriege sie überhaupt irgendwie zu fassen?