Kira kroch zu der Stelle, wo der Tunnel aufhörte und ein richtiger Korridor abzweigte. Hier musste es zu den Besatzungsquartieren und zum Verwaltungsbereich gehen, dachte sie – zu dem, was die Cardassianer als Zentrum bezeichneten. Als sie feststellte, dass sie die Luft angehalten hatte, zwang sie sich zum Ausatmen. Denk einfach, es ist eine Übung, versuchte sie sich einzureden. Bleib in Bewegung. Kein Zögern. Wenn du jemanden siehst, schieß, weil er sich mit Sicherheit feindselig verhalten wird.
Sie blickte zurück. Lapyn nickte ihr knapp zu. Die anderen Mitglieder ihrer Gruppe – in der nur Dr. Bashir und Fähnrich Wilkens fehlten, weil sie zurückgeblieben waren, um sich um die befreiten Bajoraner zu kümmern – packten ihre Phaser und machten sich auf die Aktion gefasst.
»In Zweiergruppen«, rief Kira leise. »Warten Sie auf mein Signal.«
Tief gebückt verließ sie ihre Deckung. In der niedrigen Schwerkraft sah es beinahe komisch aus, denn sie machte Sätze von fünf Metern Länge und wäre fast über ihr Ziel hinausgeschossen.
Immer mit der Ruhe, sagte sie sich. Sie kroch zurück, um sich wieder in eine geeignete Stellung zu bringen, und presste sich dann flach gegen die Tunnelwand. Eine Sekunde lang lauschte sie angestrengt, konnte aber außer dem Klopfen ihres eigenen Herzens nichts hören. Mit schussbereitem Phaser trat sie vor und starrte in den langen, grauen Korridor.
Er war leer, genau wie sie erwartet hatte. Graue Wände, leuchtende weiße Deckenplatten und ein glatter grauer Fußboden erstreckten sich vor ihr. An beiden Seiten befanden sich geschlossene Türen. Hinter jeder davon konnten sich Feinde verbergen, und etwa vierzig Meter weiter schien ein zweiter Korridor den zu kreuzen, in dem sie stand.
Sie winkte die anderen heran, und als sich alle versammelt hatten, trat sie auf die Bodenplatten des Korridors.
Für eine Sekunde schien die Welt ins Taumeln zu geraten. Kira wankte zur Seite und stützte sich keuchend an der Wand ab. Etwas stimmte nicht, dachte sie, während sie gegen ihre Panik ankämpfte. Sie schien eine Tonne zu wiegen. Sie würde zusammenbrechen …
»Major?«, hörte sie Fähnrich Apontes Stimme. »Major?«
Das Schwindelgefühl ließ allmählich nach. Kira zwang sich dazu, aufrecht zu stehen, obwohl sie immer noch ein wenig wankte. Ihr Gleichgewichtssinn hatte versagt, aber jetzt kam er wieder in Ordnung.
Dann schalt sie sich einen Narren, weil sie nicht sofort erkannt hatte, was los war. »In diesem Abschnitt haben sie künstliche Gravitation eingesetzt«, sagte sie. »Seien Sie vorsichtig. Ich habe mich zu schnell bewegt, so dass mir das Blut aus dem Kopf gesackt ist.«
Sie hob ihren Phaser, der plötzlich aus Blei zu bestehen schien, und bewegte sich so vorsichtig wie möglich vorwärts. Sie kam sich wie ein klobiger Riese vor, und ihre Schritte schienen unnatürlich laut zu hallen. Ein Schweißtropfen lief an ihrem Hals herab.
Sie erreichte die Schaltfläche neben der ersten Tür und legte die Hand darauf. Die Tür glitt auf, und die Beleuchtung sprang an. Es war ein Lagerraum – Nahrungskonzentrate, der Aufschrift auf den Kisten nach zu urteilen. Sie gab den anderen ein Zeichen, dass sie weitergehen sollten.
»Damit füttern sie uns«, sagte Lapyn leise, als er ihr über die Schulter blickte. Er verzog das Gesicht. »Ein widerliches Zeug, aber angeblich genau auf die minimalen Ernährungsbedürfnisse eines Bajoraners abgestimmt.«
»Ich vermute, die übrigen Räume hier in der Nähe dienen ebenfalls als Lager«, sagte Kira, »aber kontrolliert sie vorsichtshalber alle.« Sie winkte Parks und Wilkens weiter, worauf sie eine Tür nach der anderen öffneten. Kiras Vermutung bestätigte sich.
Während die anderen weitermachten, rückte sie bis zur nächsten Gangkreuzung vor. Die Wachstation lag nach Lapyns Angaben genau hinter der Ecke. Sie hielt inne und lauschte einen Moment lang aufmerksam. Doch sie hörte nichts, keine Stimmen, keine Schritte, weder ein Seufzen noch ein Schnaufen. Es gab keinen Hinweis auf das, was sich hinter der Ecke befand.
Sie wünschte sich, sie könnte einen Tricorder benutzen, aber das durfte sie nicht riskieren. Es könnte Sicherheitssensoren geben, die das Gerät registrieren würden. Also musste sie sich auf die altbewährte Taktik verlassen. Sie schob ihren Kopf vor und warf einen schnellen Blick in den Korridor.
Rechts von ihr endete der Gang vor einer Art Kontrollraum. Dort befanden sich zwei Meter hohe Glasfenster in den Wänden. Lapyn musste diesen Raum für die Wachstation gehalten haben, dachte sie. Mehrere Cardassianer in grauen Uniformen saßen darin und beobachteten verschiedene Monitore. Mindestens einer sprach über eine Interkomverbindung.
Kira zog sich schnell wieder zurück. Zum Glück war sie von niemandem bemerkt worden. Sie winkte Lapyn und den anderen, ihr zu folgen. Dann führte sie die Gruppe zurück zu einem der Lagerräume, winkte sie hinein und schloss die Tür. Schnell berichtete sie, was sie gesehen hatte.
»Ich glaube, wir könnten sie überwältigen«, sagte sie, »aber ich frage mich, ob wir es tun sollten. Wir würden dabei keine weiteren Waffen erbeuten. Hat jemand eine Idee?« Ich habe diese Sache als Teamarbeit begonnen, sagte Kira sich, und ich werde sie verdammt noch mal genauso zu Ende bringen.
»Sie dürften wissen, wo die Waffen aufbewahrt werden«, sagte Lapyn.
»Wir müssen mindestens einen von ihnen bei Bewusstsein lassen«, schlug Muckerheide vor. »und ihn irgendwie zum Sprechen bringen.«
»Oder ihren Computer benutzen«, sagte Aponte. »Es muss einfach Lagepläne für den gesamten Komplex geben.« Alle schienen ihr beizupflichten. Kira nickte. Der Plan klang vernünftig.
»Vielleicht können sie uns nicht sehen, wenn wir am Boden kriechen«, sagte sie. »Sie alle sitzen und scheinen völlig mit ihren Überwachungsaufgaben beschäftigt zu sein. Wir werden es auf diese Weise versuchen. Also los!«
Sie öffnete vorsichtig die Tür des Lagerraums, lugte nach draußen und führte dann die anderen zur Gangkreuzung zurück. Dort ging sie in die Knie und kroch auf Händen und Füßen vor, um in den Korridor hinter der Ecke zu blicken. Im Kontrollraum sah sie den Hinterkopf eines Cardassianers, doch die übrigen waren außer Sicht.
Wir können es schaffen, dachte sie. Wir können sie überwältigen.
Vorsichtig und möglichst lautlos kroch sie über den Metallboden vorwärts. Die anderen folgten ihr. Dann erreichte sie die Tür des Raumes und drückte sich links davon unter dem Fenster an die Wand. Aponte bezog Stellung auf der anderen Seite der Tür, während Muckerheide hinter ihr blieb. Lapyn und Jonsson gaben Kira Rückendeckung.
Kira hob die Hand zur Schaltfläche der Tür, doch bevor sie sie berühren konnte, glitt die Tür von allein zischend auf. Ein Cardassianer in grauer Uniform kam herausgeschlendert.
Kira betäubte ihn, bevor er reagieren konnte, und sprang dann über seinen bewusstlosen Körper in den Raum. Sie wusste, dass sie jetzt handeln und improvisieren musste. Sie konnte nicht zulassen, dass Alarm gegeben wurde.
Die Cardassianer starrten sie fassungslos an. »Hände hoch oder ich schieße!«, rief sie und winkte mit ihrem Phaser. »Aufstehen! Schnell!«
Die Cardassianer erhoben sich langsam von ihren Plätzen und hoben die Hände über die Köpfe. Es waren fünf, stellte Kira fest, und der eine, der im Eingang lag.
Sie ließ ihre restlichen Leute hereinkommen, bevor sie wieder sprach. »Was ist das hier für eine Station?«, wollte sie wissen.
»Sagt diesem bajoranischen Abschaum nichts!«, knurrte der große Cardassianer ganz links.
»Diese Antwort war falsch.« Kira betäubte ihn seelenruhig. Er brach mit zuckenden Armen zusammen.
Sie wusste, dass niemand von ihnen reden würde, wenn sie überzeugt waren, dass sie schlimmstenfalls betäubt wurden. Sie musste ihnen wirklich angst machen. Dazu wandte sie sich an Aponte.
»Schaffen Sie die beiden raus«, sagte sie, »und töten Sie sie.«
Fähnrich Aponte erbleichte. »Aber, Major, Sie wollen doch nicht …«
»Das ist ein Befehl, Fähnrich. Wir machen es genauso, wie Sisko es tun würde.«
Als Aponte lächelte und knapp nickte, wusste Kira, dass die Frau sie verstanden hatte. Aponte zerrte zuerst den einen, dann den anderen Cardassianer nach draußen. Eine Sekunde später hörte Kira zwei Phaserschüsse. Zweifellos hielt Aponte ihre Waffe auf den Boden oder die Wand gerichtet, dachte sie.
Kira lächelte und wandte sich wieder den restlichen Gefangenen zu. »Ich kann den Anblick von Blut einfach nicht ertragen«, sagte sie und sprach dann mit härterer Stimme. »Jetzt zu Ihnen!«, redete sie den nächsten Cardassianer in der Reihe an. »Wozu dient diese Station?«
»Ich … äh … ich kann nicht …«, wimmerte er.
»Wieder eine falsche Antwort«, sagte sie und schoss ihn nieder, ohne mit der Wimper zu zucken.
Aponte erschien in der Tür. »Noch einer?«
»Ja, aber er hätte beinahe kooperiert … verstümmeln Sie ihn nur.«
»Ja, Major.«
Kira ließ ihren Blick die Reihe der Cardassianer entlanggleiten, bis sie den erreicht hatte, der am jüngsten wirkte und gleichzeitig am leichtesten zu beeindrucken sein musste. Sein Gesicht hatte eine blassgrüne Färbung angenommen. »Nun?«, sprach sie ihn an. »Sie kennen die Frage.«
»Wir sind nur Techniker. Wir kontrollieren die Bergbaumaschinen in den zwanzig unteren Stockwerken. Wir wissen wirklich nicht …«
»Zu schade«, sagte sie. »Ich denke, damit haben Sie Ihre Nützlichkeit für mich verloren.« Sie hob den Phaser.
»Warten Sie!«, rief er. »Bitte nicht! Ich habe eine Frau und ein Kind …«
»Verräter!«, zischte der Cardassianer neben ihm.
»Ich versuche, uns allen das Leben zu retten«, erwiderte er. »Wollt ihr genauso wie die anderen sterben?«
Kira betäubte den vierten Cardassianer und dann sicherheitshalber auch noch den fünften. Der junge Techniker zog sich mit ängstlichem Gesicht gegen eine Kontrollkonsole zurück. Er begann leise zu jammern.
»Ruhe!«, brüllte Kira. »Passen Sie gut auf, tun Sie, was man Ihnen sagt, und antworten Sie ohne Zögern! Wenn Sie das tun, werden Sie ihre Familie wiedersehen. Verstanden?«
»J-ja.«
Sie stieß ihn in einen der Sitze. »Rufen Sie eine Gesamtübersicht dieses Komplexes auf«, sagte sie. »Ich will sehen, wo sich diese Station im Verhältnis zum Zentrum befindet.«
Der Techniker drehte sich um und tippte verschiedene Befehle in seine Konsole. Kira beugte sich vor, um den Monitor erkennen zu können. Doch statt eines detaillierten Lageplanes erschien das Gesicht eines anderen Cardassianers auf dem Bildschirm. Kira wich überrascht und verwirrt zurück. Der Kerl hatte sie ausgetrickst. Sie hätte wissen müssen, dass kein cardassianischer Soldat ohne weiteres Verrat begehen würde.
Der Cardassianer auf dem Bildschirm schien ein Offizier zu sein. »Was ist da los …?«, begann er.
»Wir werden angegriffen!«, rief der Techniker schnell. »Helfen Sie uns!«
Kira schoss auf den Computer, bevor der Offizier noch ein weiteres Wort sagen konnte. Doch sie wusste, dass sie damit nichts mehr an der Situation ändern konnte. Die Cardassianer waren jetzt gewarnt.
Funken sprühten, als Schaltkreise kurzgeschlossen wurden und Verbindungen durchbrannten. Sie musste zurückspringen und ihr Gesicht schützen, um keine Verbrennungen zu erleiden. In der Verwirrung versuchte der Techniker zur Tür zu flüchten.
Aponte setzte ihm nach, bekam ihn aber nicht mehr zu fassen. Kira hatte jedoch mit seinem Ausbruch gerechnet. Sie trat vor und schoss ihm in den Hinterkopf. Darauf brach er bewusstlos zu Boden.
Verdammter Kerl!, dachte sie. In ihrem Zorn und ihrer Verzweiflung versetzte sie ihm einen heftigen Fußtritt in die Rippen. Aber das half auch nichts.
Jetzt war der Vorteil ihrer Überraschungsaktion verspielt.
Einen Augenblick später begann der Alarm zu schrillen.
Das Chronometer des Flitzers gab ein leises Signal von sich. Dax beendete ihre Meditation und eilte zum Pilotensitz. Endlich war der Zeitpunkt gekommen, Kira zu kontaktieren.
Als sie jedoch den Kommunikationskanal öffnete, machte das heftige weiße Rauschen sie fast taub. Sie schlug noch einmal gegen die Seite der Konsole.
Daraufhin wurde der Bildschirm schwarz. Jetzt war er völlig tot.
Sie starrte eine Sekunde lang entsetzt vor sich hin und schlug dann erneut gegen die Konsole. Soviel zu Major Kiras Reparaturmethoden, dachte sie mürrisch.
Sie ließ schnell eine Computerdiagnose laufen. Das Programm führte eine Reihe kurzer Tests durch, und diesmal erhielt sie schon bald darauf eine klare Antwort: Der Kristall zur Phasenumkehr war durchgebrannt. Zweifellos war er durch den Van-Luden-Strahlungsgürtel überladen worden, dachte Dax. Sie hatte noch Glück gehabt, dass er nicht schon den Dienst versagt hatte, als sie ihn das erste Mal aktiviert hatte.
Eine schnelle Überprüfung des Lagerbestandes der Amazonas ergab, dass sich ein Ersatzkristall an Bord befand. Sie musste ihn nur auswechseln, und alles wäre wieder in Ordnung. Aber wo war die Tasche mit den Notwerkzeugen? Sie war nicht an der Rückwand der Kabine befestigt, wo sie hingehörte.
Dann erinnerte sie sich daran, dass Julian das Werkzeug benutzt hatte, um seinen Tricorder zu rekalibrieren. Sie hatte es ihm überlassen, aufzuräumen und die Werkzeuge einzupacken, nachdem sie die Arbeit für ihn erledigt hatte. Nach dem Ende des Kartenspiels waren alle Einrichtungsgegenstände wieder verstaut worden. Aber wohin zum Teufel hatte er das Werkzeug getan?
Sie drehte sich langsam um. Die Werkzeugtasche war nirgendwo zu sehen. Deprimiert wurde ihr klar, dass sie womöglich den ganzen Flitzer durchsuchen musste, wenn sie sie wiederfinden wollte. Sie begann mit den Schlafmatten und nahm sich dann den Tisch vor …
Julian hatte sich an der Akademie mit Kampfverletzungen beschäftigt und im Laufe seiner Dienstzeit auf DS Nine Hunderte von Patienten behandelt, aber das, was diese Bajoraner auf Davonia erlitten hatten, spottete jeder Beschreibung. Es war höchstens mit dem zu vergleichen, was die Ärzte gesehen hatten, die als erste die Todeslager der Nazis auf der Erde oder die Dilithiumminen auf Konnoria V betreten hatten. Es gab soviel zu tun, dass man gar nicht wusste, wo man anfangen sollte. Angesichts der Mangelernährung, der Knochenbrüche, der Schürf- und Schnittwunden, der Prellungen und Stauchungen und der schlechten psychischen Verfassung war Julian erstaunt, dass so viele sich überhaupt noch einigermaßen auf den Beinen halten konnten.
Während Fähnrich Wilkens auf Kiras Befehl hin Wachtposten in den Tunneln postierte und die zwei Dutzend kampftauglichen Bajoraner in Einsatzgruppen aufteilte, kümmerte Julian sich um die Verletzten. Er richtete ein halbes Dutzend Knochenbrüche, gab Vitamininjektionen, bis seine begrenzten Vorräte zur Neige gingen, und versiegelte Dutzende von Verletzungen. Niemand unter den bajoranischen Männern und Frauen war in einem lebensbedrohlichen Zustand, aber es hätte auch niemand anstrengende Aktionen überstehen können. Mehr oder weniger litten alle unter der jahrelangen Mangelernährung, der Vernachlässigung und in einer Reihe von Fällen unter direkter Misshandlung.
Er schloss gerade die Behandlung einer Frau mit schweren Peitschenwunden auf dem Rücken ab, als Wilkens vom Tunnel in die Höhle gerannt kam.
»Sir«, keuchte Wilkens, »draußen wird Alarm gegeben.«
Julian hielt inne und lauschte angestrengt. »Ich höre nichts …«, sagte er.
Wilkens schüttelte den Kopf. »Es kommt aus den unteren Stockwerken und ist hier oben kaum noch zu hören.«
Julian fragte sich kurz, ob sie hier abwarten oder sich lieber einen sichereren Aufenthaltsort suchen sollten. Solche Entscheidungen konnte Kira am besten treffen. Aber jetzt hatte er die Verantwortung, und er durfte auf keinen Fall so lange zaudern, bis die Cardassianer sie hier gefunden hatten. Außerdem wäre die Höhle bestimmt der erste Ort, wo sie nach dem Rechten sehen würden.
»Wir werden von hier verschwinden«, sagte er. »Die Gruppen sollen sich versammeln. Sie können den Kranken und Verletzten helfen. Wir ziehen uns in die Tunnel zurück.«
»Nein«, sagte ein Bajoraner, den Julian gerade behandelt hatte. Der Mann stand auf und streckte seinen Arm. Der Flicken aus Synthohaut, den Julian über einem knochentiefen Schnitt angebracht hatte, schien zu halten. »Wir werden kämpfen«, sagte er. »Ich werde mich keinen Tag länger in diesem Loch verstecken!«
»Sie sind nicht in der Verfassung …«, setzte Julian zu einem Widerspruch an.
»Ha!« Der Mann ergriff eine Spitzhacke, die auf dem Boden lag. »Zeigen Sie mir nur einen Cardassianer! Dann werden wir sehen, wer in welcher Verfassung ist!«
Die anderen in der Umgebung jubelten zustimmend. Sekunden später war die gesamte Höhle in Aufruhr. Julian blickte nur in entschlossene Gesichter. Sechs Bajoraner hatten die Betäubungspistolen der Aufseher erhoben. Die anderen bewaffneten sich mit Vorschlaghämmern, Spitzhacken, Schaufeln – mit allem, was irgendwie als Waffe dienen konnte.
Vielleicht können wir Kira helfen, dachte Julian. Wenn Alarm gegeben worden war, mussten sie entdeckt worden sein, ohne dass man sie erwischt hatte. Wenn sie gefangen wären, gäbe es keinen Grund für einen Alarm.
»Also gut«, sagte er. »Wir kämpfen. Holen Sie die Loren. Wir setzen uns in Bewegung.«
Die sechsrädrigen Wagen konnten von unschätzbarem Wert sein, wenn sie Cardassianern begegneten, dachte er. Außerdem ließen sich damit die Schwerverletzten transportieren.
Er hoffte nur, dass er keinen schrecklichen Fehler beging.
»Damit wäre der Überraschungseffekt beim Teufel«, sagte Kira und überblickte die verschiedenen Kontrollkonsolen. »Alle raus hier! Bewegt euch!«
Als alle den Raum verlassen hatten, stellte sie ihren Phaser auf höchste Energieleistung und ließ den Strahl über die technische Einrichtung streichen. Flammen loderten auf, und weitere Funken flogen, als die empfindlichen Geräte zerschmolzen. Kira zögerte einen Moment und blickte auf die sechs betäubten Cardassianer. Doch dann beschloss sie, dass ihr nicht der Sinn danach stand, sie zu töten, während sie hilflos am Boden lagen. Schließlich war sie selbst keine Cardassianerin. Außerdem würden die anderen Cardassianer sich auf diese Weise die Zeit nehmen, ihre Kameraden zu retten, wodurch sie und ihre Gruppe einen kleinen Vorsprung gewannen.
Die anderen warteten im Korridor auf sie. »Hier entlang«, rief sie und stürmte geradeaus los. Sie kam an die Kreuzung mit dem ersten Korridor, wandte sich nach links und kurz darauf wieder nach rechts. Der Alarm schrillte immer noch. Schließlich erreichte sie eine Art Lift und drückte auf die Ruftaste.
»Macht euch bereit!«, rief sie und verringerte die Einstellung des Phasers wieder auf Betäubung. »Schießt sofort, wenn Ihr sie seht!«
Die anderen stellten sich im Halbkreis auf und hoben die Waffen. Kira behielt die Liftanzeige im Auge. Gleich ist er da, dachte sie und bereitete sich vor.
Noch bevor die große Doppeltür des Lifts sich ganz geöffnet hatte, drückte sie den Auslöser ihres Phasers. Fünf bläuliche Strahlen bestrichen die Insassen der Liftkabine. Die uniformierten Cardassianer hatten keine Chance, sich zu bewegen, geschweige denn, das Feuer zu erwidern. Sie brachen zu einem Haufen aus Gliedmaßen, Phasern und tristen grauen Uniformen zusammen.
Kira stemmte sich mit der Schulter gegen die Tür, damit sie offenblieb. »Nehmt ihnen die Waffen ab«, sagte sie, »und die Kommunikatoren.«
Einer der Kommunikatoren quäkte bereits. Die leise blecherne Stimme war unter der Masse aus Körpern kaum zu hören. Aponte und Lapyn zerrten die Cardassianer einen nach dem anderen heraus, während die anderen ihnen die Waffen abnahmen. Durch ihren Hinterhalt hatten sie jetzt eine überraschende Anzahl von Messern, Betäubungsgranaten, Paralysepfeilen und kleinen Energiewaffen erbeutet. Insgesamt hatten sie zehn Cardassianer in voller Kampfausrüstung überwältigt.
Lapyn benutzte eine der Uniformjacken, um den größten Teil der Waffen zu einem Bündel zusammenzuschnüren. Kira nahm die zwanzig Betäubungsgranaten persönlich an sich.
»Bring diese Sachen zu Bashir und den anderen Bajoranern«, sagte sie zu Lapyn. »Ich schätze, sie werden sie bald benötigen.«
»In Ordnung«, sagte Lapyn und lief den Weg zurück, den sie gekommen waren.
Kira hob den Kommunikator auf, der immer noch quäkte. Sie aktivierte das kleine Gerät. »Hallo?«, meldete sie sich.
»Wer spricht da?«, wollte der Cardassianer am anderen Ende der Verbindung wissen.
»Major Bata Huri von der Bajoranischen Befreiungsfront. Habe ich das Vergnügen, mit dem Kommandanten dieser Basis zu reden?«
»Ja, hier ist Gul Mavek«, knurrte er.
»Hören Sie mir genau zu, Gul Mavek«, sagte Kira. »Mein Überfallkommando durchkämmt gerade die unteren Stockwerke Ihrer Basis und platziert dort Dilithiumbomben mit Zeitzündern. Wir werden die Kameraden unserer Befreiungsfront in Kürze zu unserer Flotte zurückbeamen lassen. Ich empfehle Ihnen dringend, sofort diese Basis zu evakuieren, wenn Sie einer schweren Strahlenverseuchung entgehen wollen. Bata Ende.«
Kira warf den Kommunikator auf den Boden der Liftkabine und zertrat ihn unter ihrem Stiefelabsatz. Die Lifttüren versuchten sich zu schließen, und Muckerheide und Aponte mussten sich alle Mühe geben, um sie daran zu hindern.
»Noch eine Sekunde …«, sagte Kira und untersuchte zwei der Betäubungsgranaten. Wie sie gehofft hatte, verfügten sie über Zeitzünder. Sie stellte sie auf dreißig Sekunden Verzögerung ein, aktivierte sie und legte sie in die vorderen Ecken des Lifts. Jetzt konnte man sie erst sehen, wenn man die Kabine betreten hatte.
Kira sprang zurück und winkte den zwei Fähnrichen, die Türen loszulassen. Die Türhälften schlossen sich mit einem hörbaren Schnappen, und der Lift setzte sich nach oben in Bewegung.
»Sie werden weitere Soldaten nach unten schicken«, sagte Aponte.
»Ich weiß«, erwiderte Kira, während sie hektisch überlegte, »aber ich glaube, sie werden sich sehr, sehr vorsichtig bewegen, vor allem wenn sie glauben, dass wir die Tunnel verminen. Damit dürften wir etwas Zeit gewinnen.«
Ttan spürte, wie sie erstarrte. Diese hochfrequenten Vibrationen, die ihre Fühler erzittern und ihr Siliziumblut aufwallen ließen – sie hatte in ihrem Leben erst zweimal ein derartiges Geräusch gehört.
Das erste Mal war es auf Janus VI gewesen, als ein Reaktor durchgebrannt war und einen Abschnitt der Bergwerke mit Strahlung erfüllt hatte, die für Menschen tödlich war. Die Menschen hatten dieses Geräusch als Alarmsignal eingesetzt.
Das zweite Mal hatte sie es an Bord der Puyallup gehört, als das cardassianische Schiff angegriffen hatte. Bei diesem Signal waren alle Föderationsoffiziere an ihre Stationen geeilt.
Ttan vermutete, das jetzige Geräusch – das in vielerlei Hinsicht sehr ähnlich war – bedeutete ebenfalls, dass irgend etwas nicht in Ordnung war. Hatten auch die Cardassianer einen Reaktor verloren? Starben sie in diesem Augenblick bei dem Versuch, die Verstrahlung ihres kleinen unterirdischen Komplexes zu verhindern?
Ttan begann, sich tiefer in den Fels zu graben, doch dann erschien ein cardassianischer Wachmann vor ihrer Zelle.
»Kreatur!«, rief er.
»Was willst du von mir?«, fragte Ttan.
»Gul Mavek befiehlt, dass du hier in deiner Zelle bleibst. Auf einem anderen Stockwerk gibt es ein geringfügiges Sicherheitsproblem. Du sollst dir keine Sorgen wegen des Alarms machen. Und du sollst nicht vergessen, dass deine Kinder darunter leiden werden, wenn du seinen Befehlen nicht gehorchst. Hast du verstanden?«
»Ja«, antwortete Ttan verbittert. »Ich habe verstanden.«
Ein Strahl aus rötlicher Energie schlug über Julians Kopf in die Wand ein und ließ kleine, scharfkantige Steine auf ihn herabregnen. Einer traf ihn an der Wange, worauf er erschrocken zurücksprang. Als er eine Hand an sein Gesicht hob, fühlte er Blut.
»Nur ein kleiner Kratzer, Doktor«, beruhigte Wilkens ihn.
»Bringen Sie die Wagen her!«, rief Julian. Er schob seine Hand um die Ecke und feuerte mit dem Phaser eine schnelle Salve in den Gang. Er wollte die Cardassianer noch etwas länger in Schach halten. Sechs cardassianische Soldaten in voller Kampfmontur waren während der vergangenen fünf Minuten immer weiter durch den Tunnel vorgerückt. Ihre überlegenen Waffen in Verbindung mit ihrer Rüstung verschafften ihnen einen deutlichen Vorteil, dachte Julian. Er wusste nicht, wie lange er und seine Leute sie noch aufhalten konnten.
Fünf der sechsrädrigen Wagen rollten heran, gefolgt von Bajoranern mit Kontrolleinheiten in den Händen. Die Loren waren seine letzte Hoffnung.
»Ich möchte, dass Sie sie in einer Reihe im Tunnel aufstellen«, sagte er. Eine solche Blockade würde das Vorrücken der Cardassianer vielleicht eine Weile zum Stocken bringen.
»Sofort, Doktor«, bestätigten sie.
Julian sah zu, wie ein Wagen nach dem anderen um die Ecke rollte und genau vor den angreifenden Cardassianern zum Stehen kam. Phaserstrahlen schlugen in die Frachtbehälter und schnitten durch das Rhodinium wie ein Messer durch Papier. Die Cardassianer feuerten auf die Bajoraner, die sich ihrer Meinung nach in den Wagen versteckten. Doch es war niemand darin – natürlich hatte Julian dafür gesorgt, dass die Loren vorher geräumt worden waren.
Plötzlich kam ihm eine Idee. »Lassen Sie die Wagen weiter vorrücken. Seite an Seite. Drängen Sie die Cardassianer zurück!«
Er wusste nicht, ob es funktionieren würde, aber es war einen Versuch wert. Er schob sich vor, um zu sehen, was geschah, als die Wagen den Tunnel hinunterrollten und immer schneller wurden. Die fünf Loren nebeneinander füllten den Tunnel in gesamter Breite aus. Niemand konnte sich an ihnen vorbeizwängen – oder daran vorbeischießen, worauf seine ursprüngliche Planung gesetzt hatte.
Das Phaserfeuer der Cardassianer deckte weiterhin die Wagen von der gegenüberliegenden Seite ein. Die Soldaten schienen ihre Stellung zu halten, während sie Salve um Salve abgaben. Julian hielt entsetzt den Atem an, als er erkannte, dass sie keineswegs die Absicht hatten, sich zurückzuziehen – dass sie bis zum Tod weiterkämpfen würden.
Er zuckte zusammen, als überraschte Rufe und Schmerzensschreie von den sechs unsichtbaren Cardassianern kamen. Zwei der Wagen schwankten, als sie ihre Körper überrollten, doch dann rollten die Loren weiter. Als sie die Stelle hinter sich ließen, wo die cardassianischen Truppen gestanden hatten, sah Julian die ziemlich unangenehme Bescherung, die sie angerichtet hatten. Die Loren hatten die sechs Cardassianer nicht einfach nur umgefahren, sondern die Räder hatten sie außerdem in kleinere Stücke zerfetzt.
Jubelnd stürmten die Bajoraner aus ihrer Deckung, um die Überreste zu durchsuchen. Vielleicht war ja noch etwas Brauchbares darunter. Bashir wurde plötzlich schwindlig, so dass er sich kurz setzen musste. Ich sollte mich allmählich an Kampf und Gemetzel gewöhnen, sagte er sich.
»Doktor, Sie verlieren Blut«, sagte Wilkens. »Ich denke, es wäre besser, wenn ich den Schnitt in Ihrer Wange versorge.«
Julian blickte zu ihm auf. »Vorhin sagten Sie, es wäre nur ein Kratzer.«
»Äh, ich habe vielleicht ein wenig untertrieben, Sir. Es schien mir nicht der richtige Augenblick zu sein, um …«
»Schon gut«, beruhigte Julian ihn. Er hatte sehr gut verstanden. Man wies einen Vorgesetzten nicht mitten im Kampf darauf hin, dass er sich verletzt hatte.
Er drückte eine Hand auf die Wunde, um den Blutfluss zu stoppen. »Könnten Sie bitte meine Arzttasche holen?«
»Sofort, Sir.« Der Mann lief los.
»Captain Dyoran!«, rief Julian. Der große, ausgezehrte Mann kam zu ihm herüber, wobei er auf seltsame Weise befriedigt wirkte. Wie viele andere Bajoraner auch schien Dyoran einen Durst nach cardassianischem Blut zu haben, der an Wahnsinn grenzte.
Dyoran nahm Haltung an und salutierte auf bajoranische Art. »Zwei funktionierende Phasergewehre, sechs Vibromesser und fünfzehn Betäubungsgranaten wurden geborgen, Sir«, sagte er. »Und Lapyn ist gerade mit weiteren Waffen eingetroffen. Er teilt sie im Augenblick an die kampftauglichsten Leute aus. Etwa die Hälfte von uns ist aktionsbereit.«
»Großartig«, sagte Julian.
»Was ich noch sagen wollte, Sir«, sprach Dyoran weiter, »das war eine hervorragende Taktik.«
»Das ist nur die Routineausbildung bei der Föderation«, sagte Julian mit einem bescheidenen Schulterzucken. Improvisiere, wenn du nicht mehr weiter weißt. Er hatte Sisko häufiger bei dieser Taktik beobachtet, als ihm lieb war.
Dyoran blieb nichtsdestotrotz beeindruckt.
»Also«, sagte Julian, »ich habe den Eindruck, dass Major Kira die Sicherheitstruppen da oben ziemlich in Atem hält. Ich glaube, wir müssen uns im Augenblick keine Sorgen machen. Schicken Sie Erkundungsteams los. Ich möchte nach einem Weg in die oberen Stockwerke suchen … einen Weg, der nicht überwacht wird.«
»Ja, Sir!« Dyoran salutierte, drehte sich um und lief zu den anderen zurück. Von Minute zu Minute – oder sogar von Sekunde zu Sekunde – schienen die Bajoraner zu neuen Kräften zu kommen, wie professionelle Athleten, die ihren toten Punkt überwunden hatten. Kurz darauf hatte Dyoran Gruppen zusammengestellt, die die benachbarten Tunnel erkundeten.
Julian überlegte kurz, ob er versuchen sollte, mit Kira Kontakt aufzunehmen, doch dann entschied er sich dagegen. Sie hatte ihm den strikten Befehl gegeben, Funkstille zu halten, damit die Cardassianer sie auf keinen Fall lokalisieren konnten. Trotzdem fragte er sich, wie es ihr da oben ergangen war.
In der Ferne hörte er immer noch den Alarm. Das konnte eigentlich nur bedeuten, dass Kira noch am Leben war und weiterkämpfte. Falls es nicht bedeutete, dass die Cardassianer ihre Kräfte sammelten, um die entflohenen Gefangenen wieder zusammenzutreiben.
»Eine Verzögerung von einer Sekunde«, sagte Kira zu ihrem Team, »kann wesentlich effektiver als alles andere sein, wenn man es richtig macht.«
Sie zog gerade einen Stolperdraht durch den Korridor, dessen Ende mit dem Zünder einer Betäubungsgranate verbunden war. Was würde ich jetzt für eine Handvoll Plasmabomben geben!, dachte sie. Der nächste Cardassianer, der diesen Weg nahm, würde sein blaues Wunder erleben, aber er würde nicht daran sterben. Eine Plasmabombe dagegen hätte für eine wesentlich dauerhaftere Lösung gesorgt.
Während sie aufstand, überprüfte sie, ob der Draht die geeignete Spannung hatte, und lief dann den Korridor weiter. Sie hatte Fähnrich Aponte die Anweisung gegeben, mit dem Tricorder nach Anzeichen für Ttan zu suchen. Nachdem die Cardassianer jetzt wussten, dass sie da waren, mussten sie nicht mehr auf den Tricorder verzichten. Eine Horta auf ihrer Seite, dachte Kira, würde ihnen vielleicht einen nicht zu unterschätzenden Vorteil verschaffen.
»Sie befindet sich zwei Stockwerke höher und einhundertvierzig Meter in diese Richtung«, sagte Aponte.
»Was liegt über uns?«
»Ein Raum … in dem sich niemand aufhält, Major.«
»Treten Sie zurück.« Kira hob ihren Phaser, kontrollierte die Einstellung und richtete den Strahl auf die Wand. Schon kurz darauf löste sich die Wandverkleidung, hinter der Felsgestein zum Vorschein kam. Schnell brannte sie eine Reihe von Stufen hinein. Als sie die Decke des Korridors erreicht hatte, schnitt sie dort ein sauberes Loch aus.
Dann steckte sie ihren Phaser ein, überprüfte die Temperatur der Stufen, und als sie genügend abgekühlt waren, begann sie hinaufzuklettern. Sie tauchte im recht spartanisch eingerichteten Quartier eines Cardassianers auf. Es gab ein Bett, einen Schrank, einen kleinen Tisch, einen einzigen Stuhl und einen Replikator. Im Waffenregal neben der Tür befanden sich ein Phasergewehr und zwei Handwaffen.
Sie kletterte aus dem Loch und half Muckerheide und Aponte beim Aufstieg. Muckerheide nahm die Waffen an sich, während Aponte die Umgebung mit dem Tricorder überprüfte. »Zwei Cardassianer laufen durch den Korridor vor diesem Zimmer«, sagte der Fähnrich. »Moment … sie laufen an uns vorbei.«
Kira entspannte sich ein wenig. Sie wollte nicht an zwei Fronten gegen Cardassianer kämpfen. Es war schon schlimm genug, dass sie ihr dicht auf den Fersen waren.
Ein dumpfer Knall drang durch das Loch im Boden. Jemand war gerade in die erste Falle getappt, die sie hinterlassen hatte, erkannte sie mit einiger Befriedigung. Die anderen würden sich jetzt langsamer bewegen. Vielleicht hatten sie wieder ein paar Minuten gewonnen.
»Befindet sich noch jemand im Korridor?«, fragte sie.
»Nein«, antwortete Aponte.
Kira öffnete die Tür. »Raus«, sagte sie. »Halten Sie Wache. Ich will hier drinnen eine weitere Falle aufstellen.« Sie nahm zwei neue Betäubungsgranaten aus ihrem Vorrat und machte sich an die Arbeit.
Nur noch ein Stockwerk, dachte sie, und dann haben wir dich befreit, Ttan. Halte nur noch ein paar Minuten aus!
»Sir«, sagte Captain Dyoran zu Dr. Bashir, »wir haben einen Frachtlift gefunden. Offenbar dient er dazu, Rohmaterialien zur Oberfläche zu transportieren. Er wird gerade benutzt, aber er scheint vollautomatisch zu funktionieren. Ich denke, wir könnten die positronischen Kontrollen umgehen und uns dann ungehindert zu jedem gewünschten Stockwerk bewegen.«
»Ausgezeichnet«, sagte Julian. Er tippte auf das Plastikpflaster auf seiner Wange. Es hatte keine Schwierigkeiten gemacht, die Wunde zu versiegeln, aber er hatte sie trotzdem mit einem Pflaster abgedeckt, damit sie sauber blieb. Er ging davon aus, dass er noch einige Aufregungen erleben würde, bevor sie aus der cardassianischen Basis entkamen. »Wir werden mit allen Leuten weiter nach oben gehen. Dort müsste es jede Menge Versteckmöglichkeiten geben. Wenn wir alle untergebracht haben, werden wir nach Major Kira und den anderen suchen.«
»In Ordnung.« Captain Dyoran entfernte sich und gab Befehle aus. Bald hatte sich eine recht bunte Prozession versammelt, wie es Julian vorkam. Er übernahm zusammen mit Dyoran die Spitze, und als alle bereit waren, machten sie sich auf den Weg zum Frachtlift. Nachdem sich die Kolonne in Bewegung gesetzt hatte, trat er zur Seite, um die Leute zu beobachten, sie aufzumuntern und hier und dort zu helfen, um dafür sorgen, dass sie zügig vorankamen. Er wollte, dass niemand zurückblieb. Die Wachen in den Seitentunneln würden sofort melden, wenn irgendwo Cardassianer auftauchten. In der Zwischenzeit mussten sie ein Versteck finden, das ihnen größere Sicherheit versprach.
Dyoran hatte die Türen des Frachtlifts bereits geöffnet, als Julian bei ihm eintraf. In der Kabine waren riesige Frachtcontainer mit Roherzen fast bis zur Decke gestapelt.
Es war nicht einmal genügend Platz für eine einzige Person, wie er sah, geschweige denn für die zweiundfünfzig Leute ihrer Gruppe. Von überall war enttäuschtes Stöhnen zu hören. Sie hatten nicht die nötige Zeit, um den Lift zu entladen. Irgendwann würde man bemerken, dass er zweckentfremdet worden war.
»Schließen Sie die Türen«, sagte Julian schließlich. Das war die einzig logische Schlussfolgerung aus dieser Situation. »Und dann schicken Sie ihn zur Oberfläche.«
»Was?«, fragte Captain Dyoran. »Sind Sie verrückt?«
»Ich habe keine Lust, das ganze Erz auszuladen, und Sie bestimmt auch nicht«, sagte Julian. »Der Lift wird wieder nach unten fahren, wenn er leer ist. Dann werden wir ihn nehmen.«
»Genau!«, rief Dyoran grinsend. Er winkte seinen Männern zu, die die riesigen Türen nur zögernd losließen, wie es Julian schien, worauf sie sich mit einem hallenden Donnerschlag schlossen, der den Tunnel erschütterte.
Julian holte seinen Tricorder hervor und ging ein paar Schritte den Tunnel entlang. Als er sich weit genug von den anderen entfernt hatte, führte er eine schnelle Suche nach Ttan durch. Diesmal entdeckte er sie ohne Probleme. Sie befand sich zwölf Stockwerke höher und zweihundertachtzig Meter rechts von ihm. Dieses Stockwerk werden wir uns vornehmen, entschied er. Vielleicht gelang es ihm wenigstens, Kira bei der Rettung der Horta zu helfen.