Kapitel 14

 

Die Hortas sahen aus wie eine zerklüftete Bergkette im Miniaturformat, die auf geheimnisvolle Weise in Bewegung geraten war. Drei Hortas führten die Herde an, während die anderen ihnen dichtauf durch den Korridor folgten. Aus mehreren Metern Entfernung wirkten sie jetzt beinahe erwachsen, fast so groß wie eine Transporterplattform in der Zentrale. Wenn sie noch etwas größer wurden, dachte O'Brien, würde in der Tat der Berg zum Propheten kommen. »Was haben sie nur vor?«, fragte er.

»Woher soll ich das wissen?«, erwiderte Odo schroff. Der Gestaltwandler stand genau vor O'Brien in einer Gruppe aus Männern und Frauen von der Sicherheit. O'Brien blickte ihm über die Schulter und sah, wie sich die führenden Hortas zögernd, aber unaufhaltsam vorwärtsbewegten, über die Verbindungsbrücke zum Zentralbereich der Station. Anders als bei seiner fehlgeschlagenen Verteidigung des Geschützturms, den er sich mehr oder weniger zufällig ausgesucht hatte, wusste er, dass er sich jetzt an einer entscheidenden strategischen Position befand. Trotzdem waren noch kleinere Truppen an den zwei anderen Verbindungssegmenten postiert, falls die Hortas sich aufteilen und anderswo angreifen sollten, obwohl es im Augenblick nicht danach aussah. An allen drei Stellungen wartete man auf seine Anweisungen. Solange sie in Verbindung blieben, konnten sie ihre Erfahrungen mit den Hortas jederzeit austauschen und überall zum Zuge bringen. O'Brien hoffte nur, dass es tatsächlich eine Lösung gab.

»Sie bewegen sich langsamer als vorher«, stellte Odo fest. »Ich glaube, sie haben etwas aus der Katastrophe im Habitatring gelernt. Sie wollen nicht im Weltraum landen, also graben sie sich nicht mehr blindlings durch die Wände.«

»Aber sie sind nicht so sehr eingeschüchtert, dass sie sich völlig ruhig verhalten«, sagte O'Brien.

»Nein«, erwiderte Odo. »Bedauerlicherweise verhalten sie sich in dieser Hinsicht wie Humanoide. Sie wissen nicht, wann sie besser zu Hause bleiben sollten.«

Und wo ist Ihr Zuhause, Odo? O'Brien unterdrückte seinen Drang, die Frage laut zu stellen. »Constable«, fragte er statt dessen, »sind Sie bereit, noch einmal die Rolle der Mama zu spielen?«

Odos flache Gesichtszüge verzogen sich zu einer Grimasse. »Wenn es sein muss«, sagte er. »Meine früheren Erfahrungen deuten jedoch darauf hin, dass mein Einfluss auf sie nur sehr begrenzt ist. Selbst in Gestalt ihrer Mutter konnte ich den einen Horta nicht davon abhalten, sich in den Tod zu graben – und damit beinahe auch die anderen umzubringen. Offen gesagt, ich denke, die Situation erfordert eine breitere Strategie, die weniger auf meine Person zugeschnitten ist.« Der ernste Blick seiner blauen Augen forderte O'Brien heraus. »Ich dachte, bei Starfleet hätten Sie gelernt, wie man jederzeit eine technische Lösung aus dem Ärmel schüttelt.«

»Nur wenn es sein muss«, sagte O'Brien leicht verärgert über Odos sarkastische Bemerkung. Also gut, dachte er, dann werde ich den ersten Versuchsballon starten lassen. »Schilde aktivieren«, befahl er. »Maximale Energie.«

Die heranrückende Phalanx der Hortas erreichte den ersten Schild. Grelle Blitze aus bläulicher Energie zuckten auf, wo die steinerne Haut der Hortas mit der unsichtbaren Barriere in Berührung kam. Die Hortas protestierten grollend, zogen sich aber nicht zurück. O'Brien sah ungläubig zu, wie sie sich gegen das Kraftfeld drängten. Beißender weißlicher Rauch stieg von den Beulen und Kratern der Horta-Panzer auf. Die Entladungen aus blauem Licht wurden zu einem dichten brodelnden Nebelvorhang. Obwohl er sich in sicherer Entfernung aufhielt, brannte der Rauch in O'Briens Augen und Nase. Er blinzelte und wischte sich die Tränen mit dem Ärmel von der Wange. »Mehr Energie«, verlangte er. »Lenken Sie alles, was wir haben, auf den vorderen Schild.«

Eine bajoranische Technikerin hob in einer hilflosen Geste die Hände. »Das ist alles, was wir haben, Chief. Die Hälfte der Energieleitungen auf diesem Deck sind durchgebrannt oder sonst wie außer Funktion.«

»Ziehen Sie etwas Saft aus Quarks Bar ab, wenn es sein muss«, sagte O'Brien zu ihr. »Auch wenn dabei jedes holographische Flittchen auf dieser Station zum Teufel geht, geben Sie mir mehr Energie!«

»Ich versuche es, Chief«, sagte sie. Die silberhaarige Frau in grauer Uniform hatte eine Schaltkonsole in der Wand geöffnet. Jetzt tippte sie verschiedene Befehle ein, um eine Lösung für das Problem zu finden. O'Brien blickte nervös auf die Hortas. Sie hatten erst ein Drittel des Verbindungssegments überwunden, aber sie rückten immer noch vor. Mein Gott, dachte er entsetzt, es scheinen immer mehr zu werden.

»Ich hab's!«, sagte die Bajoranerin triumphierend und wandte sich interessiert dem Korridor zu, um den Erfolg ihrer Bemühungen zu beobachten.

Einen Augenblick lang sah es so aus, als wäre ihr Jubel gerechtfertigt. Die sprühenden blauen Funken strahlten heller, während das tiefe Grollen der Hortas gleichzeitig zu einem wütenden Gekreische wurde, das O'Brien in den Ohren schmerzte. Einer der Aliens schien sogar ein Stück zurückgeworfen zu werden, als er von der verstärkten Kraft des Feldes überrascht wurde. Ha!, dachte O'Brien. Vielleicht können wir diese Bälger doch noch in ihren Laufstall zurückzwingen.

Dann formierten sich die Hortas neu und stürmten wieder gegen den Schild an. Die roten Adern, die in unregelmäßigem Muster ihren Panzer durchzogen, pulsierten unter der Anstrengung und verstärkten ihr rötliches Glühen, während die Hortas ihre gemeinsamen Kräfte bündelten. Und während O'Briens Herz pochte und seine Augen immer größer wurden, schoben sich die Hortas Zentimeter um Zentimeter näher. »Das sind keine Babys!«, protestierte er lautstark. »Das sind Bulldozer!«

Als die Bajoranerin plötzlich aufschrie, wurde seine Aufmerksamkeit von den vorrückenden Hortas abgelenkt. Die Frau riss gerade noch rechtzeitig ihre Hände zurück, als die Schaltkonsole mit zuckendem elektrischen Feuer explodierte. O'Brien gab einen schnellen Befehl über seinen Kommunikator, die Kontrollen von der Energieversorgung abzuklemmen. »Alles in Ordnung?«, fragte er die Frau.

Sie nickte, obwohl Rußspuren an ihren Ärmeln und am Kragen zu sehen waren. »Es tut mir leid, Chief. Eine Rückkopplung mit dem Feld hat eine Überladung verursacht.«

»Stehen die Schilde noch?«

»Kaum«, sagte sie. Sie rieb über die verbrannten Stellen ihrer Uniform, verwischte dabei aber nur die Asche und den Ruß.

Mehr musste sie O'Brien nicht sagen. Verdammt!, fluchte er stumm. Dieser Saftladen funktioniert selbst unter normalen Umständen nicht richtig, und nachdem die Hortas hier gewütet haben, ist auf überhaupt nichts mehr Verlass. »Odo«, rief er. »Jetzt sind Sie an der Reihe.«

Zu O'Briens Erleichterung enthielt sich der Sicherheitsoffizier jeder bissigen Bemerkung. Er sah, wie Odo die Augen verdrehte, bevor sie sich zusammen mit dem Rest seines Gesichts und Körpers in der fließenden Verwandlung auflösten. Im nächsten Augenblick glitt die Nachbildung einer Horta-Mutter in voller Lebensgröße durch den Korridor ihren ›Kindern‹ entgegen. Ich hoffe nur, dachte O'Brien, dass die echten Hortas Odos Gestalt genauso überzeugend wie ich finden

»Deaktivieren Sie die Schilde«, sagte er, als Odo sich der Mitte des Verbindungssegments näherte. »Oder das, was noch davon übrig ist.«

 

Auf dem Weg zu den Hortas stieß Odo auf keinerlei Hindernis. War Chief O'Brien dafür verantwortlich oder handelte es sich um einen Energieausfall? Die Horta-Gestalt war genauso bequem wie bei seiner ersten Verwandlung, aber trotzdem war er nicht sicher, wie lange er sie noch beibehalten konnte. Die sechzehn Stunden, die er in fester Gestalt verbringen konnte, gingen allmählich zu Ende. Hinzu kamen zu viele Verwandlungen in kürzester Zeit und sein anstrengender Kampf gegen die Dekompression, so dass er erschöpfter war, als er zugeben wollte. Odo dachte sehnsüchtig an seinen Eimer und hätte sich nur ein paar Minuten ungestörter Ruhe gewünscht, doch statt dessen musste er sich um die Hortas kümmern. Die Arbeit einer Mutter, dachte er grollend, ist niemals erledigt.

Diesmal reagierten die Hortas nicht so begeistert auf seine Anwesenheit wie beim ersten Mal, auch wenn der führende Horta kurz vor Odo anhielt und ihn mit einem lauten steinernen Knirschen begrüßte. Da Odo immer noch nicht wusste, wie er darauf reagieren sollte, blieb er lieber stumm, während er bemerkte, wie sehr die Hortas inzwischen gewachsen waren. Der eine vor ihm war fast genauso massiv wie Odos gegenwärtige Gestalt. Er hatte etwa die Größe eines Imbissstands auf der Promenade. Odo hoffte, dass er es immer noch mit Kindern zu tun hatte und nicht mit einer Bande rebellischer Halbstarker.

Der Horta streifte Odo mit seinem Körper. Seine scharrende Stimme wurde etwas lauter und höher, bis er schließlich verstummte. Dann zog er sich ein Stück von Odo zurück, während sich die zerklüfteten und pulsierenden Panzer seiner Geschwister links und rechts an ihm und am verwandelten Constable vorbeischoben und ihren Vormarsch in Richtung Zentrale fortsetzten. Auch der Anführer machte Anstalten, Odo auszuweichen und sich weiter vorwärts zu bewegen. Odo überlegte kurz, ob er sich ein Stück zurückziehen und eine Wand bilden sollte, bis er erkannte, dass es Selbstmord gewesen wäre. Er hatte schließlich gesehen, was ein entschlossener Horta mit einer Wand machen konnte.

Statt dessen gab er seine Gestalt auf. Wie ein schneller goldener Strom floss er zum Durchgang in den zentralen Bereich der Station zurück, wobei er sich an den langsameren Hortas vorbeischlängelte, bis er sich neben O'Brien auf humanoiden Beinen aufrichtete. Zum Glück hatte der Starfleet-Ingenieur Odos Metamorphosen schon viel zu häufig beobachtet, um über die plötzliche Zurückverwandlung des Sicherheitsoffiziers zu erschrecken.

»Kein Glück gehabt?«, fragte O'Brien unbeeindruckt.

»Entweder wissen sie, dass ich nicht Ttan bin, oder es ist ihnen gleichgültig.« Odo schüttelte erschöpft den Kopf. »Die Kinder heutzutage …«

 

Odo sah aus, als würde er jeden Augenblick zusammensacken oder zerfließen, dachte O'Brien. Trotz der schroffen Art des Constable hatten sein Gesicht und seine Hände den feuchten Glanz einer Kerze angenommen, die zu nah an eine Flamme gehalten wurde. Unter der Uniform schien seine Substanz in leichte fließende Bewegung geraten zu sein. O'Brien hoffte nur, er würde Odo nicht demnächst vom Boden aufwischen müssen.

Er wandte seinen Blick wieder den Hortas zu, die immer noch näher rückten. Die ersten beiden hatten fast das Ende des Korridors erreicht, während die anderen ihnen dichtauf folgten. Er erinnerte sich wieder an sein Versagen am Geschützturm. Er wusste, dass es keinen Zweck hatte, nach dem Phaser zu greifen. Die Hortas wirkten jetzt noch größer und noch unüberwindlicher, und sie kamen mit jeder Sekunde näher.

Mein erster Versuchsballon ist geplatzt, stellte er fest. Also gut. Odos Versuch hat mir zumindest ein wenig Zeit verschafft, einen neuen Trick auszuprobieren. Mit etwas Glück werde ich mir nicht noch einen ausdenken müssen.

»Schilde auf beiden Enden des Verbindungssegments aktivieren«, befahl er.

Odo schüttelte den Kopf, der sich fast vom flüssigen Hals zu lösen schien. »Sie brennen sich schneller durch die Schilde, als Quark durch ein Hintertürchen schlüpfen kann.« Sogar seine Stimme schien ihre Festigkeit verloren zu haben. Sie klang irgendwie flüssig, als würde er gurgeln.

»Vertrauen Sie mir«, erwiderte O'Brien. »Die Schilde sollen nur unserer Sicherheit dienen.« Er tippte auf seinen Kommunikator und stellte eine Verbindung mit dem Zentralcomputer her. »Aufhebung der künstlichen Schwerkraft in allen Verbindungssegmenten zwischen Habitatring und zentralem Bereich.«

Ausnahmsweise begann der Computer keinen neuen Streit mit O'Brien. Vielleicht war das verdammte Programm genauso versessen darauf wie er, dass die Hortas den Boden unter den Füßen verloren. Schließlich würde die kleine Armee der Hortas ansonsten in wenigen Minuten das Zentrum von Deep Space Nine verwüsten. Und wenn die Hortas damit begannen, den Stationskern zu verspeisen, wie lange würde es dann noch dauern, bis sie zum Nachtisch über die Zentrale herfielen?

»Gravitation deaktiviert«, gab der Computer bekannt. Dann beobachtete O'Brien zufrieden, wie ein Horta nach dem anderen sich vom Boden des Korridors löste und nach oben schwebte. Sie hingen hilflos in der Luft, wie in einer Nullgrav-Zelle. Die Fransen an der Unterseite wirbelten nutzlos herum, während sie nicht mehr als flüchtigen Kontakt mit jeder festen Oberfläche aufnehmen konnten. Zwei schwebende Horta stießen gegeneinander und trieben dann sanft in entgegengesetzte Richtungen davon, bis einer von ihnen gegen einen dritten prallte. Dieser wirbelte in den Korridor zurück, in die Richtung, aus der sie gekommen waren, während er sich immer wieder in der Luft überschlug. Innerhalb weniger Sekunden tummelten sich alle Hortas in der Luft und stießen sich gegenseitig gegen die Wände, den Boden und die Decke. Es war wie ein Nullgrav-Billardspiel in Zeitlupe.

Ausgezeichnet, dachte O'Brien. Eine unschädliche, aber trotzdem effektive Lösung. Er war davon ausgegangen, dass die Hortas, die sich in den Jahrtausenden ihrer Evolution an die Verhältnisse im festen Innern eines Planeten angepasst hatten, in einer schwerelosen Umgebung Schwierigkeiten bekommen würden. Und das eigentlich Gute an dieser Falle war, dass sogar weniger Energie nötig war, um die künstliche Schwerkraft abzuschalten, als sie aufrechtzuerhalten. Vom technischen Standpunkt betrachtet, musste er die Wirtschaftlichkeit dieser List bewundern, vor allem in Anbetracht des mitgenommenen Zustands sämtlicher Stationssysteme. Vielleicht schafften sie es doch noch – auch ohne Dax' wissenschaftliche Fachkenntnisse.

Dann begannen die Hortas zu schreien; es waren wilde, ohrenbetäubende Schreie, die wie Alarmsirenen klangen oder, was O'Brien sich nur zögernd eingestand, wie die kleine Molly, wenn sie gerade einen Albtraum hatte. »Sie geraten in Panik«, flüsterte er Odo zu.

»Ja«, stimmte Odo zu. Trotz der großen Kluft, die die Spezies der Menschen und Hortas voneinander trennte, war der Klang der nackten Angst unverkennbar.

Die Schreie zerrten an O'Briens Nerven, aber er konnte notfalls damit leben. Es war immer noch besser, wenn die armen Babys in Panik gerieten, als wenn man gezwungen wäre, sie zu vernichten, oder wenn sie Deep Space Nine Stück für Stück auseinandernahmen. Doch die verängstigten Hortas schrien nicht nur, in ihrer Panik versprühten sie Säure in alle Richtungen. Strahlen aus ätzender Flüssigkeit, hellrot glühend wie Feuer, spritzen aus jedem Spalt in den klobigen Körpern der Hortas. Tropfen aus Säure sammelten sich in der Luft und bildeten leuchtende Pfützen des Todes, die durch den Korridor schwebten. Und ganz gleich, in welche Richtung sie trieben, irgendwann trafen sie auf den Boden oder eine Wand, wo sie festes Metall in eine blubbernde Masse verwandelten, die sich schnell verflüchtigte, so dass klaffende Löcher in der Struktur zurückblieben. Wo die treibenden Säureklumpen auf technische Einrichtungen stießen, spritzten weißglühende Funken aus den zerstörten Schaltkreisen. Flammen und schwarzer Rauch vermischte sich mit dem weißen Dampf der ätzenden Absonderungen der Hortas.

Im Geschrei und Getöse konnte O'Brien kaum die verzweifelten Berichte hören, die über seinen Kommunikator eintrafen, aber das Wesentliche hatte er verstanden. Der Säuresturm, den die Hortas in ihrer Verzweiflung losgelassen hatten, um dem Gefängnis der Schwerelosigkeit zu entkommen, richtete beträchtliche Schäden im gesamten Verbindungssegment an.

O'Brien starrte in das Chaos und die Vernichtung. Nicht weit entfernt wirbelte ein Horta vorbei, während er orangefarbene Strahlen in alle Richtungen verschoss, wie ein altertümliches Feuerrad. Doch er wusste, dass die verzweifelten Hortas viel gefährlicher waren als jeder primitive Feuerwerkskörper.

»Chief O'Brien«, rief die silberhaarige Technikerin. Sie hielt ihren Starfleet-Tricorder auf den Korridor gerichtet. »Das Verbindungssegment ist mit Mikrowellenstrahlung geflutet. Die Säure hat offenbar die Verteilerknoten angegriffen. Das Strahlungsniveau nimmt zu.«

Dem Himmel sei Dank, dass die Schilde noch stehen, dachte O'Brien. Aber wie lange noch? Rauchende Risse und klaffende Löcher verunstalteten den Korridor, während die kreischenden Hortas durch ein Chaos aus Rauch, Funken und Säurenebel torkelten. Vergiss die Strahlung, dachte er. Wie steht es um die strukturelle Integrität des Verbindungssegments?

»Computer«, sagte er. »Sofortige Wiederherstellung der künstlichen Schwerkraft in allen Verbindungssegmenten!«

Das cardassianische Programm wollte den Hortas nicht so schnell nachgeben. »Bestätigung des befehlshabenden Offiziers erforderlich …«

»Schalt sofort die verdammte Gravitation wieder ein«, brüllte O'Brien wütend, »solange es noch geht!« Dann fügte er hinzu: »Und lokalisiere und deaktiviere alle beschädigten Energieleitungen.« Verdammt, dachte er. Warum hatten die Cardis nicht ein sicheres, vernünftiges Elektroplasmasystem statt ihres gewöhnlichen, billigen Mikrowellennetzes in die Station einbauen können?

»Bestätigt«, fügte sich der Computer seiner Autorität. Dann spürte O'Brien ein plötzliches summendes Vibrieren unter den Füßen, als die Schwerkraft mit einem Paukenschlag im Korridor wieder einsetzte. Achtzehn Hortas krachten gleichzeitig zu Boden, während überall Säuretropfen wie ein Regen im Verbindungssegment niedergingen. Die Säure hüllte die Hortas ein, hinterließ jedoch keine Spur auf ihren unüberwindlichen Panzern. O'Brien sah mit finsterer Miene zu, wie die Säure an den Hortas herablief und sich tief in den Boden fraß. Durch wie viele Decks würde sich die Säure graben? Er konnte sich nur damit trösten, dass der gesamte Abschnitt bereits evakuiert war.

Der vorderste Horta, der sich noch vor wenigen Augenblicken in der Luft gedreht hatte, landete auf dem Rücken. Seine Fransen bewegten sich in der Luft, ohne etwas zu bewirken, und für einen Moment gestattete O'Brien sich die Hoffnung, dass der Horta wie eine Schildkröte nicht in der Lage wäre, sich wieder aufzurichten. In diesem Fall würde er sich einfach einen Stock schnappen und sie der Reihe nach anheben und auf den Rücken werfen.

Doch sein simpler Plan erwies sich als undurchführbar, bevor er richtig Gestalt angenommen hatte. Vor seinen Augen versank der umgekippte Horta im Boden und verschwand aus seinem Blickfeld. Eine Sekunde später tauchte er ein paar Meter weiter richtig herum wieder auf. Offenbar brauchte die kleine Bestie nur einen Augenblick in fester Umgebung, um sich wieder zu orientieren. »Das glaube ich einfach nicht!«, brummte O'Brien. »Gibt es denn überhaupt nichts, was diese Wesen aufhält?«

»Auf Janus VI«, sagte Odo mit sichtlicher Anstrengung, »gibt es keine natürlichen Feinde und auch kein Verbrechen. Das habe ich überprüft.«

O'Brien blickte seinen Kollegen an und bemühte sich, ihn nicht anzustarren. Es sah aus, als müsste Odo seine gesamte Kraft einsetzen, um sein Gesicht und vor allem den Mund einigermaßen in Form zu halten. Dagegen hatte die Schwerkraft seine Hände und Finger so sehr nach unten in die Länge gezogen, dass sie nur noch dünne, schwache Stiele mit tropfenförmigen Knospen an den Enden waren. Das Wogen unter seiner Uniform war immer heftiger geworden. Odos Substanz schwappte regelrecht hin und her, getrieben von fremdartigen biologischen Gezeiten, und wurde kaum von dem anthropomorphen Ballon zusammengehalten, zu dem sein Körper geworden war. Winzige Feuchtigkeitsperlen überzogen seine nachgebildete Haut. Wenn O'Brien es nicht besser gewusst hätte, hätte er sie für Schweißtröpfchen gehalten.

»Um Himmels willen, Odo«, sagte er leise, um dessen mühsam aufrechterhaltene Würde nicht zu verletzen. »Für Sie gibt es hier nichts mehr zu tun. Gönnen Sie sich eine Pause, bevor … Sie wissen schon.«

Odo starrte O'Brien an. Sein Gesicht war bereits so sehr zerflossen, dass es keine Gefühle mehr ausdrücken konnte. Im Blick seiner Augen mochte sich Wut, Dankbarkeit oder eine sonstige Empfindung verbergen, die O'Brien nicht einmal erraten konnte. Odo hob eine Hand und beobachtete, wie sie sich sirupgleich in die Länge zog.

»Sie haben recht«, sagte er schnell und wandte sich ab. Aus dem Augenwinkel sah O'Brien, wie etwas Goldenes und Flüssiges in Richtung Promenade davonglitt. Er hoffte nur, dass Odo sein Büro – und seinen Eimer – rechtzeitig erreichte. Doch war es überhaupt irgendwo auf der Promenade sicher, solange die Hortas sich in der Nähe des zentralen Bereichs aufhielten? Wenn O'Brien ehrlich war, bezweifelte er es.

»Lassen Sie den Korridor nicht aus den Augen«, befahl er den versammelten Leuten – nicht nur, um Odo einen würdevollen Rückzug zu ermöglichen. Die Hortas hatten das Trauma ihres Abenteuers in der Schwerelosigkeit überwunden. Das Geschrei war zwar verstummt, aber dafür hatten sich die Hortas wieder in Bewegung gesetzt.

Und O'Brien hatte keine weiteren Tricks mehr auf Lager.

Frustriert schlug er mit der Faust gegen eine Wand. Es war wieder genauso wie am Geschützturm. Du bist ein Idiot und ein Versager, verfluchte er sich. Sogar die kleine Molly war besser mit den Hortas zurechtgekommen als er.

Molly …

Verblüfft erkannte O'Brien, dass er doch noch eine Karte ausspielen konnte: Mollys Lösung. »Füttert sie«, sagte er, zuerst leise und dann noch einmal lauter, im Tonfall eines Befehls. »Füttert sie!«, rief er. »Wände, Streben, Ersatzteile … alles, was nicht niet- und nagelfest ist, soll sofort zu den Hortas gebracht werden!« Um sein Vorhaben zu demonstrieren, ergriff er die offene Klappe der durchgebrannten Schaltkonsole und riss sie gewaltsam aus der Wand. Dann warf er die dünne Metallplatte dem nächsten Horta in den Weg. Die verbogene Klappe landete scheppernd auf dem Boden. Der Lärm oder vielleicht ein verlockender mineralischer Geruch, der für Menschen nicht wahrnehmbar war, zog den Horta an. Er rückte an das Metallstück heran und betastete es mit seinen Fühlern. Offenbar war es genau das richtige. Mit einem begeisterten Grollen schob sich das felsenartige Wesen mit dem ganzen Körper über den hingeworfenen Happen. O'Brien hörte das Zischen von kochendem Metall und sah unter dem Fransensaum an der Unterseite ein rötliches Glühen.

Die Klappe war jedoch nur ein Appetithäppchen, das der Horta im Nu verzehrt hatte. Zum Glück eilten von überall Bajoraner und Starfleet-Leute herbei und brachten neue Nahrung für die Hortas mit: Geländerstangen, Schranktüren, Geschirr, Computer, Datenclips, Scanner, Feuerlöscher, Konsolen, Datenblöcke, Mikroskope, Trittleitern, Tragetaschen, Hocker, Sicherheitsanzüge, Wandverzierungen aus Kelinit-Legierungen, Metallschilder und sogar eine große Obsidian-Büste von Gul Dukat, die jemand offenbar achtlos in einen Schrank geworfen hatte, nachdem die Bajoraner die Station in Besitz genommen hatten. O'Brien sah sogar zwei kräftig gebaute Bajoraner, die gemeinsam eine komplette Schleusentür trugen. Das große zahnradähnliche Objekt wog bestimmt mehrere hundert Pfund. Hinter ihnen kam ein tiburonischer Lieutenant, deren muschelförmige Ohren vor Anstrengung gerötet waren, mit einer Reliefkarte von DS Nine in den Armen. Jemand hatte die Worte SIE BEFINDEN SICH HIER! über die ursprünglichen cardassianischen Schriftzeichen gemalt.

Allesamt überflüssiges oder unwichtiges Material, wie O'Brien zumindest hoffte. Trotzdem schien es geeignet zu sein. Die Hortas fielen mit einer Gier über diese Gaben her, die ihn davon überzeugte, dass sein Plan funktionierte. Gleichzeitig verzweifelte er über die Geschwindigkeit und Heftigkeit, mit der die Hortas alles verzehrten, was man ihnen brachte. Überall wich das Personal von DS Nine Löchern und Rissen aus, die die Säure gebildet hatte, während die Hortas sich begeistert über die Haufen aus Einrichtungsgegenständen und Trümmern hermachten. Im Augenblick herrschte ein Gleichgewichtszustand, während seine Leute genauso viel Material heranschafften, wie die Hortas vertilgten. Aber wie lange konnten sie mit dem scheinbar unersättlichen Hunger der Hortas Schritt halten? Als O'Brien auf die Geschöpfe starrte, die sich durch die Haufen brannten und fraßen, kam er sich vor wie der Eigentümer einer Bar, die einen ganzen Tag lang Freibier ausschenkte, während seine Vorräte rapide zur Neige gingen.

Zu seiner Überraschung entdeckte er Jake und Nog zwischen den Arbeitern, die Nachschub für die Hortas heranschleppten. Der Sohn des Commanders trug einen Arm voller Baseballschläger aus echtem Aluminium, während Quarks Neffe fast unter dem Gewicht eines Gegenstands zusammenbrach, der wie eine billige gusseiserne Schatztruhe aussah. O'Brien arbeitete sich durch die Reihen der Offiziere, bis er die Jungen wenige Meter vor dem großen Horta-Buffet einholte. Er legte beiden gleichzeitig seine Hände auf die Schultern. Nog kreischte verängstigt auf und ließ die Schatztruhe zu Boden fallen. Beim Aufprall sprang der Deckel der Kiste auf, so dass ihr Inhalt sich vor Nogs Füßen über den Boden ergoss. Als O'Brien nach unten sah, erkannte er einen Haufen beweglicher Spielzeugfiguren, die verschiedene intelligente Völker darstellten: Vulkanier, Menschen, Klingonen und viele andere Spezies in männlichen und weiblichen Varianten. Jede Figur war nackt, wie er sofort feststellte, und bis ins Detail anatomisch völlig korrekt gearbeitet.

»Erotische Spielfiguren«, erklärte Nog mit einem Schulterzucken. »Kindersachen.« O'Brien wurde schlagartig klar, dass es sich hier offenbar um Nogs alte Spielzeugkiste handelte. Nog wirkte verlegen, aber nicht sehr, sondern eher wie ein Jugendlicher, der seine Baby-Fotos vorzeigen sollte.

Ferengi!, dachte O'Brien. Er schüttelte den Kopf, um das widerliche Bild aus seinen Gedanken zu vertreiben, wie kleine Ferengi-Kinder mit diesen obszönen Modellen spielten. »Hört mal, Jungs«, sagte er. »Ihr solltet euch hier nicht herumtreiben. Es ist zu gefährlich.«

»Aber Chief!«, protestierte Jake. »Wir müssen doch irgendwie helfen. Wir müssen es einfach!« Nog nickte zustimmend, obwohl O'Brien den Eindruck hatte, dass nur wenig Begeisterung und Aufrichtigkeit dahintersteckte.

Er war jedoch über die Ernsthaftigkeit in Jakes Stimme und die Verzweiflung in den aufgerissenen braunen Augen des Jungen verblüfft. Das hier war sehr wichtig für Jake, erkannte O'Brien, obwohl er keine Ahnung hatte, warum. Er begutachtete die Sportausrüstung in Jakes Armen. Der Commander und sein Sohn hatten diese Schläger den langen Weg von der Erde mitgebracht, erinnerte sich O'Brien, und wenn Jake bereit war, seinen eigenen wertvollen Besitz zum Wohl der Station zu opfern, wie konnte O'Brien es ihm verwehren? Einen Augenblick lang dachte O'Brien an seine eigene erste Starfleet-Mission zurück und daran, wie wichtig es ihm damals gewesen war, sich zu beweisen. Jake war zwar wesentlich jünger als O'Brien zu jener Zeit, aber er glaubte, den Blick in den Augen des Jungen – nein, des jungen Mannes – wiederzuerkennen.

Sisko wird es mir vielleicht nie verzeihen, entschied O'Brien schließlich, aber ich bringe es nicht übers Herz, ihn wegzuschicken. Außerdem gibt es sowieso keinen Ort auf DS Nine, der wirklich sicher vor den Hortas ist.

Und Nog? O'Brien wandte den Blick ab, während der Ferengi-Junge seine verstreuten ›Spielsachen‹ aufsammelte. Zögernd musste er sich eingestehen, dass jeder Ferengi, der bereit war, etwas fortzuwerfen, ganz gleich, wie widerlich es sein mochte, eine gewisse Anerkennung verdiente.

»Also gut«, sagte er zu den beiden. »Ihr könnt vorerst bleiben und mithelfen. Aber ich möchte nicht, dass ihr in die Nähe der Hortas geht, verstanden? Und ihr werdet euch sofort in Sicherheit bringen, sobald sie den Verbindungskorridor verlassen. Okay?«

»Ja, Chief«, sagte Jake. Die Ernsthaftigkeit und die Verzweiflung in seiner Stimme war geradezu herzerweichend. Dann kehrte er schnell um, als würde er befürchten, O'Brien könnte seinen Entschluss im letzten Augenblick doch noch ändern. »Komm, Nog, wir wollen den anderen helfen!«

Nog zögerte und blickte wehmütig auf die kleine Figur eines orionischen Sklavenmädchens. Er hob sie auf und drehte sie in seinen Händen.

»Nog!«

Der Ferengi steckte sich die Puppe hastig in den Stiefel und eilte seinem Freund nach. »Ich komme«, rief er. »Ich komme ja schon! Wozu die Hektik?«

Ein Besatzungsmitglied in roter Montur drängte sich an O'Brien vorbei und versperrte ihm kurzzeitig den Blick auf die Jungen. Der Mann trug einen Globus von Bajor in den Armen, auf dem die Grenzen mit hellgrüner, löschbarer Farbe korrigiert worden waren. Bis jetzt hatte noch niemand seine Waffen geopfert, bemerkte O'Brien. Nicht weit entfernt machten sich zwei Hortas genüsslich über einen ovalen Konferenztisch her. Die Haufen der zerschmelzenden Horta-Nahrung glühten wie Lagerfeuer.

»Sicherheit«, befahl er in der Hoffnung, einen Anschein von Ordnung in die Situation zu bringen, »schaffen Sie weiter Nahrung für die Hortas heran. Wartung und Technik, versuchen Sie …« Er hielt inne und schüttelte erschöpft den Kopf. »Zum Teufel, versuchen Sie den Schaden zu reparieren, den die Sicherheit anrichtet.«

Das ist auf keinen Fall eine langfristige Lösung, musste O'Brien sich ins Gedächtnis rufen. Der Vormarsch der Hortas in Richtung Stationszentrum war gestoppt worden – es fragte sich nur, für wie lange? Musste er die ganze Station ausschlachten, um DS Nine zu retten? Er betete, dass Commander Sisko bald irgendein Kaninchen aus dem Hut zauberte, solange noch etwas von der Station übrig war.

Bis es soweit war, beschloss er, noch eine Konsole auf den Scheiterhaufen zu werfen.

 

»Platz da!«, knurrte Quark. »Lassen Sie uns vorbei!« Er eilte zum Verbindungssegment drei und kämpfte sich zwischen dem Stationspersonal hindurch, das bergeweise Futter für die Hortas heranschleppte. Rom versuchte mit seinem Bruder Schritt zu halten, obwohl er schwer mit stählernen Kisten beladen war, die seinen Kopf weit überragten. Quark blickte sich über die Schulter um. Warum musste Rom ausgerechnet jetzt so trödeln? »Beeil dich, Trottel! Wir dürfen keine Zeit verlieren.«

»Vielleicht«, keuchte Rom, »würden wir weniger Zeit verlieren, wenn du mir beim Tragen dieser Kisten helfen würdest, Bruder!« Er hatte die Arme um die unterste Kiste geschlungen und schwankte, während er zu verhindern versuchte, dass der hohe Stapel umstürzte.

Quarks Antwort bestand in einem verächtlichen Zischen. Es gab Fragen, die es nicht wert waren, dass man sich zu einer Antwort herabließ. Er flitzte um eine große coridanische Frau herum, die einen silbernen Stab hinter sich herzog. Er dachte kurz darüber nach, ob er sie informieren solle, dass das Artefakt in ihren Händen ein heiliges bajoranisches Relikt darstellte – aber wozu die Mühe? Schließlich lag kein Profit darin. Außerdem war die Frau viel zu dürr, um ihn anderweitig interessieren zu können. Er wollte an einigen weiteren Starfleet-Lakaien vorbeihuschen, als er hinter sich eine allzu vertraute Stimme piepsen hörte.

»Oh, entschuldigen Sie, bitte. Ich meine, Sie wollen das doch nicht wirklich an die Hortas verfüttern. Die Bajoraner wären ziemlich erbost …«

»Rom!«, knurrte Quark. Er biss frustriert die Zähne zusammen. Manchmal fragte er sich, ob sein Bruder aus einem Nachwuchs-Ausverkauf stammte. In diesem Fall hatten seine Eltern ihn sicherlich als supergünstiges Sonderangebot erworben.

Unaufgefordert einen hilfreichen Rat anzubieten – und auch noch völlig umsonst! Quark war fassungslos über das Ausmaß von Roms Dummheit. Als nächstes, dachte Quark verbittert, wird er womöglich Rückzahlungen anbieten!

Als er sich dem Verbindungssegment drei näherte, nahm die Hektik immer mehr zu. Er schob sich durch das Gedränge und blickte von Zeit zu Zeit nach hinten, um sicherzustellen, dass Rom nicht allzu weit zurückfiel. Dann riss er plötzlich die Augen auf, als er zwei Gestalten in der Menge entdeckte, die er hier überhaupt nicht erwartet hatte: einen unreifen männlichen Ferengi und einen dunkelhäutigen Menschenjungen. Er rieb sich nachdenklich die Ohrmuschel, während er weiterhastete. Was machten Nog und Siskos Sohn hier? Die beiden mussten irgend etwas im Schilde führen. Quark beschloss, sich um diese Sache zu kümmern, sobald er die nötige Zeit fand. Schließlich besagten schon die Erwerbsregeln voller Weisheit, dass das Geheimnis des einen die günstige Gelegenheit des anderen war.

Zuerst musste er jedoch an Miles O'Brien vorbeikommen. Der Mensch hatte den Ferengi sofort entdeckt, als er sich dem Verbindungssegment näherte. Er stellte sich Quark in den Weg und verschränkte die Arme vor seiner übergroßen menschlichen Brust. »Einen Moment, bitte!«, bellte O'Brien. »Was zum Teufel machen Sie hier?«

Quark verschaffte sich einen schnellen Überblick über die Lage, bevor er antwortete. Soweit er erkennen konnte, befand sich Odo nirgendwo in der Nähe. Das Problem mit Odo war allerdings, dass man sich bei ihm niemals sicher sein konnte. Es würde diesem heuchlerischen Gestaltwandler recht geschehen, wenn er sich in einen Stuhl oder etwas Ähnliches verwandelte, um dann von einem übereifrigen Starfleet-Kadetten an die Hortas verfüttert zu werden. Quark kicherte leise über diese belustigende Vorstellung und wandte seine Aufmerksamkeit dann wieder Chief O'Brien zu.

»Ich will als Bürger mit sozialem Gewissen meinen Beitrag zur Erhaltung von Deep Space Nine leisten.« Quark deutete auf Rom und seine schwere Last. »Wenn ich es richtig verstanden habe, veranstalten Sie eine Art Altwarensammlung.«

»Richtig«, sagte der Mensch zweifelnd. »Aber wir sind nicht an dem interessiert, was Sie uns zu verkaufen haben, Quark, also können Sie sich wieder auf den Rückweg machen.«

»Verkaufen?«, rief Quark und griff sich an den Brustkorb, als würde ihn die bloße Vorstellung entsetzen. »Wer hat etwas von Verkaufen gesagt? Ich spende diese Sachen, meinen persönlichen Besitz, zum Wohl aller Betroffenen!«

»Natürlich!«, erwiderte O'Brien skeptisch. Der Starfleet-Offizier hatte offenbar zuviel Zeit mit Odo verbracht, schlussfolgerte Quark, so dass er nun durch Odos ständiges Misstrauen infiziert war. Es hätte allerdings schlimmer kommen können, denn Odo hätte den Schwindel schon längst durchschaut.

»Was ist?«, drängte Quark den Ingenieur. »Wollen Sie es nun haben oder nicht? Nach dem, was ich gehört habe, können Sie es sich eigentlich nicht leisten, wählerisch zu sein.« Quark blickte hinter O'Brien, wo Dutzende uniformierter Offiziere hektisch damit beschäftigt waren, den näher rückenden Hortas allen möglichen Krempel vorzuwerfen. Die Schreie der fressenden Monstren hallten von den inzwischen skelettierten Wänden zurück.

O'Brien seufzte laut. Seine Augen waren müde und blutunterlaufen. »Also gut«, sagte er. »Was haben Sie anzubieten?«

»Kamoy-Sirup!«, verkündete Quark, ohne auf O'Briens Gesicht zu achten, das sich bei dem Gedanken an dieses widerliche Zeug verzog. »Viele Flaschen mit köstlichem, unwiderstehlichem cardassianischem Kamoy-Sirup. Genau das richtige für einen hungrigen Horta!«

Und gleichzeitig war es völlig unverkäuflich und hoch versichert, jubelte Quark innerlich. Auch wenn er von einer ›Spende‹ gefaselt hatte, ergab sich vielleicht sogar die Möglichkeit, bei der Föderation einen Anspruch auf Schadensersatz zu erheben. Unter Umständen könnte er sich für den Verlust einer nutzlosen Handelsware doppelt entschädigen lassen. Ein gieriges Grinsen drohte Quarks Gesichtszüge zu sprengen. Zum Henker mit der Bescheidenheit, dachte er, diese Idee ist einfach genial!

»Na gut, bringen Sie's rüber«, sagte O'Brien unwirsch. Er trat zur Seite und ließ Quark und Rom vorbei. »Gott weiß, dass es kaum etwas gibt, womit Sie die Situation noch schlimmer machen könnten.« Dann ging O'Brien fort und brüllte den Arbeitern Befehle zu, die mit Scheiben aus Plastin die Löcher in den Wänden abdichteten. Quark schnappte einiges von O'Briens Anweisungen auf, etwas über ›Infrastruktur‹ und ›die Kinder mit dem Bade ausschütten‹, aber es war ihm eigentlich gleichgültig. Ihn trieb allein die Verlockung eines mühelosen Profits.

Verschiedene Sicherheitswächter warfen ihnen misstrauische Blicke zu, als Quark und Rom zu den wartenden Hortas trippelten beziehungsweise taumelten. »Neues Futter für die Kleinen«, rief er ihnen zur Erklärung zu. »Oberste Priorität. Befehl von Chief O'Brien.« Genau am Anfang des Korridors stieß er auf eine Gruppe schwitzender Bajoraner, die so etwas wie eine altertümliche Eimerkette gebildet hatten und verschiedene Sachen zu den Hortas im Verbindungssegment durchreichten. Quark erschrak ein wenig, als er sah, wie nah die Geschöpfe dem zentralen Bereich und damit auch seiner Bar waren. Doch daran konnte er im Augenblick nichts ändern. Er griff sich die oberste Kiste von Roms Stapel und gab sie an das Fütterungsteam weiter. Er reckte sich auf Zehenspitzen empor, um mit Genugtuung beobachten zu können, wie die Kiste von einer Kette starker Hände zu einem Wesen weitergereicht wurde, das wie ein zerklüfteter Fels aussah und wesentlich größer als jene war, die vor einiger Zeit in seiner Bar gewütet hatten.

Der Horta, der gerade einen überzähligen Luftfilter zu einem schwarzen Fleck auf dem Boden reduziert hatte, näherte sich Quarks Spende mit unmenschlicher Begeisterung. Seine vorderen Fransen schoben sich über das Metallgehäuse und rissen es auf. Rosafarbener, öliger Kamoy-Sirup sickerte aus dem Loch im Behälter. Unvermittelt machte der Horta einen Satz nach vorn und verspeiste die gesamte Kiste auf einmal.

Dann wich der Horta plötzlich zurück. Er gab ein sonderbares würgendes Geräusch von sich und spuckte dann ein ekelerregendes Gemisch aus glänzendem geschmolzenem Metall und rosafarbenem Schleim aus. Die Bajoraner warfen dem Horta eine weitere Kiste zu, doch diesmal wich das Wesen ihr in weitem Bogen aus. Quark musste entsetzt zusehen, wie die anderen Hortas das gleiche taten. Die Sicherheitswächter waren gezwungen, die vorderen Hortas mit den Einzelteilen einer Diagnoseeinheit zu füttern, um sie davon abzuhalten, sich aus Enttäuschung in den Boden des Korridors zu graben.

Ein Starfleet-Fähnrich packte Quark am Oberarm und führte ihn vom Schauplatz des Geschehens fort. Quark registrierte es kaum. Er blickte sich immer wieder zu der rötlich-silbrigen Substanz um, die der Horta zurückgelassen hatte.

Ich fasse es nicht!, dachte er. Er wollte es einfach nicht glauben, konnte aber die Augen unmöglich vor der schrecklichen Wahrheit verschließen.

Sogar die Hortas verschmähten Kamoy-Sirup.