Kapitel 15

 

Nachdem Kira die Falle über dem Loch im Fußboden angebracht hatte, trat sie zurück, um ihre Arbeit zu begutachten. Alles wirkte perfekt – beim leichtesten Druck auf den Stolperdraht würden die Granaten hochgehen. Das sollte den Cardassianern eine Lehre sein. Sogar eine einzige Bajoranerin konnte eine Armee in Schach halten.

Sie machte kehrt und lief in den Korridor hinaus. Er war immer noch leer. Der Alarm schrillte hier draußen lauter als je zuvor, ein heulendes Geräusch, das so sehr an ihren Nerven zerrte, dass sie den Drang verspürte, sich die Ohren zuzuhalten. Doch wenn sie darunter litt, würde es ihren Verfolgern genauso ergehen.

»Hier entlang«, sagte sie und wandte sich nach links. Sie lief zielstrebig durch den Korridor. Als sie um eine Ecke bog, stand sie plötzlich einem cardassianischen Techniker in einteiliger blauer Uniform gegenüber. Der Cardassianer ließ den Datenblock fallen, den er in der Hand gehalten hatte, und flüchtete zu einem Raum in der Nähe.

Kira betäubte ihn und drehte sich dann zu Fähnrich Aponte um. »Beim nächsten Mal möchte ich vorgewarnt werden, Fähnrich.« Sie fügte nicht hinzu: Wenn er ein Soldat gewesen wäre, hätten wir diese Begegnung nicht überlebt.

»Tut mir leid, Major.« Aponte blickte verlegen auf ihren Tricorder. »Wir werden verfolgt«, sagte sie. »Von etwa fünfzehn Cardassianern. Ich glaube nicht, dass sie in die letzte Falle getappt sind, die Sie aufgestellt haben, Major.«

»Verdammt!«, entfuhr es Kira. Nun gut, dachte sie, die Cardassianer werden nicht immer wieder auf denselben Trick hereinfallen. »Was liegt vor uns?«

»Ein Lift … warten Sie! Er ist besetzt. Es sind sogar ziemlich viele Leute.«

Kira blickte sich hektisch um. Wo konnten sie sich verstecken? Sie sah nirgendwo eine Deckung, nur die Tür, durch die der Techniker hatte verschwinden wollen. Als sie auf die Schaltfläche drückte, tat sich nichts. Ein Zirpen verriet ihr, dass die Tür verschlossen war.

Sie trat einen Schritt zurück, stellte ihren Phaser mit dem Daumen auf volle Energie und schoss. Der Verriegelungsmechanismus löste sich, und die Tür glitt zischend zur Seite. Dahinter wurde eine Art Labor sichtbar. Drei Cardassianer in blauen Kitteln standen hinter einem Tisch, der mit zerlegten Bauteilen übersät war. Einer von ihnen hob einen Phaser vom Tisch auf und feuerte, aber Kira duckte sich rechtzeitig. Wenn der Cardassianer die schnellen Reflexe eines Soldaten gehabt hätte, wäre sie jetzt tot, dachte sie.

Mit pochendem Herzen presste sie sich neben der Tür an die Wand und holte eine Betäubungsgranate hervor. Sie hoffte, dass sie auch funktionierte. Sie stellte die Zündung auf zwei Sekunden Verzögerung ein und warf die Granate in den Raum.

Dabei hätte ihr ein Phaserstrahl beinahe die Hand zerfetzt.

»Zwei … eins …«, zählte sie.

Die Granate detonierte mit einem wohltuenden lauten Wumm. Der Korridor erzitterte, und eine Staubwolke quoll aus dem Labor.

Kira wartete nicht. Sie wirbelte herum und sprang durch die Tür. Dann ging sie in die Hocke und schwenkte ihren Phaser, um sofort abzudrücken, falls sie noch eine Bewegung registrierte. Als sich der Staub senkte, sah sie die drei Cardassianer bewusstlos auf einem Haufen liegen. Die meisten Bauteile waren verstreut und sahen aus, als wären sie nicht mehr zu reparieren.

Schnell durchquerte sie den Raum, während sie über zerbrochene Tische und zertrümmerte Geräte stieg. Zu ihrem Pech hatte der Raum keine weiteren Ein- oder Ausgänge. Sie mussten sich einen neuen Durchgang schneiden.

»Achten Sie auf Soldaten«, sagte sie zu den zwei Fähnrichen. »Halten Sie sie so lange auf, wie es geht. Und ich möchte ständig auf dem laufenden gehalten werden.«

»In Ordnung, Major«, sagte Aponte.

Kira zog sich tiefer in den Raum zurück und schnitt dort mit ihrem Phaser ein Loch in den Boden. Diesmal warf sie zuerst ein paar Betäubungsgranaten hinein, um jeden möglichen Widerstand von unten zu brechen. Doch dann stieg sie nicht in das nächste Stockwerk hinunter, sondern lief zurück in den Korridor. Erleichtert stellte sie fest, dass noch nichts von ihren Verfolgern zu sehen war.

»Hier entlang«, sagte sie und lief weiter den Korridor entlang. »Ich habe ein Loch in den Boden geschnitten«, rief sie über die Schulter zurück. »Ich hoffe, dass sie dann glauben, wir wären nach unten gegangen. Vielleicht gewinnen wir dadurch ein paar Minuten, während sie dort nach uns suchen. Wie weit ist Ttan noch entfernt?«

»Sie befindet sich etwa sechzig Meter geradeaus«, sagte Aponte. »Immer noch ein Stockwerk höher als wir. Sie hat sich nicht von der Stelle bewegt.«

»Was ist mit den Cardassianern hinter uns?«

»Sie rücken nur langsam vor. Ich glaube, sie überprüfen alles auf Fallen. Meiner Einschätzung nach haben wir noch höchstens vier Minuten, bis sie den Raum finden. Größere Sorgen macht mir allerdings der Lift – denn gerade haben sich die Türen geöffnet.«

Großartig, dachte Kira. Daran hatte sie überhaupt nicht mehr gedacht. »Wie viele Leute sind in der Kabine?«, wollte sie wissen.

»Zweiundfünfzig, Major …« Plötzlich blickte sie überrascht auf. »Die Anzeigen deuten darauf hin, dass es sich um Bajoraner handelt!«

»Nein!«, stöhnte Kira auf. Es konnte nicht Bashir sein, denn sie hatte ihm gesagt, er sollte sich nicht von der Stelle rühren.

»Doch«, erwiderte Aponte, während sie die Anzeigen des Tricorders studierte. »Es scheinen zwei Menschen unter ihnen zu sein.«

»Dieser Idiot!«, tobte Kira. »Warum konnte er sich nicht an meine Befehle halten und bleiben, wo er war? Warum …?« Sie verstummte plötzlich. Jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt, sich darüber aufzuregen. Was geschehen war, war geschehen. Sie würde sich später mit ihm auseinandersetzen. Sie hoffte für ihn, dass er eine gute Entschuldigung parat hatte. Jetzt musste sie das Beste aus der Situation machen.

»Kommen Sie«, sagte sie. »Wir werden zu ihnen stoßen und den Cardassianern, die uns verfolgen, einen echten Hinterhalt legen.« Sie tippte zum ersten Mal während der Aktion auf ihren Kommunikator. »Doktor, hören Sie mich?«

»Ja«, kam es aus dem kleinen Gerät. »Wir sind ein paar Stockwerke höher …«

»Ich weiß, wo Sie sind«, sagte sie. »Bleiben Sie dort. Wir werden in drei Minuten bei Ihnen sein. Passen Sie auf, dass Sie uns nicht unter Feuer nehmen. Ende.«

 

Julian trat vor und winkte, als Kira und der Rest des Teams am Ende des Korridors auftauchten. Nachdem sie sich jetzt wiedergefunden hatten, konnten sie sich endlich um die Rettung Ttans kümmern, dachte er.

Kira lief auf ihn zu. »Gehen Sie zurück in den Lift!«, rief sie. »Beeilen Sie sich!«

Ihrem Tonfall nach zu urteilen, musste ihr die halbe Basis unmittelbar auf den Fersen sein, dachte Julian. Er murrte innerlich, drehte sich jedoch um und gab Befehle aus. Zum Glück war ihm Captain Dyoran eine große Hilfe.

Er stützte einige der Schwerverletzten, denen auf dem Weg zum Lift die Kräfte geschwunden waren. Sie hatten keine Waffen und konnten sich nicht verteidigen. Nachdem sie in die Kabine gebracht worden waren, sprang er wieder heraus und zählte Köpfe, während die übrigen Bajoraner hineinmarschierten. Zum Glück schien ihnen klar zu sein, wie wichtig es war, sich schnell zu bewegen. In Rekordzeit waren alle wieder in der Liftkabine und ließen vorne gerade genügend Platz für Kira, die Fähnriche und ihn.

Er streckte seinen Kopf hinaus und blickte in den Korridor. Kira war auf halbem Weg zum Lift stehengeblieben, während die anderen weiterliefen. Sie drängten sich an ihm vorbei in die Kabine.

Julian wandte sich an Muckerheide. »Zu welchem Stockwerk sollen wir fahren?«, fragte er.

»Zum nächsthöheren«, sagte der Fähnrich. »Machen Sie sich bereit. Es sind Cardassianer direkt hinter uns.«

»Das Stockwerk ist programmiert«, rief Captain Dyoran. »Ich halte die Türen offen. Sagen Sie ihr, sie soll sich beeilen.«

Julian trat nach draußen. Kira zog sich langsam im Krebsgang zurück und war nur noch vier oder fünf Meter entfernt. Jetzt konnte er sehen, was sie tat – sie stellte Zeitzünder an kleinen Granaten ein, die offenbar cardassianischen Ursprungs waren. Dann warf sie sie, so weit sie konnte, in den Korridor zurück. Als sie die letzte Granate entschärft hatte, drehte sie sich um und lief zu Julian.

Als er wieder hinaustrat, um Kira in den Lift zu helfen, sah er zwei cardassianische Soldaten, die am Ende des Korridors in Deckung gingen. Zwei weitere sprangen hervor, gingen in die Knie und hoben ihre Phasergewehre. Julian riss seinen eigenen Phaser heraus, um zurückzuschießen, doch bevor er dazu kam, wurde der Korridor von einer Explosion erschüttert. Kira prallte gegen ihn, so dass er aus dem Gleichgewicht gebracht wurde und zu Boden ging. Rauch und Staub erfüllten die Luft. Mehrere Deckenplatten fielen herab, und ein Leuchtkörper nach dem anderen erlosch flackernd. Julians Augen brannten. Er blinzelte hektisch und begann dann zu husten. Etwas hat Feuer gefangen, dachte er.

Er stand auf, um Kira zu helfen, doch sie trat mit den Füßen nach seinen Knie, so dass er zu Boden ging, während im selben Augenblick ein heißer Energiestrahl an seinem Gesicht vorbeizischte.

»Bleiben Sie unten!«, rief sie. »Wir werden kriechen müssen!«

»Gut!«, erwiderte er. Mehr brachte er nicht hervor. Seine Brust fühlte sich an, als würde darin ein Feuer brennen, und seine Augen tränten. Eine dritte und vierte Detonation ließ den Korridor erzittern. Jetzt erlosch die Beleuchtung vollständig. Nur aus dem Lift drang noch ein wenig Licht. Julian erhob sich mühsam auf die Knie, doch dann wurde er von weiteren Phaserschüssen eingedeckt. Er ließ sich wieder flach auf den Boden fallen, wusste nun nicht mehr, wohin er sich wenden sollte.

Dann spürte er eine Hand an seinem Arm. Er sah, dass es Kira war. Sie drückte ihr Gesicht nah an sein Ohr. »Beobachten Sie meine Füße!«, sagte sie leise zu ihm. »Folgen Sie ihnen!«

Sie drehte sich um und begann, auf dem Bauch durch den Korridor zu rutschen, wobei sie sich mit Händen und Knien vorwärtsschob. Julian schluckte, als er einen bitteren Geschmack in der Kehle spürte, und versuchte, ihre Bewegungen nachzuahmen. Es war wesentlich schwieriger, als er sich vorgestellt hatte, und seine Arme und Beine taten ihm schon nach kurzer Zeit weh.

Er hob den Kopf, als sie sich dem Lift näherten, und sah, wie Kira sich hineinschob. Mit eingezogenem Kopf kroch er die letzten zwei Meter und rollte sich dann seitwärts hinein. Die Türen schlossen sich zischend, und die Kabine setzte sich in Bewegung.

»Sie Idiot!«, fauchte Kira.

»Wie bitte?« Julian blickte durch einen Schleier aus Tränen zu ihr auf und empfand nur Verwirrung.

»Das hier ist nicht der geeignete Ort für dumme Heldentaten! Sie hätten bei den anderen in der Liftkabine warten sollen!«

Er atmete tief durch, hustete kurz, stellte fest, dass es ihm bereits besser ging, und kam dann auf die Beine. Einen Moment lang wurde ihm schwindlig, dann spürte er mehrere bajoranische Hände, die ihn stützten.

»Major«, sagte er. »Danke.«

Kira blickte sich um. »Sie waren fleißig«, sagte sie. »Hier gibt es mehr Waffen, als ich Ihnen geschickt habe.«

»Wir hatten unten eine Begegnung mit einem cardassianischen Sicherheitsteam«, sagte er. »Ich dachte, es wäre besser, wenn wir hier zu Ihnen stoßen.«

Kira nickte langsam. »Sobald wir Ttan gefunden haben, machen wir uns auf den Weg nach oben und suchen nach einem cardassianischen Transportschiff.«

Der Lift kam mit einem plötzlichen Ruck zum Stehen. Julian konnte gerade noch verhindern, dass er stürzte. Dann sah er, wie Captain Dyoran auf die Kontrollen einhämmerte. Doch die Türen öffneten sich nicht.

»Sie haben uns die Energie abgedreht«, sagte Dyoran.

»Was machen wir jetzt?«, fragte Julian und blickte Kira an. Wenn es jemanden gab, der einen Plan hatte, dann bestimmt sie.

Kira trat vor, schob ihre Finger zwischen die Türflügel und zog. Sie bewegten sich ein paar Zentimeter auseinander.

Julian erkannte sofort, was sie vorhatte. »Kommen Sie«, sagte er, »helfen Sie uns.« Er griff ebenfalls nach einem Türflügel, worauf andere seinem Beispiel folgten. Dann zerrten sie gemeinsam die inneren Türen auf. Sie befanden sich einen halben Meter unter dem nächsten Stockwerk, wie Julian sah. Jetzt kam es nur darauf an, auch die äußere Tür zu öffnen, die den Korridor vom Liftschacht trennte.

Er half dabei, die äußere Tür aufzudrücken. Die Flügel glitten leichter als die Innentür auseinander, worauf er in einen Korridor hinausblickte, der genauso wie der untere aussah. Hier funktionierte die Beleuchtung allerdings noch, und der Gang war verlassen.

»Major?« Er verschränkte die Hände und bot sie Kira als Leiter an. Mit einem Nicken stellte sie ihren Fuß hinein. Dann hob er auch Dyoran und Muckerheide hinauf.

»Wir werden nach Ttan suchen«, sagte Kira.

»Verstanden«, erwiderte Julian. Er reichte ihr seinen Tricorder. »Den werden Sie brauchen. Ich bringe inzwischen die Leute aus dem Lift. Rufen Sie mich, wenn es ein Problem gibt.«

Kira nahm seinen Tricorder entgegen. Er blickte ihr nach, als sie und Dyoran den Korridor hinunterliefen, um nach der Horta zu suchen.

 

Dax begutachtete das Durcheinander, das sie im Flitzer angerichtet hatte. Haufen aus Decken, Kissen, Ersatzteilen und Notrationen übersäten den Boden. Nach einstündiger Suche hatte sie die Werkzeuge immer noch nicht gefunden. Sie hatte bereits das erste Fenster verpasst, in dem sie Kontakt mit Kira und den anderen hätte aufnehmen können, und wenn sie die Tasche nicht bald fand, befürchtete sie, dass die cardassianische Verstärkung eintraf, bevor sie ihre Leute warnen konnte.

Wohin würde ich die Sachen legen, wenn ich ein unerfahrener menschlicher Arzt wäre?, überlegte Dax. Sie setzte sich auf den Platz, an dem Julian gesessen hatte, zog den Tisch aus der Wand und versuchte sich vorzustellen, in seiner Haut zu stecken. Es war schon lange her, seit sie sich so jung und unbeholfen gefühlt hatte.

Natürlich, erkannte sie. Er würde sich für die schnellste und einfachste Lösung entscheiden. Er würde die Werkzeugtasche in den nächsten verfügbaren freien Raum werfen. Was in diesem Fall die Öffnung wäre, die sich nach dem Herausziehen des Tisches in der Wand gebildet hatte.

Sie griff hinein und ertastete den glatten, kühlen Plastikgriff, daneben eine Tasse mit kaltem Replikator-Kaffee und etwas, das sich wie der Rest des Schinkensandwiches anfühlte, das er gegessen hatte. Sie schluckte angewidert!

Dax holte die Werkzeugtasche heraus, öffnete sie und entnahm ihr die drei glänzenden Instrumente, die sie brauchte: einen elliptischen diatonischen Kalibrator, einen würfelförmigen Phaseninduktor und als Wichtigstes einen genormten Föderationsschraubenzieher.

Sie kehrte zur Kommunikationskonsole zurück, ging zu Boden und rollte sich darunter, um sich an die Arbeit zu machen. Die Zeit wurde allmählich knapp. Zum Glück würde es nicht lange dauern, einen einzigen Kristall auszuwechseln …

 

Als Kira glaubte, Stimmen zu hören, winkte sie Dyoran, damit er anhielt. Er trat hinter sie.

Sie hob zwei Finger und blickte ihn fragend an.

Er nickte zur Bestätigung.

Kira wagte einen kurzen Blick um die Ecke und erkannte zwei Wachen vor einer Tür. Sie ärgerte sich, als der Wachmann, der ihr am nächsten stand, plötzlich herumfuhr und feuerte. Der Schuss ging weit daneben, aber sie ließ sich fallen und rollte sich in die Deckung zurück.

»Wirklich nur zwei?«, fragte Dyoran.

»Ja«, sagte sie, während sie sich wieder aufrappelte.

Ihr Kommunikator meldete sich mit einem Zirpen. »Major«, hörte sie Dax' Stimme.

Kira tippte auf den Kommunikator. »Jetzt ist wirklich kein günstiger Augenblick, Jadzia.« Sie schob ihren Arm um die Ecke und feuerte blindlings den Phaser ab. Jemand schrie auf.

»Ich muss Ihnen etwas Wichtiges mitteilen«, sagte Dax. »In Kürze wird ein cardassianischer Konvoi eintreffen.«

»Das weiß ich bereits!«, entgegnete Kira. »Kira Ende!«

Sie riskierte wieder einen schnellen Blick um die Ecke, wobei ihr Kopf beinahe von einem Energiestrahl getroffen wurde. Verdammt schlau, dachte sie, auf diese Weise einen Treffer vorzutäuschen. Sie feuerte erneut blind um die Ecke.

»Geben Sie mir Deckung«, sagte Dyoran. »Ich will auf die andere Seite des Korridors.«

»Ich bin bereit«, sagte Kira mit grimmiger Entschlossenheit.

 

Ttan erwachte zu vollem Bewusstsein, als sie den Lärm von Phaserschüssen wahrnahm. Sie erhob sich und ging zur Tür ihrer Zelle. Durch die Linien des Kraftfelds konnte sie in den Korridor sehen. Beide Wachen waren verschwunden.

Wieder hörte sie Phaserschüsse und dann den Schrei eines verletzten Humanoiden. Sie hielt inne. Sollte sie ihre Zelle verlassen? Gul Mavek tat vielleicht ihren Kindern etwas an, wenn er es bemerkte. Aber irgend etwas stimmte nicht. War die Föderation gekommen, um sie zu retten?

Bisher hatte sie noch nicht gewagt, über diese Möglichkeit nachzudenken. Der Kampflärm wurde immer lauter. Sie wusste, dass sie etwas unternehmen musste, und zwar bald.

Dann beschloss sie, einen Blick nach draußen zu werfen. Wenn sie gekommen waren, um sie zu retten, dann musste sie ihnen von ihren Kindern erzählen. Vielleicht hatten sie sie sogar schon gerettet. Vielleicht ging es nur noch darum, Ttan zu finden und auf ihr Schiff zurückzubeamen, bis sie wieder mit ihnen vereint war!

Sie grub sich durch die steinerne Wand und hinaus auf den Korridor, befand sich nun genau hinter den zwei Männern, die ihre Zelle bewacht hatten. Einer von ihnen wirbelte herum und schoss aus kürzester Distanz auf sie. Der Phaserstrahl drang schmerzhaft in ihren Rückenpanzer.

Ttan erzitterte kurz und warf sich dann auf ihn, während sie ihre Säuren freiließ. In wenigen Sekunden war sein zerbrechlicher Kohlenstoffkörper nur noch ein rauchender schwarzer Fleck auf dem Boden.

Der zweite Wachmann schoss immer noch auf jemanden, der sich am anderen Ende des Korridors befinden musste, doch sicherheitshalber sprang Ttan auch ihn an. Als sein Fleisch sich unter ihr auflöste, empfand sie eine erregende Befriedigung. Es war reine Notwehr, dachte sie. Das werde ich Gul Mavek sagen, falls er mich zur Rede stellt.

Sie schob sich weiter vor. Zwei Humanoide kamen ihr durch den Korridor entgegen. Sie hatten glatte Haut, so wie Captain Dawson von der Puyallup, doch keiner von beiden trug eine Föderationsuniform. Aber sie waren auch keine Cardassianer. Wer waren sie?

Die Frau hob grüßend die Hand. »Ttan!«, sagte sie. »Mein Name ist Major Kira. Wir sind gekommen, um Sie zu befreien.«

Freude, Freude!, dachte Ttan. Es stimmte also! Die Föderation hatte diese Leute geschickt, um sie zu retten.

Sie hielt vor dem weiblichen Wesen an und fragte: »Wo sind meine Kinder?«

Der automatische Translator gab seltsame gurgelnde Geräusche von sich. Ttan zögerte verwirrt, dann untersuchte sie das Gerät.

Sie stellte verärgert fest, dass der Cardassianer, der kurz zuvor auf sie geschossen hatte, ihren Translator getroffen hatte. Sie versuchte es erneut, worauf er die gleichen undefinierbaren Geräusche von sich gab.

»Ich kann Sie nicht verstehen«, sagte Kira. »Was ist passiert?«

Langsam und äußerst vorsichtig sonderte Ttan Säure ab, und zwar in den Mustern, die die Föderation zur schriftlichen Kommunikation benutzte. Es war eine sehr schwerfällige Kommunikationsmethode, aber Ttan hatte sie für den Notfall gelernt, und diese Situation stellte zweifellos einen Notfall dar.

Als sie sich zurückzog, wurden die großen Buchstaben in Blockschrift sichtbar, die sie in den Boden gebrannt hatte: KEIN TRANSLATOR.

»Können Sie mich verstehen?«, fragte die Frau.

JA, schrieb Ttan. Sie wich zurück und ätzte einen weiteren Satz in den Boden: RETTEN SIE MEINE KINDER!

»Ihre Eier?«, sagte Kira. »Sie sind auf DS Nine in Sicherheit – der Raumstation, zu der Sie unterwegs waren. Die Cardassianer haben sie nicht entführt. Nur Sie wurden an Bord des angreifenden Schiffes gebeamt.«

Eine Welle der Erleichterung durchströmte Ttan – und dann ein kalter Zorn, wie sie ihn noch nie zuvor empfunden hatte. Gul Mavek hatte sie angelogen. Dadurch wurde alles andere, was er getan hatte, noch viel schrecklicher. Und sie hatte ihm geglaubt! Erste Mutter, sie hatte ihm alles geglaubt!

 

Mit einem Mal schien sich alles prächtig zu entwickeln, dachte Kira mit einer gewissen Befriedigung. Doch jetzt mussten sie zunächst einmal hier herauskommen. Sie blickte auf ihr Chronometer. Sie hatten noch vierzig Minuten, bis Dax sich wieder in Transporterreichweite befand … so lange mussten sie noch aushalten. Dann konnte Dax sie vielleicht der Reihe nach in den Schiffshangar dieser Basis beamen.

»Major!«, rief Bashir.

Sie lief zur Ecke. Mit einem Geräusch wie von rollenden Felsbrocken folgte ihr die Horta.

»Was gibt es?«, rief sie.

»Nach Fähnrich Apontes Daten«, sagte er, »nähern sich die Cardassianer von allen Seiten!«

»Bringen Sie die anderen hierher«, sagte sie.

Als sie sich zur Horta umdrehte, stellte sie fest, dass Ttan eine neue Nachricht auf dem Boden hinterlassen hatte: ICH WILL HELFEN. SAGEN SIE MIR WIE!

»Ttan«, sagte Kira, ohne sich allzu große Hoffnungen zu machen. »Wir brauchen eine Möglichkeit, von hier wegzukommen. Unser Schiff ist nicht groß genug, um alle Gefangenen aufzunehmen, die wir befreit haben. Wir müssen ein cardassianisches Schiff kapern. Wissen Sie, wo ein Hangar ist?«

JA, schrieb Ttan. FOLGEN SIE MIR!

Die Horta drehte sich um, berührte die Wand und schien dann darin zu versinken. Sie winkelte ihren Körper so an, dass sie einen Tunnel hinterließ, in dem ein Mensch fast aufrecht gehen konnte. Die Wände rauchten noch ein wenig von ihrer Säure, doch sie wurden schon kurze Zeit später fest. Kira schob ihren Kopf in den Tunnel. Ja, dachte sie, so konnte es funktionieren. Sie sah, wie Ttan sich mit beträchtlichem Tempo in einem Winkel von etwa zwanzig Grad nach oben grub. Offenbar wusste die Horta genau, bei welcher Steigung Menschen ihr ohne große Mühe folgen konnten.

Kira trat zurück. Die anderen kamen in Zweierreihen durch den Korridor, angeführt von Dyoran und Muckerheide. Bashir überholte die Schlange und trat neben Kira.

»Wir haben noch etwa fünf Minuten, sagt Aponte«, meldete er. »Die Cardassianer denken, dass sie uns hier eingekesselt haben.« Dann starrte er in den Tunnel der Horta. »Faszinierend«, keuchte er. »Ist alles mit ihr in Ordnung?«

»Sie wurde ein paar Mal von Phaserschüssen getroffen, aber sie ist ein zähes Mädchen«, sagte Kira. Sie wünschte sich, sie hätten noch ein Dutzend von ihrer Art zur Verfügung. »Sie können sie nach Herzenslust verarzten, sobald wir an Bord eines Schiffes sind. Sie bringt uns direkt zu einem Hangar.«

Julian sprang von der Tunnelmündung fort. »Sie kommt zurück!«

»Was?« Überrascht beugte Kira sich vor und warf einen Blick in den Tunnel.

Es bestand kein Zweifel, Ttan kehrte auf demselben Weg zurück, den sie gegraben hatte, und vergrößerte den Tunnel dabei noch zusätzlich. Jetzt konnten zwei oder sogar drei Menschen darin aufrecht nebeneinander gehen. Plötzlich scherte Ttan zur Seite aus und verschwand im Fels. Sie bewegte sich mehrere Male hin und her, und als sie fertig war, stand mitten im ersten Abschnitt ihres neuen Tunnels eine große steinerne Säule, die die Decke stützte.

Kira grinste. Wenn sie diese Säule entfernten, würde die Decke mit Sicherheit einbrechen, dachte sie – so dass jede Verfolgung unmöglich wurde. Ttan wusste sehr genau, was sie tat.

»Warum tut sie das?«, fragte Bashir. »Das verstehe ich nicht?«

»Sie hat eine Falle aufgestellt«, sagte Kira und nahm sich die Zeit, es ihm zu erklären. Als sie damit fertig war, hatten sich die meisten Gefangenen in einer Reihe aufgestellt.

Dann folgte der schwierige Teil – das Warten, während die Leute in den Tunnel traten.

»Aponte, Muckerheide!«, rief sie. »Sie und Captain Dyoran gehen zuerst hinein, dann Wilkens und Jonsson. Die anderen folgen in Zweiergruppen. Dieser Tunnel führt direkt zum Hangar. Wir werden uns dort ein Schiff suchen. Dr. Bashir und ich werden hier die Stellung halten und anschließend den Tunnel verschließen, damit wir von dieser Seite vor den Cardassianern sicher sind.«

»Verstanden!«, sagte Fähnrich Aponte. Sie trat in Ttans Tunnel, und die anderen folgten ihr dichtauf.

Zehn, zählte Kira, zwanzig, dreißig. Sie konnte nur daneben stehen und zusehen, mit dem Fuß wippen und sich bemühen, nicht zu ungeduldig zu werden. Beeilt euch, dachte sie. Die Cardassianer würden nicht mehr lange auf sich warten lassen.

Sie warf Bashir einen Blick zu. Er las die Anzeigen seines Tricorders ab. »Sie kommen näher!«, warnte er. »Von beiden Seiten!«

Vierzig, zählte Kira. Zweiundvierzig, vierundvierzig. Kommt schon, kommt schon. Dann wurde ihr klar, dass sie es nicht schaffen würden.

Sie hob ihren Phaser. »Machen Sie sich auf einen Kampf gefasst«, sagte sie zu Bashir. »Sobald Sie eine Bewegung bemerken, verschwinden Sie im Tunnel.«

Vierundvierzig, sechsundvierzig …

»Was ist mit Ihnen?«, fragte Bashir.

»Ich komme schon allein zurecht«, sagte sie. Achtundvierzig …

Etwas polterte durch den Korridor auf sie zu. Sie benötigte eine halbe Sekunde, um es ins Auge zu fassen. »Betäubungsgranate!«, rief sie und warf sich dann instinktiv auf Bashir.

Sie riss den Arzt im selben Augenblick zu Boden, als die Granate zündete – und als gerade die letzten zwei Bajoraner in den Tunnel treten wollten.

Dann erzitterten die Wände, und sie spürte, wie sich der Boden hob, als wäre er ein lebendes Wesen. Das Licht flackerte und erlosch, und mit einem grässlichen reißenden Geräusch fiel etwas von der Decke auf sie herab.

Sie musste eine Sekunde lang weggetreten sein, denn als nächstes bemerkte sie, dass sie mit Dr. Bashir im Tunnel war. Er schnappte im Halbdunkel keuchend nach Luft und hatte die Augen vor Schreck aufgerissen.

»Die letzten zwei …«, stöhnte sie.

Er schüttelte den Kopf. »Sie haben es nicht mehr in den Tunnel geschafft. Sie sind beide tot, von der einstürzenden Decke erschlagen.«

Kira versuchte aufzustehen, wäre jedoch beinahe wieder in Ohnmacht gefallen, als ein heftiger Schmerz durch ihre gesamte linke Körperhälfte schoss. Sie blickte nach unten. Ihr linkes Bein stand in einem ungewöhnlichen Winkel nach hinten ab. Bei den Propheten, bitte nicht! Doch sie wusste, dass es gebrochen war. Sie verspürte Übelkeit und biss sich auf die Lippe. Er musste ihr ein schmerzstillendes Mittel verabreicht haben, da sie trotzdem noch bei Bewusstsein war, dachte sie.

Bashir drehte behutsam ihren Kopf herum, so dass sie ihn ansehen musste. »Immer mit der Ruhe, Major«, sagte er mit ernster Stimme. »Haben Sie noch eine Betäubungsgranate? Oder etwas anderes Explosives?«

»Nein«, antwortete sie. Ihre Stimme klang so leise und fern. Die Schockwirkung macht sich bemerkbar, erkannte sie. Das darf nicht sein! Die Leute brauchen mich noch. Sie blickte wieder zu ihrem Bein hinunter und starrte es ungläubig an. Wie konnte es nur so aussehen? Das konnte unmöglich ihr eigenes Bein sein, entschied sie.

»Major?« Bashir zwang ihren Blick wieder in seine Richtung. »Major! Die Säule steht noch! Ttans Tunnel ist noch nicht eingestürzt!«

»Ja«, sagte sie schwach. Sie wollte nach ihrer Waffe greifen, aber sie war fort. »Geben Sie mir Ihren Phaser«, sagte sie.

»Ich habe ihn bei der Explosion verloren«, erwiderte er.

Kira sog den Atem ein und stieß ihn keuchend wieder aus. Der Schmerz in ihrer Seite war so intensiv, dass sie sich nicht mehr bewegen oder atmen konnte.

»Major?«, drängte Bashir. »Was soll ich machen? Helfen Sie mir, Major. Ich bin auf Sie angewiesen.«

Sie flüsterte: »Lassen Sie mich. Ich habe getan, was ich konnte. Ich würde Sie nur behindern. Schnappen Sie sich ein Schiff … und bringen Sie die anderen hier raus …«

»Das kann ich nicht tun«, sagte er.

»Es ist ein Befehl!«, stöhnte sie.

»Was immer Sie sagen«, erwiderte Bashir. »Sie sind eine wahre Heldin, Major. Vergessen Sie das niemals.«

Für einen Moment lächelte Kira. Dann wurde alles um sie herum schwarz.