Nach mehreren Versuchen hatte Sisko es geschafft, den Sekretär zu umgehen. Vedek Sloi, die Leiterin des Bajoranischen Rates für Ökologische Aufsicht erschien auf dem kleinen Bildschirm in Siskos Büro. Es war keine gute Übertragung; das Bild wurde immer wieder undeutlich und gelegentlich von Flimmern verzerrt. Ein weiterer Beweis für die gründliche destruktive Arbeit der Hortas.
»Vedek Sloi, ich danke Ihnen, dass Sie zu einem Gespräch bereit sind.« Endlich!, fügte er insgeheim hinzu. Sie hatte bisher nicht auf seine Anrufe reagiert, obwohl er sie schon seit Stunden zu erreichen versucht hatte. In dieser Zeit hatten die allesfressenden Hortas die Station praktisch bis auf das blanke Skelett ausgeweidet.
Die bajoranische Geistliche, deren hageres Gesicht von einem Kopfschmuck aus kunstvoll gefaltetem roten Stoff eingerahmt wurde, erwiderte seine Begrüßung mit einem Nicken. »Ich muss mich für die Verzögerung entschuldigen«, sagte sie. Die Störungen verliehen ihrer Stimme einen unnatürlichen blechernen Klang. »Die Arbeit im Dienst der Propheten und für den Rat hat niemals ein Ende.«
Sisko war nicht überrascht, dass sich die Vorgesetzte des Sekretärs Pova als religiöse Führerin erwies. Auf Bajor war die Grenze zwischen Kirche und Staat an vielen Stellen bedenklich dünn. Er hoffte, dass Sloi mehr wie Kai Opaka und weniger wie Vedek Winn und ihre Anhänger dachte. Kira hätte ihn diskret über Slois Ruf und politische Einstellung informieren können, aber Kira war leider nicht verfügbar. Major, fragte er sich, wo zum Teufel stecken Sie? Ich brauche die Horta-Mutter wirklich sehr dringend!
»Ich verstehe«, sagte er. »Trotzdem ist unsere Lage prekär. Ich vermute, Sie wurden über die Situation auf DS Nine informiert.«
»Mein ehrenwerter Kollege Pova Lerg hat mich über alle Einzelheiten in Kenntnis gesetzt. Außerdem hat er mir seine Ansicht über die Lage anvertraut, der ich mich anschließen möchte. Die Hortas gehören weder auf noch unter den heiligen Boden Bajors.«
Verdammt! Er hatte zwar halbwegs mit einer solchen Reaktion gerechnet, aber Sisko wollte jetzt nicht mehr kampflos aufgeben. »Bei allem gebührenden Respekt für Ihren Freund Pova«, sagte er, wobei er absichtlich etwas von seiner Gereiztheit durchklingen ließ, »möchte ich auf die Möglichkeit hinweisen, dass er unsere Situation vielleicht nicht in vollem Umfang erfasst hat. In diesem Augenblick stehen die Hortas kurz davor, in den zentralen Bereich von DS Nine einzudringen. Trotz unserer größten Anstrengungen sind sie dabei, die Station zu zerstören und das Leben aller zu gefährden, die sich an Bord befinden – von Menschen wie von Bajoranern. Wir müssen die Hortas sofort nach Bajor bringen!«
Vedek Sloi schüttelte den Kopf. »Die Propheten erschufen Bajor nach ihrem göttlichen Plan, und in diesem Plan sind zweifellos keine Hortas vorgesehen. Wenn solche Geschöpfe auf Bajor existieren sollten, hätten sie seit der Schöpfung hier gelebt. Was Sie vorschlagen, wäre ein Sakrileg.«
Unter seinem Schreibtisch, wo Sloi es nicht sehen konnte, klopfte Sisko wütend mit dem Fuß auf den Boden. Zu seiner eigenen Überraschung stellte er fest, dass er Pova vermisste, der wenigstens weltliche Gründe vorschob. »Aber Bajor wurde schon zuvor von fremden Lebensformen besucht«, warf er ein. Die Propheten selbst waren wesentlich fremdartiger als die Hortas, obwohl ein Vedek sich von einem solchen Argument sicherlich nicht beeindrucken lassen würde.
»Und unser Volk hat schwer darunter gelitten«, sagte Sloi. »Oder haben Sie die Cardassianer vergessen?«
»Die Hortas sind keine Eroberer, Vedek. Es sind Kinder!«
»Kinder, die Ihre kostbare Station in den Ruin treiben. Je mehr Sie über die Gefahr sprechen, in der Sie schweben, desto mehr fürchte ich um die Sicherheit meines Planeten.«
»Das ist nicht dasselbe!«, widersprach Sisko. »Die Station ist ein geschlossener, künstlich aufrechterhaltener Lebensraum …« Sloi versuchte ihm mit einer Handbewegung das Wort abschneiden, aber Sisko wollte sich nicht ohne weiteres zum Schweigen bringen lassen. »Sie können keinen Planeten zerstören. Sie kamen sogar hierher, um Bajor zu helfen.«
»Nicht auf mein Verlangen«, warf sie ein, »oder auf das der provisorischen Regierung.«
Sisko probierte es mit einem anderen Ansatz. »Dann reden wir also nicht mehr von den Rechten der Hortas. Aber wie steht es mit den Rechten der anderen Intelligenzen, die hier in Lebensgefahr sind? Es geht um das Leben von Bajoranern!«
»Unser Volk ist daran gewöhnt, Opfer zu bringen«, antwortete sie gelassen, ohne sich von Siskos zunehmendem Zorn einschüchtern zu lassen. Streifenförmige Interferenzen liefen über den Bildschirm und deformierten das Gesicht Vedek Slois wie in einem Zerrspiegel. »Es gibt natürlich noch eine andere Möglichkeit«, sagte sie. Die Störungen verzogen die gerade Linie ihrer Lippen zu einer hämischen Grimasse.
»Und die wäre?«, fragte Sisko.
»Vernichten Sie die Hortas. Es wäre reine Notwehr.«
Sisko erkannte keinen Sinn mehr darin, seine Wut länger zu unterdrücken. »Das ist exakt das gleiche, meine Werteste, was uns auch der cardassianische Stationscomputer vorgeschlagen hat.«
Trotz der Störungen konnte Sisko erkennen, dass Slois Augen wütend über seinen Vergleich aufblitzten. »Unser Gespräch ist beendet, Commander. Die Entscheidung des Rates ist endgültig. Jeder Versuch, die Hortas irgendwo auf Bajor abzusetzen, wird von uns als territoriale Verletzung durch Starfleet betrachtet. Bajor Ende.«
Unvermittelt erlosch der Bildschirm. Soviel zum Versuch einer diplomatischen Lösung, dachte Sisko. Er starrte auf den Monitor, als könnte er seine Gedanken direkt in das Büro der Vedek auf Bajor hinunterbeamen.
»Ich werde schon einen Weg finden, Sloi«, sagte er laut, »um die Station und die Hortas zu retten. Sie und Ihr verdammter Rat können mir den Buckel runterrutschen!«
Sisko stand abrupt auf. Er trat von seinem Schreibtisch zurück und machte sich auf den Weg in die Zentrale. Es gab zwar noch andere Räte und Komitees, die Vedek Sloi samt ihrer Xenophobie umgehen oder überstimmen konnten, doch er hatte jetzt weder die Zeit noch die Geduld, sich länger mit den Feinheiten der bajoranischen Politik herumzuärgern. Nicht solange ihm eine Horde wilder Hortas auf die Pelle rückte.
Die doppelte Tür glitt automatisch auf und nahm ihm damit das Vergnügen, sie hinter sich zuschlagen zu können. Sisko betrat die obere Ebene der Zentrale. Niemand blickte auf, um sein Eintreffen zu registrieren. Alle schienen völlig in ihre Bemühungen vertieft, den Hortas auf der Spur zu bleiben oder eine der hundert Fehlfunktionen der Systeme auszugleichen. Die Ambientenkontrolle hatte unverkennbar mit Problemen zu kämpfen – genauso wie die Lüftungssysteme.
Trotz der Abwesenheit von Dax, Kira und O'Brien war es in der Zentrale voller als gewöhnlich. Ein schlechtes Zeichen, erkannte er. Während sie immer mehr Territorium an die Hortas verloren, zwängte sich ein immer höherer Prozentsatz seines Personals in die Zentrale, um sich hier irgendwie nützlich zu machen. Sogar Dawson und Shirar von der Puyallup waren trotz ihrer Verletzungen eingesprungen. Captain Dawson überwachte den Situationstisch, während sein vulkanischer Navigator die Umgebung nach Übertragungen von der Amazonas absuchte.
Als Sisko sich in der Zentrale umsah, bemerkte er verblüfft einen jungen Fähnrich, der als einziges Kleidungsstück eine Decke trug. Im Augenblick kniete er gerade neben der wissenschaftlichen Station und stellte hastig die Anzeigen der Fernbereichssensoren ein, während er sich mit der anderen Hand bemühte, seine provisorische Toga zusammenzuhalten. Sisko verdrehte erschöpft die Augen. Er fragte sich, unter welchen widrigen Umständen der Fähnrich seine Kleidung verloren haben mochte, doch er hatte nicht die Zeit, sich darum zu kümmern. Offenbar ging es den übrigen Leuten genauso. Es war ein sicheres Anzeichen dafür, wie schlimm es stand, wenn sich niemand mit diesem jungen Mann auseinandersetzte.
Sisko beschloss, sich die Neuigkeiten direkt von der Front zu holen. »Chief O'Brien«, sagte er, nachdem er seinen Kommunikator aktiviert hatte. »Sisko hier. Bericht!«
Die Stimme des Iren war deutlicher zu hören als die Übertragung von Bajor. »Wir verlieren zunehmend an Boden, Commander, und zwar in bedenklichem Ausmaß. Wir haben diese hässlichen Steinratten mit allem gefüttert, was wir haben – mit Ausnahme der Andockmasten. Trotzdem rücken sie immer noch vor.«
»Wie weit sind sie noch vom Zentrum entfernt?«, fragte Sisko.
»Commander, sie sind bereits in den zentralen Bereich vorgedrungen. Sie sind vor etwa zehn Minuten an uns vorbeimarschiert.«
Stumm verfluchte Sisko Sloi und Pova und ihren nutzlosen Rat und verdammte sie in den dunkelsten Winkel der bajoranischen Unterwelt. »Chief, ich brauche Sie wieder in der Zentrale. Machen Sie sich bereit, direkt hierhergebeamt zu werden.«
Am anderen Ende der Verbindung herrschte kurzes Schweigen. »Chief?«, fragte Sisko.
O'Briens Stimme klang ein wenig verlegen. »Äh, wenn es Ihnen nichts ausmacht, Commander, würde ich lieber den Turbolift nehmen.«
»Ich möchte nicht riskieren, dass Sie für die nächsten drei Stunden in einem Liftschacht feststecken. Wenn Sie herauskommen, gibt es vielleicht schon keine Station mehr«, sagte Sisko. Er hoffte, dass er übertrieb, aber er hätte keine Wette darauf abgeschlossen.
»In Ordnung, Sir«, gab O'Brien sich geschlagen.
Sisko gab den Befehl an den nackten Fähnrich weiter, wobei er bemerkte, dass dem jungen Mann die Decke inzwischen bis zu den Knien heruntergerutscht war. Niemand machte sich die Mühe, ihn wieder zu verhüllen. Fast im selben Augenblick bildete sich Chief O'Briens Gestalt in einer Säule aus strahlender Energie über der Transporterplattform. Sobald das Leuchten verblasst war, trat O'Brien von der Plattform. Sanger ging beiseite, damit der Chief seinen Platz an der technischen Station einnehmen konnte.
Trotz der Zuspitzung der Krise fühlte Sisko sich erleichtert, dass einer seiner wichtigsten Offiziere wieder in der Zentrale war. »Wo ist Odo zur Zeit?«, fragte er laut.
O'Brien blickte von seiner Station auf. »Indisponiert, wenn Sie wissen, was ich meine.«
Mit anderen Worten: Er war in seinem Eimer. Sisko nickte, und O'Brien wandte sich wieder seiner Arbeit zu. Nur schade, dachte Sisko, dass Odo sich nicht wie eine Amöbe aufteilen kann. Im Augenblick könnte ich mehrere von seiner Sorte gebrauchen. »Wie steht es um die Hortas?«, wollte er wissen. »Wie weit sind sie noch von der Zentrale entfernt?«
O'Brien ließ eine schematische Darstellung auf dem Hauptbildschirm entstehen. Es war ein vertikaler Querschnitt des zentralen Bereich mit der OPS an der Spitze, knapp unterhalb den Kommunikationseinrichtungen. Sisko entdeckte einen Haufen rötlicher Dreiecke, die sich ein paar Decks unter der Promenade verteilt hatten, bis sie sich plötzlich nach unten bewegten. »Das ist eigenartig«, bemerkte O'Brien. »Diesmal scheinen sie überhaupt nicht am oberen Zentralbereich interessiert zu sein. Sie bewegen sich geschlossen in den unteren Kern, aber dort unten gibt es überhaupt nichts außer Frachträumen, Lagertanks und« – O'Brien riss erschrocken die Augen auf, als er erkannte, was er gerade sagte – »und die Fusionsreaktoren!«
Sisko war längst zur gleichen Schlussfolgerung gelangt. Plötzlich ergab alles Sinn. »Natürlich«, erklärte er, »danach haben sie schon die ganze Zeit gesucht. Die Reaktoren. Denken Sie nach, Chief! Die Reaktorkammern erzeugen Energie, die dann in Batterien aus flüssigem Natrium und Silizium gespeichert wird. Silizium ist der Schlüssel. Die gesamte Biologie der Hortas beruht auf diesem Element.«
»Mein Gott!«, sagte O'Brien, als ihm die Konsequenzen dieser Offenbarung klar wurden. »Tanks voll mit heißem, flüssigem Silizium. Das muss für sie wie Muttermilch sein!«
»Genau«, stimmte Sisko ihm zu. »Bis jetzt waren sie verwirrt und abgelenkt, aber trotzdem müssen sie in der Lage sein, es irgendwie zu spüren. Deshalb kehren sie immer wieder zum zentralen Bereich zurück, und dorthin sind sie jetzt unterwegs.«
O'Briens Gesicht wurde bleich. »Aber wenn sie mit den Reaktoren das gleiche machen, was sie auch mit dem Rest der Station getan haben, wenn sie die Reaktorkammern zerfressen …« Er musste diesen Gedanken nicht weiter ausführen. Deep Space Nine konnte es überleben, wenn einige Wohnquartiere zerstört waren oder wenn sogar an einigen Stellen die Hülle verletzt wurde. Aber wenn die Reaktoren ausfielen, würde sich die gesamte Station in ein lebloses, unbewohnbares Massengrab verwandeln, das in der Nähe des Wurmlochs dahintrieb.
Sisko starrte auf den Hauptbildschirm. Die Hortas waren noch mehrere Decks vom Reaktor entfernt. Sie erkundeten die Reparaturausrüstungen und die Lagerbereiche des unteren Kerns, aber die Situation trieb unweigerlich einer Katastrophe zu, die jeden auf der Station das Leben kosten würde. Er konnte nicht länger abwarten, bis Kira zurückkehrte.
»Chief«, sagte er mit fester, beherrschter Stimme. »Ich will, dass Sie so viele Schilde wie möglich zwischen den Hortas und den Reaktoren aktivieren. Zapfen Sie dazu die Energie aller Systeme außer der Lebenserhaltung an, wenn es sein muss.«
»Aber Schilde können sie nicht aufhalten«, warf O'Brien ein. »Auch wenn ich mir wünschte, es wäre so.«
»Mit den Schilden will ich nur Zeit gewinnen.« Sisko tippte auf seinen Kommunikator. »Lieutenant Moru, stellen Sie ein Team aus Sicherheitswächtern zusammen und bewaffnen Sie sich mit den leistungsfähigsten Phasern, die Sie haben. Gehen Sie in den unteren Zentralbereich und schirmen Sie die Reaktoren mit einem Feuerriegel von den Hortas ab.« Sisko hielt inne, während er kurz an Jake, Jennifer und Ttan dachte. Dann gab er den Befehl, vor dem er sich die ganze Zeit gefürchtet hatte: »Stellen Sie die Phaser auf maximale Energie. Töten Sie die Hortas, wenn sie nicht zurückweichen!«
Vergib mir, Ttan!, dachte er. Vergib uns allen!
Mit einem lauten hellen Summen ertönte plötzlich eine Sirene von der wissenschaftlichen Station und riss Sisko aus seinen Gewissensqualen. Was ist jetzt wieder los?, fragte er sich gereizt. Er wandte seinen strengen, fragenden Blick Lieutenant Eddon zu.
»Alarm«, erklärte die Andorianerin. Mit ein paar schnellen Bewegungen ihrer blassblauen Finger schaltete sie die Sirene ab. »Der Verlorene Sohn erreicht seine größte Nähe zu DS Nine.« Sie konsultierte eilig ihre Monitore, dann fügte sie hinzu: »Die Station ist nicht in Gefahr, solange unsere Trägheitsfelder die Gravitationskraft des Mondes ausgleichen.«
»Chief?«, fragte Sisko.
»Vorläufig kein Problem«, beruhigte O'Brien ihn. »Offen gesagt, der Mond ist im Augenblick unsere geringste Sorge.«
Dem Himmel sei Dank für diesen kleineren Gefallen, dachte Sisko. Über Ttans Entführung, die Rettungsmission und den folgenden Amoklauf der Horta-Babys hatte er die angekündigte Annäherung des verlorenen Sohnes völlig vergessen. Schade, dachte er wehmütig. Unter anderen Umständen hätte er sich darauf gefreut, den Vorbeiflug des Mondes zusammen mit Jake zu beobachten. Der Anblick sollte recht beeindruckend sein, da der Mond ihnen so nahe kam, dass viele Einzelheiten seiner Oberfläche mit dem bloßen Auge zu erkennen wären. So nahe, dass …
»Chief«, sagte er plötzlich. Sein drängender Tonfall erregte die Aufmerksamkeit aller Anwesenden in der Zentrale, so dass die murmelnden Gespräche urplötzlich erstarben. »Ist der Mond in Transporterreichweite der Station?«
»Fast«, antwortete O'Brien nach einer kurzen Berechnung. »Wir dürften ein Fenster von sechsunddreißig Bogenminuten haben, das sich in schätzungsweise zehn Minuten öffnet.« In O'Briens Augen war plötzlich genauso wie in Siskos Hoffnung erschienen. »Denken Sie das gleiche wie ich, Commander?«
»Erfassen Sie die Hortas, Chief. Machen Sie sich bereit, sie auf mein Kommando wegzubeamen.«
Zum ersten Mal seit vielen Stunden hatte Sisko das Gefühl, dass sich die Gefahr vielleicht doch noch unter Kontrolle bringen ließ. Er öffnete eine Verbindung zum Sicherheitsteam, das im unteren Zentralbereich Stellung bezogen hatte. »Lieutenant Moru, warten Sie! Eröffnen Sie erst das Feuer, wenn es absolut notwendig ist. Wir haben vielleicht eine Möglichkeit gefunden, dieses Massaker zu vermeiden.« Ein optimistisches Lächeln erschien auf seinem Gesicht. Vedek Sloi wird Augen machen, dachte er. Und ihr kleiner Wachhund ebenfalls.
Dann gingen ohne jede Vorwarnung die Lichter aus, so dass die Zentrale in tiefste Finsternis getaucht war. Sisko hörte erschrockene Rufe von unten. Allerdings keine Schreie, wie er nicht ohne Stolz bemerkte. Sein Personal war viel zu professionell für solche Panikreaktionen.
Die Notbeleuchtung sprang an, und auch der Hauptbildschirm und einige der Monitoren liefen wieder. Das gedämpfte rötliche Licht warf unheimliche violette Schatten, doch Sisko bemerkte es kaum. Er musste sofort wissen, was geschehen war. »Chief O'Brien«, rief er. »Bericht!«
»Das Energieniveau von Reaktor eins sinkt«, teilte O'Brien ihm mit. Schweißperlen standen auf der Stirn des Ingenieurs. »Ich glaube, wir haben einen Horta in der Silizium-Batterie.«
»Was?« Sisko war einen Moment lang wie vor den Kopf geschlagen. Das Diagramm auf dem Hauptschirm zeigte immer noch an, dass die Hortas ein paar Decks von den Reaktoren entfernt waren. Und Lieutenant Moru hatte noch nicht gemeldet, dass sie sie schon gesichtet hatte. Er beobachtete die achtzehn Dreiecke, die in die unteren Bereiche von DS Nine vorstießen. Sie konnten die Reaktoren noch gar nicht erreicht haben, es sei denn …
»Der vermisste Horta«, erkannte er plötzlich. Irgendwie hatte er die anderen überholt.
Damit war ihre Zeit abgelaufen.
Endlich! Die kleine Horta badete glücklich in Wärme und Befriedigung. Reine Nahrung, besser als alles, was sie in ihrem bisherigen Leben zu sich genommen hatte, umgab sie von allen Seiten. Sie hatte gefunden, wonach sie gesucht hatte. Sie schwamm buchstäblich darin.
Alle Gedanken an die Kohlenstoffwesen, an verschwindende Holoszenen und an die lange Wanderung durch den Turboliftschacht waren vergessen angesichts der Wonne der sofortigen, unverfälschten Erfüllung. Sie saugte energiereiches Silizium durch ihre Fühler ein. Sie absorbierte es direkt durch die Haut. Doch die köstliche Nahrung stillte nicht nur ihren Appetit, sondern vergrößerte ihren Hunger immer mehr. Sie konnte ihre neue Umwelt gar nicht schnell genug verzehren.
Während des Festmahls erinnerte sie sich jedoch auf einmal wieder an ihre Brüder und Schwestern. Sie spürte, dass sie gar nicht weit entfernt waren, und in ihrer Freude war sie begierig darauf, diesen Überfluss zu teilen.
Kommt! Kommt! Kommt!, sang die Horta und lockte ihre Geschwister herbei, indem sie den Schatz rühmte, auf den sie gestoßen war. Beeilt euch!, drängte sie, und sie glaubte zu hören, wie die anderen Hortas ihr antworteten.
Bald wäre sie wieder mit ihnen vereint, dachte sie glücklich. Es war genug für alle da. Sie konnten nach Herzenslust essen, bis zum Ende der Welt.