Vorwort

Die Bibel ist der Grundtext des christlichen Glaubens, die Urkunde, die die ältesten Nachrichten über den Gott enthält, den Christinnen und Christen als Schöpfer, Erlöser und Vollender bekennen. Das Alte Testament erzählt von diesem Gott. Er hat die Welt erschaffen und die Menschen zu seinem Ebenbild, so sagen es die ersten Kapitel der Genesis, des ersten Buches Mose. Dieser Gott hat Israel zu seinem Volk erwählt und es durch eine spannende und dramatische Geschichte hindurch begleitet. Dieser Gott redet durch die Propheten. Die Psalmen antworten auf das Reden Gottes und bringen das menschliche Leben mit allen seinen Facetten vor diesen Gott. Das Neue Testament bezeugt, wie eben dieser Gott, der vorher auf „vielerlei Weise geredet hat“ (Hebr 1,1), dann in Christus Mensch wird. Da öffnet sich der Glaube Israels für die ganze Welt. Jetzt aber hören auch die glaubenden Christen aus der ganzen Menschheit die Worte des Alten Testaments neu. Diese Worte Gottes, die ursprünglich zu Israel gesagt wurden, sind Wort Gottes auch für die Gemeinde der Christinnen und Christen. Dies ist eigentlich ein unglaublicher Vorgang: Das sogenannte „Alte Testament“ dürfte wohl das einzige Buch sein, das schon 3000 Jahre alt ist und sich immer noch in fast jedem Haushalt findet. Dieses Lehrbuch will genau diesen Vorgang bedenken, wie nämlich aus dem Alten und dem Neuen Testament die eine Bibel wurde und was es bedeutet, dass Menschen sich heute noch darauf beziehen. Dieses Nachdenken wird hier unter dem Stichwort Hermeneutik betrieben. Hermeneutik fragt danach, wie Verstehen möglich ist. Dabei geht es um nicht weniger als um den Kern aller christlichen Theologie; denn das Verstehen des Redens von Gott und das Verständlichmachen dieses Redens für andere ist die Aufgabe der Theologie. Wenn im Folgenden also nach dem Verhältnis der beiden Testamente der Bibel gefragt wird, dann handelt es sich nur scheinbar um eine theologische Einzelfrage. Betroffen sind die Grundlagen des christlichen Glaubens überhaupt. Deshalb ist das Nachdenken über biblische Hermeneutik nicht nur hilfreich, sondern unerlässlich für alle, die sich mit christlicher Theologie beschäftigen wollen.

An dieser Stelle möchte ich allen danken, die zum Entstehen dieses Buches beigetragen haben. Zuerst Prof. Dr. Andreas Wagner, der das Projekt angeregt hat und mein hermeneutisches Nachdenken schon seit Jahrzehnten als Gesprächspartner begleitet. Ein Extradank geht an die Studierenden der Theologie, die im Sommersemester 2011 manche Passage dieses Buches mit mir durchgesprochen und auf Stolpersteine hingewiesen haben, als da sind: Thomas Beneke, Heinz Hiestermann, Alexander Reitmayer, Simon Volkmar und Fritz von Hering. Für Korrekturen des Manuskripts danke ich Karin Kanth-Behrens und Inge Kranz.

Oberursel im Oktober 2011 Achim Behrens