Faszinieren uns unbekannte Luftphänomene deswegen, weil wir uns wünschen, dass sie intelligenten außerirdischen Ursprungs sind oder weil wir das Fremdartige fürchten? Der britische Schriftsteller Herbert George Wells (1866–1946) beschwört im Jahr 1898 mit seinem Roman Der Krieg der Welten die Monster aus dem All herauf. Der Roman ist die Blaupause über den negativen Ausgang eines Erstkontakts mit einer außerirdischen Zivilisation.206 H. G. Wells’ Herangehensweise ist denkbar kompromisslos: Feindlich gesinnte Außerirdische vom Mars landen im Süden Englands. Aus monströsen dreibeinigen Kampfmaschinen legen sie mit tödlichen »Hitzestrahlen« Städte und Dörfer in Schutt und Asche und entvölkern ganze Landstriche mit Giftgas. Nur irdische Bakterien können den Marsianern schließlich Einhalt gebieten.
H. G. Wells legt damit den Grundstein für die weit verbreitete Auffassung vieler Menschen, dass Außerirdische, wenn sie zur Erde kämen, nicht freundlicher Natur wären. Er verfolgt mit der teils drastischen Beschreibung der Kampfhandlungen eine kritische Reflexion der aggressiven Kolonialpolitik des britischen Empires am Ende des 19. Jahrhunderts. Der Ich-Erzähler ist wie ein Eingeborener, der hilflos die Vernichtung durch die erdrückende außerirdische Übermacht beschreibt.207 Wells konkretisiert mit seinem Werk die von Jules Verne initiierte Faszination für den technischen Aufbruch und naturwissenschaftliche Fragestellungen, wie: Sind wir allein im All?
Denn die Hinweise, dass auf dem Mars – benannt nach dem römischen Gott des Krieges – etwas Ungewöhnliches vorgehen muss, verdichten sich. Wenn außerirdisches Leben existiere, dann sei der beste Ort, an dem man danach suchen sollte, derjenige, den man am besten beobachten könne, schrieb der Industrielle und Hobbyastronom Percival Lowell.208 Insbesondere die natürlich entstandenen Canyons, die Giovanni Schiaparelli »Canali« nannte, faszinieren Lowell (1855–1916). Er sieht darin das Werk von technologisch fortgeschrittenen Marsianern. Das Leben auf dem Mars müsse zweifelsfrei älter als das irdische sein, folgert er 1895. Die vermeintlichen Kanäle erwecken für ihn den Eindruck, dass hier ein hoch intelligentes Bewusstsein am Werk gewesen sei.209 Und, ja, sehen diese dunklen Linien auf der Marsoberfläche, die Lowell durch sein Teleskop im Privatobservatorium von Flagstaff in Arizona bewundert, nicht verblüffend wie Kanäle aus, durch die einst die Marsianer Wassermassen leiteten? Lowell ist so besessen davon, dass er schließlich Karten dieser »Känale« anfertigt, die sich später aber durch leistungsstärkere Teleskope als optische Täuschungen herausstellen.210 Hier klingt durch, dass sich Lowell wünscht, dass die natürlichen Gräben und Canyons auf dem Mars künstliche Wasserkanäle sind.
Auch der Erfinder und Elektroingenieur Nikola Tesla (1856–1943) kann der marsianischen Faszination nicht entkommen. Er glaubt 1899 mit seinen riesigen elektrischen Spulen seiner Experimentieranlage in Colorado Springs Radiosignale vom Mars aufgefangen zu haben: »Die Schwankungen, die ich bemerkte, kamen periodisch und waren so regelmäßig und geordnet, dass ich sie keiner mir bekannten Ursache zuschreiben konnte«, erinnerte sich Tesla.
»[…] Etwas später schoss mir der Gedanke durch den Kopf, dass diese Schwankungen unter intelligenter Kontrolle gestanden haben könnten. Auch wenn ich zu dieser Zeit ihre Bedeutung nicht zu entziffern vermochte, war es für mich undenkbar, dass sie gänzlich zufällig waren. In mir wächst stetig das Gefühl, dass ich damals der erste Mensch war, der die ersten Grüße hörte, die zwischen zwei Planeten ausgetauscht wurden. Diese elektrischen Signale hatten einen Zweck.«211
Wir werden nie wissen, was Tesla hörte. Doch auch hier klingt durch, dass Tesla sich wünscht, dass Marsianer die Urheber der Signale aus dem All sind.
Gewiss ist, dass Percival Lowells Mutmaßungen über Leben auf dem Mars, Teslas physikalische Experimente, Radiosignale aus dem All zu empfangen und Wells’ Invasions-Roman Der Krieg der Welten etwas im kollektiven Unterbewusstsein der Menschen jener Zeit triggert: das Außerirdische in uns. Eine Angst der Menschen in den Industrienationen vor dem Fremden nistet sich in den Gehirnen ein, wie ein außerirdischer Parasit. Leben auf dem Mars scheint am Ende des 19. Jahrhunderts eine kulturelle Gewissheit zu sein, eingehaucht durch den Odem der Unwissenheit und den angenehmen Schauer des schrecklich Unbekannten. Beinahe scheint es so, als ob das Ende der Welt, das immer wieder zum Ausklang eines jeden Jahrhunderts droht, durch eine außerirdische Invasion vom Mars kommen würde. Publizistisch betrachtet macht H. G. Wells alles richtig: Der Krieg der Welten wird ein Weltbestseller und baut erfolgreich auf der Angst der Menschen vor der Zukunft auf. Mit dem Aufkommen neuer Forschungstechnologien und der Nutzung von Radiowellen zur Kommunikation durch Nikola Tesla und Guglielmo Marconi um das Jahr 1895, mutiert die von Philosophen seit Jahrhunderten gestellte Frage, ob wir allein sind im Universum, zu einer kosmischen, kollektiven Furcht: Da Lowells Intelligenzen auf dem Mars existieren müssen, könnten sie auch hierherkommen? Und wenn ja, was geschieht dann? Diese Furcht erklärt, warum in den 1920er-Jahren eine neue Strömung in der fantastischen Literatur entsteht: der »kosmische Horror« um junge Pulp-Autoren wie Howard Phillips Lovecraft, Clark Ashton Smith, Frank Belknap Long oder Robert Bloch, die im US-Magazin Weird Tales veröffentlichen.
H. G. Wells muss die Forschungen Lowells und anderer Astronomen intensiv verfolgen, denn Der Krieg der Welten zeigt, was dann passiert. Auch dem deutschen Mathematiker und Physiker Kurd Laßwitz (1848–1910) entgeht die Debatte um Leben auf dem Mars nicht. Er veröffentlicht 1897 seinen Roman Auf zwei Planeten, in dem er den Erstkontakt zwischen Menschen und Marsianern beschreibt – ein Jahr vor dem Erscheinen von H. G. Wells’ Der Krieg der Welten.212 Doch anders als die Erdlinge präsentieren sich die Marsianer in Laßwitz’ Roman zunächst als eine aufgeklärte Spezies von Forschern, deren Verhalten von Vernunft geprägt ist. Als es jedoch auf der Erde nach dem Erstkontakt mit den »Martiern« zum Konflikt zwischen den Menschen um die britischen Kolonien kommt, greifen die Außerirdischen ein und erzwingen den Frieden. Laßwitz’ Marsianer kommen durch die Hintertür.
Außerirdische bevölkern die Fantasie der Menschen bis weit in die 1930er-Jahre hinein. H. P. Lovecraft (1890–1937) veröffentlicht seine meisterhafte Story Die Farbe aus dem All (1927) und lehrt dem Publikum das Fürchten vor den tödlichen Strahlen eines Meteoriten, die eine Farm verseuchen. In Lovecrafts Berge des Wahnsinns (1936) sind die Aliens seit Jahrmillionen unter dem ewigen Eis der Antarktis verborgen und warten darauf, die Menschheit zu vernichten. Lovecraft liefert mit dieser Idee die Grundlage für die Möglichkeit eines Besuchs in grauer Vorzeit, den, wie wir gesehen haben, sogar Carl Sagan 1962 für plausibel hielt. 1938 borgte John W. Campbell die Idee von außerirdischen Monstern in der Antarktis für seine Novelle Wer geht da?, die als Das Ding dreimal verfilmt werden sollte (1951, 1982 und 2011).
Die Raumschiffe der Außerirdischen in diesen Werken sind oft kugel- oder scheibenförmig auf den Titelseiten und in den utopisch-technischen Romanen. So beschreibt der französische Schriftsteller Jean de la Hire in seinem 1908 veröffentlichten Roman Das feurige Rad, wie Außerirdische fünf Menschen entführen und mit ihrem Raumschiff zum Planeten Merkur bringen. Das Raumschiff ist eine riesige Scheibe.213 Bemerkenswert ist, dass hier Außerirdische die Menschen 53 Jahre, bevor das amerikanische Ehepaar Betty und Barney Hill glaubte, von fremden Wesen an Bord eines Raumschiffs untersucht worden zu sein, entführen. Der Unterschied ist: Jean de la Hire beschrieb ein fiktives Szenario, Betty und Barney Hill behaupteten, dass ihr Erlebnis wirklich stattgefunden habe. Waren Kenneth Arnolds unbekannte Luftphänomene, die sich am 24. Juni 1947 so bewegten, als ob sie über Wasser hüpften, nur Fantasieprodukte, ausgeborgt von den Titelseiten der Science-Fiction-Magazine?
Das explosive Gemisch aus Teslas Radiosignalen, Wells’ und Laßwitz’ Romanen sowie Lowells Kanälen am Ende des 19. Jahrhunderts ist zwar eine Furcht vor dem, was die Wissenschaft in der schwarzen Kälte des Universums entdecken mag. Es ist aber noch mehr eine unbewusste Angst vor der Industrialisierung, der Entmenschlichung durch den verstärkten Einsatz von Produktionsmaschinen und dem drohenden Verlust der Arbeit. Die Schere zwischen Arm und Reich spreizt sich Anfang des 20. Jahrhunderts noch weiter. Der Mensch hat von morgens früh bis spät abends zu funktionieren. Es ist das neue Zeitalter des Identitätsverlusts und der gestohlenen Träume durch Maschinen. Aber das Fremdartige, das außerirdische Scheiben-Raumschiff in den Science-Fiction-Heften und -Romanen ist menschlichen Ursprungs. Es ist ein Symbol des drohenden Unheils, aber auch der Hoffnung.
Denn es ist die Zeit eines kapitalistischen Umbruchs, dem sich manche Nationen jedoch verweigern wie etwa die Sowjetunion nach der Oktober-Revolution von 1917. Die Industrialisierung und die wachsende Nachfrage zwingen die europäischen Staaten dazu, noch mehr Ressourcen auszubeuten und Kolonien in fremden Ländern an sich zu reißen. Der große Zusammenstoß zwischen den konkurrierenden Königshäusern und Republiken ist unausweichlich. Und so explodiert das europäische Pulverfass nach dem tödlichen Attentat auf den österreichisch-ungarischen Thronfolger Franz Ferdinand am 28. Juni 1914 durch den bosnisch-serbischen Nationalisten Gavrilo Princip in Sarajevo. Österreich-Ungarn erklärt Serbien den Krieg. Die Situation unter den verbündeten Mächten mündet in den ersten mechanisierten Weltkrieg, der etwa 17 Millionen Menschen das Leben kosten wird.
Die Menschen werden von der Angst regiert, dass die Kämpfe in die heimische Region dringen könnten, dass Haus, Hof und Leben durch Bomben, Granaten und Giftgas vernichtet werden. Es ist ein Wettstreit der Psyche zwischen verzweifelter Angst und dem Verlangen nach Zerstreuung, um die Schrecken des täglichen Lebens zu verdrängen. Der Weltraum ist das kosmische Ventil der Menschen. Sie hoffen, dass das, was sie »da draußen« wähnen, nicht auch noch feindlich gesinnt ist. Es ist mithin eine Angst, die sich als Hoffnung tarnt.
So wie am 13. Oktober 1917, als eine Menschenmasse von geschätzten 30.000 bis 70.000 Menschen im portugiesischen Cova da Iria, unweit von Fátima, beobachtete, wie etwas Ungewöhnliches mit der Sonne geschah.214 Zuvor wollten die drei Hirtenkinder Lúcia dos Santos, Jacinta und Francisco Marto erst einen Engel und dann am 13. Mai 1917 mehrere Male eine Erscheinung der Jungfrau Maria auf einem Feld gesehen haben.215 Am 13. Juli hatte die Jungfrau Maria den Kindern angeblich eine dreiteilige Botschaft über das nahende Ende des Ersten Weltkriegs und den Ausbruch eines zweiten übermittelt. Dann teilte ihnen die Jungfrau mit, dass sie am 13. Oktober in Cova da Iria ein Wunder wirken würde, um ihnen ihre wahre Identität zu offenbaren.216 Zeugenaussagen zufolge zeigte sich vor und nach der Erscheinung der Jungfrau Maria eine brummende, umher schwebende Leuchtkugel.217
So strömten die Menschen aus dem ganzen Land und sogar aus dem Ausland herbei, um das angekündigte Wunder zu sehen, obwohl antiklerikal eingestellte Zeitungen wie etwa O Sécolo über die Botschaften Marias recht zynisch berichtet hatten. Der Priester John de Marchi lebte von 1943 bis 1950 in Portugal und interviewte später noch lebende Zeugen des Sonnenwunders. In seinem Buch The Immaculate Heart erinnert sich ein Zeuge:
»Die Sonnenscheibe blieb nicht unbeweglich. Das war nicht das Funkeln eines Himmelskörpers, denn sie drehte sich in einem irren Wirbel um sich selbst, als plötzlich ein Aufschrei aus dem ganzen Volk zu hören war. Die wirbelnde Sonne schien sich vom Firmament zu lösen und bedrohlich auf die Erde zuzusteuern, als wolle sie uns mit ihrem riesigen feurigen Gewicht erdrücken. Das Gefühl in diesen Momenten war schrecklich.«218
Ein anderer Zeuge sah Folgendes:
»Die Sonne, die in einem Moment von scharlachroten Flammen umgeben war, in einem anderen von gelbem und tiefem Purpur, schien sich in einer äußerst schnellen und wirbelnden Bewegung zu befinden, zuweilen schien sie sich vom Himmel zu lösen und sich der Erde zu nähern, wobei sie starke Hitze ausstrahlte.«219
Auch Zeugen außerhalb von Fátima beobachteten das Phänomen, doch Astronomen vermerkten weltweit keine ungewöhnlichen Himmelserscheinungen. Es muss also eine lokale Erscheinung gewesen sein. Haben wir hier es mit einem unbekannten Luftphänomen zu tun?
1916 hatte das Deutsche Reich Portugal den Krieg erklärt, weil die portugiesische Marine vor Südwestafrika, dessen nördlichen Teil sie besetzt hatte, deutsche Kriegsschiffe beschlagnahmte. Ferner waren über 56.500 portugiesische Soldaten im belgischen Flandern dem britischen Kommando unterstellt und starben dort im Feuer der deutschen Truppen. Die Auswirkungen des grausamen Ersten Weltkriegs waren auch bis in die entlegensten Winkel der iberischen Halbinsel vorgedrungen. Die Portugiesen bangten um ihre Angehörigen, die auf den Kriegsfeldern kämpften. Sie hofften, dass die Prophezeiungen von Fátima über das nahe Ende des Ersten Weltkriegs eintrafen. Die antiklerikal eingestellte Regierung schloss Klöster und verbot jegliche öffentlichen Predigten. So war das Verhalten der tiefgläubigen Menschen am 13. Oktober 1917 angespannt, weil sie sich nach einem übernatürlichen Zeichen – nach Erlösung – sehnten.
Das Wunder musste einfach eintreten. Dennoch sahen viele Menschen, darunter sogar skeptische Reporter und Akademiker, etwas am Himmel, das sie nicht erklären konnten. Der Sozialpsychologe Robert Bartholomew bezeichnet derartige Ereignisse, bei denen sich eine große Anzahl von Menschen ein erlösendes Moment wünschen, als »Wunschmanie« (wish mania).220 Er definiert diese Wunschmanie als das genaue Gegenteil der »Moralpanik« (moral panic), bei der die Bevölkerung den Zusammenbruch der Gesellschaftsnormen durch Außenseiter und äußere unorthodoxe Einflüsse fürchtet. Derlei Moralpaniken traten gemäß Bartholomew etwa 1946 auf, als Teile der schwedischen Bevölkerung die »Geisterraketen« sahen, die sie aus Russland wähnten. Robert Bartholomew interpretiert die Feindseligkeit der schwedischen Bevölkerung zur Nachkriegszeit gegenüber Russland mit einer moralischen Abweichung: Raketen auf Schweden abzuschießen, war moralisch verwerflich und bedrohte den Frieden der Gesellschaft. Dabei waren die Faktoren 1) Sorge und Beunruhigung in der schwedischen Bevölkerung, 2) Anzeichen von Feindseligkeit, 3) eine unverhältnismäßig große Bedrohung und 4) die Flüchtigkeit der Ereignisse ausschlaggebend.221 Die Schweden sahen bereits 1947 keine Geisterraketen mehr, das Phänomen war zeitlich begrenzt.
Wie groß die Bereitschaft zur Massenhalluzination ist, zeigt eine Episode wie der Geisterangriff auf Ottawa. Am Valentinstag, den 14. Februar 1915, veranlasst die kanadische Bundespolizei die vollständige Verdunkelung des Parlaments in Ottawa. Glaubwürdige Berichte, dass deutsche Kampfflugzeuge über der Stadt Brockville und über dem St.-Lorenz-Fluss gesehen wurden und nun Richtung Ottawa unterwegs seien, versetzen die kanadische Regierung in Alarmbereitschaft. »Verdunkeltes Ottawa erwartet Luftangriff«, lautet die Schlagzeile einer Sonderausgabe des Globe.222 Viele Einwohner der Hauptstadt werden hysterisch und verdunkeln aus Angst vor einem Bombenangriff ihre Häuser oder verlassen sogar die Stadt.
Hatte die deutsche Armee die Flugzeuge sechs Wochen mit Schiffen über den Atlantik geschickt, um dann Kanada anzugreifen? Der Gedanke scheint absurd. Und doch sind die Ängste nicht unbegründet, fürchten doch die Kanadier, dass von etwa 10 Millionen Deutsch-Amerikanern, die in den USA leben, einige von ihnen aus Sympathie für Deutschland Untergrundarmeen und Terrorgruppen bilden und Anschläge in Kanada verüben könnten.223 Zeugen berichten von »Flugzeugen«, die Lichtbälle in den St.-Lorenz-Fluss abwerfen und interpretieren diese als Bomben.
Vorausgegangen waren Sichtungen von Flugzeugen, die nachts mit starken Suchscheinwerfern über die Provinz Ontario flogen, beginnend mit dem 14. August 1914, nur dreizehn Tage, nachdem Deutschland Russland den Krieg erklärte. Am Ontariosee bei den Niagarafällen sehen Zeugen nachts rätselhafte gelbe, rote und grüne Lichter und schließen auf Spionageaktivitäten der Deutschen.224 Der kanadische Generalkonsul Sir Courtney Bennett in New York, behauptet im Januar 1915, dass sehr bald 80.000 schwer bewaffnete Deutsch-Amerikaner, die am Niagara-Fall Angriffe geübt hätten, über New York hinweg Kanada angreifen würden.225 In der Innenstadt von Toronto versammeln sich erschrockene Menschen. In gebückter Haltung und einen Angriff aus dem Himmel erwartend, überzeugen sie sich davon, dass ein großer, im Wind flatternder Flugdrache kein deutsches Bombenflugzeug ist.226
Ähnliche Fälle von Massenhysterien ereignen sich immer wieder. Die schwedischen Geisterraketen sind mithin keine Ausnahme.227 Streng genommen handelt es sich für Robert Bartholomew bei dem UFO-Phänomen um eine kollektive soziogene Erkrankung. Kenneth Arnolds Sichtung über den Cascade Mountains war nach Bartholomew ein »medienerzeugter Kollektivwahn«.228 Das Problem mit Robert Bartholomews Diagnosen der Moralpaniken und Wunschmanien ist aber unter anderem die zeitliche Begrenztheit: Das UFO-Phänomen tritt seit Jahrhunderten immer wieder auch in Friedenszeiten auf. So ist es sehr unwahrscheinlich, dass diese Berichte von unbekannten Luftphänomenen allesamt nur auf Wunschmanien oder Moralpaniken basieren.