Die Möglichkeit eines Kontakts mit Außerirdischen wird von der Statistik der Entdeckung ständig neuer Exoplaneten immer mehr gestützt. Es bedarf keiner großen Fantasie, um zu erkennen, dass die Auswirkungen eines Kontakts auf die Menschheit katastrophal oder gar existentiell sein könnten. Der Fund von Mikroben würde verblassen vor einem künstlichen Signal, was wiederum weniger bedrohlich wäre als ein Artefakt, etwa in Form eines havarierten Raumfahrzeugs oder von Gebäuden auf anderen Himmelskörpern in unserem Sonnensystem. Die Entdeckung eines aktiven Raumfahrzeugs, insbesondere nahe oder auf der Erde, würde eine Hysterie auslösen, insbesondere im Falle einer Besatzung von biologischen Lebensformen, die sich der Menschheit zu erkennen gäben. Massive Belastungen des globalen Risiko- und Katastrophenmanagements wären unvermeidbar.
SETI ist kein bloßes Glasperlenspiel im Elfenbeinturm, sondern hat potentiell hochgradig praktische Auswirkungen. Wenn dies manch einem als Fantasterei erscheint, so liegt das auch daran, dass die Menschheit entweder das Narrativ goutiert, dass Außerirdische uns so haushoch überlegen wären, dass Widerstand ohnehin sinnlos wäre, oder dass sie uns jedenfalls wohlgesonnen wären. Beide Annahmen sind jedoch äußerst unsicher: Es gibt gegenwärtig keinerlei Anhaltspunkte, um das Verhalten oder die Motivlage außerirdischer Intelligenzen im Falle eines Erstkontaktes mit der Menschheit auch nur grob einzuschätzen. Daniel Gerritzen beschreibt in diesem Buch eindrücklich den zutiefst verstörenden Eindruck mancher Zeugen von UAP-Sichtungen, dass die beobachteten Objekte keinerlei Interesse an Kommunikation zeigen. Die Zeugen konnten sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die UAP durch die offene Demonstration technischer Überlegenheit sogar bewusst Angst schüren wollten. Die früheren, etwa von Jacques Vallée geschilderten Vorfälle, in denen sie sogar feindliche Aktivitäten gegen einzelne Menschen zur Schau stellten, unterstreichen diese Einschätzung. Soweit ersichtlich, sind bisher keine Fälle altruistischen Verhaltens zugunsten von Menschen berichtet worden, wohl aber zumindest die Hinnahme von erheblichen Gefahren, etwa bei Beinahekollisionen mit irdischen Flugzeugen oder der Störung der Kontrolle über Atomraketensilos.
Die Notwendigkeit, sich über derart grundlegende Themen ernsthafte Gedanken zu machen, ist drängender denn je, seit die Forschung zu Kontaktphänomenen auch der sogenannten Dritten Art mittlerweile im wissenschaftlichen und populären Mainstream angekommen ist. Die Veröffentlichung des Berichts der US-amerikanischen Sicherheitsbehörden vom Juni 2021 zu UAP, die Schaffung einer Pentagon-Behörde zu Erforschung des UAP-Phänomens, die diesbezügliche Anhörung vor einem Ausschuss des US-Kongresses im Mai 2022 zu UAP sowie die Ankündigung der NASA vom Oktober 2021, die Suche nach außerirdischem Leben in alle ihre künftigen Missionen einzubinden, sprechen insoweit eine deutliche Sprache. Die statistische Wahrscheinlichkeit eines Kontakts wächst mit jeder weiteren Mission und jedem neuen Weltraumteleskop – die Vorbereitung der Menschheit darauf muss damit Schritt halten, um nicht völlig unvorbereitet mit einem künftigen Kontaktereignis konfrontiert zu werden. Der Erstkontakt könnte allerdings schon eingetreten sein, wenn man die frühere seriöse UFO-Forschung und die gegenwärtige Berichterstattung über UAP ernst nimmt.
Doch genau da liegt die Sache immer noch im Argen. Trotz neuer Initiativen wie etwa Avi Loebs Galileo Project verharrt der Mainstream offenbar immer noch in einer erkenntnistheoretischen Schreckstarre, die treffend in dem bekannten Cartoon persifliert wird, in dem zwei weißbärtige und weißbekittelte Astronomen auf einer Lichtung durch ein Teleskop den Himmel absuchen, während wenige Meter hinter ihnen ein UFO gelandet ist, dessen ausgestiegener Pilot an einem Baum seine Notdurft verrichtet. Das prominente und weltweit einflussreiche IAA SETI Permanent Committee zum Beispiel weigert sich weiterhin, trotz einer durch Anfrage des Verfassers dieses Nachworts im Jahre 2021 entfachten internen Diskussion, Forschung zu UAP in seine Terms of Reference aufzunehmen. Man muss sich fragen, welche wissenschaftliche Methodologie dies rechtfertigen soll, solange die Forschung rigorosen wissenschaftlichen Anforderungen entspricht. Die von Carl Sagan geprägte, schon logisch fragwürdige ECREE-Formel (Extraordinary Claims Require Extraordinary Evidence) hat hier viel methodisches Unheil angerichtet: Was nicht mit Sensoren gemessen werden kann, ist kein taugliches Beweismittel – Zeugenaussagen sind in dieser beschränkten Sicht irrelevant. Der Verfasser erinnert sich jedoch, als Strafrichter manchen Angeklagten auf der Grundlage der Aussage nur einer Zeugin, etwa in Vergewaltigungsfällen, verurteilt zu haben. Wenn also eine einzige Zeugenaussage ausreichen kann, um einen Menschen für viele Jahre ins Gefängnis zu schicken, mit all den sozialen Folgen, die das neben der bloßen Freiheitsentziehung hat, dann erscheint es sinnvoll, dass auch die SETI-Forschung von der Praxis der forensischen Überzeugungsbildung lernt.
Gerritzen kommt, nach seinem Werk Erstkontakt (2016), der Verdienst zu, in Die Kosmische Krise meisterhaft diese vielfältigen Aspekte der menschlichen Erkenntnis- und Motivationslage zum Phänomen des Außerirdischen und ihre Auswirkungen in der realen Welt mit allen politischen und psychologischen Facetten in einer wissenschaftlich fundierten, aber allgemeinverständlichen und eminent lesbaren Form aufgearbeitet und auf den neuesten Stand gebracht zu haben. Seinem Buch ist weite Verbreitung, auch in anderen Sprachen, zu wünschen, damit das Thema einer breiteren Öffentlichkeit, nicht zuletzt auch den relevanten Entscheidungsträgern, eindringlich ins Bewusstsein gerufen wird.
Michael Bohlander