41
Ich gehe bald auf die Schule von meinem Dad. Das wird cool.«
Wir, Norman und ich, sitzen unter der alten Zeder in seinem Garten. Ich mag seinen Garten lieber als den von Großmutter. Er ist kleiner, und die Bäume sind älter, so wie das Haus, nehme ich an.
»Du kommst also nicht zurück an unsere Schule? Nach den Ferien?«
»Nein. Wir ziehen um, in irgendeine Stadt in England. In die Nähe von London, glaube ich.«
»England? Wow.« Norman sagt das, als läge das irgendwo in weiter Ferne, und zum ersten Mal, seit Großmutter mir davon erzählt hat, wird mir klar, dass das auch stimmt. Es ist weiter weg, als ich jemals weg gewesen bin. Weiter als ich mir wirklich vorstellen kann.
»Komm schon. Mal sehen, ob wir noch mal bis ganz nach oben im Baum klettern können.« Ist immer einfacher, Dinge zu tun, als darüber nachzudenken. Und der Blick von oben ist toll.
»Laufen wir um die Wette.« Norman rappelt sich auf, aber ich bin schneller. Auch stärker, er ist immer ein bisschen schwächlich für sein Alter gewesen. Er sucht sich den untersten Ast aus, während ich versuche, am dicken Stamm der alten Zeder hochzuklettern. Der Trick ist, bis zur ersten Gabelung zu kommen. Danach ist es leicht. Von dort erreicht man einen Ast, wenn man hochspringt und einen anderen weit genug herunterzieht. Oder man kann die Hände in die Spalten in der Rinde schieben und sich am Stamm hochziehen.
Ich bin fast bei der Gabelung, da höre ich ein lautes Knacken. Norman schreit nicht, der Aufprall auf dem Boden muss ihm die Luft genommen haben. Ich bin noch nicht besonders weit oben. Als ich nach unten blicke, sehe ich einen dicken Ast, eine blasse Hand, die unter einer Schicht aus dunkelgrünen Nadeln hervorlugt. Ich springe hinunter und laufe zu ihm, voller Angst, Norman könnte sich den Hals gebrochen haben.
»Norman, alles in Ordnung mit dir?« Der Ast ist schwer, so dick wie mein Oberschenkel, dort, wo er unter Normans Gewicht abgeknickt ist. Es ist ein albernes Detail, aber ich sehe die Stelle, wo etwas das Holz angegriffen hat und klebriger Saft aus einer tiefen Wunde sickert. Das dürfte auch der Grund gewesen sein, weshalb der Ast gebrochen ist. Norman wiegt ja nicht viel.
Als ich den Ast von Norman herunterziehe, stöhnt er und fasst sich an den Kopf. Einen Augenblick lang glaube ich, dass ihm nichts passiert ist, dann aber entdecke ich die Schnittwunde an seiner Hand. Sie ist tief, Blut strömt daraus hervor, das er auf dem Gesicht verschmiert, als er sich die Nadeln aus dem Haar streicht.
»Scheiße. Das sieht schlimm aus.« Als Norman den Kraftausdruck hört, zuckt er zusammen, wie immer. Aber es macht mir Spaß, das Wort auszusprechen. Obwohl ich weiß, dass Großmutter mir dafür die Ohren langgezogen hätte. Ich fasse Norman an der Hand, ziehe ihn hoch. Er schwankt, wie betäubt durch den Sturz oder wegen meines Fluchs, bei Norman ist das schwer zu sagen.
»Komm schon. Besser, du gehst zurück ins Haus. Mach dich sauber.«
»Mum bringt mich um, wenn sie das sieht.« Norman betrachtet seine Kleidung, blutverschmiert und zerrissen. Sein Gesicht ist ganz blass, noch blasser als sonst.
»Nein, bestimmt nicht.« Ich versuche, beruhigend zu klingen, auch wenn ich weiß, dass Mr und Mrs Bale ganz anders sind als meine Großmutter, ganz anders, als ich meine eigenen Eltern in Erinnerung habe. »Na ja, vielleicht ein bisschen.«