Julia

Gestern, 20.49 Uhr

»Waren die Clowns nicht saukomisch?«, frage ich, während ich an einem dicken, saftigen Steak säbele. Es hat eine gesunde rosa Farbe und ist tiefrot in der Mitte – absolut perfekt. »Ich wüsste nur gern, wie sie sich auf dem Dach dieses Hauses über Wasser halten konnten.«

O im Hotel Bellagio mit der Wasserakrobatik und dem Turmspringen ist reine Magie. Wahrscheinlich die beste Show vom Cirque de Soleil, die ich je gesehen habe.

Die Mädels nicken zustimmend, nippen an ihren Getränken und stoßen wegen der Supersteaks orgasmische Laute aus. Manchmal ist es gar nicht so schlecht, ich zu sein.

»Freut mich, dass du zur Abwechslung mal lustige Clowns gesehen hast«, sagt Shanna und zwinkert mir zu, während sie mit mir anstößt, »nachdem der Typ heute Nachmittag eher ein trauriger Clown war.«

Ich lache, reibe mir verlegen die Stirn und seufze. Nate Wexler, der Armleuchter, hat mich echt fertiggemacht. Es brauchte ein Glas Champagner in der Hotelbar – und die Aufmerksamkeiten eines supersüßen Barkeepers –, um mich aus meiner Depression zu reißen. Jetzt schwebe ich auf einer Wolke aus Super-Alk, guten Freundinnen und den Lichtern von Las Vegas. Besser geht’s nicht.

Moment. Tanzen. Eine Art Salsa auf der Tanzfläche mit Liveband hat noch jedem Abend Schwung verliehen. Die Band legt los, und die Lichter werden runtergedimmt. Shanna und ich lachen fröhlich, und sie greift nach meiner Hand.

»Darf ich bitten?«, fragt sie und klimpert kokett mit den Wimpern. Ich gebe vor, in Ohnmacht zu fallen.

»Ich dachte schon, du fragst nie«, antworte ich. Wir rutschen alle aus der Nische und stürmen die Tanzfläche.

Die Männer auf der Bühne tragen eine Art Tracht aus grellweißen Hemden mit weiten Ärmeln. Sie zwinkern uns zur Begrüßung zu, als wir anfangen, zur Musik zu grooven; jeder ist geschmeichelt, wenn seine Arbeit gewürdigt wird. Sekunden später wirbele ich mit Shanna herum. Meredith und zwei andere Autorinnen – Daphne und Toni – tanzen am anderen Ende des Raumes unter einer Limbostange hindurch. Ich glaube zwar nicht, dass Salsa oder Limbo ursprünglich aus Brasilien kommen, aber naja. Ich will mich nicht beschweren.

»Achtung«, flüstert mir Shanna ins Ohr und stößt mich mit der Hüfte an. »Da will dich jemand antanzen.« Dann lässt sie mich einfach im Stich und verschwindet mit einer Drehung im Gedränge.

»Was?«, frage ich verständnislos. Doch als ich neben mir eine Gestalt wahrnehme, ist alles superklar.

»Hallo«, raunt mir jemand ins Ohr.

In diesem verrückten Moment drehe ich mich in der Erwartung um, dass es Nate Wexler ist. Das wäre die Krönung des Tages. Ehrlich gesagt hofft ein Teil von mir sogar, dass er es ist. Natürlich nur, damit sich mir die Gelegenheit bietet, ihm auf den Fuß zu treten.

Aber es ist nicht Nate, weit gefehlt. Ein großer Kerl mit blonden Zottelhaaren und Ziegenbart tanzt direkt neben mir. Er vollführt einen Weißen-Hüftschwung, der in nordischen Breiten als Salsatanzen durchgeht, aber ich habe nicht die Absicht, ihn deshalb abblitzen zu lassen. Er ist mir nah, sehr nah, aber nicht so sehr, dass er mein Bein begattet, während ich mit dem Arsch wackele. Stilvoll. Ein vielversprechender Anfang.

»Ich wollte mit der erotischsten Frau im Laden tanzen«, sagt er mir ins Ohr und grinst.

»Ähm. Hallo«, sage ich und winke ihm sogar dümmlich zu.

Ich weiß nicht so recht, was ich sagen soll, wie ich tanzen soll oder was ich denken soll. Ich hab noch nie jemanden auf der Tanzfläche kennengelernt wie in Dirty Dancing. Ich wirbele herum und halte nach Shanna Ausschau. Als ich sie entdecke, werfe ich ihr hilfesuchende Blicke zu. Sie runzelt die Stirn, zeigt auf den Typen und formt mit den Lippen »Rede mit ihm!« Sie hat diese leicht schiefe Miene aufgesetzt, die mir immer das Gefühl gibt, dass ich ihr ein kleines bisschen leid tue.

Na schön. Ich krieg das hin. Klar, ich war lange nicht mehr auf dem Markt. Okay, über ein Jahr. Abends arbeite ich meist auf einen Abgabetermin hin, zische mit Freunden ein Bierchen oder checke, was auf Netflix so läuft. Vielleicht war ich ein bisschen übervorsichtig, wieder rauszugehen und mich zu amüsieren, und das ist meine Chance. Ich muss wieder in den Flirt-Pool steigen, immer schön ein Zeh nach dem anderen.

Ich wünschte nur, ich wüsste, was ich sagen soll. Wie ich bei einem Typen Interesse wecke, ihn verführe und ihn davon überzeuge, dass ich sexy und begehrenswert bin.

Wäre ich doch bloß Liebesroman-Autorin oder so. Komm schon, Julia! Scheiß aufs Flirten, dein berufliches Renommee steht auf dem Spiel! In gewisser Weise. Als ich mich wieder zu ihm drehe, umspielt ein Lächeln meine Lippen. Ich schüttele auch meine Hüften etwas mehr, nur eine Weiße, die ihr Bestes zu geben versucht. Ich bemühe mich, schüchtern und kokett zugleich zu wirken. Schüchtern und kokett ist genau sein Fall. Er kommt ein bisschen näher und legt die Hände auf meine Hüften. Ich schüttele sie ein wenig. Ich glaube, das gefällt ihm.

»Ich bin Julia«, flöte ich und lege die Hand auf seine Schulter, während wir tanzen. Ich drücke mich fest an ihn und spüre durch sein weißes T-Shirt seine Körperwärme. In meinen Fantasien wäre er etwas besser gekleidet. Ooh, im Armani-Anzug, elegant und distanziert. Und dann würde er den Mund aufmachen und mir seinen Namen sagen, irgendwas Exotisches, so was wie –

»Ich heiße Derek«, sagt er. Okay, meine Fantasie hat eine Delle bekommen. Aber seine nächsten Worte lauten: »Möchtest du was trinken?« Mir gefällt jetzt schon, worauf das hinausläuft.

Was hat Lola Sinclair gesagt, als sie in Knistern in Seattle Archer Valmont kennenlernte?

Naja, auf den ersten zehn Seiten hatte sie seinen Schwanz im Mund, weshalb nicht viel Dialog möglich war.

Aber es ist nichts Falsches daran, so zu tun, als sei man Lola, oder? Nicht zuletzt weil sie weiß, wie’s geht.

»Was zu trinken?«, wiederholt Derek, dessen Miene jetzt leicht besorgt ist.

Mist. Ich hatte mal wieder einen Schriftsteller-Aussetzer; ich schwebe dann in anderen Sphären. Mir wurde zugetragen, dass ich dann schiele. Ich werfe meine Haare zurück und hole mich ins Hier und Jetzt zurück. Mach die Lola, Julia. Los.

»Sehr gern«, säusele ich ihm ins Ohr. Das gefällt Derek. Er zerrt mich von der Tanzfläche und sucht uns eine kuschelige kleine Ecknische. Ich rutsche hinein, und er folgt mir, legt lässig seinen Arm hinter mich und dann langsam um mich. Ich bin eine Göttin; jeder sollte kommen und mir Schokolade und Mojitos darbringen. Das ist meine Währung.

»Wohnst du hier in der Nähe?«, fragt Derek, nachdem wir ein paar Shots gekippt haben. Mmm, Shots sind ein fantastisches Vergnügen, das ich mir seit dem College nicht mehr gegönnt habe. Der Tequila brennt in der Kehle; das ist gut.

»Ich bin beruflich hier.« Ich grinse und sehe schelmisch zu ihm auf. »Vielleicht lässt sich das mit ein bisschen Spaß verbinden, wenn ich schon mal hier bin.«

»Spaß. Das klingt gut«, frohlockt Derek, fährt mit der Hand weiter nach unten und parkt sie in meinem Kreuz. Ich schiebe meinen Busen vor, um mein 1-A-Dekolleté zur Geltung zu bringen. Ich bin nicht bescheiden; eine Frau muss ihre Vorzüge kennen. Derek weiß es zu schätzen. »In welcher Branche arbeitest du denn?«, fragt er.

»Internationale Spionage.« Das hat Lola zumindest gemacht – Archers stark verschlüsselte Dateien zu knacken versucht und dabei mehr bekommen, als sie auf der Rechnung hatte. »Ich muss im Venetian Resort Hotel ein Ablenkungsmanöver inszenieren, während mein Team einbricht und einen ausgeklügelten Raub durchführt.«

Ich stürze noch einen Tequila runter und lecke mir hoffentlich sexy die Lippen. Scheint geklappt zu haben, denn Dereks Hand wandert noch ein Stück tiefer und streicht über meinen Po.

Sexy. Sei wie Lola. Experimentiere, verdammt. »Oh, Mister … Derek. Sie sind so verwegen«, sage ich affektiert.

»Und du bist megascharf«, sagt er und beugt sich vor, um mich zu küssen. Sein Atem stinkt nach Alkohol. Bevor er seinen Kuss einfordern kann, lache ich und schiebe ihn von mir weg. Das hat mir die Realität knallhart vor Augen geführt. Derek lässt sich nicht beirren. Wenn er sich zu sehr danebenbenimmt, beherrsche ich einen guten Handkantenschlag. Selbstverteidigung für immer, Mädels.

»Was meinst du?«, fragt er und fährt mit den Fingern um meinen Hintern, meine Hüfte, und weiter zu … aber hallo! Ich schlage die Beine übereinander. Er zieht seine Geldbörse hervor und holt eine Schlüsselkarte aus Plastik heraus. »Ich bin im Paris

Ich will ihm schon sagen, dass er die Städte verwechselt hat, als mir klar wird, dass er sein Hotel meint. »Oh«, sage ich super eloquent.

»Was meinst du, meine Schöne?« Wieder beugt er sich vor, um mich zu küssen. Sein Mund ist geöffnet, seine Lippen … sehen irgendwie feucht aus.

In dem Alkoholschleier schreit ein Teil meines Körpers lautstark Ja, springt umher und wedelt mit Pompoms. Weil es schon so lange her ist. Wirklich richtig lang. Zu verdammt lange. Aber so gern ich auch Lola wäre, Derek ist nicht gerade Archer. Mein schönes Fantasiebild von mir als Spion-Geliebte, die den Reizen eines lässig-eleganten Milliardärs erliegt, geht hops. Stattdessen sehe ich mich vor mir, wie ich wahrscheinlich im Moment wirke, eine traurige Betrunkene in den Dreißigern auf der Suche nach Bestätigung von einem Typen, der so besoffen ist, dass er gleich aus den Latschen kippt.

So stelle ich mir mein erstes Mal zurück im Sattel nicht vor.

»Danke«, sage ich und schalte meine Stimme von der verführerischen Lola zu meinem quietschfidelen Ich. Ich ergreife sogar seine Hand und schüttele sie; sie ist ziemlich schlaff. Ich nehme das als Anhaltspunkt, dass alle Matratzen-Gymnastik mit ihm zu wünschen lassen würde. »Ich, äh, muss jetzt gehen. Die Spionage wird nicht, äh, von selbst spionieren. Tschau.«

Ich rutsche aus der Nische und flüchte zurück auf die Tanzfläche, bevor Derek antworten kann. Dabei schwanke ich ein bisschen, denn, Mann, der Tequila war gut und stark. Wo zum Teufel ist Shanna? Ich drehe mich um die eigene Achse, doch der Raum ist ein wirbelndes Tollhaus aus Limbo, Maracas und einem Matador, der einen Schauspieler im Stierkostüm anstachelt.

Ich sag es jetzt einfach: Dieses Ambiente ist sehr fehlerhaft, was die Darstellung der großartigen und reichen Kultur Brasiliens betrifft.

Ich rülpse. Supersexy.

»Julia!«, ruft Shanna und winkt mir von der Theke aus zu. Sie und die anderen Mädels lachen mit ein paar Frauen, die zu einer Junggesellinnen-Party zu gehören scheinen. Die Plastik-Diademe und neonleuchtenden Halsketten-Penisse würde ich überall wiedererkennen. Ich gehe zu ihnen rüber und hüpfe auf einen Hocker. Ich rutsche sogar einmal ab und muss mich wieder hochziehen. Na schön, vielleicht bin ich ein bisschen betrunken. Aber wen stört’s? Ich bin fantastisch.

»Oh mein Gott, sind Sie Julia Stevens?«, fragt die Frau, die neben mir sitzt, und umklammert meinen Arm. Sie muss die Braut sein, denn auf ihrem Diadem prangt ein süßer kleiner Spitzenschleier. Sie ist eine attraktive Frau, schätzungsweise Anfang dreißig, mit seidig glänzenden dunklen Haaren und einer gesunden Bräune. »Entschuldigen Sie, es ist nur … Sie sind meine Lieblingsautorin. Ich hatte keine Ahnung, dass an diesem Wochenende die Romantic Style Convention stattfindet. Ich hätte keine bessere Junggesellinnen-Party planen können!« In ihren Augen glänzen wahrhaftig Tränen.

Ein warmes Glücksgefühl breitet sich langsam in mir aus. An den Tagungen gefallen mir mit Abstand die Treffen mit den Fans am besten. Und wenn die Fans kurz davor sind, vor den Altar zu treten und eine eigene glückliche Zukunft zu haben? Umso besser.

»Das steigt mir alles zu Kopf«, sage ich grinsend. Ich halte mich an der Theke fest, damit der Raum nicht mehr hin und her schlingert. »Oder vielleicht liegt’s auch nur am Alkohol.«

»Ich bin Stacy Kaufman.« Sie schüttelt mir die Hand und umarmt mich. »Oh mein Gott, nichts als Liebesroman-Autorinnen. Das ist der schönste Teil des Abends!«

»Dann haben Sie aber eine beschissene Junggesellinnen-Party«, sagt Meredith, kippt irgendeinen Kurzen runter und stellt das leere Glas ab. Sie hat schon eine ganz schöne Sammlung vor sich aufgereiht, wirkt aber immer noch standfest bis dorthinaus. Sie nimmt einen langen Zug von ihrer Zigarette und zwinkert uns zu. »Aber wenn es eine Junggeselinnen-Party ist, die meiner Autorin Geld einbringt, finde ich es super.«

»Wann ist denn die Trauung?«, frage ich.

»Morgen. Ich befürchte schon, dass wir zum Heiraten zu betrunken sein könnten«, lacht Stacy. »Aber zum Glück findet die Trauung in unserem Hotel statt.«

»In welchem?«

»Im Bellagio. Sehr Ocean’s Eleven«, sagt sie stolz.

Eine Frau ganz nach meinem Geschmack.

»Ich hoffe, Sie erleben noch viele sexy Abenteuer, bevor die Nacht vorbei ist«, sage ich zu ihr und stütze meinen Ellbogen auf die Theke und meine Wange in meine Hand. Ich werde ein bisschen beduselt. Es ist so ein Schwips, bei dem man es entweder noch mehr krachen lassen muss, um wieder wach zu werden, oder lieber nach Hause geht, um zu schlafen. Ich denke, es wird Letzteres, doch dann leuchten Stacys Augen auf.

»Hören Sie, wollen Sie nicht alle mit uns kommen?«, fragt Stacy und wippt aufgeregt auf ihrem Barhocker. »Wir dachten, wir könnten zu einer Chippendale-Show gehen.«

»Eingeölte Männer mit nacktem Oberkörper, die zur Musik die Hüften kreisen lassen.« Mit gespieltem Entsetzen lege ich die Hand auf mein Herz. »Halten Sie mich wirklich für so eine?«

»Na klar«, sagt Stacy. Wir brechen in Gelächter aus. Ich mag diese Frau.

»Für Leute, die sich ausziehen, egal welchen Geschlechts, bin ich immer zu haben«, sagt Shanna und schnappt sich ihre Handtasche. »Ich bin total für die Chancengleichheit aller, die sexy sind.«

»Du hast mich überzeugt. Gehen wir«, sage ich.

Stacy jauchzt und fällt fast vom Barhocker. Wir bezahlen unsere Drinks und gehen zum Ausgang. Die Nachtluft ist schwül und immer noch so warm, dass ich mir langsam albern vorkomme, weil ich einen Pulli mitgeschleppt habe.

Stacy wühlt in ihrer Handtasche, und ein besorgter Ausdruck huscht über ihr Gesicht.

»Alles okay?«, frage ich sie. Daphne, Meredith und Toni tänzeln schon die Straße entlang und unterhalten sich über einen mexikanischen Huttanz. Ich schwöre, dieses Restaurant hat echt nicht viel Ahnung von brasilianischer Kultur.

»Scheiße. Ich hab mein Handy vergessen. Es ist noch im Hotel.« Sie hält inne und schlägt sich gegen die Stirn. »Mist! Mein Verlobter hat es.«

»Hier, nehmen Sie meins.« Ich reiche ihr mein getreues iPhone mit der blauen TARDIS-Polizeizellen-Hülle, und Stacy wählt. Während sie mit ihrem Verlobten spricht, sehen Shanna und ich uns an.

»Bist du bereit für muskulöse, eingeölte Männer mit nacktem Oberkörper?«, fragt sie.

»Schmutzige Arbeit für schmutzige Fantasien.« Wir klatschen uns ab.

»Tschau, Süßer«, flötet Stacy und legt auf. »Okay«, sagt sie und gibt mir das Handy zurück. »Rührt euch nicht vom Fleck. Sie holen uns mit dem Wagen ab. Er wird schwer zu übersehen sein – sie fahren gleich hierher in –«

»Ahoi, holde Maiden! Besaufen wir uns!«

Die Stimme klingt vertraut. Eine Stretch-Limousine hält am Straßenrand. Ein lächelnder Typ mit gegelten, blondierten Haarspitzen ragt mit dem Oberkörper aus dem Schiebedach und winkt begeistert. Ich erinnere mich an ihn; Tyler, der nette Kumpeltyp, der mit Mike und …

Ach du Scheiße. Die Tür öffnet sich, und Mike und dieser Riesentrottel Nate Wexler steigen aus. Diesmal trägt Miesepeter zumindest nicht seinen makellosen Scheißanzug. Er hat Jeans und ein schwarzes T-Shirt an und sieht ehrlich gesagt irgendwie heiß aus.

Ich starre ihn nicht an. Ich starre keine Ärsche an, auch nicht, wenn sie sexy sind.

»Hallo, Schatz«, sagt Mike und küsst Stacy, als sie die Arme um seinen Hals wirft. »Musstest du gerettet werden?« Grinsend überreicht er ihr ein Telefon.

»Schon eher von einem Hengst abgeschleppt werden. Ich rette mich schon selbst, vielen Dank auch«, frotzelt sie und gibt ihm noch einen Kuss. Mike lacht.

Ich schreibe schon so lange über die wahre Liebe, dass ich sie erkenne, wenn ich sie direkt vor der Nase habe. Ich lächele, auch wenn ich mich etwas dazu zwingen muss, als Miesepeter alias Nate auf mich zukommt.

»Sie schließen sich uns also an?«, fragt er, die Hände in den Taschen seiner Jeans vergraben.

So aus der Nähe kann ich seinen Körper in legeren Klamotten sogar noch besser betrachten. Wahrscheinlich spricht der Tequila aus mir, aber er ist echt gut in Form. Das schwarze T-Shirt liegt schön eng an seinem Oberkörper an. Ich kann definierte, wie gemeißelte Brustmuskeln erkennen, und seine Arme sind muskelbepackt. Ich gebe es zu; ich lasse den Blick zu seinem strammen Po in seiner super sitzenden Jeans gleiten. Bei ihm hängen keine Boxershorts raus; Klasse auf der ganzen Linie.

»Schluss mit dem Abchecken«, brummt er, und ich zwinkere ihm übertrieben zu.

»Ich will nur sehen, was du zu bieten hast, Wexler.« Ich gleite in die Limousine und quetsche mich neben Tyler und Stacy auf die Rückbank. Tyler winkt die anderen Mädels herein, und Meredith landet auf dem Platz neben ihm.

»Hey, Merry. Gut siehst du aus«, zieht er sie auf.

Verdammt. Obwohl Meredith vom Alter her seine Mutter sein könnte, ist sie kess genug, ihn das vergessen zu lassen. Wie Joan Crawford, die es auf Burschenschaftler abgesehen hat, hebt sie ihre perfekt gezupfte und nachgezogene Augenbraue.

»Warst du auch ein böser Junge?«, fragte sie und drückt eifrig sein Knie.

»Und ob.« Immer noch grinsend lässt Tyler einen Champagnerkorken knallen.

Der Abend verläuft reibungslos, solange ich Nate Wexler, staatlich geprüfter Jurist und amtlich registrierte Nervensäge, ignorieren kann. Mit den Händen auf den Knien sitzt er verkrampft da, als warte er mit angehaltenem Atem darauf, dass der Abend bald vorbei ist.

»Wohin als Nächstes?«, ruft Shanna, die jetzt auch ein Plastikdiadem auf dem Kopf trägt.

»Wir hatten an ein Striplokal gedacht«, sagt Nate mit der ganzen Qual eines Mannes, der sich wahrscheinlich ein gemütliches Steakessen mit den Jungs gewünscht hatte und um halb zwölf im Bett sein wollte.

Ach, der arme Schatz!

»Ja!«, schreit Tyler und klatscht in die Hände. »Stripclubs finden es toll, wenn man Frauen mitbringt. Wir kriegen wahrscheinlich Gratisdrinks.«

»Ich weiß nicht so recht, ob Frauen gern in Stripclubs gehen, Tyler«, bremst ihn Nate, dessen Stimme so geringschätzig klingt, dass sogar Stacy verächtlich schnaubt.

»Du hast recht. Wir sitzen gern strickend auf dem Sofa und gucken Downtown Abbey«, spottet sie.

Und obwohl ich Tee, Häkeln und die Dowager Countess liebe, stimme ich ihr zu. Wir sind keine prüden, welkenden Blumen.

»Her mit den Frauen«, rufe ich und stupse Nate mit dem Ellbogen an. Wir beäugen einander. Wieder ertappe ich mich dabei, wie ich im magnetischen Blau seiner Augen versinke – natürlich nur eine Sekunde. Mir ist egal, wie gut er aussieht. Ich stehe nicht auf Spießer und Snobs, und er ist beides.

Nate beißt die Zähne zusammen, sagt aber nichts. 1:0 für mich.

»Wir gehen ins Palace Veil«, verkündet Mike, den Arm um Stacys Taille geschlungen.

Alle außer Nate und mir jubeln. Ich weiß, dass wir beide glücklicher wären, wenn der andere nicht da wäre. Na ja. Wenn du in Vegas bist, ignorier die Deppen, lass die Sau raus und trag sicherheitshalber immer einen zusätzlichen Slip in deiner Handtasche mit. Das hat Mom mir immer gesagt.

Mom war lustig.