Kapitel 5

 

Ich verbrachte eine unruhige Nacht, war oft wach und hatte Mühe, wieder einzuschlafen. Bis zum Schlafengehen dachte ich immer wieder darüber nach, ob und was ich antworten sollte. Am liebsten hätte ich ellenlange Nachrichten verfasst und mich die ganze Nacht mit ihr unterhalten. Ich entschied mich dann aber für „Alles ok. Gute Nacht“ und hoffte, ihr nicht damit auf die Füße zu treten, aber ich wollte auf keinen Fall ein Riesending aus einer Sache machen, die ich so überhaupt nicht einschätzen konnte. Vielleicht hatte Torben Recht und sie war ausschließlich als Arbeitskraft an mir interessiert und ich würde mir nicht die Blöße geben, voll auf diese Nachricht einzusteigen und nachher wieder als Idiotin dazustehen. Das hatte ich alles schon!

Trotzdem machte ich mich an diesem Morgen besonders früh auf den Weg ins Büro, zu Hause hielt ich es nicht länger aus. Die Anspannung war mittlerweile in jeder Körperzelle angekommen. Ich schwankte jetzt seit Tagen permanent zwischen Ungewissheit, Freude, Enttäuschung und Verliebtheit. Ja, ich war dabei, meinen Kopf zu verlieren, das Herz hatte sich eh schon auf den Weg gemacht. Ich war erschöpft und voller Energie gleichzeitig. Ich könnte im Stehen schlafen und kriegte zeitgleich die Augen nicht zu. Schon ein geiles Zeug, diese Verliebtheitsdroge. Aber ich befürchtete, dass ich ihr nicht mehr lange gewachsen sein würde. Ich brauchte endlich Antworten und Klarheit. Mal sehen, was der Tag heute bringen würde.

Ihr Büro war noch dunkel, als ich die Firma betrat. Ich war heute fast eine Stunde früher als sonst hier, also war das kein Grund zur Besorgnis.

Oben angekommen öffnete ich den Laptop und stellte außerdem Kopierer und Drucker an. Danach warf ich einen kurzen Blick in Frau Senges Terminkalender. Es fühlte sich für mich ganz seltsam an, an sie mit Vornamen zu denken. Für mich war sie nach wie vor die Vorgesetzte und noch war nicht klar, auf welcher Ebene wir ab jetzt kommunizierten. Ich sah, dass sie den Vormittag über in einem Kundentermin war und erst gegen Mittag im Büro sein würde. Das fängt ja heute wieder toll an, dachte ich. Warten, immer wieder warten. Zum Glück hatte sich einiges an Arbeit auf meinem Schreibtisch eingefunden, so dass ich gut abgelenkt war. Ich erwischte mich allerdings den ganzen Vormittag über dabei, dass ich jedes Mal, wenn die Flurtür aufging, einen langen Hals machte, um zu sehen, ob sie vielleicht doch schon früher käme.

Gegen Mittag kamen Sina und Viola in mein Büro, um mich zur Mittagspause abzuholen. Viola war die Chefsekretärin der Geschäftsführung und eine unglaublich humorvolle Person. Ich verbrachte gerne Zeit mit den beiden. Zumal man im Gespräch auch immer mal den neuesten Klatsch erfuhr und über die Chefs lästern konnte.

„Hi Mara, wie siehts aus? Kannst du dich von deinem Schreibtisch losreißen und mit dem Pöbel Pause machen oder sollen wir den Tisch eben runtertragen?“, sagte eine gut gelaunte Viola.

„Nein, der Tisch kann hier bleiben, aber es wäre toll, wenn du dir eben den Kopierer unter den Arm klemmen könntest!“, entgegnete ich lachend.

„Du mutierst auch langsam in ein Arbeitstier! Als ich um sieben hier ankam, war die Luft in deinem Büro schon verbraucht! Immer diese Karrieretypen!“, nun mischte auch Sina mit.

Karrieretypen, sehr lustig. Ich saß seit fast fünf Jahren auf diesem Stuhl, bei gleichem Job und gleichem Gehalt. Von Karrieretyp war ich also weit entfernt.

„Nein Sina, das täuscht. Ich atme nur immer so stark!“, lachte ich.

„Na dann, lass uns lieber jetzt was essen, damit du nicht noch wegen Hyperventilation ohnmächtig wirst!“, antwortete Viola schmunzelnd und schüttelte dabei den Kopf.

Sina und Viola standen direkt vor meinem Schreibtisch, so dass ich nicht sah, dass Frau Senge das Büro bereits betreten hatte.

„Guten Tag, die Damen!“, sagte sie gutgelaunt, „Wer ist ohnmächtig?“

„Noch niemand, aber die junge Dame hier wird es bald sein, wenn sie nicht mal eine Pause macht.“, sagte Viola lächelnd und zeigte auf mich.

Meine Güte, war mir das peinlich. Ich stand nicht gerne im Fokus und nun blickten mich sechs Augen eindringlich an. Das schlimmste war das Augenpaar, das zu Frau Senges Gesicht gehörte. Was dachte sie denn jetzt bitte von mir? Dass ich kurz vor dem Burnout war und meine Freundinnen zur Hilfe holte oder mich nicht traute, selbstständig Mittagspause zu machen? Also, wenn ich Karrierepläne gehabt hätte, wäre das jetzt hier eh erledigt gewesen.

Frau Senge schmunzelte und sah mich direkt an. „Das geht natürlich nicht! Ich brauche dich hier, also ab in die Pause mit dir!“

Direkt sah ich, wie Sina und Viola ihre Augen aufrissen und sich anblickten. Frau Senge duzte sich mit fast niemandem in der Firma, so wie es die Zentrale eigentlich auch gerne sah. Das würde gleich ein Verhör in der Pause werden. Eines, bei dem ich die Fragen nicht beantworten konnte, selbst wenn ich es gewollt hätte.

„Sir, ja Sir!“, sagte ich, um die peinliche Stille zu überbrücken und fuhr mit meinem Drehstuhl nach hinten, um aufzustehen.

Frau Senge grinste breit und ging zu ihrem Schreibtisch.

Viola, Sina und ich gingen zur Flurtür, um mit dem Aufzug in das Erdgeschoss zu fahren. Hier war eine kleine Kantine untergebracht, in der man kleine Speisen oder Brötchen kaufen konnte.

„Was war das denn?“, fragte Sina, „Die Senge und du ihr duzt euch?“, sie sah interessiert, aber auch überrascht aus.

„Ja, seit gestern. Da hat sie plötzlich damit angefangen. Ich war mir bis gerade nicht sicher, ob das nur ein Versehen war.“, antwortete ich und versuchte, so neutral wie möglich zu klingen.

„Wohl nicht. Schon erstaunlich, weil sie bei allen sonst auf das „Sie“ besteht. Aber letztendlich ist das im täglichen Geschäft auch viel leichter. Ich bin auch froh, dass Björn mir das „Du“ angeboten hat.“, sagte Viola und meinte damit ihren Vorgesetzten. Mit ihrer Aussage hatte sie mir womöglich die Inquisition vom Leib gehalten, denn ich sah schon aus den Augenwinkeln, dass Sina gerade so richtig loslegen wollte, nun aber verstummte. Als Fragen getarnte Unterstellungen, dass da ja nun doch was zwischen mir und Frau Senge liefe, passten nun einfach nicht mehr, da Viola von ihrem Chef auch geduzt wurde und hier eine Affäre komplett ausgeschlossen war.

Ich wechselte das Thema zu der neuen Produktlinie, die alsbald auf den Markt gebracht werden sollte und wir unterhielten uns den Rest der Pause über Sinn und Unsinn dieses Vorgehens.

Als wir uns wieder auf den Weg in unsere Büros machten, blickte Sina mir nochmal vielsagend und schmunzelnd in die Augen. Das „Du“-Gespräch war definitiv noch nicht zu Ende. Auch ich musste lächeln. Sina hörte in Liebesdingen die Flöhe husten und hatte auch erschreckend oft Recht mit ihren Ahnungen. Und was mich anging, stimmte ihre Vorhersage. Ich hatte mich in Frau Senge verschossen und wäre am liebsten Morgen schon ganz lesbentypisch mit dem Möbelwagen bei ihr vorgefahren. Aber blöderweise gehören zu einer Beziehung immer zwei und was die zweite in meiner Konstellation dazu sagen würde, war mir absolut klar. Die Tendenz ging eindeutig zu nein, denn für irgendeine echte Form der Anziehung gab es keine Beweise. Alle Aussagen hätten auch nach wie vor die einer wirklich tollen Chefin sein können.

Ich ging wieder zu meinem Schreibtisch. Frau Senges Büro war geschlossen, sie telefonierte gerade. Ich konnte nicht anders, als sie bei ihrem Gespräch zu beobachten. Sie sah so irre attraktiv aus, wenn sie konzentriert in ihren Bildschirm blickte und auf Fragen ihres Gegenübers antwortete. Plötzlich trafen sich unsere Blicke und ich konnte nicht wie sonst üblich, einfach schnell woanders hinsehen, sondern blickte ihr weiter in die Augen. Sie sah mich ebenfalls weiter an und ich bemerkte ein zartes Lächeln in ihren Mundwinkeln, bevor sie langsam den Blick wieder auf den Bildschirm gleiten ließ. Sie musste offenbar Zahlen übermitteln, zumindest hörte es sich so an.

Diese Frau war so wunderschön, ich fragte mich, wie ich den Rest des Tages mit diesem Bild von ihr überstehen sollte. Und zeitgleich bemerkte ich, dass ich nur noch zwei Stunden bis zum Feierabend hatte. Zwei Stunden, das ist ja gar nichts! Und danach säße ich wieder alleine in meiner Wohnung und machte nichts anderes, als auf den nächsten Tag zu warten, an dem ich sie endlich wiedersehen würde. Ich hatte aber auch keine Idee, wie ich die Zeit besser hätte überbrücken können. Treffen mit anderen würde mich wahnsinnig machen. Ich muss doch so viel denken. Und spazieren oder so ging auch nicht, weil ich in der Ruhe sonst nur noch nachdachte. Das war echt anstrengend. Ich merkte, wie die Unruhe wieder in mir hochkam, blickte nochmal in ihr Büro und machte mich danach leise seufzend an die Arbeit.

Kurz vor Feierabend, es war natürlich doch später geworden und alle anderen Mitarbeiter waren bereits gegangen, packte ich meine Sachen zusammen und wollte mich gerade auf den Weg nach unten machen, als Frau Senges letzter Termin ihr Büro verließ. Ich sah sie, wie sie erschöpft aus dem Fenster blickte und durchschnaufte. Darauf ließ ich meinen Rucksack auf meinem Schreibtisch stehen und ging in ihr Büro.

„Ist alles ok mit...dir?“, fragte ich und das „dir“ fühlte sich so komisch an, als hätte ich Nadeln im Mund.

„Ja, es ist alles ok, danke, dass du fragst. Ich bin einfach nur erledigt, war viel heute.“

„Das glaube ich. Diese neue Produktlinie zieht glaube ich gerade bei allen an den Nerven.“

„Wem sagst du das. Die Neuerungen sind dermaßen schlecht und der Vertrieb soll es jetzt richten. Aber ich glaube, du kennst das hier besser als ich.“

„Das schon, aber ich musste nie meinen Hintern hinhalten, wenn es schief geht. Das ist ja bei dir nicht so.“

Ach, du meine Güte, was redete ich denn da? Sie muss ihren Hintern hinhalten, das sagt man doch nicht zu seiner Vorgesetzten. Und dabei war ich gerade so stolz, dass sich unser Gespräch so normal gestaltete, ohne Aussetzer oder peinlichem Gestammel von meiner Seite. Sie schmunzelte.

„Ist denn bei dir auch alles in Ordnung?“, fragte sie in meine Gedanken hinein, „Ich sehe dich hier jeden Tag eine Überstunde nach der anderen machen und du siehst ziemlich gestresst aus.“

Was sollte ich denn bitte jetzt darauf sagen? Mach dir keine Sorgen, ich bin nur gerade tierisch in dich verknallt und versuche möglichst oft in deiner Nähe zu sein, außerdem schlafe ich deswegen schlecht und komme nie zur Ruhe? Super!

„Es ist gerade einiges zu tun, diese Handbücher rauben mir dieses Mal echt meine Nerven.“, sagte ich, weil mir nichts Besseres einfiel.

Kurz meinte ich einen leichten Zug der Enttäuschung in ihrem Gesicht zu sehen, aber ich hatte auch Liebe gesehen, wo keine war, also konnte das durchaus eine Fehlinterpretation sein.

„Dann bist du nicht wegen mir gestresst?“, fragte sie mit einer leisen Stimme, die ich so nicht von ihr kannte.

„Wegen dir?“, entgegnete ich, mehr deswegen, weil ich nicht wusste, was ich als Antwort hätte von mir geben können. Wenigstens das Geduze ging mir aufgrund von Panikverlagerung jetzt problemfrei über die Lippen.

Sie stand von ihrem Schreibtisch auf und kam auf mich zu. Dicht vor mir blieb sie stehen und blickte mir direkt in die Augen. Ich hörte, wie mein Herz pochte und es mir schon bis in den Hals schlug.

„Ich glaube, ich habe dir die letzten Tage ein wenig zu viel aufgebürdet oder täusche ich mich?“

„Zu viel aufgebürdet würde ich jetzt nicht sagen.“, antwortete ich langsam und überlegend, „Das Problem ist vielmehr, dass ich nichtmal weiß, was du mir aufgebürdet hättest, wenn ich bei dieser Formulierung bleibe. Ich verstehe gar nichts mehr. Du bist eine tolle Chefin, aber ich habe so Schwierigkeiten, deine Sätze nur auf mich als Mitarbeiterin zu beziehen und nicht auf mich als Mara. Und dabei bin ich sehr sicher, dass du das, was du sagst, nicht persönlich meinen kannst. Das verwirrt mich.“

Sie kam noch ein Stück näher auf mich zu und ihre rechte Hand berührte ganz sanft meinen linken Handrücken.

„Das tut mir leid!“, sagte sie mit einer leisen schon fast heiseren Stimme, „Ich wollte dich nicht verwirren, aber warum meinst du, dass meine Worte nicht an dich als Frau gerichtet sein können?“

Ihr Gesicht war nun direkt vor meinem, eine Antwort konnte sie so definitiv nicht von mir erwarten. Ich tauchte komplett in ihre wunderschönen Augen ein und genoss den wunderbaren Geruch, der von ihr ausging, der dafür sorgte, dass mein Gehirn nur noch lebensnotwendige Dinge erledigte.

„Was ich gesagt habe, galt dir. Dir als Mara. Mein Verhalten ist gerade nicht sehr professionell,“ sie lächelte leicht „aber das liegt daran, dass ich ähnlich verwirrt bin wie du.“

Sie hob ihre linke Hand, ohne die andere von meiner zu nehmen und fuhr langsam mit den Fingerspitzen von meiner Augenbraue mein Gesicht herunter. Auch sie war verwirrt? Wegen mir?! Ich fühlte mich, als wäre ich in einer endlosen Loopingachterbahn. Ich bemerkte das irre Knistern zwischen uns und mein Magen fühlte sich an, als wäre er im Schleudergang gelandet. Ich war nur noch ein einziger Adrenalinklumpen. Aber diese Augen und diese wahnsinnigen Lippen. Ich konnte an nichts anderes mehr denken und musste hart schlucken.

Patrizia sah mir noch eine Spur tiefer in die Augen und blickte auf meine Lippen. Sie öffnete ihren Mund etwas und biss sich leicht mit ihren Zähnen auf die Unterlippe. Das brachte bei mir das Fass zum Überlaufen und ich küsste sie zärtlich auf die Oberlippe. Dabei öffnete ich meine leicht und saugte ein kleines Bisschen an ihrer. Sie stöhnte leise auf und küsste mich ebenfalls. Zuerst ganz langsam und zart, dann wollte ich sie ganz und fuhr mit meiner Zunge an ihrer Oberlippe entlang. Patrizia öffnete daraufhin ihre Lippen und unsere Zungen berührten sich. Ich hatte das Gefühl, als würde ich von einem Schlag getroffen. Diese Frau konnte küssen, dass man kurzzeitig erblindete oder zumindest den Verstand verlor.

Wir standen eine gefühlte Ewigkeit an ihrer Bürotür und konnten nicht aufhören zu küssen. Ich drückte sie mit der rechten Hand an mich, was ein weiteres Seufzen bei ihr auslöste und nahm ihr Gesicht in meine linke Hand. Sie drehte ihren Kopf kurz zur Seite und gab mir einen kurzen Kuss auf mein Handgelenk, bevor sie sich wieder meinen Lippen zuwandte. Ich küsste ihre Wangen und wieder die Lippen, bevor ich kurz an ihren Ohrläppchen saugte. Sie stöhnte auf, schloss die Augen wieder und legte ihren Kopf schräg, so dass ich ihren Hals und Nacken erreichen konnte. Dort küsste ich weiter und spielte mit meiner Zunge am Übergang zum Kopf. Wenn sie nicht sofort die Reißleine zieht, vernasche ich sie hier direkt in ihrem Büro, dachte ich kurz. Mir war mittlerweile alles egal, dass jemand uns sehen könnte oder ich Sex in der Öffentlichkeit eigentlich als No Go empfand. Wenn sie mich jetzt nicht stoppen würde, wäre hier nichts mehr mit Vernunft!

Doch sie machte keinerlei Anstalten, mich zu stoppen. Im Gegenteil. Ich spürte, wie sie von hinten unter meinen Pullover fasste und meinen Rücken streichelte und ich tat es ihr gleich. Leider war ihre Bluse für Sex im Büro völlig ungeeignet, da gab es definitiv Verbesserungspotenzial. Nichtsdestotrotz gelangte auch ich unter ihre Bluse und hatte das Gefühl, nun vollends zu schmelzen. Ihre Haut war so weich und warm und ich fühlte, wie durchtrainiert sie war. Meine Güte, was für eine heiße Frau!

Wir küssten uns immer wieder, mal wilder, dann wieder zärtlich. Zwischendurch lächelten wir uns kurz an, um dann weiter zu küssen und auf Tuchfühlung zu gehen.

Ich wollte gerade von ihrem Rücken Richtung Vorderseite wandern, denn ich hatte durchaus bemerkt, dass ihre Brüste sich bereits spitz unter ihrer Bluse abzeichneten, als plötzlich ihr Handy klingelte.

Sie stoppte langsam in ihren Bewegungen und sah mich an: „Da muss ich leider rangehen, tut mir leid!“

„Oh, klar. Ich bin nebenan.“, sagte ich verwirrt. Ich fühlte mich, als ob ich von totaler Helligkeit plötzlich ins Dunkle taumelte. Ziemlich orientierungslos.

Ich setzte mich auf meinen Bürostuhl und merkte dabei, dass das Erlebnis mit Patrizia in meiner unteren Etage ordentlich für Aufruhr gesorgt hatte. Zum Glück gibt es Slipeinlagen, dachte ich und schüttelte sofort den Kopf über so komische Gedanken.

Aus dem Büro hörte ich Patrizia sagen: „ Alles klar, ich bin gleich da.“ Im Normalfall hätte mir dieser Satz ein Gefühl der Enttäuschung beschert, aktuell war ich jedoch damit beschäftigt, den Drogencocktail meines Körpers zu regulieren.

„Mara, es tut mir unendlich leid, aber ich muss jetzt los“, sagte sie zu mir, „Ich schreibe dir nachher, in Ordnung?“

Sie beugte sich zu mir herunter und gab mir noch einen Kuss auf die Lippen.

„Ja, mach das.“, antwortete ich, während sie das Büro verließ.

 

Ich saß auch nach einer Stunde noch genau so auf meinem Drehstuhl wie zu dem Zeitpunkt, als Patrizia den Raum verlassen hatte. Heilige Scheiße, das kam jetzt aber doch ziemlich unerwartet. Und mit welcher Selbstverständlichkeit sie mich küsste. Das war definitiv nicht ihr erstes Mal mit einer Frau. Oder sie war ein absolutes Naturtalent. In meinem Kopf ploppten immer wieder Szenen aus dem soeben Erlebten hoch und dann dachte ich plötzlich wieder, dass das doch wohl ein Traum gewesen sein müsste. Patrizia Senge hätte mich gerade fast in ihrem Büro flachgelegt oder ich sie, so sicher war ich da gerade nicht. Was hatte das nur alles zu bedeuten? Dass sie wohl doch auch ein Interesse an mir hat, war nun sogar mir tendenziell klar. Aber warum ich? Es gab so tolle Frauen in der Firma, die alle eher zu ihr gepasst hätten. Was hatte ich außer Bauchfettüberschuss und Karrieremangel schon zu bieten? Aber was passiert war, war passiert, da gab es nun selbst für mich nichts zu diskutieren. Nachdem meine Aufregung inklusive Erregung abgeebbt war, griff ich nach meinem Rucksack und fuhr nach Hause. Ich hatte riesigen Hunger und stoppte daher beim Pizzaladen, um mir eine große Margherita mitzunehmen. Im Grunde war die Pizza viel zu groß, aber ich redete mir ein, dass ich den Rest ja auch morgen essen könnte. Wobei dann meistens doch nichts übrig blieb. Nach dem heutigen Tag brauchte ich allerdings unbedingt Nervenfutter.

Ich setzte mich mit meiner Pappschachtel auf das Sofa und klappte den Deckel auf. Herrlich, wie schön der Käse verlaufen war und die Pizza duftete. Ich wollte mir gerade ein Stück der vorgeschnittenen Köstlichkeit nehmen, da hörte ich ein Brummen meines Handys. Ich nahm es aus der Hosentasche und entdeckte eine Nachricht von einer mir unbekannten Nummer. Bei der Nachrichtenvorschau konnte ich erkennen, dass es Patrizias Nummer war, sie hatte offensichtlich von ihrem Privathandy geschrieben. Die Pizza war direkt vergessen und ich öffnete aufgeregt sofort die Nachricht. „Hallo Mara, entschuldige, dass ich dich gerade so einfach stehen gelassen habe. Das ist normalerweise nicht meine Art, aber es gab einen kleinen Zwischenfall zu Hause. Geht es dir gut? Ich fand es wunderschön mit dir. Wollen wir morgen Abend was zusammen machen? Schlaf nachher gut, ich denke an dich. Gruß P.“

Wow, ich war direkt wieder auf 1000 Volt angekommen. Mit so einer schönen Nachricht hatte ich definitiv nicht gerechnet. Es hatte ihr gefallen und sie will mich morgen Abend privat sehen. Ich raste aus! Was zieh ich denn dann an? Sie könnte ja wegen meiner auch gleich nackt-...ich dreh durch, waren die einzigen Gedanken, die durch mein vernebeltes Gehirn rauschten. Ich überlegte, was ich nun am sinnvollsten antwortete und startete geschätzte 20 Versuche, die ich alle wieder löschte. Ihre Privatnummer, ich könnte hüpfen vor Aufregung und..scheiße ja...Glück. Es fühlte sich so dermaßen rund an.

„Hallo Patrizia, mir geht es sehr gut und auch ich fand es ebenso wunderschön mit dir. Morgen Abend sehr gerne. Meine Chefin lässt mich allerdings recht lange schuften, daher kann ich erst ab 19 Uhr;-) Schlaf du auch gut, bis morgen“, schrieb ich und schickte direkt ab, damit ich nicht noch 50 weitere Versuche produzierte.

Keine 10 Sekunden später brummte das Handy erneut: „:-) ich rede mal mit ihr, so geht das nicht!“, schrieb Patrizia.

Das wurde ja immer besser, sie hatte auf meine Nachricht gewartet und direkt geantwortet. OK, nun hatte sie natürlich auch mitbekommen, dass ich seit ungefähr einer Stunde schrieb und nichts schickte, aber man konnte nicht alles haben. Und dass sie auch noch meinen Humor teilte, ich konnte es nicht glauben, was für ein unverschämtes Glück ich hatte.