Ich sah sie schon von Weitem an meinem Auto stehen. Ihren beigen Mantel hatte sie bis ganz oben zugeknöpft und ihre Haare wehten leicht nach hinten. Die Nächte waren im Moment noch ziemlich kalt, obwohl der Frühling tagsüber schon ein wenig zeigte, was er konnte. Als ich sie so dastehen sah, hatte ich das Beürfnis, sie einfach in die Arme zu nehmen und nicht wieder loszulassen. Ihre Körperhaltung löste bei mir den Reflex aus, sie zu schützen. Und das, obwohl Patrizia Senge ansonsten absolut nicht die Person war, die man schützen musste.
Sie sah mich, als ich den Parkplatz betrat und lächelte unsicher. Ich bemerkte, dass sie schluckte und auch mir war sehr mulmig zu Mute.
Ich trat an sie heran und betrachtete sie.
„Ich würde dich jetzt am liebsten in den Arm nehmen und nicht mehr loslassen, aber das Firmengelände scheint mir nicht der beste Ort dafür zu sein.“, sagte ich ehrlich. Ich fand, dass es jetzt an der Zeit war, mit offenen Karten zu spielen. Dieses ganze Gemauschel hatte dazu geführt, dass wir uns fast verloren hätten. Diesen Fehler würde ich nicht wiederholen.
Sie sah mich erleichtert an: „Ich bin so froh, dass du mich auch umarmen möchtest, damit hatte ich nicht gerechnet. Ich bin ganz schön aufgeregt.“, auch sie hatte sich offensichtlich dazu entschlossen, offen und ehrlich zu sein. Das tat mir wahnsinnig gut.
„Hast du eine Idee, wo wir hinfahren könnten?“, fragte ich.
„Ja, die habe ich, aber wenn du nicht möchtest, dann können wir auch einen neutralen Ort nehmen.“
Ich sah sie fragend an.
„Am liebsten würde ich mit dir zu mir nach Hause fahren.“, sagte sie leise.
Ich war wie vom Donner gerührt. Ich durfte mit zu ihr? Ich konnte mein Glück kaum fassen und trat dicht an sie heran.
„Ich möchte sehr gerne zu dir fahren.“, sagte ich und nahm ihr Hand, um sie zu meinem Auto zu begleiten.
Auf der Fahrt redeten wir nicht viel. Patrizia lotste mich durch die Stadt in den Außenbereich. Sie hielt dabei meine Hand und ich bemerkte, wie kalt ihre war. Offensichtlich war auch sie ziemlich aufgeregt. Das war zusätzlich daran zu erkennen, dass sie sonst wesentlich redseliger war.
Wir steuerten von der Hauptstraße nach rechts in ein kleines Wohngebiet mit Einfamilienhäusern und sie zeigte auf eines, das wie ein renovierter Kotten aussah. Verrückt, dachte ich, sie und meine Eltern hatten ganz klar den gleichen Häusergeschmack.
Als ich anhielt, blieben wir noch kurz schweigend nebeneinander sitzen und hielten uns an den Händen, während wir uns ansahen.
„Bist du aufgeregt?“, fragte sie fast flüsternd.
„Ja, ich bin sehr aufgeregt. Ich freue mich so, neben dir sein zu dürfen, aber ich habe auch ziemlich Angst, vor dem, was kommen könnte.
„Ich habe auch ordentlich Angst. Komm, wir gehen mal rein.“
Wir stiegen quasi zeitgleich aus dem Auto und gingen gemächlichen Schrittes Richtung Haustür. Patrizia ging einen Schritt vor mir, blieb dann aber stehen und streckte mir ihre Hand entgegen.
„Darf ich dich umarmen?“, fragte sie.
Statt einer Antwort ging ich einfach auf sie zu und legte meine Arme um sie. Wie gut sich das anfühlte und wie wunderbar sie roch. Ich schmolz nur so dahin, während mein ganzer Körper von elektrisierenden Nadelstichen umgeben war. Ich roch ihr Haar und konnte nicht anders, als meine Nase in ihre Halsbeuge zu stecken. Ich spürte, wie sie tief ein- und wieder ausatmete. Sie drückte sich noch fester an mich und ich konnte ihren ganzen Körper an meinem wahrnehmen. Auch ich musste tief Atmen und hätte am liebsten laut geseufzt. Es war so unbeschreiblich schön, sie im Arm zu halten. Ich hatte keine Ahnung, wie ich das die ganze Zeit ohne sie ausgehalten hatte.
„Du fühlst dich so wahnsinnig gut an.“, flüsterte sie mit ganz weicher Stimme.
Sie sah mir lange und tief in die Augen und zuerst dachte ich schon, sie wollte mich küssen, aber da zog sie mich auch schon sanft weiter zur Haustür. Ich fand es sehr gut, dass wir uns nicht geküsst hatten. Ich hätte natürlich mitgemacht, aber ich wollte lieber erst wissen, worauf ich mich einließ, denn nochmal konnte ich eine solche Zeit wie nach der Trennung nicht überstehen.
Das Haus war wunderschön und sehr modern eingerichtet. Im Flur befand sich eine kleine Garderobe, an der Patrizia meine Jacke aufhängte.
„Wollen wir ins Wohnzimmer gehen? Oder magst du lieber woanders sprechen?“, fragte sie.
„Nein das Wohnzimmer ist eine gute Idee.“
Sie führte mich vom Flur aus nach links und ich war mehr als beeindruckt. Auch das Wohnzimmer war extrem stylisch eingerichtet und trotzdem versprühte es eine unglaubliche Gemütlichkeit. Das mag auch etwas daran gelegen haben, dass es im ganzen Untergeschoss des Hauses nach ihr roch, was mich direkt einhüllte.
Im rechten Teil des Zimmers befand sich ein gemütlich aussehendes Big Sofa und diesem direkt gegenüber befand sich ein Kamin. Patrizia schaltete das Licht auf der Terrasse ein, wodurch ein toller Blick in den Garten mit der kleinen Holzterrasse möglich war. Die Lampen im Garten erhellten das Wohnzimmer indirekt, so dass im Raum selber nur noch zwei Deckenstrahler nötig waren, um eine gemütliche Atmosphäre herzustellen.
„Bitte setz dich doch. Soll ich uns den Kamin anmachen? Möchtest du Wein? Oder was zu knabbern?“, wie ein aufgescheuchtes Huhn sauste Patrizia hin und her.
„Komm mal her zu mir.“, ich griff nach ihrem Arm und zog sie an mich, „Einen Wein nehme ich gerne und dann reden wir erstmal in Ruhe, ok?“
„Ja, das ist mehr als ok. Ich hole eben die Gläser. Der Wein ist im Weinkühlschrank links um die Ecke, such du uns doch bitte einen schönen aus, ich kann gerade nicht klar denken.“, dass sie ihre Unsicherheit offen zugab, machte sie noch attraktiver für mich.
Ich suchte einen Valpolicella aus, der mir wahrscheinlich schon nach einem Glas die Schuhe ausziehen würde, daher hatte ich vor, nur daran zu nippen. Aber ich hatte den Eindruck, dass der Wein für uns beide gerade eine gute Unterstützung sein könnte. Und wenn er nur dafür gut war, dass man hin und wieder zum Glas greifen und in einer schwierigen Situation Zeit gewinnen könnte.
Wir setzten uns gemeinsam auf den langen Teil des Sofas und sie nahm direkt wieder meine Hände.
„Ich denke, da ich alles so komplett verbockt und mich wie eine Idiotin aufgeführt habe, starte ich mit meiner Erklärung, oder?“
Ich nickte nur stumm, weil ich merkte, wie sehr meine Aufregung anwuchs.
„Das wird jetzt eine ziemlich lange Geschichte, wenn dich mein Monolog nervt oder du Fragen hast, dann unterbrich mich bitte.“
Ich nickte wieder, noch eine Spur mehr in Panik, was sie daran bemerkt haben dürfte, wie fest ich ihre Hand mittlerweile hielt. Als würde es helfen, wenn sie mich festhielte, wenn mein Herz wieder brechen sollte. Aber daran mochte und konnte ich gerade nicht denken.
„Vor einiger Zeit hatte ich in Karlsruhe eine Beziehung mit einer Frau, Andrea, in die ich sehr verliebt war. Wir hatten schon Zukunftspläne und ich freute mich auf ein gemeinsames Leben. Davor war ich nur mit Männern zusammen, aber eher deswegen, weil ich und mein Umfeld das von mir erwarteten und nicht, weil ich in einen dieser Männer verliebt gewesen wäre. Bei Andrea hatte ich zum ersten Mal das Gefühl, ganz zu sein und so geliebt zu werden und selber lieben zu können, wie ich es mir vorher niemals vorgestellt hatte. Ich dachte immer, dieser ganze Romantikscheiß hat sich doch Hollywood ausgedacht, um Filme zu verkaufen, aber, dass es das nicht in Wirklichkeit geben würde.“, sie räusperte sich.
So ganz wohl fühlte ich mich gerade nicht. Ich wollte nicht hören, dass sie eine andere geliebt hat, aber leider gehörte das mit dazu.
„Lange Rede, kurzer Sinn: Andrea hat mich Knall auf Fall wegen einer Arbeitskollegin abserviert, als könnte sie sich an keine schönen Momente mehr mit mir erinnern. Ich war am Boden zerstört und als ich tatsächlich darüber nachgedacht habe, mein Leben zu beenden, habe ich Frederik getroffen.“
Mein Magen zog sich schlagartig zusammen, als hätte ich einen Schlag hineinbekommen. Ich wusste natürlich, dass er Thema werden würde, aber nun ging es mir damit gar nicht gut. Ich merkte, wie ich meinen Unterkiefer an den oberen presste und meine Wangenknochen hervortraten, Patrizia merkte dieses und nahm nun auch meine andere Hand in ihre.
„Ich war zu diesem Zeitpunkt der absoluten Überzeugung, dass ich niemals wieder eine Person treffen würde, mit der ich das, was ich bei Andrea empfunden hatte, erneut erleben würde. Mir war 1000%ig klar, dass es die eine Person für mich nicht geben wird und ich nehmen sollte, was ich bekomme. Frederik hat mich in dieser schweren Zeit sehr unterstützt. Er wusste von meinem Kummer und hat mich oft abgelenkt, wenn ich total am Boden zerstört war. Im Grunde wurden wir beide sehr gute Freunde, verliebt war ich nie in ihn und er wohl auch nicht in mich. Aber wir mochten uns gerne. Irgendwann kam in meiner Familie, die sehr konservativ ist, musst du wissen, die Frage auf, wann wir denn heiraten wollten, so lange, wie wir schon zusammen waren. Frederik gefiel die Idee sehr gut, denn er brauchte eine vorzeigbare Partnerin, die er auf all seine Termine und Empfänge mitnehmen konnte und er meinte, dass mir diese Hochzeit ja auch Vorteile bringen würde, da er gute Kontakte hatte, die er gerne für mich nutzen würde. Als Frederik hier den zweiten Standort seiner Marketingagentur eröffnen wollte, fragte er, ob ich nicht mitkommen wollte. Zu diesem Zeitpunkt lebten wir noch in getrennten Wohnungen und ich war froh, aus der Wohnung, in der mich alles immerzu an Andrea erinnerte, ausziehen zu können. Er machte mir vor meinen Eltern einen Heiratsantrag, den ich annahm, da ich ja eh nichts Besseres mehr erwartete. Dann lieber ein Leben mit einem Freund als Ehemann, als gar nichts.“
Nun musste ich doch einen großen Schluck Wein trinken. Ich bemerkte den vollmundigen Geschmack und wäre ich in einer anderen Situation, hätte ich direkt noch einen Schluck genommen.
„Wir sind dann also hierhin gezogen und meine Eltern haben mir dieses Haus gekauft. Meine Familie ist sehr wohlhabend und meine Eltern wollten, dass ich ein schönes Zuhause mit meinem Mann haben würde. Ich bekam die Stelle bei uns und dachte, so bleibt mein Leben nun für die nächsten Jahre. Innerlich habe ich immer wieder gemerkt, dass es komplett falsch ist, was ich da mache. Mein Körper hat immer wieder rebelliert. Allergien, Kreislaufprobleme und alles Mögliche. Aber ich habe streng an dem festgehalten, für das ich mich entschieden hatte. Dann hatte ich den ersten Tag in der neuen Firma und du hast in der Vorstellungsrunde genau in meinem Blickfeld gesessen. Ich dachte erst nur, was für eine interessante Frau du bist. Aber als wir den ersten richtigen Blickkontakt miteinander hatten, spürte ich, wie sehr mein Herz pochte. Du hast so tolle Augen, ich habe immer, wenn ich hineinblicke das Gefühl, als könntest du alles in mir sehen und lesen, das hat mich sehr verunsichert.“
„Leider kann ich es nicht, sonst wäre uns einiges erspart geblieben.“, sagte ich und lächelte schief.
„Als es darum ging, dass deine Stelle reduziert und damit schlussendlich abgebaut werden sollte, habe ich alles unternommen, was möglich war, um dich im Unternehmen zu halten. Auch, wenn es nach altruistischem Verhalten aussah, ich habe rein egoistisch gehandelt, weil ich mir nicht vorstellen konnte, je wieder ohne dich zu arbeiten. Ich habe mich samstags schon darauf gefreut, dich am Montag wieder fröhlich an deinem Schreibtisch sitzen zu sehen. Als ich dann Gerüchte hörte, du würdest auf Frauen stehen, bin ich fast ohnmächtig geworden. Aber ich habe mich trotzdem nicht getraut, mich dir zu nähern. Einerseits wollte ich nicht riskieren, eine Abfuhr zu erhalten und andererseits war da ja auch noch Frederik. Erst, als ich dir das mit deiner Stelle in meinem Büro gesagt habe und du sagtest, du hattest schon Angst, dass ich dir einen Heiratsantrag machen wollte und du mir die süße Gute Besserung Nachricht geschickt hast, ist bei mir ein Knoten geplatzt. Ich bin normalerweise nicht die, die den ersten Schritt macht, von daher hatte ich darin keine Übung und ich brauchte noch einiges an Zeit, um dir zu zeigen, was ich für dich empfinde. Als du mich dann um das Gespräch gebeten hast, hatte ich wahnsinnige Angst, du wolltest kündigen. Das hätte mir total den Boden unter den Füßen weggezogen. Daher war ich im Gespräch auch so distanziert. Ich hätte dich am liebsten umarmt und geküsst, aber das konnte ich doch nicht machen, du hattest mir ja nicht mal signalisiert, dass du das auch wolltest. Als du aber deine Sachen gepackt und dabei ein wenig zerknirscht ausgesehen hast, habe ich meinen Mut zusammengenommen und dir gesagt, dass ich dich mag.“
Ich lachte nun über das ganze Gesicht: „Und ich habe meinem armen Bruder die ganze Zeit die Ohren voll geheult, dass ich dich nicht verstehe, aber doch so toll finde.“
Sie lachte auch und ihre Augen glänzten. Sie streichelte mit ihrer rechten Hand mein Gesicht und nahm mich in den Arm. Ich schloss die Augen und genoss die kurze Pause. Sie löste sich wieder.
„Danach war dann immer so viel zu tun, aber als du abends noch in meinem Büro warst, war mir alles egal. Wenn du mich nicht wolltest, dann war das so, aber ich musste dar Risiko eingehen. Da habe ich dich geküsst und wenn ich an diesen Moment denke, und das tue ich wirklich oft, kann ich mich an jedes Gefühl erinnern, wie deine Lippen sich auf meinen bewegten. Ich habe davor noch nie eine solche Wucht beim Küssen verspürt, ich dachte, ich fliege weg.“
Verlegen fuhr ich mir durch das Haar, aber sie lächelte und nahm meine Hand wieder in ihre.
„Wären wir nicht im Büro gewesen, hätte ich dich direkt flachgelegt, ich war so gierig auf dich und deinen Körper, dass ich mich kaum kontrollieren konnte und wenn meine Mutter nicht in diesem Augenblick angerufen hätte, wäre alles Mögliche passiert. So kannte ich mich gar nicht. Sex fand ich bis dahin ok, aber ich verstand nicht wirklich, warum alle so einen Drama darum veranstalteten. Bei dir hatte ich nun genau das Empfinden, dass ich nie wieder damit aufhören könnte, dich zu berühren, zu küssen und mit dir zu schlafen. Und das wurde nach unserem ersten Sex auch nicht besser, ganz im Gegenteil. Ich habe gemerkt, dass es so nicht weitergeht mit mir und Frederik und sprach mit ihm. Ich erzählte ihm, dass ich mich in dich verliebt habe und ihn nicht heiraten werde. Er war zwar etwas enttäuscht, weil er sich das Ganze schon so schön ausgemalt hatte, aber da auch er nicht in mich verliebt war, hielt sich sein Kummer in Grenzen. Er berechnete wohl eher den finanziellen Schaden als den emotionalen. Allerdings haben wir beide die Absprache getroffen, dass wir noch eine Weile die Verlobten bleiben würden, da einige Empfänge und Termine anstanden, auf die ich ihn begleiten sollte. Das waren die Tage, an denen ich keine Zeit für dich hatte, was mir heute noch extrem leid tut. Für einige Kunden war es sehr wichtig, dass die Agenturchefs, mit denen sie zusammenarbeiteten in geordneten Verhältnissen lebten und ich habe Frederik versprochen, dass ich noch so lange mitspiele, bis er den Großauftrag einer ziemlich großen Maschinenfabrik bekommen hat. Die Agentur lief noch nicht so richtig und er brauchte den Auftrag dringend. Ich bin also an diesem Abend, an dem ich nur kurz zu dir kommen konnte und wo wir uns leider gestritten haben, danach mit zu diesem Termin gefahren und habe Herrn Römer kennengelernt, den Geschäftsführer dieser Fabrik, dessen Auftrag Frederik brauchte. Wir hatten abgesprochen, dass die Heirat nur dann Thema wird, wenn es nicht anders geht. Dieser Fall ist eingetreten, als Frederik in Berlin war. Als ich ihn im Restaurant gesehen habe, hatte ich schon die böse Vorahnung, dass das nicht gut ausgehen würde. Und dann ist alles explodiert.“
Sie trank einen Schluck aus ihrem Glas und sah ziemlich erschöpft aus. In mir setzte sich jetzt nach und nach das Puzzle zusammen und ich verstand, warum sie sich so verhalten hatte. Trotzdem brannte mir eine Frage unter den Nägeln.
„Ich verstehe jetzt alles so viel besser, aber warum hast du mir nichts davon erzählt? Dann hätte ich Bescheid gewusst und nichts von dem ganzen Drama wäre passiert!“
„Das hatte mehrere Gründe. Zuerst wusste ich ja nicht, ob das mit dir etwas werden würde und dachte, bevor ich mit Frederik spreche und unsere Absprache beendete, sollte ich da mehr Klarheit haben. Ich war mir anfangs so unsicher, ob du mich willst oder nur Sex. Du hast mir zwar keinen Grund gegeben, an dir auch nur am Rande zu zweifeln, aber an Andrea hatte ich mich so verbrannt, dass ich dir nicht sofort vertrauen konnte. Ich brauchte also am Anfang wirklich Denkzeit. Dann fand ich es komisch, dir zu sagen, dass ich irgendwie noch einen Mann im Leben habe, mit dem aber nichts lief, sondern wir einfach nur so heirateten. Ich hatte eine irre Angst, dass du denkst, ich wollte dich verarschen und nur mit bescheuerten Lügen ins Bett kriegen und du mich wieder verlassen würdest. Und Punkt Nummer Drei war, dass Frederik und ich Stillschweigen über unser Arrangement vereinbart hatten, damit nichts an unsere Eltern, die Kunden oder sonst wem durchsickert. Ich wusste nicht, wen du kennst und ob es da gegebenenfalls Überschneidungen gegeben hätte.“
„Ich verstehe. Ja, wahrscheinlich hätte ich dir nicht geglaubt, dass da mit Frederik nichts ist, weil ich natürlich auch gedacht hätte, dass man definitiv nicht heiratet, wenn man sich nicht liebt. Wo warst du Weihnachten und Silvester?“
„Ich war hier. Alleine. Frederik ist kurz nach diesem furchtbaren Abend ausgezogen, weil ich ihm die Hölle heiß gemacht habe. Nur wegen seines blöden Auftrags hatte ich dich verloren. Ich hätte so gerne mit dir über alles gesprochen, habe sogar überlegt, zu deinen Eltern zu fahren, weil ich ja wusste, dass du über Weihnachten da sein würdest. Aber ich dachte, das nutzt alles nichts, es würde nichts ändern.“
„Nein, das hätte es wohl auch nicht. Ich war so dermaßen verletzt, ich hätte dir nichts geglaubt.“
„Glaubst du mir jetzt?“, sie klang etwas unsicher.
„Ja, ich glaube dir. Die Geschichte ist so bescheuert und unrealistisch, die muss wahr sein!“, ich lachte und sie stimmte mit ein.
„Als ich an Weihnachten emotional ganz unten war, kam plötzlich deine Nachricht und ich dachte, du könntest Gedanken lesen. Ich hätte so gern mit dir telefoniert an jenem Abend. Der Schmerz, den ich über unsere Trennung empfinde, ist der furchtbarste, den ich jemals gefühlt habe. Das Schlimmste ist aber, dass ich sie selber verursacht habe und mir lange nicht zugestanden habe, dass ich auch traurig sein darf. Ich habe alles wochenlang in mich hineingefressen und dann kam die Trauer wie eine Wand. Im Büro wurde ich nun täglich gefragt, ob ich krank sei. Im Grunde war ich das.“
Ihre Schilderungen führten dazu, dass ich ziemlich geschockt war, meine Hand vor den Mund hielt und mit dem Kopf schüttelte.
„Patrizia, das tut mir so unendlich leid, dass es dir so schlecht ging! Ich hätte für dich da sein oder dir zumindest zuhören sollen. Dafür schäme ich mich. Aber du hast mir bei lebendigem Leib das Herz herausgerissen, zumindest dachte ich das. Ich konnte nicht.“
„Süße, ich mache dir überhaupt keine Vorwürfe, ich bin dafür komplett alleine verantwortlich. Für das ganze Desaster und auch dafür, dass es dir so schlecht ging. Viola hat mich zwischendurch mit Infos über dich versorgt, ich musste wissen, ob es dir gut ging.“
„Viola? Das ist ja ein Ding, davon hat sie mir nichts erzählt!“
„Ich hatte sie um Verschwiegenheit gebeten. Sie war es auch, die mir berichtet hat, dass du niemandem erzählt hast, was ich getan habe und in Kauf genommen hast, dass die Leute über dich reden und nicht über mich. Ich habe den ganzen Abend geheult, als ich davon erfahren habe. Ich habe dich so verletzt und trotzdem hältst du den Kopf für mich hin und schützt mich!“, ihre Augen füllten sich ganz leicht mit Tränen.
Ich hatte genug gehört und wollte sie jetzt einfach nur noch in den Arm nehmen. Ich streichelte ihr ganz sanft mit dem Daumen die nun herunterlaufende Träne weg und hielt ihren Kopf in meinen Händen. Was für eine wunderbare und wunderschöne Frau sie war. Ich betrachtete ihr Gesicht genauer. Ihre Wangenknochen, die weiche Haut und die sinnlichen Lippen. In mir tobten die Gefühle und ich merkte, dass ich diese Frau liebte und sie nicht mehr gehen lassen wollte. Langsam näherte ich mich ihren Lippen mit meinen und ich berührte sie so sanft, wie ich konnte. Sie atmete tief ein und küsste mich danach mit der gleichen Sanftheit. Ich griff mit meiner Hand langsam an ihren Hinterkopf und küsste sie nun intensiver. Ich bemerkte, dass sie schneller atmete und ihre Lippen leicht öffnete, so dass ich mit meiner Zunge kurz an ihre strich. In mir tobte ein Hurrikan. Wir küssten uns eine lange Weile, mal intensiver, dann wieder langsamer und zärtlich.
Es fühlte sich so wunderbar und richtig an. Sie war die Eine, das wurde mir immer deutlicher.
Plötzlich wich sie von mir zurück und sah mich ernst an: „Ich habe auch noch eine Frage an dich: Wen hast du geküsst und war da mehr als das?“
Ich erzählte ihr, was sich zugetragen hatte und sie hörte aufmerksam zu. Ihr gefiel nicht, was sie hörte, das konnte ich an ihren zusammengezogenen Augenbrauen gut erkennen.
„Mittendrin habe ich dann aber plötzlich dein Bild vor meinem inneren Auge gesehen und konnte nicht weitermachen. Ich dachte, dann muss ich eben warten, bis du dich wieder scheiden lässt, wenn du mir immer noch so nahe bist.“, ich lachte traurig.
„Aber mir wurde an dem Tag klar, dass ich dich liebe und nicht mehr ohne dich sein möchte, auch, wenn das bedeutet, dass du jemanden anderes heiratest.“
Nun rollten dicke Tränen ihr Gesicht herunter und auch ich hatte Schwierigkeiten, meine zurückzuhalten.
Wir nahmen uns wieder in die Arme und Patrizia gab mir einen kurzen Kuss.
„Mara, ich liebe dich auch, vom ersten Tag an wusste ich, dass du es bist!“
Diese Worte erlösten mich von all meinen Zweifeln und Unsicherheiten, wir gehörten zusammen, das war uns beiden sehr klar.
Ich atmete tief durch und küsste sie wieder. „Ich denke, wir haben jetzt genug geredet, oder gibt es noch etwas, das du ansprechen möchtest?“, fragte ich mit erregter Stimme, während ich schon dabei war, vor ihr auf den Boden vor dem Sofa zu rutschen, mich zwischen ihren Beinen einzuparken und ganz langsam ihre Bluse aufzuknöpfen. Ihre Antwort viel äußerst knapp aus: „Nein! Hab nix mehr zu reden!“, der hintere Teil des Satzes war allerdings nicht mehr ganz einwandfrei zu verstehen, weil ich bereits ihren BH hochgeschoben und mich an ihren wunderbaren Brüsten zu schaffen gemacht hatte.
Wir schliefen in dieser Nacht nur kurz, so viel war bei uns nachzuholen. Ein kleiner Versuch, die ganze vergeudete Zeit wieder gutzumachen. Doch obwohl wir beide hochgradig erregt voneinander waren und es uns eigentlich nicht schnell genug ging, war diese Nacht anders, als alle anderen davor: Wir hatten nicht einfach nur Sex miteinander: Wir hatten Liebe gemacht!