Dreizehn

Das Lazarett der QUEEN MARY war klein und sehr spartanisch eingerichtet, schwere Fälle ließen sich hier nicht behandeln.

Curwens Verletzung war aber auch nicht schwer. Bloß eine Platzwunde an der Lippe, der Kiefer war geprellt sowie ein Zahn abhandengekommen. Doch den konnte man leicht ersetzen. Alles im allen nichts Ernstes.

Curwen saß auf dem einzigen Krankenbett, Thenga stand vor ihm und bediente einen medizinischen Laser. Das Licht des Laserstrahls stimulierte die Zellen zur vermehrten Teilung und schloss so die Wunde schneller. Die Behandlung der Wunde an der Lippe war so gut wie abgeschlossen, der Rest würde jedoch etwas länger dauern, der blaue Fleck wird noch für einige Zeit sichtbar sein. Eine Schwellung am Kinn war doch etwas heikler als eine kleine Platzwunde an der Lippe, dagegen kam dieser schwache medizinische Laser nicht an.

Thenga hatte seinem Freund einen Eisbeutel gegeben, der die Schwellung etwas lindern sollte. Nun durchleuchtete er mit einem Röntgenlaser das Kinn, um sicher zu gehen, dass Scudmores Schlag nicht noch mehr Schaden angerichtet hatte. Während er dies tat, richtete er eine Frage an Curwen: »Ich würde gerne wissen, weshalb du Withman alias Scudmore nicht über den Weg traust, während du Brooks offenbar nicht mit Misstrauen begegnest. Woher willst du wissen, ob Scudmore mit seiner Vermutung nicht richtig liegt?«

Curwen legte den Eisbeutel zur Seite, antwortete ihm: »Du hast natürlich recht, und die Fakten sprechen gegen Brooks. Wie Scudmore gesagt hat, außer ihr gibt es keine Verdächtigen. Trotzdem glaube ich, dass sie es nicht gewesen ist, es gibt kein plausibles Motiv.«

»Du kannst dir bei der Sache aber nicht sicher sein. Was wäre, wenn sie der Maulwurf ist, von dem Chaykin gesprochen hat. Unwahrscheinlich ist das nicht.«

»Stimmt! Aber mein Gefühl sagt mir, dass man ihr trauen kann, Scudmore hingegen nicht.«

»Wenn wir schon bei Gefühlen sind. Kann es sein, dass du für diese Frau etwas übrig hast?«

»Über dieses Thema wird nicht gesprochen!«, reagierte Curwen barsch.

»In Ordnung«, antwortete Thenga und beließ es dabei. Er machte mit seiner Untersuchung weiter, begann mit einem weiteren Scan, um ganz sicher zu sein, dass es bei dem Kinn keine Fraktur gab. Angesichts der Wucht des Schlages war dies nicht auszuschließen. Dabei führte er einen ausführlichen inneren Monolog: Was die Sache mit dieser Information angeht, da hat Zeb. J. recht – es ist völlig unklar, wer sie auf diesem Computer deponiert hat. Alles spricht für Brooks, aber sie hat kein Motiv. Und falls sie, so wie sie behauptet, bis vor Kurzem nichts von Scudmores wahrer Identität wusste, kann sie es erst recht nicht gewesen sein. Die Frage ist, wer hat es dann getan? Wir tappen in diesem Fall im Dunkeln, und es ist wichtig, Licht in dieses Dunkel zu bringen. Womöglich war es der blinde Passagier – falls es ihn gibt.

Es war von größter Wichtigkeit diese Frage zu klären, bedeutender als die Antwort auf die Frage, wer Scudmore verpetzt hatte. Ein möglicher kehhl’daaranischer Spion war für sie alle eine Gefahr. Er könnte sie verraten oder aus dem Hinterhalt ermorden. Es wäre auch möglich, dass er das Schiff sabotiert.

Thenga hatte in diesem Augenblick das dumme Gefühl, dass sich die Mission zu einem Desaster entwickelt bevor sie überhaupt richtig begonnen hat. Sie befanden sich auf einem Schiff, das einem Mann gehörte, der nicht der war, als der er sich ausgab, und es war hier etwas Rätselhaftes passiert, das unter Umständen gefährlich war. Keine gute Ausgangslage. Dass sich Curwens Argwohn gegen diese Leute als berechtigt herausgestellt hatte, gefiel Thenga gar nicht. Es wäre ihm lieber, Curwens Argwohn gegenüber Scudmore wäre wirklich nichts weiter als ein Anflug von Paranoia.

Das interne Kommunikationssystem des Schiffes erwachte zum Leben. Die kleine Kommunikationseinheit an der medizinischen Computerkonsole gab ein leises klagendes Piepsen von sich.

Curwen legte das MDD, das auf seinem Schoß lag – mit ihm hatte er aufgeschrieben, was im Cockpit vorgefallen war, als er sich außerstande sah, mit Thenga zu reden – weg, sprang vom Bett und ging zu ihr hinüber, öffnete den Audiokanal. Einen anderen gab es hier nicht, dieses Schiff verfügte nicht über visuelle Kommunikationssysteme.

»Wir haben soeben eine Nachricht erhalten«, meldete sich Scudmore. »Interessanterweise scheint sie von einem kehhl’daaranischen Schiff zu stammen.«

Curwen und Thenga tauschten erstaunte Blicke aus. Welcher Kehhl’daaraner schickte ihnen Nachrichten, und weshalb? Noch ein Rätsel, über das sie nachdenken konnten.

»Ich stelle die Nachricht zu Ihnen durch. Vielleicht können Sie sie entschlüsseln. Ich kann leider nichts damit anfangen.«

»In Ordnung! Ich werde tun, was ich kann«, erwiderte Curwen. Sekunden später erschienen auf dem Computermonitor lauter wirre Symbole, kehhl’daaranische Schriftzeichen, die falsch angeordnet waren. Sie mussten erst wieder an den richtigen Platz gebracht werden, bevor man sie lesen konnte: »Okay, machen wir uns an die Arbeit«, sprach Curwen zu sich selbst. Er wandte seinen Blick von dem Monitor ab, sah stattdessen zu Thenga: »Ich schätze, da kann ich deine Hilfe gebrauchen.«

Thenga nickte und gesellte sich zu Curwen. Gemeinsam begannen sie, die Botschaft zu entschlüsseln.