Samakus war nicht sein richtiger Name. Er gehörte auch nicht dem Volk der Pykejon an. All das war lediglich Tarnung. Er hatte sich als pykejonischer Altertumsforscher ausgegeben, um an das Amulett zu gelangen, jenes mysteriöse Artefakt, das sich bis vor Kurzem noch im Besitz des zwielichtigen Cadan Sweeney befand.
Dass es Sweeney in die Hände fiel, war ein großer Irrtum, nie hätte er es sein Eigen nennen dürfen, das Amulett war allein für den Auserwählten bestimmt. Unglückliche Umstände – oder war der alte Feind dafür verantwortlich? – sorgten dafür, dass es in die gierigen Pranken des ruchlosen Cadan Sweeney gelangen konnte.
Sweeney durfte das Amulett nicht länger besitzen, bestand doch die Gefahr, dass er dessen Bedeutung erfasste. Dies sollte unter keinen Umständen geschehen. Cadan Sweeney war ein gefährlicher, machtbesessener Mann, der die Kraft des Amuletts für seine finsteren Pläne missbrauchen würde.
Zwar wäre Sweeney nicht in der Lage, den Weg zum Geschenk zu finden, dazu hätte er nicht nur das Amulett benötigt, sondern auch das Blut des Auserwählten und dessen Gefährtin sowie das seiner Nemesis und die dritte Komponente, – das Gefäß! Doch die Macht des Amulettes alleine reichte aus, um großen Schaden anzurichten.
Die Gefahr, die von Sweeney ausging, war nun keine mehr, jetzt wo sich das Amulett in Samakus‘ Händen befand. Er hatte es sich vor zwei Nächten geschnappt und anschließend aus dem Staub gemacht.
Natürlich wird Sweeney außer sich sein vor Zorn, alles in seiner Macht stehende unternehmen, um das Amulett wieder zurückzubekommen. Und den Mann, der es gestohlen hat. Dies sollte ihm jedoch nicht gelingen, dafür sorgte Samakus.
Zurzeit weilte der Pykejon, der keiner war, auf Kohh-Dahl III. Er suchte nach einer Passage nach Tschangan. Er hoffte innigst, dort jene Person zu treffen, die dazu bestimmt war, das Amulett zu besitzen – der Auserwählte! – der das gütige Geschenk seines Volkes in Empfang nehmen soll.
Einst, vor langer Zeit, in einem anderen Leben, war diese Person ein Angehörige von Samakus‘ Volk. Ein angesehener Diener des großen Imperators, der Fürst des Kunstplaneten Nibiru. Als Mensch wurde er wiedergeboren. In den tiefsten Winkel seiner Gene schlummerte das Wissen aus jener früheren Existenz. Diese Kenntnisse werden ihm den Weg zum Geschenk weisen – sowie das Amulett, das einst seins war.
Bislang waren Samakus‘ Versuche, einen Piloten zu finden, der ihn nach Tschangan bringt, ohne Erfolg geblieben. Keiner der Halunken, mit denen er gesprochen hatte, war bereit, ihn nach Tschangan zu bringen. Alle waren der Meinung, dass es viel zu gefährlich war, keine noch so große Summe dieses Risiko wert.
Samakus hatte die Absicht innerhalb der nächsten sechsundneunzig Stunden Tschangan zu erreichen, denn sein die Grenzen von Raum und Zeit überwindender Geist sagte ihm, dass er nur während dieses Zeitfensters die Gelegenheit besaß, dem Auserwählten das Amulett zu überreichen. Verpasste er die Frist, wäre er gezwungen, Wochen oder gar Monate zu warten, bis er eine neue Gelegenheit bekam. Zudem bestand die Gefahr, dass der vorbestimmte Ablauf der Ereignisse aus den Fugen gerät, wenn er seine Aufgabe nicht in jener Zeitspanne erledigt.
Darin lag jedoch das Problem. So schnell konnte er nur auf illegalen Weg nach Tschangan gelangen. Auf offiziellen Weg würde es mindestens drei Wochen dauern. So lange konnte es sich hinziehen, bis die Kehhl’daaraner das Genehmigungsverfahren beendet hatten, das jedes zivile Raumschiff von der Union über sich ergehen lassen musste, wollte es durch den kehhl’daaranischen Raum fliegen.
An sich wäre es den Kehhl’daaranern lieber, überhaupt keine Schiffe von Welten, die der Interstellaren Union angehörten, in ihr Territorium zu lassen, schließlich befand man sich mit der Union im Krieg. Jedoch zwang die schlechte Versorgungslage das Empire dazu, Geschäfte mit zwielichtigen Schmugglern – die für jeden arbeiteten, der gut bezahlte – und der Terranischen Handelsgilde, für die dasselbe galt, zu tätigen.
Samakus warf einen abschätzigen Blick auf den zwielichtigen D-Goriaaner, der ihm gegenübersaß.
Wie die meisten Bewohner jener Welt mit hoher Schwerkraft war er klein und muskulös, hatte dunkelgelbe Haut sowie die für seine Art typischen, seltsamen, gänzlich blauen Augen. Das Haar war knallgelb, ein Hinweis darauf, dass dieser Mann der ethnischen Gruppe der D-Goriaa Mo-kos angehörte, die den fruchtbaren Kontinent Mo-kos Tal-li-nenk im Bereich des Äquators von D-Goriaa bewohnte.
Dieser gelbhäutige D-Goriaaner war bereits der sechste Schmuggler, mit dem Samakus sprach. Er hoffte von ganzem Herzen, dass dieses Gespräch besser verlief als die vorangegangenen.
»Na Mister! Wo soll es hingehen?«, fragte dieser übel riechende Lump. Offenbar hatte er schon seit Längerem kein Bad mehr genossen.
Samakus ignorierte den abstoßenden Geruch und das gleichartige Benehmen des D-Goriaaners, erwiderte ruhig: »Nach Tschangan.«
»Tschangan! Das wird schwierig. Die Kehhl’daaraner haben strenge Auflagen für Raumschiffe aus der Union, die in ihren Raum fliegen. Es wird mindestens zwei Wochen dauern, um die Genehmigung zu bekommen.«
Solche Worte hatte Samakus heute schon zu Genüge vernommen. Er konnte sie nicht mehr hören. Im ärgerlichen Ton antwortete er: »Ich will ohne diese verdammte Genehmigung da hin!«
Der D-Goriaaner bedachte Samakus mit einem derart verständnislosen Blick, als säße ihm ein Irrer gegenüber. Seine Stimme war schrill, als er antwortete: »Sind Sie vom Wahnsinn befallen? Wenn die Kehhl’daaraner uns schnappen, sind wir des Todes!«
»Können Sie mich dort hinbringen?«, fragte Samakus ungerührt.
Der D-Goriaaner fuhr mit den Fingern nervös durch sein fettiges Haar. »Was würden Sie dafür bezahlen?«, fragte er unsicher.
»Eine Million!«
Dem D-Goriaaner fiel die Kinnlade herunter, ein Japsen der Überraschung entwich seinem Mund. Eine Million Terrano! Der Kerl war tatsächlich irre.
Der D-Goriaaner hatte einen mittleren Schock erlitten, wusste nicht, wie er auf das Angebot reagieren sollte. Eine Million Terrano!! Das könnte das Geschäft seines Lebens sein – oder das Letzte, falls er das Pech hatte, den Kehhl’daaranern in die Hände zu fallen. Für den Moment saß er einfach nur da und gaffte den vermeintlichen Pykejon entgeistert an.
»Was ist? Interessiert?«, harkte Samakus nach.
Diese Worte entließen den D-Goriaaner aus seiner Starre. »Ich … ich muss mir das durch den Kopf gehen lassen«, stammelte der gelbhäutige Alien beklommen.
Samakus war sich sicher, dass er diese Worte als nein werten konnte. Er hatte genug von den vielen Absagen. Er musste nach Tschangan, koste es, was es wolle.
Sein Herr hatte ihm befohlen, sich stets wie ein sterbliches Wesen zu verhalten, nie seine außergewöhnlichen Fähigkeiten zu nutzen. Keiner der Sterblichen soll wissen, dass jene Wesen unter ihnen weilten, die in ihren Mythen seit jeher als Götter glorifiziert wurden.
Samakus sah jedoch keine andere Wahl, als sich über diese Anordnung hinwegzusetzen, wollte er nicht auf Kohh-Dahl III festsitzen. Er streckte seine mentalen Fühler nach dem Gehirn des D-Goriaaners aus.
Plötzlich lächelte der D-Goriaaner. »Wann wollen Sie aufbrechen?«
So ist es schon besser, dachte Samakus zufrieden.