Kapitel

Lucy

ALL TOO WELL

wenn dein Herz bricht und bricht und bricht

Damals

Als er mir am ersten Tag nach unserer Abfahrt nicht schrieb, redete ich mir ein, dass etwas dazwischengekommen war. Es kostete viel Mühe und Selbstüberzeugung – doch es gelang mir hin und wieder für ein paar Minuten. Am zweiten Tag wurde es schwieriger. Am dritten gab ich auf und war mir sicher, dass etwas nicht stimmte. Am vierten saß ich den ganzen Abend vor meinem Handy, weil ich dachte, seine Nachricht sonst zu verpassen. Am fünften weinte ich zum ersten Mal seinetwegen in der Dusche, aber es war eine miserable Ortswahl. Jeder Wassertropfen erinnerte mich an ihn. Am sechsten drehte ich das Red- Album von Taylor Swift auf und begann, wütend zu werden. Dabei war ich im Grunde traurig, nicht sauer. Und so hielt die Wut nicht, weil meine Liebe mich festhielt. Am siebten begann ich mit den wilden Verschwörungstheorien und war mir sicher, er wäre gestorben. Alles andere machte keinen Sinn. Wieso meldete er sich nicht? Er war in mich verliebt gewesen. Das hatte ich gespürt.

Damals wusste ich noch nicht, dass ein Bauchgefühl kein Beweis war. Damals war ich ein achtzehnjähriges Mädchen, das mit einem geflickten Herzen nach Berlin gefahren war, sich verliebt hatte und dann wortlos abserviert worden war.

Denn Gregor ghostete mich. Insgeheim wusste ich das. Natürlich. Aber ich wollte es nicht wissen. Wollte mich an meine Erinnerungen und die vermeintliche Wahrheit klammern, in der Gregor mir jede Sekunde jedes Tages schreiben konnte.

Ich konnte nicht sagen, wann genau sich die Hoffnung verfärbte, schwarz und bitter wurde. Ich wusste nur, dass es nie wirklich aufhörte. Das Hoffen. Das Lieben. Das Hassen. Das Weinen. Das Aufdrehen von All Too Well . Das Schluchzen und Beten, dass niemand mein Zimmer beträte. Der Phantomschmerz links in meiner Brust, wo jetzt nichts mehr war.

Gregor hatte mir das Herz nicht gebrochen.

Mit seinem Schweigen hatte er es lautlos zerbombt.