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Eine Besichtigungstour
10. Juli
Erneut saßen Carl und Jimmy im SUV vor dem Lagerhauskomplex und warteten ab, bis das Personal Feierabend machte.
Tatsächlich gingen bald die Lichter aus, und auch das Neonschild mit der Aufschrift »offen« wurde dunkel. Carl hielt vor dem Eingang und gab den Code ein, den der Fahrer des Toyotas verwendet hatte. Die Leute müssen echt vorsichtiger sein, wenn sie im Beisein anderer PINs und solche Sachen eintippen. Carl lachte leise in sich hinein. Nein, besser nicht. Die Fahrlässigkeit der anderen erleichterte ihm das Leben ungemein.
Als Carl auf die Tür des Lagerhauses zuging, stieg auch Jimmy aus dem Wagen. Sie wurden natürlich von Überwachungskameras aufgenommen, aber wenn nichts Auffälliges geschah, würde sich niemand die Bänder ansehen.
Jimmy brauchte nur ein paar Sekunden, um das Schloss zu knacken. Einbrüche waren seine Spezialität, und es gab nur wenige Schlösser, die ihm lange widerstehen konnten.
Er schob das Rolltor auf, und sie traten ein.
Carl war zwar nicht sicher, was er erwartet hatte, aber diesen Anblick ganz sicher nicht. Das ungefähr vierzig Quadratmeter große Lagerhaus war mit einer verblüffenden Ansammlung von Kisten und Paletten vollgestopft. Dazu kamen noch zahlreiche andere Gegenstände wie Wasserkanister, Lebensmittelverpackungen, Campingzubehörteile, Werkzeuge und zwei Bausätze für große Lagerschuppen aus Metall, die keine windigen Blechteile sein würden, die sofort umkippten, wenn man sich an sie lehnte, sondern echte Stahlbauten. In einer Ecke war eine Küche eingebaut, mit Kühlschrank, Mikrowelle, Wasserkocher, Toaster und einer gewaltigen Kaffeemaschine. Auf dem Tisch standen ein paar leere Getränkedosen und ein Stapel Pizzakartons.
Der Raum sah aus wie ein ganz gewöhnliches Einzelhandelslager. Er enthielt keine Industrieanlagen und keine seltsamen elektronischen Geräte, nichts, was auf den ersten Blick absonderlich wirkte. Carl fühlte sich eigenartig enttäuscht. Er hatte diese verrückte Theorie gehabt …
»Ich sehe gar kein Gold«, sagte Jimmy.
»Als ob sie es hier vor aller Augen einlagern würden. Herrje, Jimbo. Die Campingausrüstung ergibt allerdings Sinn, wenn sie wirklich irgendwo Gold waschen. Und schau mal, da.« Carl ging zum Rolltor hinüber und zeigte auf den Boden, wo Reifenspuren zu sehen waren. Die Zwillingsabdrücke sahen nach einem Schwerlaster aus.
»Wir durchsuchen am besten alles. Du fängst dort drüben an.«
Die beiden Männer arbeiteten sich langsam durch das Lagerhaus, nahmen jeden Gegenstand in Augenschein und fotografierten einiges mit ihren Handys. Schließlich ging Carl noch mal durch den ganzen Raum und machte dabei ein Video.
Als sie mit ihrer Inspektion fertig waren, setzten die beiden sich an den Küchentisch. Während Carl sich das Video ansah, warf Jimmy einen Blick in den Kühlschrank.
Nach einer Weile lehnte Carl sich zurück. »Diese Kids haben also ein Lagerhaus voller Equipment. Die meisten Dinge sind noch unausgepackt, und selbst die Sachen, die bereits in Gebrauch sind, sehen brandneu aus. Das zeugt von viel Geld und passt zu Lems Geschichte. Und wahrscheinlich ist es frisch verdientes Geld, da das hier noch nicht sehr lange zu laufen scheint.«
Jimmy öffnete eine Dose Cola. Einen Moment lang waren das Knacken und das Zischen die lautesten Geräusche im Lager. »Zeke sollte die Idee mit dem einen Raub vielleicht nochmals überdenken. Wenn bei der Sache genügend Geld rausspringt, könnten wir versuchen, diese Leute bei der Stange zu halten.«
»Oder wir kombinieren beide Ansätze. Wir erlauben ihnen, sich mit, sagen wir, ihrer gesamten nächsten Ausbeute und fortlaufenden Zahlungen von fünfzig Prozent in das Unternehmen ›einzukaufen‹.«
»Damit könnte ich leben.«
»Das könnten wir alle, Jimmy. Leicht verdientes Geld. Aber wir müssen herausfinden, wo sie das Gold herhaben. Denn sonst haben wir nichts in der Hand, wenn sie plötzlich von der Bildfläche verschwinden.«
»Hängen wir uns an sie dran?«
Carl schnaubte. »Vergiss es. Ich weiß Besseres mit meinem Leben anzufangen. Wir folgen ihnen nur so lange, bis wir GPS-Tracker in ihren Fahrzeugen installiert haben.«