42
Es ist wirklich passiert
25. Juli
Die Männer trafen sich am Sonntagmorgen im neuen Lagerhaus. Bill sah sich um. »Helfen Monica und Erin nicht mit?«
»Sie fahren zum alten Lager und schauen, ob es irgendwelche Hinweise auf die Gangster gibt«, antwortete Richard.
»Dann können wir also ein paar Stunden lang mit den Schwermaschinen spielen«, sagte Bill. Er breitete die Montagezeichnung und die Anleitung auf einem Klapptisch aus. »Lasst uns nicht streiten, solange wir den Boden nicht vorbereitet haben, okay? Vielleicht sehen wir klarer, wenn das Fundament fertig ist.«
»Einverstanden«, sagte Richard. »Kevin, du müsstest das Portal-Equipment aufbauen, wenn wir es abgeladen haben.«
Kevin antwortete mit einem für ihn höchst seltenen Lächeln. »Anstatt zu versuchen, mit dem Gabelstapler zu fahren? Das ist mir recht.«
Bill kicherte und stieg in den Gabelstapler. Während er die Paletten mit der Ausrüstung und dem Baumaterial auslud, präparierten Richard und Matt den Bagger und den Grabenbagger, die sie gemietet hatten.
Wenig später richtete Kevin sich auf und winkte den
anderen zu. »Alles fertig.« Er hatte das neue Truck-Tor an eine Wand des Lagers gelehnt, sodass es im aktivierten Zustand nur auf einer Seite zugänglich sein würde.
Bill, Matt und Richard gingen hinüber.
»Wie machen wir es?«, fragte Bill.
»Sobald wir mit dem Bagger und dem Grabenbagger herumfahren, wird alles mit Beinen und Flügeln in Richtung Horizont Reißaus nehmen«, erwiderte Richard. »Aber bis dahin müssen wir auf Raubtiere mit mehr Appetit als Verstand achten.«
Matt schnallte sich eine Pumpgun auf den Rücken und nahm eine AR-15 in die Hände. »Na, dann sollten wir das Gebiet so schnell wie möglich räumen.«
Sobald das Truck-Tor offen war, ging Matt hindurch und vollführte mit dem Gewehr im Anschlag eine 360-Grad-Drehung. Da er nicht sofort zu schießen anfing, folgten Bill und Richard ihm mit dem schweren Gerät.
Richard glättete mit der Baggerschaufel die Fläche, die sie für die zwei großen Schuppen benötigten. Matt nahm den Grabenbagger und fing an, Gräben für die Wände auszuheben. Dabei folgte er Bills Anweisungen, der die Grundrisse im Blick hatte. Kevin blieb wie üblich auf der irdischen Seite, für den Fall, dass mit dem Tor etwas schiefging.
Als sie mit den Erdarbeiten fertig waren, montierten sie das Stapleranbaugerät an den Bagger, und Matt fuhr die Paletten mit dem Baumaterial durch das Tor. Bill und Richard begannen derweil mit dem Bau der Schuppen.
Oder versuchten es zumindest. »Zwei Personen, mein lieber Schieber«, sagte Bill schließlich genervt. »Vielleicht, wenn diese zwei Personen über Superkräfte verfügen.«
Richard studierte erneut die Pläne. »Ja, ich bin mir sicher, dass man für diesen Arbeitsschritt fünf Hände braucht.
«
»Genau, und zweieinhalb Meter lange Arme. Lass uns Matt dazuholen.«
Als sie ihn um Hilfe baten, zuckte er nur die Achseln. »Ich habe es nicht eilig. Versuchen wir mal, ein paar dieser Elemente mit dem Gabelstapler aufzurichten.«
Tatsächlich kamen sie auf diese Weise viel schneller voran. Die Männer entwickelten rasch eine gemeinsame Routine, und so dauerte es nicht lange, bis sie den ersten Schuppen zusammengebaut hatten und mit dem zweiten anfingen.
Doch davor ordnete Richard erst einmal eine Mittagspause an.
»Pizza?«, fragte Bill.
»Pizza!«, bestätigten Richard und Matt wie aus einem Mund.
Sie schalteten die Maschinen an, begaben sich auf die Erde zurück, und Kevin deaktivierte das Tor.
Matt und Bill fuhren los, um die bestellte Pizza abzuholen. Kurz danach saßen sie am Küchentisch im Lager, aßen und tranken Bier.
»Jetzt kann ich keine schweren Maschinen mehr bedienen«, sagte Bill und hielt das Bier hoch.
Kevin gluckste.
In diesem Moment platzten Monica und Erin ins Lager. »Habt ihr die Nachrichten gesehen?«, fragte Erin atemlos.
»Nein, was ist los?«, fragte Matt.
»Der Yellowstone. Er ist noch aktiver geworden. Sehr
viel aktiver. Jetzt geht es nicht mehr nur um Risse und kleine Eruptionen. Sie berichten von starken und lang anhaltenden Lavaflüssen, und es gibt beinahe permanent Erdbeben. Außerdem kursieren Gerüchte über Lavabomben.«
»Lava was?« Matt griff nach der Fernbedienung und schaltete den Fernseher ein. Monica biss in ein Stück Pizza
.
»Lavabomben«, erwiderte Erin. »Eine große Menge Lava wird in die Luft geschleudert, verfestigt sich im Flug und schlägt dann als rot glühender Findling auf.«
»Das klingt gar nicht lustig«, sagte Bill. »Und als wäre es schlecht für den Park. Aber sie erzählen doch schon seit Wochen, dass all das ganz normal sei und nichts zu bedeuten habe.«
»Ich glaube, über diese Phase sind sie hinaus, Bill«, sagte Erin. »Inzwischen sagen sie nicht mehr ›Gehen Sie weiter, hier gibt es nichts zu sehen‹. Und es könnte noch schlimmer werden. Viel
schlimmer.«
»Okay, ich bin neugierig. Wie viel schlimmer?«
»Das Ende der Zivilisation?«
»Ernsthaft?« Die Blicke der anderen spiegelten Bills Überraschung wider.
»Nun, das lässt sich jetzt noch nicht sagen«, erklärte Erin. »Die Situation könnte sich so oder so entwickeln. Vielleicht macht der Yellowstone weiterhin nur das, was wir jetzt sehen, und nicht mehr, aber im Extremfall könnte es auch zu so etwas wie dem Sibirischen Trapp kommen. Wir wissen es einfach nicht.«
»Der Sibirische Trapp …« Matt runzelte die Stirn. »Der hat doch …?«
»… das Massensterben an der Perm-Trias-Grenze verursacht«, erwiderte Erin. »Das größte Artensterben aller Zeiten.«
Nach einer kurzen schockierten Schweigepause griffen alle gleichzeitig nach ihren Handys. Kevin nahm Matt die Fernbedienung aus der Hand und drückte so lange auf die Programmwahltaste, bis in einer Ecke des Monitors das CNN-Logo erschien.
Auf dem Bildschirm waren Bilder von einem großen Riss zu sehen, aus dem Lava floss. In der Bauchbinde stand: »
YELLOWSTONE LIVE«. An den typischen verwackelten, immer wieder unscharfen Einstellungen erkannte man, dass die Aufnahmen mit maximaler Vergrößerung aus einem Hubschrauber erstellt wurden. Aus dem Off kommentierte ein Sprecher die Szene und plapperte Communiqués von der USGS und aus dem Stab des Gouverneurs nach.
»Sie sind zu nah dran«, flüsterte Erin.
»Was?«, fragte Monica.
»Der Helikopter. Wenn er ausbricht, sind sie zu dicht dran.«
»Wie weit sollten sie denn weg sein?«
»Ähm … ich persönlich würde einen Abstand von mindestens hundertfünfzig Kilometern halten.«
Über das Ereignis wurde ausgiebig berichtet. Immer wieder wurde zwischen Livebildern, aufgenommenen Szenen, den Reaktionen der Menschen auf der Straße und Interviews mit verschiedenen Experten hin und her geschaltet.
Plötzlich unterbrach eine der Nachrichtensprecherinnen ihren aktuellen Gesprächspartner: »Wir geben schnell zurück zum Yellowstone, wo die Vulkanaktivität laut unseren Reportern soeben drastisch zunimmt.«
Der Sender schnitt wieder auf die extrem stark vergrößerte Aufnahme des Parks um, wo sich mittlerweile viele weitere Risse aufgetan hatten, aus denen Lava quoll. Vielerorts schleuderten Explosionen große Gesteinsmassen in die Luft. Während der Reporter zu beschreiben versuchte, was die Zuschauer ohnehin sahen, durchzuckte plötzlich ein blendender Blitz das Kamerabild. Die Aufnahme übersteuerte, aus dem Helikopter waren Schreie und Flüche zu hören.
Dann brach die Übertragung ab.
Die Regie schnitt zurück auf die Nachrichtensprecherinnen,
die mit offenen Mündern etwas außerhalb des Bildes anstarrten. Einen Moment lang war es totenstill, bis schließlich eine Sprecherin die Hand vor den Mund schlug und zu schluchzen begann.
Das Bild wechselte sofort zur anderen Sprecherin, die keine Miene verzog. »Offenbar ist die Verbindung abgebrochen. Wir halten Sie über alle weiteren Entwicklungen auf dem Laufenden.« Während sie zur Seite sah und zu einer Bemerkung ansetzte, wurde anstelle des Live-Bildes ein vorab aufgenommenes Interview mit einem Experten eingeblendet.
Monica sprach als Erste. »Ist gerade wirklich das passiert, von dem ich glaube, dass es passiert ist?«
Erin schwieg noch ein paar Sekunden, dann blinzelte sie zweimal und sagte: »Weiß jemand, wie spät es ist? Ich brauche die exakte Zeit!«
Matt schaute auf sein Handy. »14:32 Uhr. Wieso?«
»Wir haben« – Erin unterbrach sich und schaute kurz nachdenklich zur Decke hinauf – »zwischen zwei und fünf Minuten, um uns in Sicherheit zu bringen. Es wird ein Erdbeben geben.«
Monica schnappte noch Luft. »Wie heftig wird es?«
Als Erin nicht antwortete, quäkte Bill: »Der geht bis 11, Mann!«
»Das ist nicht die richtige Zeit für Filmzitate, Bill«, sagte Richard.
»Entschuldigung.«
»Er hat aber nicht unrecht«, sagte Erin. »Das war nicht nur eine Lavabombe oder ein Erdrutsch, sondern eine echte Eruption. Sie hat den Helikopter erwischt, obwohl der den Aufnahmen nach zu urteilen mehrere Kilometer entfernt war. Ich hoffe, dass das Beben Lincoln nicht mit voller Wucht erreicht, aber ich glaube, dass viele Häuser
einstürzen werden. Wir sollten zusehen, dass wir nicht drinnen sind, wenn es zuschlägt.«
»Okay, alle Mann raus hier«, sagte Richard, der wie immer die Führungsrolle übernahm. »Wir gehen davon aus, dass dieses Gebäude nicht stehen bleibt. Wenn ihr unbedingt etwas retten müsst, dann nehmt es jetzt mit. Matt, hier sind die Schlüssel. Stell den Transporter in die Mitte des Parkplatzes. Die anderen rennen
dorthin.«
Das Team brach auf. Sobald alle das Lager verlassen hatten, verriegelte Richard den Lieferanteneingang und sprintete los, um die anderen einzuholen.
Erin hielt sich das Handy ans Ohr und wies es per Sprachbefehl an, »zu Hause« anzurufen. Aus dem Augenwinkel sah sie, dass alle anderen bis auf Richard ebenfalls ihre Handys gezückt hatten.
Am anderen Ende klingelte es, dann ging die Mailbox an. »Mom, Dad, hier spricht Erin. Der Yellowstone ist ausgebrochen. Ich hoffe, dass ihr das hier abhört. In ein oder zwei Minuten wird es ein Erdbeben geben. Bereitet euch darauf vor. Packt das Notwendigste ein, steigt in den Truck und verschwindet. Macht euch um mich keine Sorgen. Versucht nicht, mich zu finden. Ihr müsst mindestens tausendfünfhundert Kilometer zwischen euch und den Yellowstone bringen. Wenn eure Pässe noch gültig sind, überquert ihr am besten die Grenze bei Winnipeg und biegt dann nach Westen ab, in Richtung Vancouver. Dort wird keine Asche runterkommen. Falls das nicht geht, fahrt ihr nach Osten, bis zum Ufer eines der Großen Seen. Auf jeden Fall müsst ihr euch beeilen. Macht es gut. Ich habe euch lieb.«
»Willst du sie nicht abholen?«, fragte Bill.
Erin blieb stehen und wirbelte zu ihm herum. »Du begreifst es immer noch nicht. Wenn es auch nur annähernd so schlimm wird, wie ich vermute, können sie mich nicht
finden. Sie werden es nicht nach Lincoln hineinschaffen, bei all den Leuten, die von dort wegwollen. Das Funknetz wird zusammenbrechen. Ich will, dass sie Nebraska verlassen.« Sie ließ den Blick über das Team gleiten. »Das ist nicht nur eine kleine Unannehmlichkeit wie ein Stromausfall. Eher so etwas wie Katrina, nur zehnmal schlimmer. Ihr müsst das ernst nehmen.« Ohne auf eine Antwort zu warten, drehte sie sich wieder um und lief weiter zur Mitte des Parkplatzes.
Das Team versammelte sich in der Nähe des Transporters, der in größtmöglicher Entfernung zu den Laternenmasten parkte.
»Lasst uns vom Wagen weggehen«, sagte Richard. »Wir wollen doch nicht, dass er auf uns draufhüpft, wenn die Erde wackelt.«
Ein paar Sekunden lang liefen sie panisch kreuz und quer durcheinander, doch dann gelang es ihnen irgendwie, zu einem gemeinsamen Entschluss zu kommen, und sie entfernten sich ungefähr dreißig Meter vom Transporter.
»Wie spät?«, fragte Erin.
»14:35«, gab Matt zurück.
»Okay. Dann erreicht uns gleich die Welle.«
Sie standen da und sahen einander an. Dann bäumte sich ohne Vorwarnung der Boden auf, und alle stürzten um. Ungefähr eine Minute lang bewegte sich die Erde vor und zurück, begleitet von einem lauten Mahlgeräusch und dumpfen Schlägen, die ihnen in den Ohren dröhnten. Überall erklangen Alarmanlagen von Autos und Gebäuden. Irgendwo explodierte etwas. Im Asphalt taten sich Risse auf. Aus dem Augenwinkel sah Bill, wie der Transporter heftig auf seinen Stoßdämpfern wippte.
Nach einer gefühlten Ewigkeit hörte das Beben schließlich auf. Hier und da gingen immer noch Alarmanlagen los.
Die Teammitglieder rappelten sich langsam wieder auf und sahen sich mit weit aufgerissenen Augen an.
»Geht es allen gut?«, fragte Richard. Ein paar nickten, die anderen grummelten etwas. Selbst Bill schwieg, abgesehen von einer halblauten Bemerkung über ACME-Erdebenpillen.
»Na, das war ja gar nicht so schlimm …«, sagte Erin. Die anderen sahen sie an, als hätte sie nicht mehr alle Tassen im Schrank. »Nein, ernsthaft. Das waren Rayleigh-Wellen. Da sie langsamer als P- und S-Wellen sind, kommt nichts Schlimmeres mehr nach. Ich wette, dass es wesentlich weniger Schäden gegeben hat, als ich befürchtet habe.«
Die Erwähnung möglicher Schäden holte alle in die Realität zurück.
»Ich sehe nach der Ausrüstung«, sagte Richard.
»Und ich checke das Lagerhaus«, antwortete Bill.
Matt ging gemeinsam mit Richard zum Transporter. Bill marschierte derweil mit Kevin, Erin und Monica im Schlepptau zum Lager. Auf den ersten Blick waren daran keine strukturellen Beschädigungen auszumachen.
Hier und da klafften kleine Risse, Teile des Vordachs waren abgefallen, und die Außenbeleuchtung brannte nicht mehr, doch das Gebäude selbst wirkte intakt.
Bill sperrte das Rolltor auf und versuchte, es zu öffnen, doch es ließ sich nicht anheben. Erin eilte ihm zu Hilfe, und auch Kevin und Monica legten mit Hand an. Gemeinsam schafften sie es, die Finger ein Stück weit unter die Schürze zu schieben. Bill sagte: »Hau … ruck
«, und sie stemmten sich mit voller Kraft vom Boden hoch. Einen Sekundenbruchteil lang widersetzte sich das Tor, doch dann bewegte es sich laut kreischend nach oben.
Gemeinsam betraten sie das nun dunkle Lagerhaus. Zwar brannte darin eine Notbeleuchtung, doch die war gerade
hell genug, um den Weg zum Ausgang zu finden. Kevin ging in die Küche und zog die Taschenlampen aus den Steckdosen, in denen sie sie gerade aufgeladen hatten. Eine gab er Monica, die andere schaltete er an.
Bill sah sich um. Auch was das Lager anbelangte, schienen sie Glück gehabt zu haben. Die Paletten standen zwar wild durcheinander, und einiges war herabgefallen, aber da sie die Bauteile und Ausrüstungsgegenstände nicht sehr hoch übereinandergestapelt hatten, war nur wenig zu Bruch gegangen.
Vor der Eingangstür hielt der Transporter. Das Motorengeräusch verstummte, und Richard und Matt stiegen aus.
Als sie das Lager betraten, sagte Richard: »Wir müssen besprechen, was wir jetzt machen. Erin, du bist auf diesem Gebiet die Expertin. Womit müssen wir als Nächstes rechnen?«
»Zuerst sollten wir überprüfen, ob wir ein Netz haben.«
Matt sah auf sein Handy und schüttelte den Kopf. »Nein.«
Kevin ging zum Fernseher und versuchte, ihn einzuschalten. »Auch kein Strom …«
»Na gut«, sagte Erin. »Wovon können wir ausgehen? Der Vulkan ist ausgebrochen. So viel steht fest. Die Frage ist nur, wie stark die Eruption war. Angesichts der Intensität, mit der das Erdbeben hier in tausendzweihundert Kilometern Entfernung ankam, vermutlich sehr
stark. Dann kommen wir jetzt zu den schlechten Neuigkeiten.« Sie versuchte zu lächeln, gab es aber gleich wieder auf. »Während der letzten Eruptionen des Yellowstone befand sich dieses Gebiet mitten in oder zumindest am Rand der Hauptniederschlagszone, in der die meiste Asche runterkam. Der Jetstream, der vom Yellowstone nach Osten verläuft, weht direkt über uns hinweg. Eine Supervulkan-Eruption schleudert mindestens tausend Kubikkilometer Dreck in die Luft,
und das meiste davon wird innerhalb von eintausendfünfhundert Kilometern windabwärts wieder runterkommen. Das betrifft uns. Wir könnten unter einer meterdicken Schicht begraben werden.«
»Kann das nicht der Winterdienst mit Schneepflügen wegräumen?«, fragte Kevin.
»Na klar, machbar wäre es, wenn sie eine Idee haben, wo sie den ganzen Dreck entsorgen können, bevor der Feinstaub ihre Fahrzeugmotoren zerstört. Ich schätze aber, dass ihnen dann die Kolben noch vor dem Benzin ausgehen würden. Und dabei haben wir noch gar nicht bedacht, was der Staub mit ihren Lungen anstellt. Bei den Menschen und Tieren, die sich ungeschützt in der Niederschlagszone aufhalten, wird es eine nahezu hundertprozentige Sterberate geben.«
»Ernsthaft? Wegen des Staubs?« Bill war entsetzt. Wie die meisten Laien dachte er, das Gefährlichste an Vulkanen wäre die Lava.
»Einhundert Prozent«, wiederholte Matt ungläubig.
»Lasst es mich so formulieren: Jeder, der sich im Moment in dieser Stadt aufhält, ist so gut wie tot. So einfach ist das. Denkt an Pompeji. Überleben kann nur, wer über ein funktionierendes Auto verfügt, einen befahrbaren Freeway findet und eine Atemmaske mitsamt Schutzbrille besitzt. Andernfalls muss man wochenlang zu Haus bleiben und darf keinen Schritt vor die Tür machen. Die Klugen werden jetzt sofort in ihre Fahrzeuge steigen. Sie haben keine andere Wahl. Jeder muss atmen, und alle brauchen Wasser.«
»Wie lange wird es dauern, bis die Asche hier ist?«, fragte Matt.
»Der Jetstream bewegt sich mit einer Geschwindigkeit von hundertfünfzig bis dreihundert Stundenkilometern«, antwortete Erin. »Vom Yellowstone bis hierher sind es
tausendzweihundert Kilometer. Rechne es dir aus. Die erste Asche wird bei Einbruch der Dunkelheit fallen. Morgen früh wird man nicht mehr ins Freie gehen können.«
»Ach du …«, sagte Bill.
»… Scheiße«, brachte Richard den Gedanken zu Ende.