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In den Nachrichten
Im Nebraska-Radionetzwerk führen wir die Berichterstattung über das Yellowstone-Ereignis weiter …
Die Eruption des Yellowstone bricht alle Einschaltrekorde. Im Mittleren Westen eilen die Menschen nach Hause, um sich vor den Fernseher zu setzen. Doch da in unserem modernen Zeitalter so viel Gewalt und Katastrophen über den Bildschirm flimmern, ist es vielleicht nicht überraschend, dass ein Ereignis, das direkt vor unserer Haustür stattfindet, größtenteils wie ein rein theoretisches Szenario behandelt wird. Ja, sagen die Leute, diese Bilder sind erschütternd, und ja, es hat ein Erdbeben gegeben, aber das ist jetzt vorbei. Es kursieren zwar Berichte über zahlreiche Todesopfer in der näheren Umgebung der Eruption, aber von uns ist das alles doch sehr weit entfernt. Und ja, Experten sagen voraus, dass es Asche-Niederschläge geben wird, aber die kennen wir auch schon von den Ausbrüchen des Mount St. Helens, des Mount Pinatubo und dieses unaussprechlichen Vulkans in Island. Dabei ist nichts Schlimmeres passiert, als dass ein paar Autos neu lackiert werden mussten, weil ihre Halter unklugerweise versucht hatten, die Asche abzuwischen.
Und so laden die Leute Nachbarn zu sich ein, bauen den Fernseher auf der Terrasse auf, quatschen miteinander und tauschen ihr Wissen über die Vorfälle aus. Regierungssprecher raten nach wie vor zu Besonnenheit. Die Polizei beruhigt die Menschen. Und viele, die es gewohnt sind, auf die Stimme
der Autorität zu hören, nehmen sie beim Wort und bleiben, wo sie sind.
Andere nehmen die Lage zwar etwas ernster, doch auch sie halten es für das Beste, sich zu Hause einzuigeln und die Krise auszusitzen. Es kommt zu einem Run auf Banken und Supermärkte. Waffenläden machen prächtige Geschäfte, vor allem dann, wenn sie es mit dem Papierkram nicht so genau nehmen. In allen Baumärkten sind Staub- und Atemschutzmasken ausverkauft. Die Menschen füllen ihre Wasserspender auf und bunkern Ersatzflaschen.
Wer klug ist, hat die Stadt bereits verlassen. Familien, die nur das Allernötigste in ihr Auto gepackt und den nächsten Highway angesteuert haben, ist im Rahmen dessen, was viele als Endzeitkatastrophe bezeichnen, wohl die größte Überlebenschance zuzusprechen.
Wir melden uns zurück mit den NBC-Spätnachrichten und geben gleich weiter zu unserer Reporterin vor Ort, Christie Barnes in Lincoln, Nebraska.
Bereits seit Stunden fällt Asche vom Himmel. In einem Radius von tausendfünfhundert Kilometern um den Ausbruchsort liegt sie über einen halben Meter hoch, und es sieht nicht so aus, als ob der Niederschlag bald enden würde. Immer mehr Gebäude mit flachen oder nur leicht geneigten Dächern stürzen ein und haben bereits in mehreren Fällen ihre Bewohner unter sich begraben. Wer das Glück hat, einen derartigen Zusammenbruch zu überleben, dem droht der Erstickungstod, da die Luft nach einem Gebäudeeinsturz sowohl mit grobkörniger als auch mit feiner Asche geschwängert ist, die von keinem Gesichtstuch abgehalten werden kann.
Bislang erweisen sich steilere Dächer als stabiler. Doch die
Asche, die an ihnen herabgleitet, häuft sich um die Gebäude herum rasch an, und im Gegensatz zu Schnee schmilzt sie weder, noch wird sie zusammengepresst. Und so kann es sein, dass die Bewohner dieser Häuser zwar nicht zerquetscht, aber dafür begraben werden.
Für viele Bürger war der starke Asche-Niederschlag ein jäher Weckruf. Die Zahl der Fahrzeuge, die aus Lincoln rausfahren, ist um ein Vielfaches größer als im schlimmsten Stoßverkehr, den sich die Stadtplaner je vorgestellt haben. Die daraus resultierenden Staus haben zu einem totalen Verkehrsinfarkt geführt. Ein paar Fahrer haben versucht, dieses Chaos auf unkonventionellen Routen zu umschiffen, sind dabei jedoch an anderen Verkehrsteilnehmern gescheitert, die wiederum versucht haben, ihre Strecken zu umgehen. Inzwischen sind auch sämtliche Gehwege, Parks, Straßen und selbst die Fahrspuren, die in die Gegenrichtung führen, völlig verstopft. Geländegängige Fahrzeuge scheinen ein wenig besser voranzukommen.
Es gibt zahlreiche Berichte über Menschen, die ihre Fahrzeuge stehen lassen und in manchen Fällen sogar versuchen, andere zu kapern, was bereits zu mehreren Schießereien geführt hat.
Die Zahl der Todesopfer nimmt beständig zu.
Danke, Christie. Das war Christie Barnes’ Bericht aus Lincoln, Nebraska.
Immer wieder wird von Händlern berichtet, die aus der Yellowstone-Eruption Profit schlagen wollen, was zu mehreren Gewaltausbrüchen und Plünderungen geführt hat. Die Polizei ist von der Situation überfordert und rückt nur noch aus, wenn Schüsse gemeldet werden.
In weit vom Yellowstone entfernten Ballungsgebieten meldet die Polizei ebenfalls einen vermehrten Ansturm auf Banken,
Lebensmittel- und Waffengeschäfte sowie Eisenwarenhandlungen und Baumärkte. Es soll zu mehreren Gewaltausbrüchen gekommen sein, weil Waffenhändler darauf bestanden haben, die vorgeschriebenen Wartefristen beim Schusswaffenverkauf einzuhalten.
In mindestens zwei Fällen ist der Kontakt zu Polizeidienststellen abgebrochen, die zuvor von heranstürmenden Mobs berichtet haben. Experten vermuten dahinter unbekannte Gruppierungen, die an Polizeiwaffen zu gelangen versuchen.
Bislang unbestätigten Meldungen zufolge haben sich in Washington, D. C., mehrere Explosionen ereignet. Regierungsbeamte sagen, die Augenzeugenberichte deuteten auf eine terroristische Vorgehensweise hin. Bisher hat jedoch noch niemand die Verantwortung für diese Anschläge übernommen.
Fundamentalistische Kirchen im ganzen Land bezeichnen die Yellowstone-Eruption als den Beginn des Jüngsten Gerichts. »Die Ungläubigen, die Atheisten und die Götzendiener werden nun bestraft, und alle Hoffnung richtet sich auf Gott«, sagte ein Pastor in einem regionalen Radiosender. Es gibt jedoch keinen Hinweis darauf, dass es den Gläubigen besser ergehen würde als dem Rest der Bevölkerung. Tatsächlich weisen Religionskritiker darauf hin, dass sich die Südstaaten mit ihren zahlreichen fundamentalistischen Gläubigen mitten in der Vernichtungsschneise der Asche befinden.