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Nachrichten von der Erde
Bill blickte auf, als Richard den Ost-Schuppen betrat. Er blieb blinzelnd stehen und wartete ab, bis sich seine Augen an das gedämpfte Licht gewöhnten.
»Hier drüben, mein Großer.«
»Hey, Bill, worüber wolltest du mit mir sprechen?«
»Ach, nichts Besonderes. Nur …« Bill drehte mit schwungvoller Geste einen Bildschirm herum. »Satelliten-Fernsehen.«
Vor ihren Augen liefen die BBC-Nachrichten.
»Interdimensionaler Fernsehempfang? Bill, ich bin beeindruckt!« Richard wirkte freudig überrascht. »Okay, jetzt mal im Ernst. Das ist doch unmöglich. Wie hast du das geschafft?«
Bill versuchte vergeblich, eine bescheidene Miene aufzusetzen. »Nun, da der Empfang über einen gehackten Satellitenempfänger läuft, ist es streng genommen illegal, aber in Anbetracht der jüngsten Ereignisse lasse ich mir deswegen keine grauen Haare wachsen. Um deine Frage zu beantworten, ich greife das Signal live mit der da ab.« Er deutete auf eine kleine Satellitenschüssel, die auf das Ein-Meter-Tor gerichtet war. Durch die Öffnung war ein grauer Fetzen Himmel zu sehen. Eine über das Tor gespannte Plastikfolie hielt die Asche ab, die immer noch auf die Erde fiel.
»Du empfängst also durch
das Tor irdische Satellitensignale?«
»Ja. Wenn wir das Tor anschalten und mit der Schüssel
hindurchzielen, bekommen wir Dutzende von Kanälen rein. Es hat eine Zeit gedauert, bis ich die Schüssel und das Tor auf die Satelliten ausgerichtet hatte, aber jetzt können wir uns, wann immer wir wollen, die Nachrichten ansehen. Natürlich nur, solange sie welche ausstrahlen.«
»Was soll das denn heißen?«, fragte Richard.
»Ich habe mir die Nachrichtensendung zwanzig Minuten lang angesehen, bevor ich jemanden losgeschickt habe, um nach dir zu suchen. Die Situation auf der Erde ist noch schlimmer als vermutet. Aber ich möchte keine allgemeine Panik auslösen. Am besten trommeln wir die Toreigentümer zusammen und sprechen darüber.«
Richard sah Bill verdutzt an. »Okay. Dann schalt es jetzt aus, und wir suchen die anderen. Wir besprechen die Lage, wenn wir alle zusammen sind.«
Die Teammitglieder vereinbarten, sich am Rand des Lagers zu treffen. Während er wartete, betrachtete Bill gedankenverloren die Tiere, die einen Teil des Tages außerhalb des eingezäunten Bereichs grasten. Auf dieser Version der Erde waren die Wiesen sehr saftig, dementsprechend zufrieden wirkte das Vieh. Mit Gewehren bewaffnete Wächter auf Quads und Pferden sorgten dafür, dass die einheimischen Raubtiere nicht auf dumme Ideen kamen. Ein paar Wolfsrudel hatten einen Angriff versucht, doch es war ihnen nicht gut bekommen, und so mieden sie mittlerweile die Gegend.
Als die letzte Person auftauchte – wie immer Monica –, sagte Richard: »Bill hat dieses Treffen einberufen, also liegt der Ball in seinem Feld.« Er tat so, als träte er einen Fußball in seine Richtung.
»Ich wünschte, ich hätte ein passendes Filmzitat parat, um die Spannung ein wenig abzubauen, aber im Moment
fällt mir nichts ein. Um es kurz zu machen: Auf der Erde ist die Hölle los. Es heißt, der Yellowstone habe über dreitausend Kubikkilometer Dreck in die Atmosphäre geschleudert.«
Erin schnappte entsetzt nach Luft.
Bill hob entschuldigend die Hände, bevor er fortfuhr. »Er hat den Dreck auch höher hinaufgeschleudert als je ein Vulkan zuvor. Daher wird der Fallout großflächiger auf die Erde niedergehen, und der Feinstaub wird viel länger in der Luft bleiben, als es bei den bisherigen Eruptionen der Fall war.« Er senkte einen Moment lang den Blick. »Und außerdem hat es der Homo idioticus
natürlich geschafft, eine schlimme Situation noch verfahrener zu machen. Ein paar Länder haben angekündigt, ihre Lebensmittel- und Ölexporte zu stoppen, und als Reaktion darauf drohen andere Länder damit, bei ihnen einzumarschieren und sich diese Dinge zu holen. Israels Feinde haben die Schwäche seiner Verbündeten zu einem Angriff genutzt, und ihr wisst, wie Israel so etwas aufnimmt. Laut der BBC kamen Atomraketen zum Einsatz.« Bill rang um Fassung. »Russland scheint in mehrere Nachbarländer einzumarschieren, um seine weitere Rohstoffversorgung abzusichern. China hat all seine Grenzen dichtgemacht und die Kommunikation mit sämtlichen anderen Staaten eingestellt. Afrika befindet sich in völliger Auflösung. Oh, und habe ich das schon erwähnt …? Offenbar ist Washington gefallen. Soweit ich es sagen kann, operiert die Regierung von einem nicht näher genannten Ort aus. Und inzwischen haben sich mindestens drei weitere Regierungen gebildet und ihre Unabhängigkeit erklärt. Ich bin ziemlich sicher, dass die Vereinigten Staaten als Nation nicht mehr existieren, Leute.« Bill schaute in die entsetzten Gesichter seiner Freunde
.
»Aber …«, sagte Kevin, »es ist doch gerade mal eine Woche vergangen.«
»Man geht grundsätzlich davon aus, dass die Nahrungsmittelvorräte in den meisten Städten nur drei Tage lang reichen«, bemerkte Erin. »Und es gibt eine Binsenweisheit, der zufolge die Menschen immer nur neun Mahlzeiten von der Anarchie entfernt sind, was einer Zeitspanne von drei Tagen entspricht. Und dazu kommt, dass die Asche alle offenen Gewässer und damit die meisten Trinkwasserreservoirs in fauligen Schlamm verwandelt. Mittlerweile sind außerdem alle unter freiem Himmel laufenden Maschinen zerstört. Die Stromerzeuger bekommen keine Kohle mehr, die Windkrafträder haben sich genauso festgefressen wie die hydroelektrischen Staudämme, und die Frischwasserversorgung der Atomkraftwerke funktioniert auch nicht mehr. Das heißt, dass ein Großteil des Kontinents von der Stromversorgung abgeschnitten ist. Die Menschen verzweifeln, und daraus entsteht nie etwas Gutes.«
Bill unterbrach Erins Erklärungen. »Ich glaube, dir ist vorhin gar nicht aufgefallen, dass ich BBC eingeschaltet hatte, Richard. Das lag daran, dass die Satelliten keine amerikanischen Sendersignale mehr übertragen. Kein Fox, kein CNN und auch kein MSNBC. Ich habe es geschafft, einen Sender zu finden, der in Westkanada sitzt. Die haben dort ebenfalls keine gute Zeit. Ein paar europäische Sender haben ihrerseits den Betrieb eingestellt, allerdings empfange ich immer noch mehr als die Hälfte von ihnen. Südlich vom Äquator finden so gut wie überhaupt keine Übertragungen mehr statt.« Er sah sich niedergeschmettert um. »Es kann sein, dass wir auf uns allein gestellt sind, Leute.«
Richard wandte sich an Erin. »Was bedeutet der Vulkanauswurf deiner Meinung nach für den Planeten?«
»Damit steht fest, dass genügend Dreck den Äquator
passieren wird, um beide Erdhalbkugeln ein paar Jahre lang mit einem endlosen Winter zu überziehen. Das wird viel schlimmer als bei den bisherigen Supervulkan-Ausbrüchen. Es bedeutet, dass in einem größeren Gebiet als angenommen Asche niedergehen und die dortigen Ökosysteme zerstören wird. Die Menschheit könnte stark dezimiert werden.«
»Um wie viel?«
Erin öffnete den Mund, um zu antworten, doch dann machte sie ihn wieder zu und schüttelte den Kopf. »Oh Mann, das entwickelt sich allmählich wirklich zu einer Art Feuertaufe. All die Kurse, die ich besucht habe – und jetzt geht es plötzlich nur noch um Leben und Tod, und ich muss immer alles gleich beim ersten Mal richtig hinbekommen. Erwachsen werden ist echt schwer.« Sie blinzelte und zögerte erneut. »Okay, hört mal. Alles, was ich über eine Situation wie diese weiß, basiert auf historischen Ausbrüchen. Aber die waren allesamt nicht so groß wie dieser, und ich bin mir nicht sicher, wie gut ich die Daten hochrechnen kann. Wahrscheinlich wird es exponentiell schlimmer. Also legt nicht alles, was ich sage, auf die Goldwaage. Das Problem an einem Vulkan ist nicht nur die Eruption. Der anschließende Rückgang von wirtschaftlichen und industriellen Kapazitäten führt unterm Strich oft zu sehr viel mehr Todesfällen. Vor diesem Hintergrund gehe ich von mindestens siebenhundert Millionen Toten aus. Dabei sind die Kriegsopfer noch gar nicht mitgezählt. Während der nächsten paar Jahre wird die Weltbevölkerung durch Hungersnöte auf ein vorindustrielles Niveau zurückfallen.«
Die anderen wechselten noch mehr schockierte Blicke. Möglicherweise würden also mehrere Milliarden Menschen sterben, bevor sich die Lage wieder einrenkte.