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Archimedische Schraube
»Was zum Teufel ist das?«, fragte Richard.
»Eine archimedische Schraube«, erwiderte Bill. »Benannt nach dem Typen, der sie erfunden hat. Schon mal von ihm gehört?«
Richard lächelte und ließ sich nicht provozieren.
Na, sieh mal an,
dachte Bill. Vor nicht allzu langer Zeit hätte ich mir mit solch einer Bemerkung einen sengenden Blick eingehandelt.
»Das ist die Turbinen-Konstruktion, von der ich erzählt habe. Sie soll bei geringem Wind die besten Ergebnisse liefern und ist außerdem unfassbar leicht herzustellen. Man muss nur einen langen Plastikstreifen oder ein längliches Metallblech um einen zentralen Schaft wickeln. Damit die Schraube trotz der mechanischen Spannung die Form behält, zieht man Kabelstreben ein. So etwas könnte man ohne Weiteres in einer Garage zusammenbauen. Oh, warte mal, genau das mache ich ja.« Bill lächelte über seinen eigenen Scherz und deutete mit dem Schraubenschlüssel in seiner Hand auf einen weiteren Tisch, auf dem Maschinenteile und Werkzeuge verstreut lagen. »Mit der richtigen Getriebeübersetzung kann ich sie an alle Generatoren anschließen, die wir eingesammelt haben, und dann kann’s losgehen.«
»Und das wird Bruchtal mit der Energie versorgen, die wir benötigen.«
»Oh nein, nicht mal annähernd. Ich will ehrlich zu dir
sein: Ich habe so etwas noch nie gemacht. Die Zivilisation wiederaufbauen, meine ich. Es gibt viele Möglichkeiten, wie wir Strom erzeugen könnten. Ein paar kurzfristige wie die Dieselgeneratoren und eher langfristige wie zum Beispiel mit Holzfeuer betriebene Wasserdampfgeneratoren. Wir müssen sie nur bauen. Windgeneratoren, Sonnenpaneele, Wasserkraftwerke – obwohl die in Nebraska nicht viel Sinn ergeben –, Kohlestromgeneratoren … Das Problem ist, dass alles bis auf die Dieselgeneratoren nur mit großem Aufwand hergestellt werden kann. Ich versuche, verschiedene Projekte parallel voranzutreiben, damit wir nicht völlig aufgeschmissen sind, wenn eines davon scheitert.«
»Es ist immer dasselbe Problem, Bill. Wir haben nicht genügend Leute für alles, was es zu tun gibt, selbst wenn sie wüssten, wie es geht.«
»In dieser Hinsicht sind wir immerhin in einer glücklichen Lage. Die Wahrscheinlichkeit, dass Universitätsstudenten über das nötige Wissen verfügen, ist ziemlich hoch, und es ist noch nicht lange her, dass wir all diese Dinge gelernt haben. Obwohl es natürlich Bücherwissen ist. Die praktische Umsetzung wird noch ein ziemliches Gefummel werden.«
»Du machst auf jeden Fall Fortschritte. Gib mir Bescheid, ob die Windsache funktioniert.« Richard machte sich eine Notiz auf dem Notepad und fuhr dann fort. »Wie kommst du mit den Brunnenbohrungen voran?«
Bill legte den Schraubenschlüssel beiseite. »Es ist gut, dass wir viele Landwirtschaftler haben, die wissen, wo sich das Bohren lohnt und wo man es besser bleiben lässt. Wir sind gleich beim ersten Versuch auf Grundwasser gestoßen. Es ist so nahe an der Oberfläche, dass wir es mit einer Saugpumpe fördern können. Und solange wir ein Reservoir
anlegen, reichen auch die üblichen Filter- und Aufbereitungsanlagen, um die erforderliche Wassermenge zu reinigen. Ein paar von meinen Leuten bauen zu diesem Zweck gerade einen Wasserturm aus dem Viertausend-Liter-Speichertank, den wir gefunden haben.«
»Wieso benutzen wir eigentlich keine normale Brunnenpumpe?«
»Für dreihundert Leute, Richard? Diese Dinger sind maximal für Sechs-Personen-Haushalte gedacht. Und dann ist da noch die Frage der Warmwasserbereitung. Wenn wir den Tank mit einer schwarzen Plastikplane abdecken, erwärmt die Sonne seinen Inhalt so stark, dass wir angenehm duschen können. Und sofern es im Winter nicht zu kalt wird, verhindert diese Methode auch die Eisbildung. Alles, was wir brauchen« – Bill deutete auf das Windrad – »ist eine verlässliche Stromquelle.«
»Bis du die einsatzbereit hast, können wir erst mal die Generatoren verwenden, richtig?«, fragte Richard.
»Sicher, aber dazu müssen wir permanent Leute losschicken, die neuen Treibstoff beschaffen, wofür wir wiederum Treibstoff brauchen. Außerdem bleiben wir damit weiterhin abhängig von der Erdseite. Mein Ingenieursherz blutet angesichts dieser Ineffizienz.«
Richard lachte, winkte Bill zum Abschied zu und verließ das Lagerhaus, um mit seiner selbst auferlegten Inspektionsrunde weiterzumachen.
Bill sah ihm hinterher und dachte: Er wirkt viel entspannter als sonst. Ich glaube fast, es gefällt ihm hier!
Plötzlich wurde Bill bewusst, dass Richard im Weggehen die Erkennungsmelodie der Andy Griffith Show
vor sich hin pfiff.