Als Edna und Miss Jones am Dienstagnachmittag Feierabend machten, hatten wir bereits Anrufe von Lady Bickle und Dinah Caudle erhalten. Lady Bickle hatte für uns alle Freitagmorgen einen Besuch im Gefängnis organisiert, außerdem hatte sie auch ein Treffen mit dem ehrwürdigen Jimmy in der Kartenrunde am Abend in die Wege geleitet. Miss Caudle hatte derweil ein paar diskrete Nachforschungen angestellt und herausgefunden, dass der Nachtportier im Büro von Churn, Whiting, Hinkley und Puffett auf den Namen Gordon Horden hörte und täglich außer Sonntag seinen Dienst von sieben Uhr abends bis sieben Uhr morgens versah.
»Hat Miss Caudle noch etwas über den Einbruch bei ihr gesagt?«, fragte ich, nachdem Lady Hardcastle mir den groben Inhalt ihrer Nachricht mitgeteilt hatte.
»Ach ja, hat sie. Als sie aufgeräumt hatten, fehlten ein Paar Perlenohrringe, ihr Lieblingsfüller, zwei Seidentücher und ungefähr fünfzehn Schilling Kleingeld – plus minus ein paar Viertelpennys – , die sie in einem alten Marmeladenglas in der Küche aufbewahrte. Das kommt also zu den Kerzenständern und der Schmuckschatulle hinzu, deren Fehlen ihr bereits aufgefallen war.«
»Also war es tatsächlich ein herkömmlicher Einbruch?«, fragte ich.
»So scheint es jedenfalls, was bedeutet, dass wir uns auf dringlichere Probleme konzentrieren können. Unsere Verbündeten haben große Fortschritte gemacht, während wir uns zufrieden unsere Hinterteile plattgesessen haben.«
»Sie vielleicht«, entgegnete ich. »Ich hingegen habe mir den Allerwertesten abgeschuftet.«
»Und glaub nur nicht, dass ich das nicht zu schätzen weiß. Aber wir sollten unseren Teil dazu beitragen, die Ermittlungen voranzubringen. Ich schlage einen Ausflug nach Sneyd Park vor, wo wir versuchen sollten, Mrs. Crane in ihrem Bau entgegenzutreten. Allerdings hat sie ja die Angewohnheit, abends ziemlich häufig aushäusig zu sein, also sollten wir besser bald aufbrechen, wenn wir sie noch antreffen wollen.«
»Wir haben allerdings eine ziemlich klare Idee davon, wohin es sie zieht«, gab ich zu bedenken.
»Na ja, das haben wir wohl. Aber kannst du dir den Aufruhr, die Unruhen, den Tumult und tatsächlich auch das Getöse vorstellen, die folgen würden, wenn wir auf Mr. Morefields Türschwelle auftauchen und nach Mrs. Crane fragen würden? Ganz zu schweigen von dem Wirbel, dem Theater und der hellen Aufregung.«
»Es würde sicherlich irgendeine Art von Szene geben«, räumte ich ein. »Das ist nicht zu leugnen. Soll ich unsere Autokleidung holen?«
»Ja bitte, Liebes. Und dann müssen wir unser geflügeltes Fuhrwerk in Gang setzen. Wir haben keine Zeit zu verlieren.«
»Wissen Sie eigentlich, dass Sie zwei mögliche Käuferinnen für Ihr geflügeltes Fuhrwerk haben?«
»Ich weiß, dass Georgie sich dafür interessiert, aber wer ist die andere?«
»Miss Caudle. Bisher hat sie sich auf ihren Verehrer verlassen, aber da sie kurz davorsteht, ihm den Laufpass zu geben, stellt sie sich die Frage, wie sie danach von A nach B kommen soll.«
»In diesem Fall müssen wir dem guten alten Fishy ein wenig Dampf machen. Je früher wir einen Ersatz haben, desto eher können diese beiden unter sich ausfechten, wer die gute alte Hortense bekommt.«
»Sie haben das Auto Hortense getauft?«, fragte ich. »Wann ist das denn passiert?«
»Gerade eben. Ein Geistesblitz. Sie lebt schließlich im Garten. Und eine meiner Gouvernanten hieß Hortense. Eine behäbige, rotgesichtige Frau. Hat nie das gemacht, was meine Mutter ihr aufgetragen hat.«
»Damit hätten wir das Rover-Thema doch erschöpfend behandelt«, sagte ich.
»Das habe ich mir auch gedacht. Und jetzt lass uns einen Zahn zulegen, sonst ist unser Opfer schon auf seinen nächtlichen Streifzügen.«
Bei diesem zweiten Besuch fanden wir Cranes Haus deutlich schneller und parkten schon kaum eine Stunde, nachdem wir von zu Hause aufgebrochen waren, auf der Straße davor. Wir gingen zur Eingangstür, wo Lady Hardcastle erneut klingelte.
Russett, der tatterige Butler, öffnete die Tür. Diesmal zögerte er jedoch nicht, bevor er sagte: »Mr. Crane ist nicht hier.«
»Das ist schon in Ordnung«, erwiderte Lady Hardcastle. »Wir sind hier, um mit Mrs. Crane zu sprechen. Ist sie denn zu Hause?«
»Das finde ich heraus«, sagte Russett und schloss die Tür.
»Ach was«, sagte ich leise. »Machen Sie sich keine Umstände. Wir warten einfach hier.«
Wir mussten allerdings nicht lange warten. Nach kaum einer Minute öffnete sich die Tür erneut, der Butler trat beiseite und führte uns hinein.
»Mrs. Crane erwartet Sie im Salon«, verkündete er und zeigte auf die angelehnte Tür ein paar Meter den Korridor hinunter.
Ich trat beiseite, damit er vorbeigehen und uns hineingeleiten konnte, aber er war schon in ein anderes Zimmer verschwunden. Ganz offenbar war er der Ansicht, dass er seinen Pflichten als Butler vollauf Genüge getan hatte.
Lady Hardcastle klopfte und trat ein. Ich folgte ihr.
In meinen zweiunddreißig Jahren auf diesem Planeten hatte ich schon sehr, sehr viele Menschen zu Gesicht bekommen – große, kleine, dicke, dünne, attraktive und hässliche. Aber ich hatte noch nie eine so außerordentlich schöne Frau gesehen wie diejenige, die nun neben dem Kamin stand. Sie sah aus, als wäre sie von den größten Künstlern handgefertigt worden – jeder Teil von ihr war perfekt. Das heißt, beinahe jeder Teil.
»Hardcastle?«, fragte sie mit einer Stimme, die wie die eines kleinen Kindes mit Halsschmerzen klang.
»Emily, Lady Hardcastle, ganz recht. Und das hier ist meine Begleiterin, Miss Florence Armstrong. Sie sind Mrs. Crane?«
»Bin ich«, erwiderte die Frau. »Ihre Begleiterin ist wie eine Zofe gekleidet.«
»Man muss sich ja irgendwie seinen Lebensunterhalt verdienen«, sagte ich.
»Sind Sie immer so unverschämt?«
»Fast immer. Und sind Sie immer so unhöflich?«
Nachdem sie mich einen Moment lang böse angestarrt hatte, wandte sie sich wieder Lady Hardcastle zu. »Sie sind wahrscheinlich hier, um herauszufinden, ob das … Alibi des guten alten Oswald wasserdicht ist.«
»Sind wir. Wir wissen, dass er ein Motiv hatte, das Feuer zu legen, in dem Christian Brookfield umgekommen ist, und bis jetzt können wir nur mit Sicherheit sagen, wo er sich bis zehn Uhr an jenem Abend aufgehalten hat. Ihr Butler Russett hat uns gesagt, dass Mr. Crane sich um neun Uhr mit Kopfschmerzen zurückgezogen hat und der Rest des Haushalts um zehn schlafen gegangen ist. Ab da konnte er tun und lassen, was er wollte.«
»Wissen Sie, ich glaube, dass ich an dem Abend aus war«, erklärte Mrs. Crane.
»Das hat Russett uns bereits gesagt«, entgegnete Lady Hardcastle.
»Aber er hat Ihnen nicht gesagt, wo ich war?«
»Er hat einen diskreten Schleier über Ihren Aufenthaltsort gebreitet.«
»Ich habe mit Nathaniel Morefield zu Abend gegessen«, erklärte Mrs. Crane.
»Das geht uns gewiss nichts an«, erwiderte Lady Hardcastle. »Wann sind Sie denn wieder heimgekommen?«
»Um Viertel nach zehn. Nathaniel konnte nicht länger bleiben. Er hatte nur kurz seine Arbeit unterbrochen, um sich mit mir zu treffen, musste jedoch bis neun Uhr wieder im Büro sein. Ich bin noch eine Weile allein in dem Restaurant sitzen geblieben und dann nach Hause gegangen, wo Oswald im Bett geschlafen hat.«
»Teilen Sie sich denn ein Bett?«
»Um den Schein zu wahren, ja. Ich kann also bestätigen, dass er wie ein Stein geschlafen hat und erst am nächsten Morgen wieder aufgestanden ist.«
»Aha«, erwiderte Lady Hardcastle.
»Mir würde es nützen, wenn Oswald in Verruf geraten und ins Gefängnis wandern würde. Dann wäre ich ihn endlich los. Leider hat er allerdings nicht den Mumm, irgendjemandes Haus anzuzünden, und er schlief ganz bestimmt den Schlaf der Gerechten – na ja, wenigstens schlief er – , als ich nach Hause gekommen bin. Er ist nicht der Brandstifter, den Sie suchen.«
»Dann streichen wir ihn von unserer Liste. Danke, dass Sie so offen sind.«
»Einfach nur ehrlich. Ich sehe keinen Vorteil darin vorzugeben, jemand anders zu sein, als ich bin. Doch jetzt, da Sie Bescheid wissen, erwarte ich, keine von Ihnen je wiederzusehen.«
»Jetzt, wo wir Bescheid wissen, gibt es gar keinen Grund mehr, Sie noch einmal aufzusuchen«, versicherte ihr Lady Hardcastle.
»Ich weiß aber, dass Sie Nathaniel belästigen, und ich erwarte, dass Sie ihn ebenfalls in Ruhe lassen.«
»Sie nennen es belästigen, aber wir sehen es als Suche nach der Wahrheit, um eine unschuldige Frau aus dem Gefängnis zu befreien. Und wenigstens in dieser Beziehung werden wir Ihre Erwartungen leider enttäuschen müssen. Wir werden weiterhin auf Gerechtigkeit dringen, und falls das bedeutet, dass wir Ihren Liebhaber noch einmal befragen müssen, werden wir das tun.«
»Ich glaube nicht, dass Sie voll und ganz begreifen, mit wem Sie es zu tun haben«, entgegnete Mrs. Crane. »Sie können jedenfalls später nicht behaupten, dass Sie nicht gewarnt worden sind.«
»Wir haben deutlich beeindruckendere Drohungen von deutlich mächtigeren Menschen als Ihnen und Mr. Morefield erhalten. Und trotzdem sind wir irgendwie immer noch hier. Mir gefällt es gar nicht, in solches Kindergartengezänk verwickelt zu werden, aber um es mit Ihren eigenen Worten zu sagen: Ich bin mir ebenfalls nicht sicher, dass Sie voll und ganz begreifen, mit wem Sie es zu tun haben. Wir finden den Weg nach draußen.«
Dann drehten wir uns um und gingen.
Die Rückfahrt verlief genauso wie die Hinfahrt ereignislos und schnell, und wir waren noch vor acht Uhr wieder zu Hause und hatten einen ruhigen Lektüreabend vor uns. Wenigstens war er ruhig, bevor Lady Hardcastle unruhig wurde und Klavier zu spielen begann.
Miss Jones hatte einen köstlichen Eintopf auf dem Herd stehen lassen, gekrönt von den luftigsten Knödeln, die die Menschheit je gesehen hatte. Ich gelobte, Lady Hardcastle nach einer Gehaltserhöhung für ihre Köchin zu fragen, denn was auch immer sie ihr zahlte, es war gewiss nicht genug. Ich tat uns zwei große Portionen auf und trug sie ins Esszimmer.
»Wein?«, fragte ich, als ich den Teller vor ihr abstellte.
Sie machte ein jammerndes Geräusch. »So in der Art?«, fragte sie mit einem selbstzufriedenen Grinsen.
»Ja, genau so. Und hätten Sie vielleicht gern auch noch ein Glas Wein zum Trinken?«
»Irgendetwas Kräftiges und Herzhaftes, damit es zu diesem köstlich aussehenden Eintopf passt. Ist von dem Saint-Émilion noch was übrig?«
»Zwei Flaschen, glaube ich.«
»Bring sie beide mit. In letzter Zeit haben wir uns ungewöhnlich stark zurückgehalten – ich glaube, wir verdienen eine kleine Belohnung.«
»Soll ich ihn dekantieren?«
»Dafür haben wir keine Zeit. Bring ihn einfach her, dann schütten wir ihn direkt ins Glas, als ob wir in einem Café in den Hinterhöfen von Bordeaux säßen. Wir können den Satz durch ein Teesieb abseihen, wenn er dich stört.«
»Sie sind wirklich eine Lady von Klasse und Vornehmheit«, sagte ich und ging in den Keller.
Das Essen war vorzüglich, und der Wein beinahe perfekt. Eine alberne und ausgelassene Stimmung begann sich zwischen uns auszubreiten, nachdem wir die zweite Flasche geöffnet und ich mich von meinen Plänen für einen entspannten Lektüreabend verabschiedet hatte. Wir hatten damit begonnen, Limericks zu dichten, als das Telefon klingelte.
»Ein frisch geprägter Fünfer für das Mädchen, das mir sagt, was ein Mann namens Nathaniel mit dem Spaniel getan hat«, rief Lady Hardcastle mir hinterher, als ich in den Flur ging, um das Telefon abzuheben.
Es war Lady Bickle.
»Hallo, Florence, meine Liebe«, sagte sie. Ich war mir nicht ganz sicher, wann ich mich von Miss Armstrong in Florence verwandelt hatte, aber es bewies ein gewisses Maß an Akzeptanz, was mich auf seltsame Weise befriedigte. »Wie gehen Ihre Ermittlungen denn voran?«
»Nicht schlecht, Mylady. Wir haben heute Mrs. Crane einen Besuch abgestattet.«
»Und, wie war sie so?«
»Unhöflich. Und sie hatte eine unbegründet hohe Meinung von ihrer eigenen Wichtigkeit.«
»Ja, ich glaube, ich hab sie mal auf irgendeiner Veranstaltung kennengelernt, zu der Ben mich mitgeschleppt hat. Wenn wir von derselben Person sprechen, hat sie ein widersprüchliches Gesicht.«
»Wie meinen Sie das?«
»Es sieht sehr schön aus, und man könnte es in ergriffener Bewunderung stundenlang anstarren, aber sobald sie den Mund aufmacht, überkommt einen der unwiderstehliche Drang, dieses wunderschöne Gesicht zu ohrfeigen, bis ihr die Zähne klappern.«
»Das ist sie«, bestätigte ich kichernd. »Aber als wir erst einmal den Drang niedergekämpft hatten, sie zu ohrfeigen, hat sie uns verraten, was wir wissen mussten. Crane ist nicht der, nach dem wir suchen. Er war die ganze Nacht über zu Hause.«
»Wie schade«, entgegnete sie. »Ich hatte eigentlich gehofft, dass er es gewesen ist. Ach, na ja. Ich habe in der Zwischenzeit auch Jimmy Stansbridge getroffen. Ich hab ihm ein Dinner und ein, zwei Gläser des am wenigsten ungenießbaren Rotweins im Club spendiert, und als Gegenleistung hat er mir errötend gestanden, was er an jenem Abend getrieben hat, nachdem er aus dem Club verschwunden ist.«
»Und was war das?«, fragte ich.
»Er hat einem – wie meine liebe Mutter sich auszudrücken pflegte – gefallenen Mädchen einen Besuch abgestattet. Wie ich inzwischen weiß, gibt es ein entsprechendes Etablissement in einem Haus in Cotham, das anspruchsvollen Herren gewisse Dienstleistungen anbietet.«
»Haben Sie die Adresse?«
»Habe ich, ja. Warum?«
»Wir schauen da mal vorbei und fragen, ob sie seine Geschichte bestätigen kann. Hat er Ihnen ihren Namen verraten?«
»Molly«, antwortete sie. »Aber das machen Sie nicht, oder? Nicht wirklich?«
»Doch, natürlich. Die meisten von ihnen sind sehr liebenswürdig, wenn man sie respektvoll behandelt. Die Leiterinnen können ein bisschen ungestüm werden, aber keiner von ihnen ist es jemals gelungen, uns in irgendeiner Weise zu verletzen. Bei unserer früheren Arbeit waren Bordelle stets eine ausgezeichnete Informationsquelle. Man pflegt dort eine gesunde Geringschätzung für die regulären Hüter von Gesetz und Ordnung, aber uns gegenüber war man stets sehr hilfsbereit. Ich sage Lady Hardcastle Bescheid, dann fahren wir dort vorbei und unterhalten uns kurz mit ihr.«
»Was willst du Lady Hardcastle sagen?«, fragte eine laute Stimme hinter mir. »Ist das Georgie Bickle?«
»Ja, Mylady. Möchten Sie mit ihr sprechen?«
»Gern.«
»Lady Hardcastle ist da«, sagte ich ins Telefon. »Danke für die Auskunft, es war nett, mit Ihnen zu telefonieren.«
»Ganz meinerseits, meine Liebe«, erwiderte Lady Bickle.
»Ich reiche Sie weiter«, sagte ich und gab Lady Hardcastle den Hörer.
Dann ließ ich sie miteinander plaudern und kehrte zum Wein zurück.
Einige Minuten später steckte Lady Hardcastle den Kopf herein.
»Ich glaube, wir sollten uns in den Rückzugssalon zurückziehen. Könntest du ein bisschen Käse und Cracker vorbereiten? Und vielleicht noch ein bisschen Portwein, wenn wir mit dem roten durch sind. Wir müssen ein paar unserer Limericks vertonen.«
Also zogen wir uns in den Salon zurück und hatten einen ausgelassenen Abend, an dem wir beleidigende Lieder über die Männer in Brookfields Notizbuch sangen.
Am nächsten Morgen erhielten wir einen Überraschungsbesuch. Inspektor Sunderland war gerade in der Gegend und dachte, er könne mal bei uns vorbeischauen, um nachzufragen, wie wir vorankämen. Ich setzte ihn in den Salon vor die Verbrechenstafel und gab Miss Jones Bescheid, sie solle eine Kanne Kaffee aufsetzen. Von Lady Hardcastle keine Spur.
»Ist sie hier vorbeigekommen?«, fragte ich.
»Lady Hardcastle?«, fragte Miss Jones. »Sie ist vor ungefähr einer halben Stunde in ihr Studio gegangen. Sie hat mich gefragt, welche Art Hut ein Igel meiner Meinung nach tragen würde, war aber schon zur Tür hinaus, bevor ich ihr eine Antwort geben konnte.«
»Was für eine Art Hut hätten Sie denn ausgewählt?«
»Ich habe Igel immer für wählerische kleine Zeitgenossen gehalten. Eher steif. Ich hab ihn mir in einer kleinen Weste mit Melone vorgestellt. Aber bis mir das in den Sinn gekommen war, habe ich schon die Tür zur Orangerie zuschlagen hören.«
»Danke. Ich hole sie. Wir brauchen da draußen wirklich ein Telefon. Im Sommer macht es ja Spaß, kurz rauszugehen, aber um diese Jahreszeit ist man schon fast erfroren, bevor man halb durch den Garten ist.«
Also kam ich drei Minuten später mit der Hausherrin im Schlepptau wieder in die warme Küche und versuchte, ein wenig Leben in meine tauben Finger zu kneten.
»Ich habe den Inspektor in den Salon geführt«, sagte ich. »Möchten Sie sich noch umziehen, bevor Sie mit ihm Kaffee trinken?«
Sie sah an ihrem schmutzigen Overall hinab. »Nein«, entschied sie dann. »Er ist schließlich Polizist. Ich bin sicher, dass er schon weitaus Schlimmeres zu Gesicht bekommen hat.«
Ich ließ sie hinübergehen, um unseren Besucher zu begrüßen, während ich Miss Jones dabei half, ein Tablett zusammenzustellen.
Einige Minuten später fand ich sie dann vor der Verbrechenstafel stehend vor. Inspektor Sunderland zeigte mit dem Mundstück seiner Pfeife darauf.
»Crane und Stansbridge sind also entlastet, während Hinkley und Morefield sich gegenseitig ein Alibi verschaffen.«
»So lautet die vereinfachte Version, ja«, bestätigte Lady Hardcastle. »Obwohl wir Stansbridges Alibi noch nicht bestätigen konnten – wir müssen uns erst mit der Prostituierten treffen, mit der er angeblich den Abend verbracht hat.«
»Sollte ich darüber etwas wissen?«
»Ich bin mir nicht sicher. Wissen Sie denn schon über das Bordell in der Cotham Road Bescheid?«
»Wir sind uns der Existenz dieser Einrichtung durchaus bewusst«, sagte er kichernd. »Aber wir schauen weg. Zum Teil weil es eins der ordentlicheren unordentlichen Häuser in der Stadt ist, aber vor allem weil wir dort wahrscheinlich auf eine ganze Anzahl bürgerlicher Würdenträger und leitender Angestellter der Polizei selbst stoßen würden, die die Einrichtung frequentieren.«
»Dann ist es also in Ordnung. Wir besuchen Molly später. Irgendwann werden wir uns auch mit Gordon Horden unterhalten müssen, aber ich bin noch nicht sicher, wann.«
»Er ist ein netter alter Kerl«, sagte der Inspektor.
»Den kennen Sie auch?«
»Ich bin bei der Polizei, Mylady. Es ist meine Pflicht, alle zu kennen.«
»Wohl wahr, mein lieber Inspektor, wohl wahr.«
»Es gibt übrigens Kaffee«, warf ich ein. »Und etwas von Miss Jones’ Ingwerkuchen.«
»Guten Morgen, Miss Armstrong«, sagte der Inspektor. »Tut mir leid, ich habe Sie dort gar nicht stehen sehen.«
»So geht es uns armen Dienstmägden immer. Wir werden ignoriert, während sich die feinen Herrschaften über wichtige Dinge unterhalten, als ob wir gar nicht da wären.«
»Armer schwarzer Kater«, sagte Lady Hardcastle. »Gibt es irgendetwas, das du noch hinzufügen möchtest, wo wir dich jetzt einmal bemerkt haben?«
»Nein danke. Ich glaube, Sie haben es so ziemlich im Griff. Es ist allerdings ein bisschen frustrierend, nicht wahr?«
»Was denn?«, fragte der Inspektor.
»Na ja, wir können uns nur auf Mr. Brookfields Notizbuch stützen, und die Verdächtigen darin scheinen allesamt Reinfälle zu sein.«
»Willkommen in der Welt der Polizeiarbeit. Meistens kriegen wir noch nicht einmal eine Liste möglicher Verdächtiger. Sie machen das gut, würde ich sagen. Und Sie haben dem verstorbenen Mr. Brookfield geholfen, ein bisschen Licht in die schmuddeligeren Ecken der Stadt zu bringen. Ich werde mir zu gegebener Zeit selbst mal die Geschäfte von Mr. Redvers Hinkley vornehmen. Was den Ratsherrn Morefield betrifft … nun, ich vermute, dass es viele aufrechte Mitglieder der Gemeinde geben wird, die sich mir aufrecht in den Weg stellen werden, aber seine Unternehmungen müssen trotzdem demnächst unter die Lupe genommen werden.«
»Na, dann hat das Ganze doch immerhin etwas Gutes«, erwiderte ich.
»Vielleicht. Aber das führt mich auch zum Hauptgrund für meinen Besuch. Haben Sie gerade gesagt, dass es Ingwerkuchen gibt?«
»Den besten von Miss Jones«, bestätigte ich. »Und das ist der Hauptgrund für Ihren Besuch?«
»Natürlich nicht. Aber Ingwerkuchen mag ich schon sehr gern. Darf ich?«
»Bedienen Sie sich«, sagte Lady Hardcastle.
Wir setzten uns und warteten, bis der Inspektor gekaut und heruntergeschluckt hatte.
»Kennen Sie eine Organisation mit dem Namen Männerliga gegen das Frauenwahlrecht?«, fragte er irgendwann. »Und großes Kompliment an Miss Jones – das hier ist ein vorzüglicher Kuchen.«
»Wir haben von ihnen gehört«, erwiderte Lady Hardcastle. »Georgie Bickle hat uns erzählt, dass Ihr Lieblingsratsmitglied Anführer des Ortsvereins ist.«
»Nathaniel Morefield ist ihr Vorsitzender, ja. Ihre Treffen halten sie immer dienstagabends ab, und einer unserer Leute ist gestern hingegangen. Wir sind politisch nicht auf derselben Wellenlänge, aber wir kommen trotzdem ganz gut miteinander aus, also ist er heute Morgen zu mir gekommen. Er weiß, dass ich mit Ihnen bekannt bin …«
»Es ist doch inzwischen schon eher eine Freundschaft, hoffe ich«, unterbrach ihn Lady Hardcastle.
»Sie sind sehr freundlich. Aber da er von unserer Verbindung weiß, hielt er es für seine Pflicht, mir mitzuteilen, dass Sie namentlich beim Treffen der Liga erwähnt worden sind.«
»Ich?«, staunte sie. »Aber warum das denn?«
»Sie beide. Der versammelten Mannschaft wurde eingeschärft, dass Sie auf einer Art Kreuzzug sind, um die Mitglieder der Liga in Misskredit zu bringen, und dass sie sich deshalb alle in Acht nehmen sollten.«
»Donnerwetter, wie aufregend. Und ein bisschen verleumderisch.«
»Sind irgendwelche Drohungen ausgesprochen worden?«, fragte ich.
»Diese Männer wären nicht so dumm, in einer öffentlichen Sitzung offene Drohungen auszusprechen, aber mein Kollege hat einige der weniger bedächtigen Mitglieder beim Gespräch darüber belauscht, wie sie Sie in Ihre Schranken weisen könnten. Habe ich das denn richtig verstanden – hatten Sie vor Kurzem einen Zusammenstoß mit ein paar Studenten?«
»Es hat eine kleine Auseinandersetzung gegeben«, gab ich zu.
»Also waren Sie es tatsächlich«, erwiderte er lachend. »Das habe ich mir schon gedacht. Es ging wie ein Lauffeuer durch das gesamte Präsidium – die Jungs fanden es unheimlich lustig. Wir kannten den Burschen, wissen Sie? Ihm sind schon oft ziemlich ernst die Leviten gelesen worden, weil er immer wieder andere belästigt hat, und es war ein echtes Vergnügen zu erfahren, dass er von einer eins fünfzig großen Frau vermöbelt worden ist.«
»Ich habe ihn nicht einfach vermöbelt, ich habe ihn k. o. geschlagen. Falls er mich allerdings anzeigen will, war ich letzten Montagabend nicht mal in der Nähe der Victoria Rooms, ich habe nie einem Studenten einen Kinnhaken verpasst und weiß überhaupt nicht, wovon er redet.«
»Darum müssen Sie sich keine Sorgen machen«, erwiderte der Inspektor. »Aber die Geschichte ist der Liga zu Ohren gekommen, und meinem Kollegen zufolge hat es unter ihnen einen oder zwei gegeben, die Ihnen eine Lektion erteilen wollen.«
»Ich glaube nicht, dass sie mir viel beizubringen hätten, aber danke für die Warnung.«
Dann wandte er sich an Lady Hardcastle. »Ich habe keine Zweifel, dass sie recht hat, aber vielleicht glauben sie, dass Sie ein leichteres Ziel abgeben. Sie sollten beide aufpassen.«
»Das tun wir, mein lieber Inspektor, das tun wir.«
Wir versuchten, Inspektor Sunderland zu überreden, zum Lunch zu bleiben, aber er lehnte ab. Anscheinend gab es noch andere Fälle, um die er sich kümmern musste, und er hätte eigentlich überhaupt nicht in Littleton Cotterell sein dürfen. Wir aßen also allein und versuchten zu entscheiden, wann wir dem Freudenhaus in Cotham einen Besuch abstatten sollten.
»Die Bordelle in London scheinen um die Mittagszeit ziemlich zu brummen«, sagte Lady Hardcastle. »Ich denke also, dass wir am Nachmittag nicht unwillkommen sein werden, wenn der Mittagsandrang vorbei ist und das Abendgeschäft noch nicht richtig eingesetzt hat.«
»Hört sich für mich nach einem Plan an«, sagte ich. »Erinnern Sie sich noch an das Haus in Mayfair, wo wir den Kerl aus der deutschen Botschaft in die Enge getrieben haben? Da war morgens um elf schon die Hölle los.«
»Ich erinnere mich. Das ist ein lustiger Morgen gewesen, muss ich schon sagen. Mit all den wichtigen Politikern, die wir dort angetroffen haben, hätte man glatt ein Kabinettstreffen abhalten können. Ich bin allerdings nicht sicher, ob das immer so ist. Was denkst du, sollen wir um vier herum hingehen?«
Das war dann auch genau, was wir taten. Die Cotham Road bot ausreichend Parkmöglichkeiten, bei denen aber immer noch genug Platz für den durchfahrenden Verkehr blieb. Die Adresse war ein ganz gewöhnliches Haus an einer respektablen Wohnstraße. Wir gingen zur Tür und klingelten.
Fast umgehend wurde uns von einer modisch gekleideten Frau ungefähr in Lady Hardcastles Alter geöffnet. Ihr Ton war höflich, aber misstrauisch.
»Guten Tag, die Damen«, sagte sie. »Was kann ich für Sie tun?«
»Ich bin Lady Hardcastle, und das ist Miss Florence Armstrong. Wir sind in einer heiklen Angelegenheit hier – wenigstens unter Umständen heikel. Wäre es möglich, dass wir uns drinnen privat unterhalten?«
Die Besitzerin des Hauses musterte uns von Kopf bis Fuß, während sie die Bitte erwog. »Einverstanden«, sagte sie schließlich. »Kommen Sie rein. Aber ich warne Sie gleich vor, ich habe keine Ahnung, wo Ihr Mann ist.«
»Diesbezüglich bin ich informiert«, erwiderte Lady Hardcastle fröhlich. »Der ist vor etwas über zehn Jahren in Shanghai begraben worden. Wenigstens nehme ich das an. Ich konnte an seinem Begräbnis leider nicht teilnehmen.«
Die Frau führte uns am Salon vorbei, in dem ich einen Blick auf ein paar ähnlich gut gekleidete junge Damen werfen konnte, die plaudernd auf einem ausladenden Sofa saßen und mir kurz zuwinkten, als wir vorbeikamen. Wir gingen einen Korridor entlang bis zu einem kleinen Raum im hinteren Teil des Hauses.
»Tee?«, fragte die Frau, nachdem sie uns einen Sessel angeboten hatte.
»Wenn Sie einen haben, sehr gern. Aber machen Sie sich keine Umstände«, erwiderte Lady Hardcastle.
»Es macht keine Umstände«, sagte die Frau. Sie zog an einem Glockenseil neben dem Kamin, und kurz darauf trat ein Zimmermädchen ein. Nachdem sie den Tee bestellt hatte, setzte sich die Frau uns gegenüber hin.
»Tut mir leid, ich habe mich noch gar nicht vorgestellt. Mein Name ist Jemima Tooks, aber die meisten nennen mich Madam Jemima.«
»Sehr erfreut«, sagten Lady Hardcastle und ich wie aus einem Mund.
»Vergeben Sie mir bitte, wenn das unverschämt klingt«, sagte Madam Jemima, »aber wenn Sie beide jemals Arbeit suchen sollten, kommen Sie bitte direkt zu mir. Ich habe ein paar Stammgäste, die Sie beide einfach lieben würden.«
»Das ist sehr schmeichelhaft«, sagte Lady Hardcastle. »Wir behalten es auf jeden Fall im Hinterkopf.«
»Aber darum sind Sie nicht hier. Und nach einem herumstreunenden Ehemann suchen Sie auch nicht … Was führt Sie also zu mir? Sagen Sie bitte nicht, dass Sie hier sind, um meine Mädchen zu retten.«
»Nichts dergleichen«, entgegnete Lady Hardcastle. »Aber wir würden gern mit einer von ihnen sprechen, wenn sie dazu bereit ist.«
»Aha? Und mit welcher genau?«
»Uns wurde der Name Molly genannt.«
»Bei uns gibt es eine Molly. Was wollen Sie von ihr?«
Schnell und prägnant skizzierte Lady Hardcastle unseren bisherigen Fall. Sie begann mit dem Brand und Lizzie Worrels Inhaftierung und endete mit unserer enttäuschenden Liste von Verdächtigen und dem Alibi des ehrwürdigen Jimmy. Sie war gerade in dem Moment fertig, als das Hausmädchen mit dem Teetablett zurückkehrte.
»Aus offensichtlichen Gründen muss ich mich von Politik fernhalten«, erklärte Madam Jemima. »Stellen Sie sich nur die roten Gesichter und das nervöse Gemurmel vor, wenn ich einen meiner Stammgäste in der Versammlungshalle treffen würde. Aber ich habe ein paar diskrete anonyme Spenden an die WSPU geleistet. Wenn ich irgendwie dabei helfen kann, eine unschuldige Suffragette aus dem Gefängnis zu befreien, haben Sie meine Unterstützung sicher. Aber ich kann keins meiner Mädchen dazu zwingen, Ihnen zu helfen. Sie sind selbstständige Vertragsnehmerinnen, die unter meinem Schutz stehen, nicht unter meinem Befehl. Ich sage Molly, was Sie mir erzählt haben, dann kann sie selbst entscheiden, ob sie mit Ihnen sprechen will. Mehr kann ich nicht tun.«
»Und mehr können wir auch nicht von Ihnen erwarten«, erwiderte Lady Hardcastle. »Danke.«
»Falls es Ihnen nichts ausmacht, hier ein paar Minuten zu warten, gehe ich nach oben und rede mit ihr. Sollte sie zustimmen, schicke ich sie runter. Ich sollte Sie aber gleich vorwarnen …«
»Aha?«, sagte Lady Hardcastle.
»Molly ist eine unserer Spezialistinnen. Lassen Sie sich also nicht von ihrem Aufzug verwirren.«
Sie ging und schloss die Tür hinter sich.
»Ich frage mich, was das zu bedeuten hatte«, sagte ich, als wir allein waren.
»Könnte alles Mögliche sein«, erwiderte Lady Hardcastle. »Wenn ich mich recht entsinne, habe ich gesehen, dass eins der Mädchen im Mayfair-Haus als Kuh verkleidet war.«
Wir mussten nicht lange rätseln, bevor sich die Tür wieder öffnete. Eine bebrillte Gouvernante trat ein, ihre hochgeschlossene Bluse war gestärkt, und ihre Absätze klapperten bedrohlich auf dem gefliesten Boden.
»Hallo, meine Lieben«, sagte sie mit warmer, freundlicher Stimme, die in vollkommenem Widerspruch zu ihrer strengen Erscheinung stand. »Madam Jemima hat gesagt, dass meine Hilfe gebraucht wird.«
»In der Tat«, erwiderte Lady Hardcastle. »Bitte, setzen Sie sich.«
Die junge Frau ließ sich in dem Sessel nieder, den ihre Arbeitgeberin kürzlich frei gemacht hatte, und nahm ihre Brille ab.
»Die ist nicht echt«, erklärte sie und steckte sie in die Tasche ihres Tweedrocks. »Nur eine kleine Requisite. Also, was kann ich für Sie tun?«
»Es geht um einen Ihrer Kunden«, erklärte Lady Hardcastle. »Da Ihr Beruf auf Diskretion basiert, verstehen wir, falls Sie nichts sagen wollen. Er war allerdings derjenige, der uns Ihren Namen genannt hat, Sie würden uns also nichts verraten, was er nicht selbst bereits zugegeben hat.«
»Um wen geht es denn?«, fragte Molly.
»Sie kennen ihn vielleicht als Jimmy.«
»Der ehrlose Jimmy?«, fragte sie. »Den kenne ich. Er ist einer meiner frechen Bengel.«
»Großartig«, sagte Lady Hardcastle. »In der Brandnacht – am fünfundzwanzigsten des letzten Monats also – hat er ausgesagt, seinen Club um ungefähr zehn Uhr verlassen zu haben und zu Ihnen gegangen zu sein. Ich nehme nicht an, dass Sie sich daran erinnern?«
Die junge Frau angelte in der anderen Tasche ihres Rocks herum und zog einen kleinen schwarzen Kalender daraus hervor, den sie durchzublättern begann. »Der Fünfundzwanzigste?«, fragte sie. »Das war ein Dienstag, oder?«
»Genau.«
»Ja, da haben wir ihn. Der ehrlose Jimmy um Viertel nach zehn. Er war hier.«
»Ich nehme nicht an, dass Sie auch verzeichnet haben, wann er wieder gegangen ist?«
»Mal sehen. Nun, ich hatte … Eigentlich ist es wohl besser, dass ich nicht sage, wen … Ich hatte eine Verabredung mit einem weiteren frechen Bengel um elf, also muss er zu diesem Zeitpunkt auf jeden Fall weg gewesen sein.«
»Vor elf?«, fragte ich. »Das bedeutet, er hatte ausreichend Zeit, um in die Thomas Street zu gehen, selbst zu Fuß.«
»Er hat sich wahrscheinlich für eine Weile nicht setzen wollen, also ist er vielleicht wirklich lieber gelaufen«, sagte Molly mit einem schelmischen Glitzern in den Augen.
»Das ist außerordentlich hilfreich«, sagte Lady Hardcastle. »Vielen herzlichen Dank.«
»Gern geschehen«, erwiderte Molly fröhlich. »Den Suffragetten helfe ich immer gern. Ist das alles, was Sie wissen wollten?«
»Ist es, ja, danke.«
»Dann gehe ich mal besser wieder zurück in die Kinderstube«, sagte Molly.
Kurz darauf kam Madam Jemima wieder.
»Haben Sie alles, was Sie brauchen?«, fragte sie.
»Haben wir«, erwiderte Lady Hardcastle. »Sie waren noch hilfreicher, als wir erwarten durften. Vielen Dank. Und danken Sie auch Molly noch einmal in unserem Namen, ja?«
»Natürlich. Und jetzt möchte ich nicht ungastlich erscheinen, aber der Andrang nach Feierabend setzt gleich ein, und unsere Kunden sind ein scheuer Haufen.«
»Natürlich. Sie möchten nicht, dass Leute wie wir hier herumlaufen.«
»Na ja …«, sagte die Bordellbetreiberin gedehnt und musterte uns beide noch einmal interessiert. Zum Glück ließ sie ihren Satz unvollendet.